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  #1  
Alt 03.10.2016, 11:25
Mym78 Mym78 ist offline
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Standard Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo!

Ich weiß schon, dass meine oben formulierte Frage so natürlich "Unsinn" ist, aber ich ertappe mich dennoch bei der Frage, was ich meiner Umwelt zumuten darf.
Meine Mutter ist am 10.09. gestorben. Ihrem Tod ging eine 20 jährige Krebsgeschichte voraus, die dann etwa 3 Wochen vor ihrem Tod überraschend und leider sehr schnell dramatisch wurde. Sie lag noch 9 Tage auf einer Palliativstation, dann gingen wir ins Hospiz, wo sie nach 10 Tagen verstarb.

Hier habe ich unsere Geschichte erzählt: http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=68586

Nun ist es so, dass ich eine Woche, nachdem meine Mama verstorben war, wieder begonnen habe, zu arbeiten. Ich war immer schon sehr pflicht- und verantwortungsbewusst, zudem arbeite ich im sozialen Bereich.
Ich habe einen 4 jährigen Sohn, der an allem auch beteiligt war, den ich aber nicht zu sehr mit dem Thema belasten möchte.

Nun bin ich so irritiert über mich selbst.
Einerseits "funktioniere" ich, erledige alles Nötige, mache meine Arbeit. Gleichzeitig ist mir Vieles aber auch einfach egal, ich mache es, weil ich "muss".
Bisher habe ich nur richtig geweint, wenn ich alleine war. Im Hospiz alleine mit meiner Mutter, als diese aber schon nicht mehr richtig reagierte.
Diese Momente sind allerdings furchtbar selten.

Am Mittwoch ist meine Mutter beerdigt worden, da liefen mir zum ersten Mal auch Tränen vor der Familie, die ich bisher, zumindest hatte ich das Gefühl, immer noch mit stützen "musste". Beim Kaffee war aber schon wieder alles vorbei und ich glaube, dass meine Familie (also Oma, Vater, Bruder) mich für ziemlich abgeklärt halten. Allerdings war ich diejenige, die sich um Mama am meisten gekümmert hat und auch jetzt wieder die Verantwortung hat, einfach, weil meine Eltern getrennt waren, meine Oma zu alt ist und mein Bruder nur wenig Kontakt hatte und sehr mit sich selbst beschäftigt ist.

Am Tag des Vorgespräches mit der Pastorin habe ich mir ganz bewusst "die volle Packung" gegeben. Habe Mamas Musik gehört, war in ihrer Wohnung und habe den halben Tag geheult. Das tat gut, auch, weil es mir selbst das Gefühl gab, nicht vollkommen abgestumpft und taub zu sein.

Nun ist irgendwie wieder Alltag, nur etwas über 3 Wochen nach ihrem Tod.
Für mich ist alles noch immer so unwirklich....
Ich habe das Bedürfnis, eigentlich dauernd über Mama, vor allem die letzten Wochen reden zu wollen. Ich denke kaum an etwas anderes. Überall sind ihre Sachen (die Wohnung muss auch noch aufgelöst werden)... Aber ich habe gleichzeitig das Gefühl "jetzt muss auch mal gut sein" und mein Umfeld möchte gar nichts darüber hören. Mein Mann ist immer da, aber ich habe das Gefühl, ich müsste es allen erzählen. Immer wieder...
Ich muss dann gut aufpassen, auf eine einfache Nachfrage, wie es mir geht oder wie das mit Mama war, nicht allzu ausufernd zu werden. Von daher antworte ich dann eher sehr knapp und bleibe wieder auf der Strecke mit dem Bedürfnis, alles zu erzählen.

Am Donnerstag möchte ich im Hospiz eine Dankeskarte abgeben. Ich freue mich darauf, weil dieser Ort für mich viel mehr der Ort des Abschieds ist, als der Friedhof, weiß aber auch, dass vermutlich niemand wirklich Zeit haben wird. Es würde mir reichen, mich mit einem Kaffee in den Innenhof zu setzen, aber ich weiß nicht, ob das okay ist. Ich will mich nicht aufdrängen...

Ich weiß nicht, wohin mit meinem Schmerz... und meinen Gedanken.
Ich habe schon über eine Beratung nachgedacht und dann kommt da wieder der Gedanke "nimm dich nicht so wichtig", das was dir passiert ist, ist 1000 anderen schon vor dir passiert....

Wie seid ihr mit eurer Trauer umgegangen? Wie eure Freunde/ Familie?
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  #2  
Alt 03.10.2016, 11:47
Smoofie Smoofie ist offline
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Beiträge: 35
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ich kann dich 100% verstehen! Mir ging/geht es genau so wie dir.

Ich bin ebenfalls nach einer Woche wieder arbeiten gegangen, ich habe am Grab geweint und beim Kuchen schon fast wieder gelacht.

Wenn ich weine, dann für mich alleine. Oft im Auto, wenn mich ein Lied an Mama erinnert, oder wenn ich alleine zu Hause bin und denke "jetzt wärst du eigentlich auf nen Kaffee rüber gegangen". Ich möchte nicht vor anderen weinen, weil ich niemandem zur Last fallen möchte. Und weil ich denke, dass mir ja doch niemand helfen kann.

Meine Mutter ist nun 9 Monate tot, nun kommt bald die Zeit, wo ihre letzten Wochen anbrechen und ich sicher oft "heute vor einem Jahr" denken werde. Mir graut es davor, weil ich das Gefühl habe, es wird alles über mir hereinbrechen. Und niemand soll es merken. Blöde Situation.
__________________
"Und wenn du stirbst, dann stirbt nur ein Teil von dir und der andere bleibt bei mir." (Aus dem Lied "So bist du" - Peter Maffay)

Meine Mama, Speiseröhrenkrebs ED 01/2015
26.03.1958 - 28.12.2015
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  #3  
Alt 03.10.2016, 12:08
Angel0812 Angel0812 ist offline
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Ort: Fellbach
Beiträge: 15
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo
mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Es ist schwer jemanden gehen zu lassen, egal wie alt, egal wie lange er krank war, einfach egal..

Ich kann das, was du erzählst, so gut nachvollziehen. Auch ich möchte nicht all zusehr meinem Umfeld auf die Nerven gehen. Habe auch des öfteren das Gefühl, das man erwartet (mein Mann starb am 11.8.2016 mit 52 Jahren) das ich nun langsam in den Alltag rutschen könnte. Ich würde gern soviel über meinen Mann erzählen wollen, getraue mich das aber auch nicht. Eigentlich habe ich genug Freunde und eine liebevolle Familie, aber ich denke, die haben ihren Alltag und ich möchte die nicht mit meinen Sorgen belasten, obwohl ich schreien könnte vor Kummer und Schmerz. Macht man dann halt doch nicht. Könnt ja der Nachbar hören...
Ich denke auch über Beratung nach und glaube, wenn man die richtige gefunden hat, ist das ein Weg, der einem helfen kann, seine Gefühlslage zu verstehen und auch zu akzeptieren so wie sie ist. Jeder fühlt, denkt und handelt anders (manchmal sehr ähnlich). Und das ist auch gut so. Es ist alles noch sehr frisch bei dir, gib dir die Zeit die du brauchst.
Was ich aber auch denke und ich hier im Forum (bin erst seit kurzem hier) kennengelernt habe, ist, das Betroffene einen am besten verstehen und helfen können. Jemand der das nicht mitgemacht oder erlebt hat, kann solche Gefühlsschwankungen sehr schwer nachvollziehen.

Ich wünsche dir viel Kraft und das du den richtigen Weg für dich findest.
Fühle dich umarmt und gedrückt
Geli
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  #4  
Alt 03.10.2016, 12:30
monika100 monika100 ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ich finde Trauer ist eine sehr persönliche Angelegenheit - und so sollte sie auch gelebt werden. Persönlich, wie der Einzelne es fühlt und braucht.

Der Eine braucht Jahre, der andere Monate, der Eine weint ohne Unterlass, der Andere kaum, der Eine geht täglich mehrmals zum Friedhof, der Andere gar nicht, der Eine will immer drüber reden, der Andere kaum.

Wer will denn da entscheiden, was richtig oder falsch ist?? Das was man persönlich fühlt, das soll man leben und leben dürfen.

Unser Nachbar hatte seine Frau verloren und fing schon einen Tag danach - mit ihrer Schürze bekleidet - an, ihre Sachen weg zu werfen.
Ich habe nach dem Tod meines Vaters bestimmt 2 Jahre mehrmals täglich geweint. Meine Familie zuhause konnte das teilweise nicht verstehen. Ist mir aber egal. Meine Trauer ist meine Sache.

Wenn es in eurem Umfeld Menschen gibt, mit denen ihr darüber reden könnt und bei denen ihr weinen könnt, dann macht das auch. Vielleicht könnt ihr gerade in dieser Zeit jetzt auch "neue Menschen" finden, die für euch da sind.
Ansonsten - Ihr müsst euch nicht zurück nehmen, weil es andere belasten oder stören könnte. Es geht hier um Euch.

Was für meine Mutter hilfreich war - sie wollte nach dem Tod meines Vaters gar nicht mehr leben - war eine Trauergruppe. Die Leitung hat ihr sehr geholfen in der ersten schweren Zeit.

Für euch alle hier nur das Beste!

Monika
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  #5  
Alt 03.10.2016, 14:24
Adlumia Adlumia ist offline
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Beiträge: 305
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ich kann euch allen einfach nur zustimmen.
Wenn man es hier so liest, weiß man einfach, dass man mit seinen Empfindungen einfach nicht alleine ist. Hier sind Menschen, die Ähnliches erlebt haben, die trauern, hier braucht man sich nicht zu erklären. Es können die meisten "Außenstehenden" nicht verstehen, noch wollen sie es.
Ich bin auch immer sehr bemüht, niemanden zu belasten etc. Ich bin auch sehr abgeklärt in Bezug auf mein Arbeitsumfeld. Hier wurde und wird von vielen einfach erwartet, dass mein Leben privat ganz normal weiterläuft (beruflich wird eh vorausgesetzt dass man weiter funktioniert) und dass mein Leben eben jetzt wieder in Ordnung ist, da ja eine Last von mir genommen wurde. Nun ja, ich habe gar keine Kraft diesen Menschen zu sagen, dass sie sich irren, wenn sie meinen es sei wie ein Schnupfen und dass es "morgen schon besser sei", oder dass sie sich irren, wenn sie meinen, dass nach 4 Wochen eben noch nicht das Ende der Trauer erreicht sei. Nein ich hab dazu keine Kraft, ich sag den Leuten genau das was sie hören wollen und dann hab ich meine Ruhe. Aber ich bin mir manchmal auch nicht sicher, ob ich mich damit nicht selbst verleugne.

Es ist traurig, dass man mit kaum irgendjemand auch nur ansatzweise darüber reden könnte aber es ist gut, wenn es ein paar wenige Menschen gibt. Und wie Monika schrieb, eventuell ist eine Trauergruppe oder eine Einzelbegleitung das Richtige um sich auszutauschen.

Aber diese Frage, ob wir mit unserer Trauer "normal" sind geht wohl vielen durch den Kopf, wie ich merke...
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  #6  
Alt 03.10.2016, 15:38
Hermine81 Hermine81 ist offline
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Beiträge: 50
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo...
ich denke dass das Thema Trauer echt komplex ist.
So wie jeder anders trauert, braucht denk ich auch jeder seine Zeit.
Bei der Arbeit hab ich die Erfahrung gemacht, dass ich zwar dachte, dass die Menschen denken, ich müsste mich jetzt langsam wieder im Griff haben aber ich glaube dass es einfach mein Bauchgefühl war.
Nach wie vor haben sie totales Verständnis und stehen hinter mir, wenn ich doch mal Einbrüche habe.
Ich schätze, da hab ich einfach echt Glück gehabt.
Sicher gibt es auch die anderen mit weniger oder komplett fehlendem Verständnis, die halt echt einfach keine Ahnung haben, wie sich sowas anfühlt.
Trauer ist wichtig und ich denke dass wir uns die Zeit nehmen sollten, die wir brauchen, auf uns selbst achten und uns treu bleiben.
Natürlich passiert so etwas jeden Tag auch bei X anderen, aber hierbei handelt es sich doch um deinen ganz persönlichen Schmerz und niemand hat das Recht dir zu sagen wie du ihn zu fühlen und mit ihm umzugehen hast. Du bist stark aber ich glaube auch wenig streng mit dir selbst, du darfst traurig sein und fühlen.
Jeder einzelne hier trägst sein eigenes, ganz persönliches schweres Schicksal mit sich und jeder hat eine unglaublich schmerzhafte und schwere Zeit hinter sich mit viel Angst und jeder Menge Tränen. Und jeder hat ein Recht auf seine Gefühle, und persönliche Zeit der Trauer...AUCH DU.
3 Wochen ist noch so frisch, bei mir sind es jetzt knapp 2 Monate und ich hab auch noch extrem das Gefühl dass mein Leben und der Alltag kreuz und quer läuft, von "gergelten Bahnen" bin ich glaub ich noch ganz weit entfernt
Auch eine Beratung oder Therapie in der Form einer Trauerbewältigung halte ich für gut und sinnvoll wenn es sich stimmig für einen selbst anfühlt.
Bei uns bietet auch das Hospitz ein Trauer Cafe und Trauerbegleitung an.
Lese momentan "Einen geliebten Menschen verlieren" von Doris Wolf, auch das hilft mir, weil mir das geschriebene immer wieder zeigt, dass das was ich fühle und denke zur "normalen" Trauer gehört und völlig ok ist. Es hilft etwas gegen die Unsicherheit.
Ich denke das schwierigste ist, seinen persönlichen Weg erstmal zu finden.
Ich wünsche dir ganz, ganz viel Kraft und hoffe dass du irgendwie, irgendwo etwas Trost findest!!!
__________________
♡Mama♡
17.01.1963 - 05.08.2016
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  #7  
Alt 04.10.2016, 11:00
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Jeder trauert anders und auch unterschiedlich lang. Es braucht seine Zeit und es ist ok- man darf nur nicht den Zeitpunkt verpassen um "loszulassen". Ich kenne eine ältere Dame, für die existiert der Mann (vor 20 Jahren verstorben) immer noch. Sie hat den "Absprung" leider nicht geschafft...zu Hause redet sie mit ihrem Mann, deckt für ihn mit, legt ihm das Bett auseinander- so als wäre er noch hier.

Ich merke zB, dass meine Mutter ganz anders trauert als ich es tue. Sie hat wenige Tage nach dem Tod von meinem Papa angefangen, seine Sachen (Kleidung, Schuhe) wegzugeben- mir hat das sehr wehgetan, es fühlte sich für mich so an als würde sie ihn "rauswerfen". Sie sagt aber, für sie sei es so das beste, wenn sie nicht dauernd an ihn erinnert würde, käme sie besser zurecht. Das ist ihre Entscheidung, die respektiere ich und da rede ich ihr nicht rein.

Im Moment mag sie verständlicherweise nicht weg...wir haben sie mal mitgenommen ins Kino, weil ich sie zumindest im Moment am WE nicht allein sein soll und sich meine Kinder auch immer freuen wenn die Oma da ist, aber so richtig mit den Gedanken da war sie nicht, das hat sogar meine Tochter gemerkt.
Bei uns ist es jetzt 2 Monate her, 2 Monate lasse ich ihr noch Zeit, bevor ich sie wieder unter andere Leute (Sportgruppe etc) bringe, damit sie sich nicht einigelt und die Trauer ihr ganzes Leben bestimmt.

Ich selber funktioniere mehr oder weniger, aber oft sind da solche Momente, da schaue ich auf das Foto meines Vaters und heule los. Oder wenn eins meiner Kinder sagt:" Mama weisst du noch, das haben wir mit Opa auch gemacht..." Mein Mann, der seine Eltern vor wenigen Jahren verloren hat, versteht mich aber und hat mir auch schon gesagt, dass dieser Zustand noch eine ganze Weile andauert und dass man die Gefühle auch zulassen muss, sonst frisst einem die Sache auf.

Trauer ist gut und wichtig- nur sollte sie nicht dauerhaft das Leben des Hinterbliebenen bestimmen.
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  #8  
Alt 04.10.2016, 12:16
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ja, jeder trauert anders, unterschiedlich lange etc. aber genau das ist doch der Punkt: Wer sagt: So ab jetzt musst du wieder unter Leute, weil es sonst nicht ok ist?
Denkst du nicht, dass deine Mama diesen Zeitpunkt vielleicht sogar selbst wählt, bestimmt? Klar kann eine Trauer auch schnell in eine behandlungsbedürftige Depression, ich denke hier gibt es schon Unterschiede. Z.B. ob man überhaupt keine Momente der Freude hat, wenn auch nur kurze, einem alles nur noch sinnlos erscheint. Vielleicht ist es auch manchmal ein Mischmasch aus Trauer und Depression aber grundsätzlich gehe ich bei meiner Mama nun einfach davon aus, dass sie weiß was nun für sich gut ist. Und wenn ich mir Sorgen machen würde, würde ich es ansprechen aber letztendlich entscheidet auch sie über ihren Weg der Trauer und wenn ihr nicht danach ist in 4 Monaten mit mir dieses oder jenes zu unternehmen, dann ist es so. Klar gab es auch schon Momente wo ich enttäuscht war, weil sie zunächst gesagt hatte, dass sie zu einer bestimmten Sache mit mir mit kommt, dann aber doch nicht. Aber dann hab ich eingesehen, wie schwer das alles für sie sein muss: ohne ihren geliebten Mann zu funktionieren, es ist alles so neu, plötzlich alleine im Haus etc.

Und für mich habe ich erkannt: Ich darf meine Trauer und meine Art der Trauer nicht auf sie oder jmd anderes aus der Familie projezieren. Der eine möchte drüber reden, der andere nicht. Der eine möchte gleich rausgehen, der andere nicht. So lange ein Vertrauensverhältnis da ist, so dass man weiß, dass man füreinander da ist, darüber reden kann (wenn es von beiden gewünscht ist) mache ich mir keine Sorgen, ob sie jetzt schon unter Leute will oder nicht. Aber das war mir von Anfang so nicht klar, muss ich zugeben.

Dennoch Riesenschnuffel hast du Recht, wenn du sagst, es sollte nicht das ganze Leben bestimmen aber es wird ein Teil des Lebens sein, diesen Verlust trägt man für immer - wahrscheinlich ändert sich nur mit dem Jahren der Umgang mit diesem Verlust.
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  #9  
Alt 04.10.2016, 16:46
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Adlumia, grundsätzlich gebe ich dir ja recht.
Aber meine Mama hat vor 40 Jahren ihr erstes Kind am plötzlichen Kindstod verloren und seitdem mehr oder weniger einen psychischen Knacks, sie hat das bis heute noch nicht wirklich verarbeitet. Ich möchte nicht, dass sie sich komplett zurückzieht und das wird passieren, wenn ich sie machen lasse.
Normalerweise gestehe ich jedem zu, dass er weiss was gut für einen ist. Nur bei meiner Mama sehe ich das halt nicht so. Die Gründe dafür zu erläutern würde jetzt den Rahmen sprengen.
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  #10  
Alt 04.10.2016, 17:35
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ok, ja das sind Hintergründe die man als Außenstehender nicht beurteilen kann und du kennst deine Mama am besten. Hilft es denn deiner Mama darüber zu sprechen oder macht die den kompletten Rückzug?
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  #11  
Alt 04.10.2016, 18:13
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Über den Tod meines Bruders hat sie in der Todesnacht meines Vaters zum allerersten Mal gesprochen. Vorher wurde das Thema immer totgeschwiegen, auch wenn ich der Meinung bin, über Gefühle etc sprechen hätte ihr gutgetan.
Bei meinem Vater ist es tagesabhängig. Manchmal blockt sie, manchmal redet sie darüber. Ist ganz schwierig bei meiner Mama
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  #12  
Alt 19.10.2016, 14:20
Mym78 Mym78 ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo Ihr,

zunächst einmal danke für all eure Antworten.... Es tut wirklich gut, zu lesen, dass man nicht allein ist mit allem.

Ich habe mittlerweile einen Termin bei einer Familienberatungsstelle ausgemacht, um mir mal alles von der Seele reden zu können. Leider ist der erst in knapp 3 Wochen.
Um mich herum ist mittlerweile so sehr wieder Alltag, dass die Gedanken an meine Mama kaum noch Platz, bzw Gehör finden. Niemand fragt mehr, wie es mir geht.
Es gibt jeden Tag bestimmt 100 Momente, in denen ich an meine Mama denke. Das ist auch gar nicht immer schmerzhaft, manchmal sind es einfach so kleine Blitze...
Nun geht es aber damit los, die Wohnung auszuräumen... Ich habe schon ein paar Kleinigkeiten mit zu mir nach Hause genommen, aber jetzt geht es um größere Sachen. Ich finde das so schlimm. Bisher konnte ich einfach in die Wohnung meiner Mutter gehen und mich auf die Couch setzen, heulen und in ihren Sachen wühlen, testen, ob in ihrer Kleidung noch ihr Geruch hängt... Das war furchtbar Traurug, gab mir gleichzeiig aber auch Trost.
Nun wird es diesen Ort bald nicht mehr geben... Ich muss entscheiden, was mit ihren Sachen passiert... Das ist so schwer.
Sie hatte sich ihre Wohnung gerade erst eingerichtet und war so stolz. alles ist so schön, aufeinander abgestimmt und nun wird es zerrissen...
Meine Mama hatte nicht viel Geld, hat sich aber, weil sie oft gar nicht raus konnte, eine ganz tolle Couch gegönnt. Das war ihr ganzer Stolz.
Und die Überlegungen, wohin diese Couch nun geht, verursachen mir in wirklich wahrstem Sinne Bauchweh.
Wir können sie nicht nehmen, dafür sind wir zu wenig sorgsam... Das ist eine echte, schwere aufgabe, auch wenn es aus der Distanz heraus vermutlich banal anmutet....

Wir werden am WE tatsächlich unser Wohnzimmer renovieren (was ohnehin angedacht war, aber nicht so bald), damit die Dinge, die ich von ihr zu uns hole, einen schönen Ort bekommen. So, dass es auch meiner Mama gefallen hätte (uns natürlich auch)

Vor 2 Wochen war ich auf der Palli und im Hospiz, um jeweils Blumen, Karte und Spenden abzugeben. Ich hatte erstaunlicherweise in beiden Häusern das große Glück, dass Mamas Zimmer frei war und ich noch einmal hinein konnte. Das tat gut. Ich bin sehr dankbar, so bewusst Abschied nehmen zu können.
Ich hatte ja gedacht, das Hospiz würde für mich der Ort sein, an dem ich Mama nah sein kann, aber so ganz hat sich das bei dem Besuch dort nicht bewahrheitet, auch wenn ich mich diesem Ort und den Menschen dort sehr verbunden fühle und sicher immer wieder dort sein werde.
Ich war am gleichen Tag aber auch mit meiner Oma am Grab und leider traf mich dort die Erkenntnis, dass dieser Ort eine Bedeutung für mich hat. Das hätte ich nicht geglaubt.
Aus diesem Grund habe ich micht auch für ein Wiesengrab entschieden (etwas wurde ich auch von meinem Vater in diese Richtung gedrängt und ich dachte, es wäre mir "egal"). Das bereue ich nun sehr. Ich hätte nun so gerne ein Stück, das ich bepflanzen und um das ich mich kümmern könnte. Leider lässt sich diese Entscheidung nicht rückgängig machen...
Ich werde mir wohl etwas anderes überlegen müssen.

So ist derzeit der Stand der Dinge bei mir....
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  #13  
Alt 20.10.2016, 10:12
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo Mym,

danke, dass du uns an deinem Weg teilhaben lässt.
Vieles von dem, was du schreibst, kann ich so nachvollziehen. Im Alltag hat die Trauer keinen Platz, nirgendwo spreche ich darüber, was passiert ist etc., zu oft habe ich bei der kleinsten Äußerung schon Unverständnis geerntet und ich möchte mich schützen, ich will nicht dauernd mich verletzt fühlen.

Es erfordert sehr sehr viel Stärke, dass du nun die Wohnung auflöst, und nein es ist nicht banal. Es sind nicht nur Gegenstände sondern viele Erinnerungen sind damit verknüpft.
Ich wünsche dir so viel Kraft diesen Weg weiterzugehen, du bist sehr stark. Und schön ist es, dass du mit dem Grab auch einen Ort für deine Trauer gefunden hast, wenn es auch für dich vielleicht nicht so erwartet wurde, dass dieser Ort dir etwas bedeutet.
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