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  #31  
Alt 03.03.2003, 00:06
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Standard Es ist zum wahnsinnig werden...

Hallo zusammen!

Hallo Gudrun. Das tut mir unglaublich leid. Ich hoffe Du hast jemanden, mit dem Du Deinen Schmerz teilen kannst und dass Dein Vater ein friedliches Ende hatte.

Sylvia: Verzweifle nicht. Keiner von uns weiss genau, wie er/sie sich verhalten soll, was genau das richtige ist und was nicht.
Keiner von uns hat bisher den Stein der Weisen oder ein Wundermittel gefunden und wird es wohl auch in nächster Zeit nicht.
Aber: Das wichtigste ist, dass Dein Vater sich (den Umständen entsprechend) wohl fühlt. Versuche, Deinen eigenen Weg zu finden, mit Deinem Vater umzugehen. Wenn er viel alleine sein möchte, dann lass ihn alleine. Und wenn er sich an Dich klammert, dann verbringe so viel Zeit mit ihm wie Du kannst. Versuche einfach herauszufinden, was ihm am meisten Kraft gibt. Das kann manchmal das eine, am nächsten Tag das Gegenteil sein.

Bei meinem Vater hat am Freitag die Chemo begonnen. Gemzar ohne Zusätze. Er hat sie abgesehen von seinem allgemein schlechten Zustand den ersten Tag ganz gut vertragen, aber die letzten zwei Tage waren die Hölle. Es ging ihm viel schlechter, er ist unglaublich kraft- und vor allem auch mutlos. Er hat seit über eine Woche eine Infektion, deren genaue Ursache noch keiner gefunden hat. Er kann kaum sprechen und hat unglaubliche Schmerzen beim Husten. Heute wollte er nur noch nach Hause. Ich habe erst lange mit einer Ärztin und dann mit ihm gesprochen. Er hat seit gestern überhaupt keine Hoffnung mehr. Seine Blutwerte sind sehr schlecht; nicht erst seit der Chemo. Seit längerer Zeit steigen sein Leukozyten unaufhörlich an.
Man hat uns gesagt, dass es eine schlechte Phase sein kann, die in ein paar Tagen vorüber ist. Es kann aber auch sein, dass es bereits dem Ende entgegen geht.
Viel vorgemacht haben uns die Ärzte nie, das ist ja auch richtig so. Aber zumindest haben sie uns immer erzählt, die Lebensqualität meines Vater könnte wieder gesteigert werden und bisher war nur das Gegenteil der Fall. Auch dass wir wohl nicht mehr mit Jahren, sondern nur noch mit Monaten rechnen sollen haben wir gehört, irgenwann auch begriffen und versucht, damit umzugehen. Jetzt aber ist auf einmal nur noch von Wochen die Rede.
Vor sechs Wochen ist mein Vater aufrecht in die Klinik marschiert und jetzt liegt er womöglich schon im Sterben. Ich bin im Moment ziemlich im Eimer und habe die letzten Tage nur stark verkürzt wiedergegeben.

Gebt nicht auf,
jeder Fall ist anders,
Gerd
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  #32  
Alt 03.03.2003, 10:45
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Hi Afra,

Danke für Deine Zeilen. Der erste Weg im Büro ist PC aufdrehen und hierher surfen. Ich hätte eine Frage an Dich:

Gestern habe ich meine Schwiegermutter besucht und mit Entsetzten festgestellt dass sie leicht gelblich im Gesicht ist. Nach einiger Zeit fand das auch mein Mann. Heute morgen ist es etwas besser. Aber sie blockt alle Gespräche auch Fragen nach ihrem Befinden ab. Ich kann sie gar nicht auf ihre Gesichtsfarbe ansprechen. Jetzt meine Frage: Sie muß erst nächsten Dienstag ins KH zur CT-Kontrolle und möchte vorher ein paar Tage zu ihrem Zweithaus aufs Land fahren. Ist das nicht gefährlich für sie? Ich habe gestern einiges nachgeschlagen und nur gelesen, dass wenn der Gallenausgang blockiert ist, es dann zur Gelbfärbung kommt. Und dass dieses Problem mit einem Stent behoben wird. Das werden sie ja dann nächste Woche bemerken, aber ist das nicht zu späte, kann da nicht was passieren in der Zwischenzeit? Es ist leider auch bei uns so, dass meine Schwiegermutter es nicht möchte, dass ich darüber nachfrage, oder sie auch zu einem Arzt schicke. Vom KH will sie nichts wissen gerade nur zu den Terminen die sie machen muß und sonst ja nicht anstreifen.

Ich habe schon einiges von Dir gelesen, aber darf ich Dich nochmal fragen wer bei Dir betroffen ist und wo behandelt wurde/wird? (Du bist doch aus Wien?)

liebe Grüße

Mimi
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  #33  
Alt 03.03.2003, 11:58
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Re-Hi Mimi,

also deine Frage ist ja eher für einen Arzt als für mich.
Das was du gelesen hast, stimmt. Als erstes werden die Augen gelb, dann die Haut. Leider weiß ich nicht wie lange man sich da Zeit lassen kann (kann mich aber erkundigen). Doch wenn dein Mann so genau schauen musste, ist es vielleicht noch nicht so schlimm? Das müsste dann schon noch ein paar Tage gehen.

Allerdings bekommt man glaube ich ja dann auch nicht auf der Stelle einen Termin für die Stent-OP. Vielleicht kannst du doch im Spital mal nachfragen - muss sie ja nicht wissen. Aber dann bist wenigstens du für den Fall, dass der Ikterus schnell stärker wird, gerüstet.

Bei mir war mein Vater betroffen. Er ist leider letzten August gestorben. Das soll aber niemandem den Mut nehmen, denn jeder Fall ist anders. Sein Karzinom war nicht mehr operabel. Schließlich kam dann noch eine starke Kardiomyopathie (Herzschwäche) dazu, woran er schließlich gestorben ist.

Er ist in Graz (wo er zu Hause war)behandelt worden - er wollte nicht nach Wien (muss man auch verstehen; er wurde dort auch gut betreut). Bei wem ist denn deine Schwiegermutter?

Also alles Gute (und für dich nicht zuviel Stress im Büro)
liebe Grüße, Afra
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  #34  
Alt 03.03.2003, 13:36
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Hallo Afra

Meine Schwiegermutter wurde leider vorigen September im SMZ-Ost falsch behandelt. Bei der Punktion wurde ein Fehler begangen und sie wurde mit der Diagnose chron. Pankr. (kein Alkohol, kein Fett - essen's lieber Nudeln) nach Hause geschickt. Nachdem sie aber trotz Diät Schmerzen hatte und abnahm ging sie heuer im Jänner ins Wilhelminenkrankenhaus und wurde dort von einer sehr netten Oberärztin betreut die sie auch sofort nach Bekanntgabe der Krebsdiagnose auf die Onkologie legen ließ. Mein "Aufklärungsgespräch" mit dem Arzt auf der Onkologie habe ich schon in meinem obigen mail beschrieben. 3 Min Zeitaufwand -AUS.
Aber nächste Woche wird er schön schauen. Da komm ich dann mit einem Stichwortzettel und da wird abgehakt wenn seine Antwort für mich zufriedenstellend war. In Filmen werden die Patienten und auch Angehörige in Arztzimmer gesetzt und dann wird geredet. In der Wirklichkeit steht man am Gang, wird von Schwestern etc. 10mal unterbrochen und dann klingelt der Pager und weg ist der "weiße Gott". So, jetzt höre ich auf zu schreiben denn ich merke selbst schon wie frustriert ich schreibe und in einer Stunde hole ich meine Kinder von der Schule ab und die haben ein bischen Recht auf eine "gut"gelaunte Mutter.

liebe Grüße
Mimi
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  #35  
Alt 03.03.2003, 20:20
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Liebe Gudrun, ich möchte Dir mein herzliches Beileid aussprechen und hoffe, daß Du zusammen mit Deiner Familie die nächsten schweren Tage gut durchstehen wirst.
Lieber Gerd, was soll man sagen, wenn Du schreibst, daß Dein Vater aufrechten Ganges in das Krankenhaus kam und nun so krank da liegt? Ich weiss, es ist kein Trost für Euch als Angehörige, aber lasst Euch nicht unbedingt von den Zeitvorgaben der Ärzte (Monate bzw. Wochen etc.) unterkriegen. Sollte Dein Vater nicht außer Gemzar noch ein weiteres Präparat zur Unterstützung der Chemo erhalten? Lass nicht locker, frag die Ärzte, damit Du Dir evtl. später keine Vorwürfe machst.Es ist für Euch alle eine sehr schwere Zeit und ich wünsche Euch von ganzem Herzen, daß Ihr es schafft - wie auch immer. Ganz liebe Grüße
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  #36  
Alt 04.03.2003, 00:12
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Hallo, Ihr alle,

ich wünsche jedem von Euch, daß irgendetwas gegen diese miese Seuche funktioniert. Bei manch einem scheint es ja auch zu klappen - mindestens längere Zeit. Gebt also nicht auf und weint nicht, solange noch Möglichkeiten da sind. Und die sind lange da. Ich habe nicht aufgegeben, als mein lieber Vater íns Krankenhaus kam. Ich habe nicht aufgegeben, als er manchmal traurig war. Auch nicht, wenn es ihm durch die Therapie schlecht ging. Auch als er das zweite Mal ins Krankenhaus kam, habe ich versucht, noch ein paar Dinge zu machen, für ihn zu erledigen und zu hoffen.

Jetzt allerdings bin ich ins Bodenlose gefallen. Ich mag nicht mehr. Bei Euch ist es hoffentlich anders. Ich wünsche Euch allen den Sieg, um den ich die letzten 365 Tage gekämpft habe.

Gudrun
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  #37  
Alt 04.03.2003, 23:00
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Liebe Gudrun,
lieber Gerd,
hallo, alle zusammen,

vielen Dank für Eure guten Ratschläge auf meine Mail. Es tut mir gut, von Euch zu erfahren, wir Ihr mit der Situation umgeht. Ich werde versuchen, zu akzeptieren, was mein Vater möchte - und wenn er im Moment eher allein sein möchte und Zeit für sich braucht, dann ist das auch okay. Es fällt mir im Moment so schwer, ihm die Dinge zu sagen, die ich ihm sagen möchte, da ist einfach so eine Mauer von ihm. Das ist aber nicht ungewöhnlich - über Gefühle hat mein Vater nie gesprochen; und deswegen fällt es mir so schwer, da den Anfang zu machen. Vielleicht kommt ja auch noch ein guter Zeitpunkt. Ich will ihn auf keinen Fall in die Anonymität schicken, sondern in eine Klinik, in der er ganzheitlich behandelt werden kann und mehr bekommt als dieses Miniprogramm. Aber Ihr habt natürlich recht, das Wichtigste ist, dass er sich wohlfühlt.

Liebe Gudrun, mein herzlichstes Beileid an Dich. Es tut mir leid, dass es Dir jetzt so schlecht geht; ich hoffe, dass Du die nächsten Tage mit viel Kraft durchstehst und gute, liebevolle Menschen bei Dir hast, die Dich stützen, denn Du warst so lange eine Stütze!!

Alles Liebe und viel Kraft
Sylvie
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  #38  
Alt 18.03.2003, 14:03
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Hallo Sylvie,

ich fühlte mich so an die Zeit mit meiner Mum erinnert, als ich Deine Zeilen las (wenn Du mehr wissen willst --> Mein schwerster Gang für diese Krankheit).

Als meine Mama letztes Jahr einen Tag nach Ostern in Krankhaus kam, weil sie ganz gelb war, aber sonst nicht bekannt war, war sie in den ersten 14 Tagen unausstehlich. Die Ärzte hatten sie auf den Kopf gestellt, sie wollte nicht akzeptieren, daß sie nicht einfach wieder nach Hause konnte. Es ging ihr zusehends schlechter, bis die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs kam.

Ca. 2 Wochen vorher, bevor meine Mutter überhaupt wußte, daß sie Krebs hat, war ich abends alleine mit ihr im Krankenhauszimmer und wir hatten ein langes Gespräch. Nicht über die Krankheit oder das Ungewisse. Aber meine Mutter sagte vor Jahren: wenn ich jemals wieder ins Krankenhaus gehen muß, werde ich da nicht mehr rauskommen. Sie hatte einen absoluten Horror vor Ärzten. Nun, an diesem Abend hab ich versucht, meiner Mutter zu erreichen, ihr zu sagen, daß ich ihr helfen will, aber nicht kann, wenn sie mich nicht läßt und wenn sie nicht mit mir redet. Sie stellte auf STUR. Ich hatte keine Chance, konnte sie nicht erreichen und bin unter Tränen nach Haus gefahren.

Dort habe ich mich hingesetzt und einen seitenlangen Brief geschrieben. Ich zwang mich, nicht von schlimmen Befürchtungen zu schreiben, sondern sie zu motivieren, ihr meine Liebe auszudrücken und ihr anzubieten, was auch immer ist, für sie da zu sein. Es fiel mir schwer zu schreiben und mir liefen die Tränen. Aber ich habe es geschafft und mich "heimlich" mit meinem Daddy über diesen Brief abgestimmt, ihn gefragt, war er meint, ob sie darauf reagieren würde. Ja, sagte er.

Am nächsten Tag, als ich sie besuchte, habe ich ihr den Brief kurz vor meinem Gehen unter das Kopfkissen gelegt. Ich weiß, sie hätte ihn nicht angenommen, hätte ich ihn ihr in die Hand gedrückt.

Sie hat in den nächsten Tagen nicht mit mir über den Brief geredet, aber als ich am nächsten Tag wieder bei ihr war, wußte ich, daß sie ihn gelesen hat. Sie war weicher, zugänglicher.

Wochen später, einige Tage, bevor sie starb, kam ich früh morgens zu ihr ins Zimmer und sie war gerade dabei, dem Diakon unter Tränen meinen Brief vorzulesen. Als ich das merkte, wollte ich die beiden alleine lassen, aber meine Mama bat mich, zu bleiben. Sie las weiter und zog mich danach zu sich ans Bett und hielt lange meine Hand. Sie sagte mir, wie stolz sie auf mich wäre und das ich alles getan hätte, was sie erwartet hätte, ohne daß sie es sagen mußte.

Ich weiß, es ist meine Erfahrung, aber vielleicht ist es eine kleiner Wink in die richtige Richtung...

Wenn Dir danach ist, dann schreib Deinem Vater doch einen Brief, sag ihm, was du fühlst, denkst und sei Dir sicher, daß er ihn lesen wird.

Ich wünsch Dir Mut, den Schritt zu gehen, wenn Du es willst.

Hope
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  #39  
Alt 19.03.2003, 01:38
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Erst jetzt finde ich die Kraft zu Schreiben. Mein Vater ist tot, seit dem 04.03., 22.30 Uhr.

Über das Wochenende (01./02.03), wie berichtet, ging es meinem Vater schlechter, aber niemand dachte daran. Ich hatte am Sonntag noch ein längeres Gespräch mit einer Ärztin (in einem Zimmer, nicht auf dem Flur - so weit sind sie in Tübingen immerhin), sie hat über Blutwerte und alles mögliche gesprochen, aber nicht darüber, dass mein Vater bald sterben könnte. Im Laufe des Nachmittages hat mich ein Pfleger beiseite genommen und mir - seine Kompetenzen überschreitend - mitgeteilt, dass mein Vater sich seiner Erfahrung nach auf einem kontinuierlichen Weg nach unten befinden und nur noch einige Wochen zu leben haben würde. Immerhin. Mein Vater hatte unglaubliche Schmerzen beim Husten und war sehr verzweifelt, aber bei vollem Verstand und hatte noch nicht vollständig aufgegeben.
Am nächsten Morgen habe ich 20 Minuten mit dem zuständigen Oberarzt (Dr. Klump) telefoniert, der sehr verständig war, auf meine Berichte der unterschiedlichen Rezeption meines Vaters auf die verschiedenen Schmerzmittel gut eingegangen ist, unsere Befürchtungen bezüglich der bisher unbeachteten Gewichtsabnahme und der Verschlechterung des Allgemeinzustands anscheinend ernst genommen und Abhilfe versprochen hat. Leider war er nicht auf dem neuesten Stand, was den Zustand meines Vaters anging. Danach bin ich ins Büro gefahren.
Zwei Stunden später hat mich meine Mutter angerufen. Tübingen habe angerufen, es ginge ihm (noch) schlechter.
Eine Stunde später war ich da, kurz nach meiner Mutter und meiner Schwester. Mein Vater war in ein Zimmer gebracht worden, in dem er alleine sein konnte. Leider auch ohne Ärzte und Pfleger. Was wir vorfanden, war ein Zombie. Etwas in der Gestalt meines Vaters saß aufrecht im Bett, den Mund voller geronnenem Blut und starrte voller Todesangst gegen die Wand. Er war noch halb bei Bewusstsein und nahm uns war, konnte aber nicht mehr sprechen. Das einzige, was er uns durch Händedrücken noch mitteilen konnte war, dass er nach Hause wollte (unverantwortlich, sagte später ein Arzt). Er hatte wohl keine Schmerzen (Schmerzpflaster und unterbliebener Händedruck) und bekam ein Beruhigungsmittel, das aber nicht wirkte. Mit der Zeit wurde mein Vater immer unruhiger, strampelte mit den Beinen, klammerte sich mit den Händen an die Bettumrandung und starrte panisch in die Gegend. Dieser Anblick wird mich bis zu meinem Lebensende nicht mehr verlassen. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Ca. jede Stunde kam eine Schwester und erhöhte die Dosis - ohne Wirkung. Wir wussten nicht, was besser wäre, unseren Vater einfach mitzunehmen (ich glaube, er hätte die Fahrt nicht überlebt), die Dosis deutlich zu erhöhen, damit er nicht mehr leiden muss, oder das Medikament abzusetzen. Ein Arzt (seltener Anblick) teilte uns mit, dass für unseren Vater alles getan worden sei und er in den nächsten 48 Stunden sterben würde. Die Dosis wurde weiter erhöht, bis schließlich (NACH 7 STUNDEN) von der Schwester ein Arzt gerufen wurde. Der stellte sehr schnell fest, dass die Infusionsnadel nicht korrekt gesetzt war und das Medikament nicht in die Vene, sondern in das Gewebe geflossen war. Wir wurden hinaus geschickt und als wir nach 45 Minuten wieder hinein durften, schlief mein Vater. Bis zu seinem Tod kam er nicht wieder zu Bewusstsein.
Wir hatten die letzten 36 Stunden seines Lebens zum Glück immer einen Raum für uns alleine, bekamen von Personal Essen und Schlafgelegenheiten und konnten alle drei bei seinem - alles in allem friedlichen - Tod dabeisein.
Mir geht langsam die Kraft aus. Ich fasse mich ab jetzt kurz. Kein Arzt konnte uns genau sagen, an was mein Vater nun so plötzlich gestorben war. Keiner hatte uns, und vor allem ihn darauf vorbereitet, dass es so schnell gehen könnte. Die letzten 7-10 Stunden seines bewussten Lebens verbrachte mein Vater in panischer Todesangst. Die letzten 24-30 Stunden seines Lebens hat sich kein Arzt mehr bei ihm blicken lassen. Im nachhinein teilte uns ein arroganter aber immerhin engagierter Arzt mit, dass das mit der falsch gesetzten Nadel nach spätestens 30 Minuten hätte entdeckt worden sein müsse und das er das zur Sprache bringen würde. Vielleicht hilft es ja einem anderen Patienten.
Ich will jetzt keine pauschalen Vorwürfe machen. Am Tod meines Vaters war die Uni-Klinik nicht schuld. Das Pflegegepersonal auf der C1 der Medizinischen Klinik war bis auf wenige Ausnahmen sehr gut, die Krankenschwester, die ihn in seiner letzten Nach betreut hat, war ein wahrer Engel.
Aber: Es gibt in Tübingen keine durchgehende Behandlung. Jeden Tag hat man einen anderen Arzt als Ansprechpartner, der etwas anderes erzählt. Keiner wagt es, einem oder dem Patienten die Wahrheit zu erzählen. Mit dem Vorwurf der Fehldiagnose bin ich vorsichtig, Fehleinschätzungen gabe es aber haufenweise. Das "Pflegepersonal" in der Chrirurgischen Klinik ("Crona") setzt sich hauptsächlich aus unfähigen, faulen Folterknechten zusammen.
Beispiele gefällig? Bitte:
In der ersten Nacht nach der Intensivstation bekommt mein Vater starke Schmerzen im Bauchraum. Eine Schwester untersucht den Katheter und findet nichts. Stärkere Schmerzmeittel, immer wieder. Nach 3 (DREI) Stunden findet ein Arzt die Ursache: Ein Knick im Schlauch des Katheters.
Mein Vater hatte zunehmend starke Tumorschmerzen und wollte ein stärkeres Medikament. Antwort der Schwester: Sie werden noch medikamentensüchtig.
16 Uhr: Frage meinerseits nach adäquaten Schmerzmitteln: Ihr Vater bekommt um !8 Uhr eine entsprechende Kombination. 18:20 Uhr waren die Schmerzen unerträglich, ich gehe nach vorne, klopfe die Schwester aus der Kaffeeküche (wirklich war), sie sieht mich mit großen Augen fragend an. Ich deute auf die Uhr und erwähne die Schmerzen meines Vaters. Antwort: Da hätte er sich ja melden können. Wo mein Vater ein Mann war, der sich nie beschwert oder gejammert hätte. Außer, wenn er überhaupt nicht mehr konnte.
Anderes Beispiel: Mein Vater hat Probleme mit dem Essen und eine Thrombose im rechten Bein. Ihm wird schlecht, er schleppt sich in Richtung Toilette, schafft es aber nicht mehr ganz, übergibt sich unter Schmerzen in das Waschbecken in der Waschecke.. Danach klingelt er nach einem Pflger. Dieser wirft ihm ein Paar Handschuhe hin, mit dem Hinweis, damit könnne er ja die Sauerei beseitigen.
Ich weiss wohl um das "Veteranensyndrom", das man sich einredet, man hätte mehr Narben als andere und mehr gelitten, aber ich glaube nicht (und ich hoffe es nicht), dass jeder BSDK-Patient dasselbe durchmachen muss wie mein Vater. Was ich oben angedeutet habe, waren nur einige von ungefähr einem Dutzend Beispielen, was alles schief gelaufen ist.
Was Tübingen angeht: Wenn Ihr oder Euer Angehöriger eine komplizierte, aber eindeutige Erkrankung habt, für die es eine klare Behandlung gibt, dann seid Ihr in besten Händen. Wenn mein Bein bei einem Unfall volllkommen zerschmettert würde, hätte ich vollstes Vertrauen. Auch bei schwierigen, lebensgefährlichen Operationen an Organen. Aber mit etwas lebensbedrohlichem, das die Behandlung durch verschiedene Abteilungen erfordert kann ich nur sagen: Gute Nacht.
Ich folge jetzt dem, was ich vor enigen Wochen halb ernst mit meinem Vater besprochen habe: Ich werde alles Geld, das ich bisher in eine alternative Altersversorgung gesteckt habe, in eine private Zusatzversicherung stecken. Das sichert mir mit ein wenig Glück wenigstens eine halbwegs menschenwürdige Behandlung in den letzten Wochen meines Lebens.
Kleiner Nahctrag zu Tübingen: Wie gesagt, alle Chirurgen, die mein Vater kennen gelernt hat, waren sehr gut; auch komplizierte Operationen glückten. Prof. Dr. Grund, der Leiter der Endoskopie ist nicht nur eine Kapazität auf seinem Gebiet und eine Autorität in der Klinik, er ist auch durchaus an dem Wohl seiner Patienten interessiert und setzt sich auch später für deren Belange ein. Das Pflegepersonal der C1 ist sehr gut, der Fehler mit der falsch gesetzten Infusionsnadel wurde von der C2 verursacht, und einige Schwester gleichen tatsächlich Engeln.

Wir saßen noch zwei Stunden nach seinem Ableben bei meinem Vater. Irgendwann kam eine Ärztin, die den Tod festgestellt hat, dann eine Schwester, die vor Einsetzen der Totenstarre einige Vorkehrungen getroffen hat.
Dann sind wir wieder hinein und waren noch eine halbe Stunde bei ihm. Wie wir in dieser Nacht nach Hause gekommen sind, weiss ich nicht, jedenfalls waren morgens beide Autos unbeschadet zu Hause. Wir haben noch Stunden miteinander geredet. Die folgenden zehn Tage saßen wir eigentlich nur zusammen und haben gerdet. Da der Pfarrer am Freitag keine Zeit hatte, hatten wir auch noch das Wochenende für uns, haben unseren Vater gesehen, wie er vom Bestatter hergerichtet worden war, hatten die Gelegentheit uns am Wochenende noch einmal in der Leichenhalle von ihm zu verabschieden und haben irgendwie auch die Beerdigugn überstanden. Jetzt wühlen wir uns durch seine Unterlagen. Kramen Versicherungspolicen und Finanzverträge heraus und fühlen uns dabei schrecklich, aber anscheinend muss so etwas gemacht werden. Manchmal reden wir stundenlang über die Leidenszeit unseres Vaters, was wir oder andere hätten tun können, undundund. Manchmal tut das gut, manchmal nicht.
Entschuldigt, ich wollte kein abschreckendes Beispiel liefern, aber so war es nunmal. Mein Vater war auf seine Art sehr stark und hatte sich mit vielem arrangiert. Er hatte sich bereits in Gedanken das Wohnzimmer für die letzten Wochen seines Lebens eingerichtet ("Ihr stellt das Bett links hinten hin, da bin ich nicht im Weg") und hatte für das nächste Wochenende geplant,.mit uns einige Dinge zu regeln, d.h. sich aus dieser Welt von uns und allem anderen zu verabschieden. Was ihm leider nicht mehr gegönnt wurde.
Es gäbe noch so vieles zu erzählen, aber nichts Gutes.

Was ist mein Fazit? Es gibt keines. In dem Maß, wie mein Vater leiden musste, so viel Glück hat vielleicht ein anderer. Vielleicht hat Euer Vater/Mann, Eure Mutter/Frau, Eure Kinder ja auch Glück und es kann dennoch operiert werden, die negative Prognose war falsch, die Chemo schlägt an, oder zumindest das Ende ist ohne Schmerzen und Angst.

Sagt was Ihr wollt, ich wäre gerne optimistischer, aber Bauchspeicheldrüsenkrebs ist einfach zum wahnsinnig werden....

Gerd

P.S.: Letztens haben wir zu Hause die Diagnose eines Facharztes (Radiologe) vom September 2002 von meinem Vater gefunden: "Kein Anhalt für einen Tumor"
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  #40  
Alt 19.03.2003, 09:30
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Lieber Gerd,

mir fehlen die Worte, so unfassbar und schrecklich ist dein Bericht. Es tut mir furchtbar leid für euch!!!

Irgendwann kommt für jeden der Moment wo er gehen muss, aber dass dein Vater durch eine falsch gesetzte Nadel so leiden musste ist furchtbar. Auch eine Schwester hätte das bemerken müssen - es ist mir einfach unverständlich. (aber das hilft dir ja leider auch nicht)

Du sagst, niemand hätte euch vorbereitet, dass es so schnell gehen würde. Dazu möchte ich dir sagen: wir hatten wirklich die besten Verbindungen zu den Ärzten der Station wo mein Vater lag (sind mit einigen bis hinauf zum Chef befreundet). Trotzdem konnte auch uns niemand sagen ob es nur noch kurz dauern würde oder noch Wochen. Eine Ärztin meinte sie hätten sich da schon so oft getäuscht. Manche lassen sich plötzlich fallen, andere mobilisieren genauso plötzlich Kräfte die keiner geahnt hätte. (Ca. 12 Stunden nach dieser Aussage, war mein Vater nicht mehr erweckbar)

Ein anderer Arzt, der viel mit Sterbenden und auf Intensiv arbeitet, erklärte uns seine Meinung zu den Angstzuständen mancher Patienten kurz vor ihrem Tod so: auch wenn diese Patienten schon vorher erklärt hatten, sich aufgegeben zu haben, entwickeln sie fast eine Art Panik, wenn sie spüren jetzt ist der Zeitpunkt des "Übertritts" wirklich gekommen. So schlecht ihre Situation im Moment auch sein mag, sie haben Angst was der Tod mit sich bringen könnte, was mit ihnen passieren würde.
Diese Angst soll unabhängig von Schmerzen sein. Und genau dafür eben die Infusion, die die Erregung dämpft, sodass die Patienten in eine Art Traumzustand kommen. Der Arzt war übrigens überzeugt, dass sie dann - obwohl schlafend - sehr wohl mitbekommen wer an ihrer Seite ist.

Ich bin also sicher, dass dein Vater euch in diesen letzten 36 Stunden gespürt und gehört hat, und ihr ihm dadurch helfen konntet.

Nochmals, es tut mir sehr leid, dass ihr so schlechte Erfahrungen machen musstet - würde dich so gerne trösten...

Wünsche dir viel Kraft für die nächste Zeit!!!
Alles Liebe
Afra
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  #41  
Alt 19.03.2003, 10:01
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Nachtrag

Lieber Gerd, nur damit ihr nicht das Gefühl habt, ihr hättet was versäumt:

Es ist höchst wahrscheinlich, dass der Tumor bei diesem Radiologen (September 2002), wirklich nicht zu erkennen war. Das ist eben das Problem beim Pankreas: der Tumor liegt nicht oberflächlich = andere Gewebe liegen davor, und hat zusätzlich ähnliche Dichte wie das gesunde Pankreasgewebe. Mit bildgebenden Verfahren ist er daher meist erst dann sichtbar, wenn eine Raumforderung besteht - dann allerdings ist es meist schon recht spät.

Das nur, weil ich weiß, dass man sich ständig im Kreise dreht, mit Fragen und Selbstvorwürfen wie: hätten wir doch rechtzeitig... oder woanders... oder, oder...

Alles Gute nochmal
Afra
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  #42  
Alt 19.03.2003, 10:34
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Lieber Gerd,
ich sitze hier in meinem Büro und habe gerade gelesen, was passiert ist.... Ich kann nur sagen, dass Du mein aufrichtiges tiefstes Beileid hast!
Für mich ist es immer wieder schlimm zu lesen, dass es so schnell gehen kann. Bei meinem Vater wurde der Krebs am 10.02.03 festgestellt, auch mit Lebermetastasen. Das ist unwesentlich später als bei Deinem Vater. Ich habe so fürchterliche Angst. Zumal bis jetzt noch nichts gegen den Tumor selbst gemacht wurde. Aber ich habe immer noch Hoffnung.
Auch bei meinem Vater wurde im September 2002 ein CT gemacht, wegen seier Diabetis. Da war von BSDK noch keine Spur, Afra hat völlig Recht. Ich weiss nicht, warum man es verdient hat, so bestraft zu werden. Ich weiß nicht, was noch alles auf uns zukommt, ich wünschte nur, ich könnte meiem Vater all das ersparen. Aber ich kann es nicht...Ich habe ihn so wahnsinnig lieb und will ihn nicht verlieren!!!
Als ich las, wie ihr die letzten Stunden mit Deinem Dad verbracht habt, mir wurde einfach nur schlecht, weil ich im Grunde weiß, dass ich es wahrscheinlich ähnlich erleben werde.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles alles Gute und es tut mir so Leid, dass es so kommen musste.
In Gedanken umarme und drücke ich Dich.
Sandra
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  #43  
Alt 19.03.2003, 11:02
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Lieber Gerd, es tut mir so leid!Mein herzliches Beileid. Du hast wirklich alles versucht, aber es wird lange Zeit dauern, bis man wieder zur 'Normalität' zurückkehren kann. Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft. Liebe Grüße
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  #44  
Alt 19.03.2003, 16:10
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Lieber Gerd!
Es tut mir so leid und ich sende dir hiermit mein aufrichtiges Beileid.
Ich denke, du hast soviel für deinen Dad getan und er hat das gespürt, da bin ich mir ganz sicher, mein Gott Gerd, alles so schwer!
Meine Mutti hat Gallenwegtumor und die Ärzte geben ihr nur mehr Wochen, aber ich darf nicht daran denken und möchte dich auch nicht belasten.
Es tut mir so leid und ich weiß die Trauer ist ein schwerer Weg, würde dich so gerne trösten!

Wünsche dir alle Kraft der Welt!
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  #45  
Alt 19.03.2003, 17:11
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Lieber Gerd,

es tut mir sehr leid, daß Dein Vater verstorben ist. Es ist schrecklich zu lesen, was er, Du und Deine Familie in dieser schweren Zeit durchmachen mußtet.

Ich kann nachvollziehen, wie Ihr Euch fühlt. Mein Vater ist ebenfalls im Dezember an BSDK verstorben. Oft habe ich die Beiträge in diesem Forum gelesen, habe bisher noch nie selber geschrieben. Wollte Dir aber mein Beileid aussprechen.

Bin im Herzen bei Euch.

Liebe Grüße

Anja W.
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