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  #1  
Alt 16.01.2003, 10:54
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Standard Der Tod sollte KEIN Tabu sein!!

Hallo,

meine Mutter ist nach Weihnachten an Krebs gestorben. Sie war die letzten Tage im Hospiz, wo meine Schwester und ich von ihr Abschied nehmen konnten und sie ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Am Anfang war es wunderschön, wir haben uns gegenseitig in die Arme genommen, und sie meinte, es wäre der schönste Abschied, den sie je gehabt hätte. Die folgenden 5 Tage ging es steil bergab, aber wir konnten ihr helfen, indem wir einfach da waren, ihre Hand halten und sie stützen, wenn sie sich aufsetzen wollte. Die Pflegerinnen haben sich rührend um unsere Mutter gekümmert und haben uns den psychischen Beistand gegeben, den wir brauchten.

Es gehörte zeitweise einiges an Stärke dazu, unsere Mutter so leiden zu sehen. Es war schlimm anzusehen, wenn sie sich von einer Seite auf die andere wälzte. Aber wenn jemand zu ihr ging und sie über den Kopf streichelte oder ihre Hand nahm, wurde sie viel ruhiger. Richtig heftig wurde es, als sie zu phantasieren anfing. Daran war das Morphium schuld, das ihren Geist vernebelte. Aber schließlich wurde sie erlöst, und meine Schwester und ich sind froh, bei ihr gewesen zu sein. Es hilft mir sehr viel bei der "Trauerarbeit" (doofes Wort), daß ich sie in ihren schweren Stunden nicht allein gelassen habe.

Wie gesagt, der Tod sollte kein Tabu sein, es passiert jedem, irgendwann, irgendwie. Und ich glaube, kein Mensch will beim Sterben allein gelassen werden.

Eure Antje
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  #2  
Alt 16.01.2003, 17:59
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Der Tod sollte KEIN Tabu sein!!

Liebe Antje,
ich kann deine Empfindungen voll nachvollziehen. Ich habe an Silvester meinen Vater verloren. Nachdem auch er einige Tage in einem Hospizzimmer verbracht hatte, haben wir es gewagt, ihn zu Weihnachten nach Hause zu holen. Unsere Hausärzte und auch das Team vom Krankenhaus haben uns darin voll unterstützt. Da wir alle Urlaub hatten, konnten wir ihn zu Hause rund um die Uhr betreuen und hatten die medizinische (und psychische!) Unterstützung durch unsere Hausärzte.
Gerade die letzten Tage und Stunden habe ich ähnlich erlebt wie du. Einerseits war es wohl das Morphin, andererseits sicher auch die eigenen Körpergifte durch die Krankheit, die den Geist vernebelten... Trotzdem, ich glaube auch das sind Momente dieses Abschiedsprozesses, die ich nicht missen möchte. Ich bin riesig dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, den Abschied so intensiv gemeinsam zu erleben.
Ich denke auch, der Tod wird in unserer GEsellschaft viel zu sehr tabuisiert. Gut, dass es Hospizeinrichtungen gibt, die diesem "Trend" entgegenwirken und vielleicht ein neues (altes) Bewusstsein und Wissen wieder in unsere Köpfe zurückbringen können. Nicht jeder hat die Möglichkeit, seinen sterbenden Angehörigen zu Hause zu pflegen und mit ihm die letzten Lebenstage aktiv zu gestalten. Uns hat es sehr geholfen, dass auch der Krankenhausarzt (mit spezieller Palliativ-Ausbildung) während dieser einen Woche zweimal angerufen hat, um sich nach meinem Vater zu erkundigen und immer wieder betont hat, dass "seine Tür offensteht", falls wir es nicht mehr schaffen. Schade nur, dass gerade für diese wichtige Arbeit in unserer Gesellschaft wieder mal kein Geld da ist, und fast alles auf ehrenamtlicher Arbeit basieren muss...
Kerstin
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  #3  
Alt 16.01.2003, 23:26
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Der Tod sollte KEIN Tabu sein!!

Liebe Antje, liebe Kerstin,
als mein Paps vor fast drei Monaten gestorben ist, war er zuhause bei mir, meinem Mann und meiner Schwester. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diesen letzten Weg mit ihm gehen durften. Denn es hat mir in den ersten Tagen sehr geholfen und auch heute tröstet es mich. War ich bis zu diesem Moment immer sehr kritisch mit dem Gedanken an ein Leben danach, so bin ich mir seit dieser Nacht sicher, dass da noch etwas kommt.
Mein Vater hat noch zwei Stunden vor seinem Tod Scherze mit seinem Hausarzt gemacht. Ist dann eingeschlafen und muss heftig geträumt haben. Mal hat er gelacht, mal gegrinst, mal war er traurig. Ich ging dann noch ein bischen spazieren. Wollte dann unbedingt zu ihm. Er lag genauso da wie noch eine halbe Stunde zuvor. Aber mit einem Mal spürte ich, dass etwas (jemand) im Raum war und ich wusste, dass es jetzt soweit ist. Meine Schwester hatte das gleiche Gefühl und kam fast in den Raum gerannt. Ich habe dann Abschied genommen, habe ihm gesagt, was für ein wunderbarer Vater er war, und das seine Mam jetzt auf ihn wartet, das er gehen darf. Nach diesen Worten ist mein Paps dann für immer eingeschlafen. Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch und hatte anfangs echt Probleme meinen Freunden davon zu erzählen. Sein Tod hat mir den Glauben an ein "Leben" danach geschenkt und dafür bin ich unendlich dankbar. Ihr habt recht, über den Tod sollte man sprechen und auch über seine Empfindungen, denn nur so kann man die Angst nehmen.
Ich weiß, dass ich fürchterliche Angst davor hatte, das mei n Vater in meinen Armen sterben könnte. Heute weiß ich, dass sein Tod für mich nicht zu ertragen gewesen wäre, hätte ich ihn nicht miterlebt. Mein Vater war vor seinem Tod eine Woche im Krankenhaus zur Strahlentherapie. Die Ärzte wollten weiterbestrahlen, er wollte unbedingt nach Hause. Es war ein harter Kampf gegen die Ärzte, die uns nur warnten, wir würden es nicht schaffen, ihn zu versorgen. Als ich aber das Leuchten in seinen Augen sah, als er nach Hause kam, war ich so froh, diesen Kampf aufgenommen und gewonnen zu haben. Die letzten beiden Monate seines Lebens war mein Paps nur noch ungern allein. Oft hat er sich lieber dem lauten Geschrei meiner Kinder ausgesetzt, als sich zurückziehen. Selbst wenn er total müde war, schlief er zum Schluss am liebsten im Wohnzimmer auf dem Sofa, wo immer jemand von seinen Lieben um ihn war. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, es gibt Hilfe von außen und man schafft mehr als man sich meist zutraut. Alles Liebe Lilly
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