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  #1  
Alt 01.01.2013, 22:23
Larimari Larimari ist offline
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Beiträge: 157
Standard Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Nachdem ich nicht weiß, wie man einen Thread schiebt, und zu faul bin, mich irgendwie bei den Admins bemerkbar zu machen, fange ich einfach einen neuen Thread an. Im Angehörigenthread ist so viel Angst und Hoffnung, und noch mehr Angst, das ist wirklich schwer mit anzusehen. Und es liefert viel Stoff für blöde Hirnaktivitäten. Schließlich bin ich jetzt traumatisiert, wie es scheint, und jedes Hüstelchen und jedes Wehwechen meiner Lieben, also derer, die noch übrig sind, wird zum Krebs, zum Herzstillstand oder einem sonstigen Todesurteil. Ich hab grad Verlustängste, die sind kaum in Worte zu fassen.

Ich hab am 03.11. meinen Dad an ein kleinzelliges Bronchialkarzinom verloren, naja, eigentlich an ein paraneoplastisches Syndrom, aber das macht das ganze nur noch tragischer... Am 21.12. starb mein Bruder an Herzversagen. Er war nach einem Unfall schwerstbehindert, und wurde die letzten 21 Jahre von meinen Eltern toll gepflegt. Nachdem mein Dad gegangen war, war die häusliche Pflege nicht mehr darzustellen. Und nach etwas mehr als anderthalb Monaten im Heim, vier fiesen Infekten, hat das Herz meines Bruders beschlossen, dass es nicht mehr kann...
Wer mehr wissen mag, die Sorge um sich selbst im Angehörigenforum beinhaltet die ganze Geschichte.

Es fällt mir im Augenblick sehr schwer, positives im Alltag zu sehen. Auch wenn ich nicht exzessiv trauere. Da beide Todeskandidaten waren, die nicht zu retten waren, und jeder dieser Tode auch eine enorme Erlösung war, kann ich von einem halbwegs rationalen Standpunkt nicht trauern. Denn diese Trauer wäre immer selbstsüchtig. Dieser Standpunkt ist allerdings einer, den ich nicht konsequent einnehmen kann. Im Gegenteil. Ich merke, wie ich mich manchmal selbst verliere an die Gedanken um meine Jungs. Und diese Ahnung, - ich weiß, es ist keine Ahnung, es ist Gewissheit, nur hab ich manchmal dazu keinen Zugang - dass ich die beiden nie wieder sehen werde, dass ich mit meinem Vater nie wieder sprechen werde, die macht mich fertig. Die macht mir solche Angst, dass ich manchmal nicht weiß, wohin mit mir...

Und es wird nicht besser...
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  #2  
Alt 01.01.2013, 23:13
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hey Mari,

der rationale Standpunkt ist nur eine Seite, deine Gefühle sind ja auch noch da. Wenn jemand innerhalb so kurzer Zeit so viel Verlust hinnehmen muss, dann ist es vielleicht eine normale Reaktion, dass man nicht die ganze Trauer zulassen kann, weil sie einen sonst umzureißen droht... Ich weiß es nicht. Ich denke immer, dass die Gefühle scheibchenweise in uns hochsteigen, so wie unsere Seele sie eben verkraften kann.

Ich finde es gut, wenn du hier weiter schreibst. Hier kannst du immerhin alles loswerden, was dich bewegt und musst keine Rücksicht nehmen. Dass du derzeit kaum etwas Schönes wahrnehmen kannst, finde ich nur allzu verständlich. Die letzte Zeit war einfach sehr traurig und schwer für dich und auch für deine Mama. Es wird dauern, bis du wieder nach vorn schauen kannst. Auch wenn der Kopf versteht, was geschehen ist und der Verstand sagt, dass es besser so ist, weil dein Dad nun keine Schmerzen mehr hat und auch dein Bruder seinen Frieden gefunden hat, so vermisst du die beiden doch unbeschreiblich. Diese Erkenntnis, dass du sie hier nie wieder sehen wirst, sie nie mehr in den Arm nehmen kannst, ihr nicht mehr miteinander lachen könnt... das ist grausam und tut weh. Es reißt eine extrem tiefe Wunde. Hier findest du hoffentlich einen Platz, wo du auch "schwach" sein kannst und "selbstsüchtig". Das wünsche ich dir von Herzen und ich wünsche dir, dass du deinen Weg finden wirst, mit dem Verlust zweier geliebter Menschen zu leben.

Schlaf gut
Miri
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #3  
Alt 01.01.2013, 23:45
monika100 monika100 ist offline
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Beiträge: 1.780
Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hallo Larimari,

obwohl ich mich eigentlich ganz aus dem Forum zurückziehen wollte, lese ich doch noch hin und wieder bei bestimmten Menschen mit.

Du hast 2 Riesenverluste erlitten.
Der Verstand sagt dir zwar, dass es für deinen armen kranken Vater keinen anderen Ausweg gab und nur der Tod ihn erlösen konnte.
Und auch deinem Bruder, der Zeit seines Lebens eigentlich kaum was vom Leben hatte, gönnst du seinen Frieden und hoffst für ihn auf ein besseres Leben.
Soweit der Verstand - aber dein Herz, das hinkt hinterher.
Dein Herz will die Beiden nicht gehen lassen, will dass sie hier auf der Erde ganz nah bei dir sind!

Du hast gerade erst 2 deiner engsten Angehörigen verloren und es wird dauern das zu verarbeiten.
Du schreibst, es ist noch nicht besser geworden.
Liebe Larimari, das kann es auch nicht, es ist noch viel zu frisch.
Trauer braucht einfach seine Zeit und nimm sie dir auch, das ist wichtig.

Wir können leider nicht viel für dich tun, außer hier für dich da sein.
Und besonders an Miri hast du ja schon eine sehr gute Schreib-Freundin gefunden.

Ich drück dich mal,

Monika

Geändert von monika100 (01.01.2013 um 23:48 Uhr)
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  #4  
Alt 02.01.2013, 21:23
Larimari Larimari ist offline
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Beiträge: 157
Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Danke, es tut gut, diesen Ort hier zu haben.

Und die Menschen, die hier unterstützend wirken.

Es ist traurig, dass wir uns ausgerechnet über den Verlust, den wir erlitten haben, begegnet sind. Wäre anders schöner gewesen.

Ich hab das Gefühl, dass mein Leben noch nicht ganz meins ist. Obwohl es eigentlich gar nicht so schlecht läuft. Mein Freund ist hier, um mich zu unterstützen. Er bleibt auch noch ein bisschen, also bin ich nicht alleine. Er war auch bei der Beerdigung von meinem Bruder dabei, und hat in meiner Verwandtschaft nun einen Fanclub par excellence.

Es war ein schönes Wochenende, trotz bescheidenem Anlass. Wir waren diesmal ja schon mit dem Ablauf vertraut. Mein Bruder wurde wie ein Kind in einem weißen Sarg beerdigt. Irgendwie unpassend-passend. Die Blumen in den Kränzen und Gebinden waren am nächsten morgen vom Raureif bedeckt, ein schöner Anblick. Und ich hab mir vorgestellt, dass die beiden, mein Dad und mein bruder, sich durch die Särge hindurch Geschichten erzählen. Das fand ich dann aber ziemlich beengend und hab sie also spazieren geschickt. Ich finde die Vorstellung, dass sie gemeinsam durch die Straßen unserer Stadt laufen, sehr schön. Es gibt ja auch viel zu sehen.

Ich hab das unglückliche Blümchen, das mein Bruder war, sehr geliebt. Aber gerade an dem Wochenende, mit all den Kids um mich herum, die seine Generation sind, habe ich mich oft gefragt, wie er wohl gewesen wäre, wenn der Unfall nicht passiert wäre. Müßig, ich weiß, aber ich konnte nicht anders.

Die Erinnerung an meinen Dad ist etwas weniger schmerzhaft. Das klingt jetzt blöd, weniger schmerzhaft bedeutet, es wird mir grad nur ein Arm abgerissen statt beide - ich bin kein guter Metaphoriker des Schmerzes. Es war lustig in Kroatien. Wir haben uns an viele Sachen erinnert. Und allein unser Haus dort ist ein Symbol für meinen Dad. Er hat es mit viel Liebe und absolutem Dilettantismus, was die Inneneinrichtung betrifft, gebaut. Und wenn darin dann Anekdoten erzählt werden, gibt es ein gutes Gefühl.

Selbst meine Mom, sonst ein Bild des Leidens, hatte ihre lustigen Momente. Ihr geht es gar nicht mal so schlecht. Ich hoffe, ich übersehe nichts wichtiges. Sie findet sich gerade mit der Situation ab. Löst weiterhin fleißig die Wohnung auf. Schmiedet zaghafte Pläne für ein Pendlerdasein. Hustet nicht mehr, geht aber trotzdem zum Lungencheckup, was mich in absolute Panik versetzt. Ich hoffe, ich überwinde das mal. Ich kann ja nicht bei jedem Jahrescheck, jeder Mammographie oder ähnlichem in panische Paralyse verfallen...

Naja, auf jeden Fall klingt alles soweit ganz okay. Abgesehen vom gelegentliche. Irre werden. Aber ich fühle mich manchmal so wenig eins mit mir wie noch nie zuvor. Und immer noch so, als würde ich die Luft anhalten. Als dürfte ich immer noch nicht ausatmen. Und ich wünsche mir so sehr, endlich auszuatmen...
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  #5  
Alt 03.01.2013, 08:58
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Guten Morgen Mari,

das kenne ich auch... sich nicht eins mit sich selbst fühlen, immer noch den Autopiloten an, den Atem angehalten... Es dauert... Dein Papa und dein Bruder sind nicht mehr bei euch, zwei ganz, ganz immens wichtige Menschen wurden aus dem Leben gerissen und alles muss sich jetzt neu ordnen in deinem Leben. Nichts ist mehr wie es einmal war. Lass dir Zeit!

Und diese irrationalen Ängste... so irrational sind sie ja nicht in Anbetracht der Tatsache, dass eine so schlimme Krankheit über jeden von uns von einem zum anderen Tag hereinbrechen kann. Wichtig ist nur, wie wir damit umgehen. Wenn wir nun stets in Angst vor der Angst leben, dann verpassen wir all das Schöne und Wertvolle, das uns umgibt, oder? Weil wir ständig damit beschäftigt sind, in uns hineinzuhorchen, ob denn wohl alles okay ist. Ich glaube, dass ohnehin vorherbestimmt ist, wie lange wir hier sein dürfen... (Mag ein Trugschluss sein, doch er macht es mir leichter, mit meiner Angst vor dem Ungewissen umzugehen) Es werden auch wieder bessere Tage kommen (wenn du sie dir heute auch kaum vorstellen kannst).

Gut, dass deine Mama beschäftigt ist! So lange sie etwas zu tun hat, kann sie nicht so viel grübeln. Und ich drücke ganz feste die Daumen, dass ihr Check-up gut verläuft und alles ganz harmlos ist. Schön auch, dass dein Freund jetzt bei dir ist. Halte ihn einfach mal ganz fest oder bitte ihn, dich fest in die Arme zu schließen, damit du spürst, dass du lebst, liebe Mari! Und dann schrei einfach mal ganz laut, bis du außer Atem bist und atme wieder tief ein.... Immer wieder ein und aus...

Umarmung
Miri
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #6  
Alt 03.01.2013, 09:32
Arelia Arelia ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

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Zitat von Mirilena Beitrag anzeigen
Und ich drücke ganz feste die Daumen, dass ihr Check-up gut verläuft und alles ganz harmlos ist. Schön auch, dass dein Freund jetzt bei dir ist. Halte ihn einfach mal ganz fest oder bitte ihn, dich fest in die Arme zu schließen, damit du spürst, dass du lebst, liebe Mari! Und dann schrei einfach mal ganz laut, bis du außer Atem bist und atme wieder tief ein.... Immer wieder ein und aus...

Umarmung
Miri
miri hat das wunderbar ausgedrückt! einfach mal schrein bis die luft weg is und gaaaaanz tief luft holen, das hilft.

ich wünsch dir alles gute für die zukunft
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Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter!
Miss u Mummy! 07.08.1960 - 21.01.2010
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