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Alt 23.10.2012, 14:03
Benutzerbild von Rachel
Rachel Rachel ist offline
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Standard Lungekrebs - wir leben noch

Die Geschichte der Erkrankung meines Mannes um anderen Mut zu machen.


Der Oktober 2011 – wie alles anfing:

Mein Mann hat seit längerer Zeit ein Zwicken auf der rechten Seite in Höhe der Galle. Nicht immer aber manchmal doch ziemlich heftig. Röntgen sowie Ultraschall haben nichts gebracht, keine Auffälligkeiten auf den Bildern, es zwickt weiter.

Ein Abdomen CT wird gemacht. 3 Tage später sind die Bilder fertig und ich hole den Befund ab weil mein Mann Abends einen Termin bei seinem Arzt hat.

Ich bin neugierig und irgendwie habe ich ein blödes Gefühl im Bauch, vorsichtig öffne ich das große Kuvert – ich überfliege die vielen Zeilen und komme schnell zum Fettgedrucktem, das Wort pulmonaler Rundherd springt mir in das Auge. „KREBS“ ……….. mir wird ganz heiß, ich zittere, schnell verschließe ich das Kuvert und setzte mich ins Auto. Blödsinn denke ich, es kann ja auch was anderes sein (Die Differentialdiagnose des pulmonalen Rundherdes ist sehr vielfältig: Sie reicht vom primären Bronchuskarzinom über entzündlich infektiöse Prozesse und autoimmunologischen Erkrankungen bis zu angeboren-degenerativen Veränderungen und benignen Tumoren)
Er war doch erst im September beim Lungen-CT und da war alles in Ordnung. Ich starte das Auto und fahre – vieles geistert mir durch den Kopf, ich kann mich nicht konzentrieren. Ich parke am Straßenrand und lese nochmals den Befund. Diese beiden bösen Wörter stehen immer noch da, ich lese und lese immer wieder die Zeilen. Ich wähle die Nummer vom Röntgeninstitut und verlange den Dozenten zu sprechen, werde durchgestellt. Ich schildere mein Anliegen, das ich Angst habe um meinem Mann wegen dem Befund und ob man was genaues sagen kann. Der Dozent kann sich gut an meinem Mann erinnern (ich werte das als sehr schlechtes Zeichen). Er sagt mir dass dies ein Zufallsbefund wäre und mein Mann Glück im Unglück hätte. Es wäre eindeutig Lungenkrebs aber noch sehr klein und man könnte sicher operieren. Ich glaube nicht was ich höre, ich frage nochmals nach, der Arzt bestätigt es nochmals. Ich frage nach ob es nicht eine Differenzialdiagnose dazu gebe, es könnte ja auch was anderes sein. Der Arzt verneint, aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung wusste er sofort was er auf den Bildern vor sich hatte. Außerdem hätte er diesen Fall auch mit seiner Kollegin besprochen und beide waren zu demselben Entschluss gekommen.
Ich bedanke mich für das Gespräch und lege auf. Ich fahre weiter mit dem Auto – zu meiner Mutter. Irgendwie versteinert, ich nehme den Verkehr nicht wirklich wahr, ich fahre einfach. Meine Mutter steht schon auf der Straße, wir wollten einkaufen gehen. Nichtsahnend steigt meine Mutter lächelnd ein, endlich kann ich weinen uns sage zu Mama dass Peter Lungenkrebs hat. Augenblicklich versteinert sich das Gesicht meiner Mutter und sie fragt mich wie ich auf diese Idee komme. Ich sage ihr das der Befund aufliegt und ich mit dem Arzt gesprochen habe. Meine Mutter meint das sich der Arzt auch irren kann, „nein Mama“ sage ich, der irrt sich nicht. Peter hat Lungenkrebs. Wir fahren in ein Kaffeehaus und reden darüber. Ich sage Mama das der Tumor noch sehr klein wäre und das man wahrscheinlich operieren kann. Mama meint das sicher alles in Ordnung kommen wird wenn es noch so klein wäre (Mama hat immer Recht). Ich bin wie gelähmt, die Welt dreht sich weiter nur für mich ist sie stehengeblieben. Meine Gedanken überschlagen sich: wie geht’s weiter? Wie sage ich es meinem Mann? Wie überstehen wir beide das? 1000 Gedanken wirbeln durcheinander.
Ich muss meinem Mann den Befund in die Firma bringen da er um 16 Uhr Befundbesprechung bei seinem Arzt hat. Ich weiß das er sich den Befund bis dahin nicht anschauen wird aber es wird für mich zum Spießrutenlauf. Ich übergebe ihm den Befund, er lacht, er ist gut drauf. In mir krampft sich alles zusammen. Ich versuche zu lächeln und es gelingt mir sogar, mein Mann merkt nichts.

Ich fahre wieder nach Hause und warte. Die Zeit bleibt stehen. Ich dusche mich, wasche mir die Haare, mache irgendwas um nicht verrückt zu werden. Ein Freund möchte auf Besuch kommen. Es ist kurz vor 18 Uhr. Zwischen Tür und Angel erzähle ich ihm was Sache ist, sein Gesicht versteinert sich, er wünscht mir alles Gute und ist weg. Kurz nach 18 Uhr kommt mein Mann nach Hause. Ich weine nicht mehr, bin ziemlich gefasst. Als ich meinem Mann ins Gesicht schaue, sehe ich einen starren Ausdruck. Er sagt kurz und trocken: „ich habe Lungenkrebs“. Ich sage: „ich weiß“. Er erzählt mir seine Geschichte wie es ihm sein Arzt gesagt hat, er hat auch schon eine Überweisung für das Spital – die Überweisungsdiagnose lautet auf N.Bronchii (Bronchialkarzinom) – auch ich erzähle ihm was ich weiß und ich denke, er ist darüber sehr froh weil ich ihm in der ganzen Situation auch „was Gutes „ sagen kann, dass der Tumor noch so klein ist und auch operabel ist wie es aussieht laut dem Dozent vom Röntgenarzt.

Mein Mann fragt mich was wir Abends essen werden, ich bringe keinen Bissen hinunter, mein Mann hat sich gefangen und macht sich etwas zu essen. Wir sind beide sehr schweigsam, setzen uns zum Fernseher, kuscheln und trinken gemeinsam eine Flasche Sekt. Alles ist so unwirklich, warum gerade mein Mann, warum nur? Er hat schon soviel durchgemacht, so viel gelitten, warum schon wieder er? Aber auch warum schon wieder ich ? auch diese Frage drängt sich auf, habe ich nicht mal ein bischen Anrecht auf Glück? Ein Glück das länger dauert als 7 Jahre? ………. Irgendwann gehen wir schlafen, eine unruhige Nacht für mich, mein Mann schläft tief und fest. Am nächsten Morgen denke ich das alles nur ein Traum ist. Ich bin wie gerädert, bin fertig – Gott sei Dank habe ich Urlaub.

Ich krame nach sämtlichen Befundes meines Mannes. Erst im September dieses Jahres hatte er eine komplette Untersuchung – auch ein Lungen CT war dabei. Der Befund war damals unauffällig, das ist gerade mal 1 Monat her. Daher denke ich mir, daß es wirklich nicht so schlimm sein kann. Hoffnung keimt auf, Hoffnung das alles gut werden wird. Wie an einem Strohhalm klammere ich mich daran. Er ist mein Rettungsanker, mein Hoffnungsschimmer. Einfach ein Strohhalm.

Am nächsten Tag sind wir schon unterwegs ins Krankenhaus. Aufgeregt sitze ich in der Ambulanz, mein Mann ist völlig normal, keine Anzeichen irgend einer Aufregung, er ist wie immer. Mein Mann wird aufgerufen und möchte das ich mitgehe. Es herrscht hektik auf der Ambulanz, es ist laut. Man kommt nicht wirklich zum Nachdenken, es ist eine ungute Atmosphäre, schrecklich.

Der Arzt der uns empfängt wird sich in meinem Kopf einbrennen – er empfängt uns völlig gestresst, das Telefon läutet, hinter uns sitzt jemand auf einen Rad und hat einen Ergo-Test, eine Schwester ruft – „schneller treten“.
Ein Zustand wie in einem schlechten Film, unwirklich, ich möchte aufstehe und gehen, möchte dem Arzt sagen das er mich mal kann, er wendet sich uns zu …………… rückt nicht wirklich raus, redet Latein mit uns, von diesem und jenen. Mein Hass auf ihn wird größer, trotzdem höre ich starr seinen Worten zu ……….. laut seinen Aussagen schaut es ganz gut aus, man müsste zwar noch ein PET bzw. einen Bronchoskopie machen aber wenn keine Lymphknoten befallen wären, dann wären die Aussichten gut. Auf meine Frage was wäre WENN die Lymphknoten doch befallen wären meinte er, „daß wüsste er dann auch nicht“.

Keine Aufklärung, keine Hoffnungsanker wurde gesetzt, gar nichts – so kehren wir wieder nach Hause zurück – mit zig Überweisungen und einem Datum für die Aufnahme ins Krankenhaus für die Bronchoskopie = Lungenspiegelung (Bronchoskopie dient zur Erkennung von gutartigen und bösartigen Tumoren (Lungenkrebs)
__________________
mein Mann: Adenokarzinom

man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt trotzdem wenn es dunkel ist - Kafka

Geändert von Rachel (23.10.2012 um 14:14 Uhr)
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