Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Krebsarten > Brustkrebs

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 12.07.2006, 14:08
brigitte.d brigitte.d ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 24.06.2006
Beiträge: 17
Standard Tumortherapie: Schnitt in die Seele

DAchte, daß könnte euch interessieren?


Psychoonkologie

Tumortherapie: Schnitt in die Seele

Die Therapie gynäkologischer Tumoren greift häufig in die Lebensplanung der Patientin ein und stört ihr seelisches Gleichgewicht. Worauf es beim beratenden Gespräch ankommt, erklärt Dr. Dipl.-Psych. Evelyne Schultz-Gambard, München.

Im Dialog mit der Patientin gilt es zu klären, was eine Mastektomie für sie bedeuten würde. Foto: Krebsliga Schweiz


04.07.06 - Die meisten Frauen erfahren die Diagnose Krebs in der Praxis von „ihrem“ Gynäkologen. In dieser Situation erhoffen oder erwarten alle, dass sich der Arzt bei der Mitteilung der Diagnose besonders Zeit für das Aufklärungsgespräch nimmt. Auch im weiteren Therapieverlauf und in der Phase der Nachbehandlung wünschen sie, dass er nicht nur die somatische, sondern auch die psychoonkologische Seite der Erkrankung sieht und thematisiert.

Was bedeutet Psychoonkologie in der gynäkologischen Praxis? Es geht dabei nicht um eine weitere Disziplin oder Fachrichtung, sondern vielmehr um eine Einstellung, eine Haltung des medizinischen Betreuers, die über das somatische Fachwissen hinaus auch das Seelische, das Psycho-soziale, mit einbezieht. Dieses Vorgehen unterscheidet sich zwar vom naturwissenschaftlich-technisch-statistischen Denken des Mediziners, wird aber nicht unwissenschaftlich, nur weil es dieses andere Phänomen mit einbezieht. Es geht vielmehr darum, die spezifischen psychoonkologischen Problembereiche von Frauen mit Mammakarzinomen oder mit genitalen Neoplasien zu kennen. Und es geht um die Entscheidung, dieses Wissen in Form eines supportiven Beziehungsangebots in die Behandlung mit einzubeziehen.
Dies beinhaltet eine Wertschätzung gegenüber dem ganz subjektiven Erleben der Patientin. Es bedeutet, die vielfältigen Emotionen wahrzunehmen, sie auch anzusprechen, auf sie einzugehen. Und es bedeutet auch, bestimmte Schwierigkeiten und deren subjektive Relevanz für das alltägliche Leben der Patientin zu kennen und diese nicht als weniger wichtig, sondern in realistischer Zuversicht einzustufen.
Dies setzt voraus, dass sich der Arzt mit der Welt der an Krebs erkrankten Frau auseinandersetzt und – idealerweise – über Gesprächsführungs- und Selbstreflektionstechniken verfügt.

Frauen mit Tumorerkrankungen der weiblichen Organe müssen sich nicht nur mit einer lebensbedrohlichen Krankheit auseinandersetzen. Zusätzlich sind sie in ihrer weiblichen Identität, in ihrem Selbstwertgefühl und in ihrer Sexualität betroffen - und zwar weitgehend unabhängig von ihrem Alter.

Ein unversehrter Körper ist ein wesentlicher Faktor im Selbstbild eines Menschen. Führt ein Ereignis wie zum Beispiel eine ablatio mammae oder eine tumorbedingte Hysterektomie zu einer bleibenden Veränderung des Körpers, welche die Frau als Verstümmelung empfindet, so kann dies das Identitätserleben nachhaltig stören und zu einer massiven Krise des Selbstwertgefühls führen. Patientinnen erleben sich als nicht mehr vollwertige Frauen, entwickeln Ängste vor einem Verlust oder einer Abnahme an emotionaler Zuwendung, an sexuellen Kontakten und an freier Lebensgestaltung.

Abhängig vom soziokulturellen Umfeld können diese Ängste unterschiedlich ausgeprägt sein und geäußert werden. Ob diese Belastungsreaktionen transitorischer Art sind oder sich zu Anpassungsstörungen mit eigenem Krankheitswert entwickeln, hängt unter anderem ab von der Persönlichkeitsstruktur der Patientin und den Ressourcen, die sie zur Verfügung hat. So können zum Beispiel ein stabiles Selbstwertgefühl, Erfahrungen früherer erfolgreich bewältigter Krisen, Halt im Glauben und soziale Unterstützung von Familie und Freunden wesentlich dazu beitragen, dass sie die traumatische Krankheitserfahrung langfristig in die eigene Lebensgeschichte integrieren kann.

Brustkrebs

Die meisten Frauen haben bei der Diagnose Brustkrebs Angst, dass eine Amputation der Brust erforderlich ist. Viele befürchten eine dauerhafte Verunstaltung und den Verlust an Attraktivität, dass sich der Partner abwendet oder dass sie keinen Partner mehr finden. Sie sprechen aber nicht darüber, weil sie in Anbetracht der lebensbedrohlichen Erkrankung nicht als eitel oder oberflächlich gelten wollen.

Im Dialog mit der Patientin ist daher zu klären, was für sie eine Mastektomie bedeuten würde. Für die eine Frau mag der Eingriff eine unzumutbare Belastung darstellen, die andere erlebt eher eine Bestrahlungstherapie als extrem bedrohlich. Hier ist es sinnvoll, die Möglichkeiten einer simultanen oder späteren Rekonstruktion der Brust, aus Eigengewebe oder durch Implantate, und Alternativen dazu wie Prothesen verschiedener Art, unter Umständen auch mit Fotomaterialien, zu zeigen. Bei genauer Darstellung von Für und Wider einer Behandlungsmöglichkeit sind Patientinnen leichter in der Lage, eine eigene Entscheidung für ein Operationsverfahren zu treffen. Sie profitieren von dieser Wahlmöglichkeit, bleiben langfristig entscheidungssicher.

In der adjuvanten Therapie des frühen Mammakarzinoms kommt eine endokrine Behandlung, nicht nur bei post- sondern auch bei prämenopausalen Frauen immer häufiger zur Anwendung. Diese langfristige Therapie über circa fünf Jahre hat oftmals weitreichende Auswirkungen: nicht nur auf das aktuelle Befinden und auf die Partnerschaft, sondern unter Umständen auch auf das Lebenskonzept. Junge Frauen werden in die Wechseljahre katapultiert, erleben plötzlich neben Hitzewallungen und Schlafstörungen oft auch den Verlust der Libido, was wiederum die Partnerschaft belastet.

Dabei können auch Partner, die voller Verständnis für die Ausnahmesituation, in der sich die Frau zum Beispiel während der Chemotherapie befindet, mit langfristigen Veränderungen große Probleme entwickeln.

Genitale Tumorerkrankungen

Tumorerkrankungen wie Zervix-, Korpus- oder Vulvakarzinom werfen häufig Fragen zu möglichen Problemen, Behinderungen oder Empfindungsveränderungen beim Intimverkehr auf. Nicht zuletzt aus der Vorstellung heraus, dass angesichts der mit der Krankheit verbundenen Todesgefahr die Sexualität ein zweit- oder drittrangiges Problem darstellt, sprechen nicht nur Patientinnen, sondern auch die behandelnden Ärzte diesen Bereich häufig nicht an.

Fragen dazu stehen aber immer im Raum. Der Arzt sollte sie deshalb, unabhängig vom Alter der Patientin, thematisieren. Er sollte zu erwartende und auch nicht zu erwartende anatomische Veränderungen, mögliche vorübergehende oder bleibende sexuelle Beeinträchtigungen erläutern. Umso leichter wird es für die Patientin, konkrete Probleme oder Ängste zu äußern. Es erleichtert die Patientinnen, wenn sie hören, dass sie mit ihren Problemen, Ängsten oder Befürchtungen nicht allein sind, sondern dass es der Mehrzahl ihrer Leidensgenossinnen ähnlich ergeht.
Gynäkologische Tumoren, die die Fortpflanzungsfähigkeit unmittelbar betreffen, wie zum Beispiel Korpus- oder Ovarialkarzinom, stellen vor allem Frauen, die ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben, vor besondere Probleme: Das eigene Rollenverständnis, das bei jungen Frauen vielfach noch nicht klar umrissen ist, wird schon im Ansatz in Frage gestellt beziehungsweise eingeengt. Dazu kommen häufig enttäuschte bis resignative Äußerungen aus dem nächsten sozialen Umfeld. Trauerreaktionen bis hin zu depressiven Reaktionsbildungen können hier auftreten.

Psychoonkologische Gespräche sollten unbedingt in einer ruhigen, empathischen, zeitlich nicht zu eng begrenzten Atmosphäre stattfinden, in der es genügend Raum für Gefühlsäußerungen gibt. Der Arzt sollte die möglichen psychischen Verletzungen, die durch die verschiedenen Therapieschritte entstehen können, einschätzen und ansprechen. Es empfiehlt sich, wenn irgend möglich und wenn die Patientin es befürwortet, den Partner oder eine andere nahe stehende Person an dem Gespräch teilhaben zu lassen. Damit ist einerseits der Informationsaustausch besser gewährleistet und andererseits die emotionale Unterstützung außerhalb der Praxis nahtlos gegeben.

Wenn aufgrund der unmittelbaren psychischen Reaktion oder im Gesamtverlauf der Behandlung deutlich wird, dass ein stützendes ärztliches Gespräch für die Patientin nicht ausreicht, weil sie eine behandlungsbedürftige Störung entwickelt (womit nach Stefanek et al. in circa 20 bis 30 Prozent der Fälle zu rechnen ist), dann möge der Arzt die Patientin direkt an eine Beratungsstelle oder einen onkologisch erfahrenen Psychotherapeuten überweisen. Es empfiehlt sich, eine Sammlung von Adressen und Telefonnummern von Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und onkologisch erfahrenen, niedergelassenen Psychotherapeuten (nicht jeder Psychotherapeut arbeitet mit onkologischen Patienten!) anzulegen, die der Patientin bei Bedarf sofort an die Hand gegeben werden können und an die sie sich ohne lange Wartezeit wenden kann.

Dr. Dipl.-Psych. Evelyne Schultz-Gambard, Frauenklinik der TU München, Klinikum rechts der Isar, Ismaningerstr. 22, 81675 München Tel.: (0 89) 41 40-24 12 Fax: (0 89) 41 40-48 11, e-mail: e.schultz-Gambard@lrz.tu-muenchen.de



Alles Liebe brigitte
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 02:48 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55