Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Krebsarten > Nierenkrebs

Thema geschlossen
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 15.11.2006, 12:30
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Beitrag 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

HINWEIS:
Diesen Beitrag habe ich im November 2006 geschrieben, nach ca. 6 Monaten Nexavar. Seit ca April 2007 nehme ich Sutent mit gutem Erfolg. Ich habe den Titel trotzdem beibehalten und aktualisiere diesen persönlichen Thread hin und wieder am Ende. Zur Zeit geht es mir einigermaßen gut, alle Metas an allen Stellen ruhig und konstant. Im April 2008 Gerhard






Ich nehme Nexavar nun fast seit 6 Monaten.
Mit sehr guten Erfolgen, die weit über meine ursprünglichen Erwartungen hinausgingen!




1. WARUM ICH HIER SCHREIBE

Es gab hier eine viel beachtete Anfrage zur Behandlung mit Nexavar. Leider hat sie den Angehörigen einiger Betroffener nicht mehr helfen können. Manche vertragen sie nicht und bei anderen wirkt sie nicht, wie etwa bei Urs, dessen wunderbaren Beitrag ich hier gelesen habe.

In den „offiziellen Seiten“ findet man nach wie vor wenig oder gar keine Hinweise auf das Medikament Nexavar – oder gar Berichte über seine Wirksamkeit und Verträglichkeit.

Dies ist auch nicht verwunderlich: Es ist ja erst seit August 2006 in Deutschland als neue Behandlungsmethode gegen den Nierenkrebs zugelassen. Sicherlich bei weitem zu kurz, um schon ausreichendes Datenmaterial verfügbar zu haben, das es den zur Objektivität und Wissenschaftlichkeit verpflichteten Ärzten und Verantwortlichen ermöglichen könnte, bereits mit ersten Erfahrungen an eine breite Öffentlichkeit zu dringen.

Andererseits besteht bei den persönlich Betroffenen ein legitimes Interesse an neuen und neuesten Informationen und Erfahrungsberichten zu dieser neuen Behandlungsmethode. Selbst dann, wenn man weiß, dass es sich bei den kursierenden spärlichen Erfahrungsberichten immer nur um einen jeweils konkreten Einzelfall handelt und dass jeder einzelne Fall anders verlaufen kann. Da hat einer sehr positive Erfahrungen mit einer Methode gesammelt, beim andern wirkt sie überhaupt nicht. Einer hat kaum Probleme mit den Nebenwirkungen, beim anderen erzwingen diese den Abbruch der Therapie.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Placebo-Effekt, der sich auch in der ersten „progressionsfreien Überlebensstudie“ von Nexavar am Beispiel der Nebenwirkungen zeigt. Nur etwa die Hälfte der Probanden erhielt damals wirklich den Wirkstoff Sorafenib, während die andere Hälfte nur ein Scheinpräparat (Placebo) bekam. Weder die Probanden noch die behandelnden Ärzte wussten aber bei dieser sog. Doppelblindstudie, wer den Wirkstoff und wer nur das Scheinpräparat erhielt. Bemerkenswert ist, dass bezüglich verschiedener Nebenwirkungen in beiden Gruppen teilweise überraschend hohe übereinstimmende Beurteilungen dieser Nebenwirkungen vorlagen. Das bedeutet: Auch diejenigen, die nur ein Scheinpräparat einnahmen, litten in hohem Maße unter den Nebenwirkungen. Das ist sicher nicht bloß eine Einbildung, sondern man leidet wirklich subjektiv unter den erwarteten oder befürchteten Nebenwirkungen. Ich gehe weiter unten noch einmal darauf ein, möchte aber schon an dieser Stelle darauf hinweisen, wie wichtig es ist, "sich buchstäblich den Kopf frei zu machen von belastenden Vorstellungen“.

Schließlich erinnere ich mich noch sehr gut, wie ich selbst im April dieses Jahres zum ersten mal die Worte Nexavar und Sorafenib buchstabierte und nach ihnen das Netz durchsuchte.

Aus all diesen Gründen möchte ich heute in diesem Forum aus meinen eigenen Erfahrungen und über meinen eigenen Fall zu dem möglichen Einsatz von Nexavar berichten, speziell auch als Alternative zur langjährigen Standardtherapie, nämlich der kombinierten Immuntherapie (IMT).

Vor allen Dingen möchte ich den Betroffenen Mut machen.


2. ZU MEINER PERSON UND ZU MEINEM FALL

Ich bin heute 54 Jahre. Bis vor etwa 6 Jahren hatte ich Ärzte nur sehr selten konsultiert. Dann meist wegen einer Erkältung oder einem leichten Unfall oder weil ich - wieder einmal - das Rauchen aufzuhören mir vornahm und dazu eine Kreislaufunterstützung brauchte.

Vor 6 Jahren, im April 2000, verlor ich dann in kurzer Zeit nach einem Nierenzellkarzinom die linke Niere vollständig. Es war ein reiner Zufallsbefund. Nie zuvor und niemals mehr danach hatte ich Probleme mit der Galle, aber ein minder schwerer Fall von Gallengries hatte eine äußerst schmerzhafte Gallenkolik ausgelöst. So landete ich mit dem Notarztwagen im Krankenhaus. Eine Ultraschalluntersuchung zeigte dann ungewöhnliche Veränderungen an der linken Niere. Der Tumor war etwa 6-7 cm groß, noch vollständig geschlossen in Stadium I, und inoperabel. Deshalb nahm ich an, dass die Sache mit der Entfernung der linken Niere vollständig ausgestanden sei. Heute weiß ich: Bei Nierenkrebs darf man niemals unvorsichtig werden – immer schwebt da weiter ein Schwert über einem!

In der Zeit von 2001 bis 2004 hatte ich mich dann unabhängig davon mit einem anderen Krebsbefall herumschlagen müssen, auf den ich hier ansonsten nicht weiter eingehen werde. Es handelte sich um ein Weichteil-Sarkom am rechten Fußrücken. Vereinfacht gesagt: Aus einem seit Geburt bestehenden Überbein am Fußrücken hatte sich durch Entartung Knochenkrebs gebildet, der immer wieder rezidivierte und darum wiederholte Operationen erforderte. Schließlich konnte die Amputation des rechten Vorderfußes nur noch durch eine „Lappendeckung“ mit Material aus der Scapula (ein Muskel mit anhängendem Knochenmaterial im Bereich der Schulter) verhindert werden. Dies ist eine sehr zeitaufwändige Operation (13 Stunden Narkose!), da 2 Operationsteams gleichzeitig beschäftigt sind (nämlich an der Entnahme- und an der Transplantations-Stelle) und zur Blutversorgung des Transplantates feinste Blutgefäße (in der Regel 2 Arterien und 2 Venen) unter dem Mikroskop aufs feinste zu vernähen sind. Da sich die Blutversorgung des ersten Transplantates wider Erwarten zusetzte, musste diese Operation 2 mal ausgeführt werden, mit der linken und der rechten Scapula. Immer wieder akut eingelieferte Unfallopfer brachten alle langfristigen Operationspläne durcheinander. So verwundert es nicht, dass ich wegen dieser 2 Operationen 2004 fast ein halbes Jahr lang stationär in Regensburg verweilte.

Zurück zum Nierenzellkarzinom. Leider wuchs trotz Nachsorge (sogar trotz Beschwerden seit Anfang 2005!) in der ganzen Zeit unbemerkt in der linken Schulter eine Metastase des Nierenkrebses zu beachtlicher Größe heran, die erst im November 2005 entdeckt bzw. als solche erkannt wurde. Das hat mit eben jener anderen OP in der li. Schulter zu tun, wo das Transplantationsmaterial für die „Lappendeckung“ entnommen wurde. Die Ärzte und auch ich schrieben die Beschwerden (und die im Knochenszintigramm bereits 2004 auch sichtbaren (!) Veränderungen in der Schulter) wohl fälschlich dieser Operation zu, anstatt der neuen Nierenzell-Metastase.

Wenig später dann die vollständige Diagnose: Auch die verbliebene rechte Niere und beide Nebennieren waren vom Nierenzell-Ca befallen! Außerdem entdeckte man drei Metastasen in der Lunge, je eine weitere in Herznähe sowie in der Leber sowie mehrere Lymphknotenmetastasen.

Zunächst wurde - dreieinhalb Monate lang - nur die Schulter behandelt. Erst OP mit Gewebeentnahme, Tamponade der stark blutenden, tiefen Wunde mit Verbandsmaterial und erneutem Verschluss. Wenig später, bei bereits einsetzender Blutvergiftung, die vollständige operative Tumorausräumung. Wochen später die radiologische Bestrahlung der Schulter. Bis schließlich 4 Wochen nach Beendigung der Bestrahlung die erheblichen Schmerzen voraussagegemäß an Intensität abnahmen. - Geblieben ist bis heute eine deutliche Bewegungseinschränkung der Schulter und des linken Armes mit mehr oder weniger starken Bewegungsschmerzen. Mit beidem kann man einigermaßen gut leben.

- Und sonst? – Was nun? - Die anderen Tumoren hatten inzwischen an Größe zugenommen. Eine Operation aller Befundstellen war wohl unmöglich. Ich war sehr besorgt.

Da ich bereits wegen des Sarkoms im Fuß insgesamt fast ein Jahr im Krankenhaus verbracht hatte, fernab der Heimat im Klinikum Regensburg, wollte ich die mir noch verbleibende Zeit möglichst nicht mehr im Krankenhaus liegen - und wenn schon, dann wenigstens in der Nähe meines Wohnortes. Die Aussicht, gleichsam eine „Chemotherapie zuhause“ durchzuführen, erschien mir verlockend.

Zum Glück empfahl man mir im Krankenhaus einen bekannten, jedoch stark frequentierten Onkologen vor Ort. Im April 2006 untersuchte er mich und nahm sich bei diesem Ersttermin ungewöhnlich lange Zeit: Fast eine Stunde lang untersuchte und befragte er mich.

Wenig später stand die bis dahin als Standard-Therapie bekannte Immuntherapie (IMT) auf dem Programm. Hierbei werden dem Körper von außen in erhöhter Dosis die Botenstoffe Interleukin-2 und Interferon-alpha, die er normalerweise als Abwehrstoffe des Immunsystems auch selbst produziert, zugeführt. Sollte diese Therapie versagen, war bereits die anschließende Behandlung mit Nexavar angedacht, die sich (wegen der bereits absehbaren zeitnahen Zulassung des Medikamentes in Deutschland) relativ schnell anschließen könnte. Es war bereits ein Termin für die Erstgabe der Immuntherapie vereinbart, als der Onkologe den Termin kurz vorher cancelte und mir eröffnete, er habe es sich anders überlegt: Keine Immuntherapie!

Er wolle und könne mir die erheblichen Nebenwirkungen der IMT angesichts der vergleichsweise geringen Erfolgschance ("maximal 20 %") nicht zumuten. Mit Nexavar würden sich meine Chancen dagegen mindestens verdoppeln, sagte er.

Damals war Nexavar in Deutschland noch nicht zugelassen! Es war daher unwahrscheinlich, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt, zumal dann, wenn nicht vorher die Standardtherapie zumindest versucht wurde. Auch gab es kaum Erfahrungsberichte. Trotzdem riet mir der Arzt kämpferisch zu diesem Medikament und beantragte dessen Kostenübernahme. Zum Glück habe ich ihm weiterhin vertraut und weitere lange Wochen des Wartens und Bangens überstanden. Mit vereinten Kräften und meinem Angebot einer 10%igen Selbstbeteiligung an den Kosten konnten wir die gesetzliche Krankenkasse zu einer weitgehenden Kulanzentscheidung bewegen: 90%ige Übernahme der Kosten für zunächst 3 Monate, ohne die Bedingung, vorher die Standard-Therapie versuchen zu müssen.

Im Rückblick war das für mich die beste Entscheidung!


3. ZWISCHENERGEBNIS BEREITS NACH 3 MONATEN

Ich zitiere hier Auszüge aus der Bewertung der CT Thorax und Abdomen vom 27.7.06: Alle Tumorherde deutlich zurückgebildet, in der Schulter und der einzigen Niere Rückbildung um etwa 70%, außerdem alle 3 Metastasen in der Lunge vollständig verschwunden, ebenso die kleine Leberläsion!

[An den bösartigen Charakter der Tumoren an den beiden Nebennieren glaube ich eigentlich bis heute nicht so recht. Grund: Bereits 2004 hatte man die etwa um das 6fache (!)vergrößerten Nebennieren erkannt und mit einer Punktion festgestellt: keine bösartige Veränderungen, kein ungewöhnlicher Hormonausstoß. Trotzdem lautet auch hier der Befund nach nur 3 Monaten Einnahme von Nexavar:] ...auch die "beiden großen Nebennierenmetastasen um mehr als die Hälfte in ihrem Volumen zurückgegangen"; "auch die übrigen Lymphome entsprechend zurückgebildet", "keine neu aufgetretenen infiltrativen Prozesse".

Das war das mit Abstand schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens!

In 8 Tagen werde ich Nexavar nun 6 lange Monate eingenommen haben. Es stehen neue Untersuchungen an und ich hoffe, dann von einem weiteren positiven Verlauf berichten zu können.

Mein Ziel ist heute nichts anderes als eine vollständige Heilung.Und meine Hoffnung ist die baldmögliche Reduzierung der Dosis auf die Hälfte. (Dabei weiß ich im Moment gar nicht, ob das überhaupt möglich ist; ob das Medikament nicht zur Wirksamkeit eben jener Dosis von 800 mg täglich bedarf. - Sei´s drum. Ich glaube daran, dass auch die halbe Dosis reicht. Denn natürlich möchte ich damit die Nebenwirkungen auf ein geringeres Maß reduzieren). - Nun also noch etwas zu den


4. NEBENWIRKUNGEN VON NEXAVAR

Sie sind wirklich nicht ganz ohne! Außerdem sind sie von Fall zu Fall recht unterschiedlich. In meinem eigenen Fall kann ich rückblickend sagen.Wenn es ums Überleben geht, sind die Nebenwirkungen locker zu ertragen. Allerdings wohl eher im Krankenstand oder allenfalls mit einer Teilzeit-Beschäftigung. Eine Vollzeitarbeit mit Normaldosis von 4x 200 mg Nexavar kann ich mir nicht vorstellen. Ich tröste mich bis heute bei allen Beschwerden immer nur mit dem einen Satz: „Es wirkt!“ - wenn es mir schlecht geht, so ist das ein Zeichen dafür, dass das Medikament positiv wirkt.

Klar, ich hatte in den ersten Wochen etwa 40-50% meiner Haare verloren. Übrigens nicht nur am Kopf. Eine ganze Woche lang brannte meine Kopfhaut, dann sammelten sich täglich erst Dutzende, dann wohl Hunderte von Haaren unter der Dusche oder auf dem Kopfkissen. Nach einigen Wochen sind sie, zunächst gekräuselt, nun sogar richtig lockig, wieder nachgewachsen. Ergebnis: Sieht besser aus als vorher.

Am schlimmsten waren und sind für mich das Fuß-Syndrom (=Schwielen, Hornhaut, Hühneraugen an den Fußsohlen, speziell an Ballen und Ferse, insgesamt erhebliche Beschwerden und auch Schmerzen beim Gehen) sowie Diarrhöe (starker, gelblich verfärbter, teils schaumiger und häufig übel riechender Durchfall, meist 4-6x, manchmal aber bis zu 12x täglich!).

Daneben fühle ich mich auch häufig schlapp und antriebslos, habe oft schon bei geringen Belastungen Atemnot mit dem Zwang, eine Pause einzulegen. Ich schlafe mehr, aber mein Appetit ist reduziert, seit Jahresbeginn hatte ich 9 kg Gewichtsverlust. Immer wieder mal ein Benommenheits- oder Schwindelgefühl, doch meist nur von kurzer Dauer.

Doch andererseits – so gut wie nie Übelkeit oder Erbrechen !!! Das, was man eigentlich von jeder Chemotherapie vom Hörensagen als Horror kennt, trat bei mir in einem halben Jahr nur 2 Tage lang auf. Vermutlich hatte ich mir da zusätzlich noch eine Darmgrippe oder irgendeinen Virus eingehandelt.

Nebenwirkungen rühren aber natürlich auch von anderen Begleitmedikamenten her. Und beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom nimmt man ja wohl eine ganze Reihe anderer Präparate ein, die aufeinander abgestimmt sind, etwa um dem Schmerz, auftretender Übelkeit, Diarrhoe oder Schlafstörungen entgegenzuwirken. Auch ich hatte anfangs einen solchen Behandlungsplan (habe ihn eigentlich noch immer) und habe auch die verschiedenen Präparate stets vorrätig. Aber sie sind auf meinem Behandlungsplan in Klammer gesetzt, d.h. Einnahme nur bei Bedarf. - Ich persönlich habe mich jedenfalls sehr frühzeitig bemüht, Schmerz- und Schlafmittel weitgehend einzustellen, nachdem mir auffiel, dass einige der Schmerzmittel auch noch unangenehme Blähungen verursachten. Wenn man schon an Durchfall leidet, so ist das ein wenig so, als wenn man den Teufel mit dem Belzebub austreibt. Ärzte sehen das mitunter ganz anders, sprechen etwa von der Gefahr, dass unbehandelte Schmerzen chronisch werden können etc. Vielleicht hätte ja auch die Kombination mit anderen starken Schmerzmitteln dem Abhilfe verschaffen können. - Wie auch immer. Ich für meinen Teil habe mir die Freiheit herausgenommen, auf meinen eigenen Körper zu hören und nehme seit rund 3 Monaten außer 800 mg Nexavar täglich keine anderen Medikamente mehr ein. Mit Ausnahme einer monatlichen Infusion von 6 mg Bondranat, was wohl das Einnisten von Metastasen in den Knochen verhindern soll.

Die nachhaltigste Begleiterscheinung an der Therapie mit Nexavar scheint mir die folgende: Das Leben ist einfach nicht mehr so planbar wie früher. - Werde ich heute Abend ins Theater gehen oder einer Einladung von Freunden Folge leisten können? – Werde ich Appetit haben? Oder mich wenigstens fit genug für eine Unternehmung fühlen? – Man weiß vorher nie so recht, wie man sich einige Stunden später fühlen wird. Das schränkt die Lebensqualität doch sehr ein und macht es auch den Lieben und Verwandten mitunter nicht leicht. Schön, wenn man dann eine/n verständnisvolle/n Partner/in hat.

Wenn ich versuchen müsste, das „Unwohlsein“ oder die sonstigen Einschränkungen graduell zu beschreiben oder - anders formuliert-, auszudrücken, um wie viel Prozent die Lebensqualität mit der Einnahme von Nexavar abgenommen hat, so würde ich über einen Zeitraum von einem halben Jahr sagen: Je nach Befinden vielleicht zwischen 25 und 50% pendelnd, ganz selten vielleicht auch einmal 60% oder darüber. Das heißt aber: Das Wohlsein überwiegt spürbar das Unwohlsein.


5. VORLÄUFIGES FAZIT

"Mein" Onkologe hat die Wirksamkeit von Nexavar weit über diejenige der IMT gestellt. Auch in Bezug auf die Nebenwirkungen scheint Nexavar vorn zu liegen. Sicherlich ist Nexavar kein Wundermittel. Aber nach meinen Erfahrungen kann Nexavar weit mehr, als das Leben „nur um ein paar Monate zu verlängern“, wie ich in einem Beitrag las!

Noch einmal zur Erinnerung: Jeder Fall liegt anders. Auch 6 Monate sind vielleicht noch kein ausreichend langer Zeitraum. Und schließlich: Mindestens genauso wichtig wie die verschiedenen Methoden scheint mir heute, wie wir geistig und seelisch auf die Konfrontation mit dem eigenen Tod (oder demjenigen naher Angehöriger) reagieren und mit dieser Situation umgehen, welche Erwartungen oder Befürchtungen wir haben usw.

Ich habe mich z.B. nie gefragt „Warum gerade ich?“ oder auch nur ein einziges Mal über die Unfähigkeit der Ärzte geklagt. Gewiss lief in den letzten 6 Jahren etliches schief, manches hätte einfach nicht passieren dürfen. Aber Ärzte sind auch nur Menschen. Und die wenigsten von uns machen sich klar, unter welchem enormen Druck viele Ärzte täglich stehen. Was ich mir aber durchaus selbst als Versäumnis anrechne: Ich hatte mich im Gegenteil viel zu schnell mit meinem baldigen Tod abgefunden, ohne dass er mir bislang wirklich ernstlich nahe war! Ich hatte meine eigene private Vorstellung von meiner unmittelbaren Zukunft und mich lange nicht wirklich mit meiner Lebenspartnerin darüber ausgetauscht. Ihr erging es nicht anders. Beide hielten wir meinen baldigen Tod für möglich, ja sogar wahrscheinlich, konnten aber darüber nicht miteinander sprechen. In dem Wunsch, dem anderen nicht (noch mehr) weh zu tun, haben wir so eine emotionale Schweigemauer zwischen uns errichtet und wurden letztlich unaufrichtig. Sicher, es war wohl eine falsch verstandene Hilfe, dass mir ein (angehender) Arzt glaubte sagen zu müssen, ich solle möglichst bald meine Angelegenheiten regeln und mir die verbleibende Zeit (auf Nachfrage: statistisch etwa ein halbes Jahr) noch möglichst angenehm machen. Aber ich war es, der daraus (m)ein persönliches Selbstmordprogramm gebastelt hat. Zum Glück durfte ich das noch rechtzeitig erkennen.


5. EMPFEHLUNGEN, WÜNSCHE

Ich möchte allen Betroffenen und den Angehörigen Mut machen, ihre Krankheit und die noch so brutal klingende Diagnose erst mal anzunehmen; nicht wegzusehen oder sich selbst wegzudröhnen, sondern gemeinsam und offen über die eigenen Gefühle zu sprechen und sie nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme zu verdrängen; sich zunehmend weiter fachlich zu informieren, nicht alles ungeprüft hinzunehmen, was uns die Ärzte und Heiler erzählen; sich immer eine Zweit- und Drittmeinung anzuhören; vor allem niemals die Hoffnung aufzugeben; um dann nach und nach ein „Gesundprogramm“ zu entwickeln und dabei ihren ganz eigenen Weg zu finden, möglichst natürlich zu ihrer Genesung, im schlimmsten Fall aber (noch immer positiv!) zur Annahme des letztlich Unausweichlichen.

Ein schönes Zitat dazu fand ich in Rudolfs Thread „Alte und neue Weisheiten“:
So wie es in Ihrer Macht liegt,
an Ihrer Erkrankung mitzuwirken,
haben Sie auch die Macht,
sich an Ihrer Genesung zu beteiligen.

Dr. med. Bernie Siegel, Arzt
Möglicherweise habe ich mir den Nierenkrebs ja selbst zugezogen. Ich war nämlich 34 Jahre lang absoluter Suchtraucher. Und Raucher erkranken etwa 40% häufiger an Nierenkrebs, las ich. Vor meiner Transplantation habe ich mich dann für das Leben entschieden und endlich umgesetzt, was mir Jahrzehnte lang als unmöglich erschien: Dem Qualm ein Ende zu setzen. Heute bin ich annähernd 3 Jahre Nichtraucher und begreife es nicht mehr, wie ich eigentlich glauben konnte, mich von so etwas Ekelhaftem nicht aus eigener Kraft lösen zu können!

Vielleicht muss nur erst einmal der Leidensdruck groß genug sein, um alte und lieb gewonnene Einsichten und Verhaltensweisen als Fixierungen zu erkennen um sie dann endgültig an die Vergangenheit zu verabschieden?

Wer immer den Wunsch hat, sich mit mir persönlich – auch telefonisch – auszutauschen, kann dies gern mit einer privaten Email an mich einleiten. Ansonsten werde ich hier hoffentlich bald die neuesten Untersuchungsergebnisse posten.

Ihnen und Ihren Angehörigen allzeit Alles Gute

Gerhard

Geändert von *gerhard* (10.04.2008 um 13:44 Uhr)
  #2  
Alt 15.11.2006, 15:13
Nerie Nerie ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.06.2006
Beiträge: 128
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Gerhard!
Sitze gerade auf Arbeit und habe meine Mittsgspause genutzt, um deinen Bericht zu lesen. Ich kann nur sagen, dass ich ihn ausgedruckt habe und meiner Muttsch heute mitnehmen werde, die seit 5 Wochen Nexavar einnimmt. Erst einmal vielen Dank für diese Zeilen.
Ganz liebe Grüße, Nerie.
  #3  
Alt 15.11.2006, 17:40
WelshNixy WelshNixy ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.07.2006
Ort: Waiblingen/Stuttgart
Beiträge: 39
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Hallo Gerhard,

ich freue mich für Dich und vielen Dank für Deine mutmachende Worte! Mein Vater nimmt jetzt im 3. Zyklus Sutent - ich glaube das ist vom Wirkungsstoff ähnlich, oder?

Alles Gute für Dich und freue mich von Deinen neuesten Ergebnisse zu hören!

Nicky x
  #4  
Alt 16.11.2006, 11:15
Nerie Nerie ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.06.2006
Beiträge: 128
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Hallo Gerhard!
Habe meiner Muttsch den Bericht vorgelesen und sie fand es bewundernswert, wie du geschrieben hast und wünscht dir weiterhin viel Glück. Falls du gute Tipps zur Linderung der Nebenwirkungen hast, würde sie sich freuen. Gerade wegen der Bläschen im Mundbereich und evtl. andere Salbe als Bepanthen für den Hautausschlag. Habe ja im Forum schon viele gute Infos erhalten, was eben hier super ist.
Liebe Grüße, Nerie!
  #5  
Alt 16.11.2006, 15:00
Benutzerbild von Rudolf
Rudolf Rudolf ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 08.05.2003
Ort: fast im Taunus
Beiträge: 1.751
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Hallo Gerhard,
das ist wirklich ein sehr mutmachender Bericht.
Ich freue mich für Dich, Deinen Erfolg.
Wir sollten uns niemals mit statistischen, durchschnittlichen Therapie- oder Studienergebnissen zufrieden geben.
Wir sollten vom Schicksal das Maximale fordern, vollständige Heilung.
Wir sollten die Statistik großzügig nach oben erweitern oder durchbrechen.

Du zitierst den erfolgreichen Arzt Dr. med. Bernie Siegel. Ich zitiere ihn nochmal:
"Es gibt keine unheilbaren Krankheiten,
es gibt nur unheilbare Patienten."
Und das sind oft genug die, die nicht genug fordern, die schon bei der Diagnose aufgeben, die manchmal aber auch gar nichts wollen außer sterben. Da kann dann auch der beste Arzt nichts erreichen.

Und warum ist Siegel erfolgreich? Weil er den Patienten ernst nimmt, weil er ihm vollständige Informationen gibt, weil er ihm seine Mitverantwortung und seine eigenen Möglichkeiten aufzeigt. Er ist kein Krankheitsmechaniker in einem Reparaturbetrieb für Symptome.

Liebe Grüße
Rudolf
__________________
Ich habe Krebs - aber ich bin gesund!
(Nieren-Op. Nov. 2000, Mistel seit Sept. 2001, anfangs >15 Lungenmetastasen, seit 2003 noch eine, seit 2006 ruhend, 2018 operativ entfernt)

Ich kämpfe nicht gegen den Krebs, sondern für das Leben.
Nein, ich kämpfe nicht, ich lebe!
Mein Krebs ist nicht mein Feind, er ist Teil meines Körpers. Ich will ihn verstehen.
Angst ist Gift für den Körper . . . . . und noch mehr für die Seele.
Entscheiden Sie sich für das Leben, sagte eine Psychologin . . .

Geändert von Rudolf (20.11.2006 um 12:14 Uhr)
  #6  
Alt 16.11.2006, 15:46
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

@nerie Tipps zur Linderung der Nebenwirkungen


Liebe Nerie,

Bläschen im Mund hatte ich nur 2 oder 3 mal; das ging nach 1-2 Tagen jeweils wieder von alleine vorbei. Ich habe nur darauf geachtet, dass ich wenig/er Säure zu mir nehme, also nicht unbedingt frischgepressten Orangensaft trinken, sondern lieber Buttermilch. Auch den Rotwein zum Essen habe ich mir meist verkniffen. Eigentlich habe ich nur auf meinen Bauch gehört.

Zum Thema Hautausschlag kann ich nichts beitragen, denn ich habe und hatte schlicht keinen.

Für die schmerzhaften Fußsohlen habe ich allenfalls folgenden Rat: Ich gehe alle 2-3 Wochen zur Fußpflege und lasse mir die Hornhaut abschleifen, aber vorsichtig und stets noch etwas stehen lassen! Ich trage stets weiche Einlagen in den Schuhen (gut: Gel-Einlagen). Meist trage ich, wenn es geht, noch ein paar dicke Skisocken in den Schuhen, die ich mir dazu ein oder zwei Nummern größer als gewöhnlich gekauft habe. Dann benutzte ich lange eine Salbe mit 10% Harnsäure (Korrektur: Nicht Harnsäure, sondern Harnstoff!). Noch besser ist jetzt ein Spray: ALLPRESAN Schrundenschaum, enthält 15% Harnstoff und Nachtkerzenöl. Nachteil: Die Einlagen fangen nach einiger Zeit an, etwas nach Katzenpisse zu riechen. Dann einfach in lauwarmen Wollwaschmittel-Wasser einweichen und gut spülen.

Gegen den Durchfall habe ich noch ein probates Verfahren, das einem wenigstens einige Stunden lang Ruhe und wieder die völlige Kontrolle über die eigenen Ausscheidungen gibt. Aber das ist mir hier jetzt doch etwas zu unappetitlich, um es so öffentlich auszubreiten. Wer mehr wissen will, mag mich direkt anmailen.

Viele Grüße und alles Gute für Deine Mutter

Gerhard

Geändert von *gerhard* (24.11.2006 um 12:26 Uhr)
  #7  
Alt 16.11.2006, 15:59
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

eine interessante Äußerung meines Onkologen Dr. Schlag

Er hat mit mir derzeit insgesamt 12 Patienten unter Nexavar.

Einer dreizehnten Person (männlich, Anfang 70, mehrere faustgroße Metastasen) hat er wegen der Gefahr eines Herzinfarktes Nexavar nicht zumuten wollen, ebenso wie er in diesem Fall schon zuvor von der komb. Immuntherapie abgeraten hat. Inzwischen hatte diese Person tatsächlich einen Herzinfarkt.

Bei 10 der 12 Personen sprach Nexavar gut bis sehr gut an.

Bei einer Frau musste Nexavar wegen unerträglicher Beschwerden an den Füßen abgesetzt werden. Eine weitere Person vertrug wegen der Nebenwirkungen nur die halbe Dosis; hier wuchsen Tumore/Metas trotz Nexavar weiter an.

Das bedeutet: positive Ansprache bei 10 von 12 konkreten Patienten
  #8  
Alt 16.11.2006, 16:54
Urs Urs ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.07.2006
Ort: Kanton Aargau, Schweiz
Beiträge: 80
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Gerhard

Ich habe mich sehr über Deinen Bericht gefreut und wünsche Dir weiterhin alles Gute. Du hast in den letzten Jahren sehr viel durchgemacht. Ich bewundere Deine Kraft.
Du hilfst sicherlich mit, den Nexavar- und Sutent-Patienten neue Hoffnung zu geben, sie in ihrem Kampf zu unterstützen.

Ein Gedanke geht mir durch den Kopf: (Ich gehörte nach 6 Monaten zu den Nexavar-"Versagern", d.h. Ende September 2006 erfolgte der Abbruch der Behandlung. Gestern habe ich nun mit einer Chemotherapie angefangen.)
Wenn nun die Rede davon ist, dass man einfach nicht aufgeben darf, dass man kämpfen soll, nichts unversucht lassen soll, dass man an seiner Heilung selber Verantwortung trägt..., dann entstehen in mir Bilder vor Augen, Bilder derjenigen Patienten, die das alles versuchen, aber bei denen die Krankheit dennoch unerbittlich fortschreitet (wie dies auch bei mir der Fall ist). Wie fühlen sie sich, wenn ihr Kampf keine Resultate zeigt. Kommen sie dann nicht in Versuchung, die Schuld dieses "Versagens" bei sich zu suchen, weil sie wohl doch zuwenig gekämpft haben?
Wir wollen doch alle leben und ich glaube nicht - wie dies Rudolf heute hier zitierte - dass es keine unheilbaren Krankheiten gibt, nur unheilbare Patienten, die sich zu früh aufgeben. Nein und nochmals nein! – Solches kann ich doch keinem sterbenden Menschen ins Gesicht werfen. So unbarmherzig dürfen wir nicht sein!
Wir müssen uns bei unseren Aussagen immer bewusst sein, dass die Bewältigung einer Krankheit nicht einfach nur ein Leistungsausweis darstellt für Menschen, die es entweder schaffen oder nach darwinistischem Prinzip so quasi als Fehler der Natur ausscheiden!
Wir alle wissen nicht, wie sich bei jedem einzelnen die Krankheit entwickelt. Glaubt ihr nicht auch, dass die in den letzten Monaten im Krebs-Kompass Verstorbenen auch gekämpft haben? - Was würden sie wohl zum Thema sagen?
Wir alle geben unser bestes! Ich danke allen, die ihren persönlichen Lebenskampf mit den ihnen eigenen Kräften kämpfen.
Mag sein, dass ich heute ein bisschen emotional bin.
Am letzten Samstag starb mein Kollege aus der Krebs-Erfahrungsgruppe - Er kämpfte Jahre.
Am letzten Sonntag wurde meine Nachbarin wegen Hirnmetastasen, die sich auf die Motorik auswirkten, ins Spital eingeliefert. Sie hat bisher wirklich auch gekämpft. Aber ihr Ende naht.
Ich grüsse Euch.
Urs
  #9  
Alt 16.11.2006, 17:22
peti peti ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 29.06.2006
Beiträge: 84
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Urs,
ich kann Dir nur beipflichten.
Bei meiner Mutter sah bis nach dem 2. Kontroll-Ct (also nach einem halben Jahr) auch alles positiv aus. Nach der 3. Kontrolle hatten sich die Metastasen im ganzen Bauchraum ausgebreitet und 3 Wochen später war sie tot. Sie hat gemäß ihrem Naturell gekämpft wie ein Stier und ist mit einer dicken Träne, die ihr die Wangen hinunterlief gestorben.
Nein, sie hat gekämpft und sie wollte nicht gehen noch lange nicht.
Ich wünsche jedem hier aus tiefstem Herzen nur das Beste, aber wenn es nur am Kampfgeist liegen würde, hätte man diese agressive Krankheit mit ein paar "psychologischen Kampfansageübungen" schon längst im Griff und würde nicht in vielen Bereichen noch sehr im Dunklen tappen.
Ich gebe zu das eine positive Einstellung und Kampfgeist, sich nicht unterkriegen lassen das ihre zur Genesung beitragen-ganz bestimmt, aber alleine reicht es nicht.
Ich denke nach wie vor Urs, daß Du mit Deiner Einstellung auf dem richtigen Weg bist:
jeden Tag genießen wie ein Geschenk, nach vorne schauen und mit Ruhe und Gelassenheit dem entgegensehen, was am nächsten Tag kommt.
Ich wünsche Dir alles Liebe, v i e l Glück und w e n i g Qualen bei Deiner Chemo.

@Gerhard
Bitte versteh mich nicht falsch. Ich wünsche mir, daß bei Dir die Erfolgskurve weiter nach oben geht. Nur bei meiner Mutter war es eben nicht so und man fühlt sich als Angehöriger, wie Urs schon geschrieben hat, nicht so toll, wenn´ s nur am Kampf gelegen haben soll.
Meiner Mutter war 68, noch etwas zu jung und sie hat 3 Kinder großgezogen und ihr Leben lang gekämpft, daran kann es nicht gelegen haben.

Es grüßt Euch herzlich
Peti
  #10  
Alt 16.11.2006, 22:54
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Standard

Lieber Urs,

vielen Dank für Deinen Beitrag! Ich denke, ich muss da etwas richtig stellen, was hier wohl falsch rüber gekommen ist, was ich jedenfalls so weder gesagt noch gemeint habe.

Zunächst einmal möchte ich Dir sagen, dass ich Deinen Beitrag (Leben nach Nexavar) und Deine Ansichten mit Bewunderung gelesen habe. Ich habe mich dabei selbst öfters gefragt: Wie hätte ich wohl an seiner Stelle gehandelt? Wie würde ich mich wohl an seiner Stelle fühlen? - Insofern glaube ich auch, wie Peti schreibt, dass Du mit Deiner Einstellung für Dich auf dem richtigen Weg bist. Ich gehe sogar weiter und sage: Deine Einstellung verdient meine uneingeschränkte Bewunderung und meinen tiefen Respekt. Auch sehe ich darin keineswegs eine Resignation oder einen mangelnden Lebenswillen, wenn Du jeden Tag als Geschenk betrachtest und in Ruhe und Gelassenheit der Zukunft entgegensiehst, ohne den erklärten Anspruch, jederzeit selbst Herr über Leben und Tod zu sein.

Deshalb bist Du kein Nexavar-"Versager", nur weil dieses Medikament bei Dir nicht anspricht! Wie ich mir umgekehrt auch nichts darauf einbilde, ja es auch nicht meinem persönlichen Einsatz anrechne, dass das Medikament bei mir bisher positive Wirkungen zeigte. Dieses Denken ist mir völlig fremd.

Ich stehe ganz überwiegend auf dem Boden der Naturwissenschaft. Wir wissen täglich etwas mehr, aber wir wissen auch, dass wir von vielem überhaupt nichts wissen, geschweige denn tief verstehen. Wir wissen z.B., dass uns Krankheiten befallen, dass Keime, Bakterien und Viren uns angreifen und dass sich deshalb unser Immunsystem entwickelt hat, um uns gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen. Das ist auf beiden Seiten ein ständiges Gemetzel und ein gegenseitiges Wettrüsten der Evolution. Wer unterliegt, hatte doch wohl nicht einen schwachen Glauben, sondern wohl eher die schlechteren Gene oder eine mangelhafte Disposition.

Was wir nun aber auch wissen ist, dass die persönliche Einstellung etwa ein wichtiger Faktor ist, der - auf dem Umweg über unser Immunsystem - unseren Überlebenskampf stärkt oder schwächt. Das ist wohl gesichertes Wissen. Insofern darf man schon die Forderung stellen, nicht gleich bei der ersten schlechten Nachricht schon die Flinte ins Korn zu werfen, sondern uns erst einmal zu orientieren und zu wehren. Optimist zu sein, schadet nicht.

Nebenbei: Ist es nicht eigenartig, alle die ganzen Worte aus der Militärsprache?!
Was mir also geholfen hat, war ganz überwiegend das Medikament. Zweitens war es offensichtlich das Glück, zu der Gruppe zu gehören, bei der das Medikament anspricht. Nun ja, vielleicht war es irgendwann in der langen Kette, vielleicht ein ganz klein wenig, auch meine positive Einstellung. Aber - wenn Du meinen Beitrag an einer Stelle sehr genau liest, dann wirst Du (sehr deutlich und nicht nur zwischen den Zeilen) herauslesen, wie ich selbst mich innerlich bereits aufgegeben hatte, während ich nach außen vielleicht vorgab, mein Schicksal stark und mit einer gewissen Demut zu tragen! Soweit war das also gar nicht her mit meiner positiven Lebenseinstellung. Du siehst, ich sitze nicht auf dem hohen Ross. - Und eben weil ich selbst diese Erfahrung gemacht habe, nämlich mein Leben ohne Not schon gleichsam als abgeschlossen und meinen baldigen Tod als besiegelt zu betrachten, wollte ich die anderen Teilnehmer des Forums vor diesem Fehler warnen und ein wenig aufrütteln.

( Vielleicht wollte ich dabei auch mich selbst motivieren, nicht mehr in dieselbe Falle zu gehen, wenn es bei mir nicht mehr so positiv weitergehen sollte! Denn machen wir uns nichts vor - es ist ja immer nur eine Momentaufnahme. Ich nehme 6 Monate Nexavar, Du hast es kürzlich abgesetzt, weil es bei Dir nicht wirkte. - Was wird in 6, 9 oder 12 Monaten sein? - Heißt es dann vielleicht: "Wer zuletzt lacht...."? ).

Sagen wir mal: Es ist also okay, wenn man den Imperativ ausgibt: "Kämpfe, gib nicht einfach kampflos auf!" Nun kann man vielleicht darüber streiten, wie weit man sich Hoffnungen, Kampfeswillen und Optimismus bewahren sollte. Ich bezweifle, dass es da eine allgemein verbindliche Grenze gibt. Jedenfalls habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass man nach einiger Zeit, wenn man den eigenen Tod erst einmal angenommen hat, zu einer Phase tiefer Ruhe und Gelassenheit gelangen kann. Das wäre doch eine wünschenswerte Sache, denn sterben müssen wir ja sowieso. - Also was? - Wie lange weiterkämpfen? Außerdem: Der Tumor und die Metastasen sind in mir, sind vielmehr ein Teil von mir. Also kämpfen gegen mich selbst?!

Hier im Forum hat jemand einen Beitrag geschrieben, welcher sehr gut zu diesem Thema passt und den ich jedem Einzelnen einmal zur Lektüre empfehle. Er stammt von Stoebie, lautet "Mal ein ´Mut-Mach-Eintrag´" und findet sich hier:
http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=18208
Würde man Stoebie fragen: "Wie lange soll ich denn glauben und hoffen?", so wird er wohl antworten: "Solange Leben ist, ist da auch Hoffnung". Kein schlechter Grundsatz.

Nun aber zum Ende und zum Wichtigsten: Wenn ich sage, buchstäblich bis zuletzt die Hoffnung nicht zu verlieren, so folgt doch nicht im Umkehrschluss, dass man ein Versager ist und/oder nicht genug Glauben hatte und/oder damit gleichsam selbst schuld ist, wenn man letztlich den (Über-)Lebenskampf nicht siegreich besteht!!!

Ich denke, Zweifel zu haben und die Begrenztheit des eigenen Ichs zu empfinden, gehört unlösbar zum Menschsein. Und der Tod ist ein Vorgang, der uns zweifelsfrei und ausnahmslos allen bevorsteht. Nun müssen wir uns aber sicherlich nicht auch noch die Schuld dafür geben, dass wir sterblich sind. Das halte ich doch für sehr radikal und sehr weit hergeholt, lieber Urs.

Ich weiß aber, dass es tatsächlich Menschen gibt, die so radikal denken und argumentieren; die uns Glauben machen wollen, dass wir immer unser Schicksal in der Hand haben bzw. es sogar sind; dass wir z.B. auch einen "zufälligen" Unfall "herbeiführen". - Vor etwa zwanzig Jahren habe ich Bücher gelesen wie Schicksal als Chance von Thorwald Dethlefsen oder Krankheit als Weg ebenfalls von Thorwald Dethlefsen mit Rüdiger Dahlke. Ich fand das seinerzeit äußerst interessant und beeindruckend, und es gab auch eine Zeit, da habe ich solche Schlagworte nachgeplappert und mich damit wichtig gemacht.

Inzwischen bin ich etwas pragmatischer geworden, vielleicht auch etwas weiser. Jedenfalls sehr viel liberaler. Ich kann heute gut damit leben, viele Dinge nicht zu verstehen. Ich halte vielmehr das ganze Leben selbst für ein einziges Mysterium. Und Menschen, die meinen oder vorgeben, alles erklären zu können und alles zu verstehen, sind mir zutiefst suspekt geworden (aber dennoch sind das oben keine dummen Bücher!).

Es würde mich interessieren, wie andere Teilnehmer den von Dir aufgeworfenen Aspekt sehen.

Ich wünsche auch Dir, lieber Urs, beste Gesundheit, viel Freude und einen ganz, ganz langen Atem!

Gerhard

Geändert von *gerhard* (16.11.2006 um 23:17 Uhr)
  #11  
Alt 17.11.2006, 08:32
roberth roberth ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 16.11.2006
Ort: Asperg bei Ludwigsburg / Württ.
Beiträge: 3
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Hallo,

erst mal Danke für Eure Beiträge hier! Letzte Woche wurde bei meinem Bruder ein Tumor in der rechten Niere festgestellt. Um was es sich genau handelt ist noch nicht genau geklärt - vorgestern wurde eine Biopsie vorgenommen. Wegen Rückenschmerzen wurde er zuvor 2 Monate lang bei einem Physiotherapeuten "behandelt". Erst als er darauf bestand, dass das nun genau abgekärt wird, wurde eine CT gemacht wo dann folgendes festgestellt wurde: Tumor in der rechten Niere ca. Tennisball-groß, Metastasen in der Wirbelsäule und im Becken. Seit Montag ist er nun im Krankenhaus St. Gallen in der Schweiz (mein Bruder lebt in der Schweiz). Heute wird er an der Wirbelsäule operiert um die größten Metastasen zu entfernen, da akut eine Querschnittlähmung droht. Die Operation ist auf 10-14 Stunden angesetzt und die Risiken sind nicht ohne... Mein Bruder Manfred ist 47 Jahre alt und ansonsten gesund und stark - Blutbild usw. alles überdurchschnittlich gut. Bin also sehr zuversichtlich, dass die Operation gut verlaufen wird zumal das Krankenhaus St. Gallen und die Ärzte dort wohl sehr gut sind.
Was ich hier über Nexavar gelesen habe - ohne wie gesagt bisher genau zu wissen um welchen Typ Tumor es sich handelt - gibt mir das auch etwas Hoffnung, dass es vielleicht doch so etwas wie Heilung oder Besserung gibt. Wenn ich das richtig verstanden habe ist Nexavar erst seit August 2006 in Deutschland zugelassen. Weiß jemand wie das in der Schweiz ist??? Bin für jede Information dankbar!

Robert
  #12  
Alt 17.11.2006, 12:46
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Standard

Zitat:
Zitat von roberth
Hallo,

... Wenn ich das richtig verstanden habe ist Nexavar erst seit August 2006 in Deutschland zugelassen. Weiß jemand wie das in der Schweiz ist??? Bin für jede Information dankbar!

Robert
Meines Wissens war Nexavar in der Schweiz bald nach den USA, aber noch vor der BRD zugelassen. Also grob gesagt: In der ersten Jahreshälfte 2006.

Gerhard
  #13  
Alt 17.11.2006, 13:30
Urs Urs ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.07.2006
Ort: Kanton Aargau, Schweiz
Beiträge: 80
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Robert

Ich fing in der Schweiz mit Nexavar im März 2006 an. Wohne im Kanton Aargau. Zulassung war meines Wissens ca. April 2006, Kassenpflicht in CH ab ca. Juni 2006. Daten sind aus meiner Erinnerung, kommen aber in etwa hin.
Uebrigens: Sutent ("Nachfolger" von Nexavar) wird im Universitätsspital Basel ab nächster Woche für Patienten (teilweise?) freigegeben. Kostenübernahme ist mir nicht bekannt.
In der Onkologie St. Gallen arbeitet Dr. Cerny, Chefarzt und Präsident der Krebsliga Schweiz.
Da erfährst Du sicher alle Details.

Ich grüsse Dich und wünsche Deinem Bruder viel Glück.

Urs
  #14  
Alt 17.11.2006, 20:02
Urs Urs ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.07.2006
Ort: Kanton Aargau, Schweiz
Beiträge: 80
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Gerhard

Ich bin froh und auch dankbar für Deine Ergänzungen.

Meine Reaktion wurde wohl durch Deine Aussagen mitverursacht. Aber schlussendlich brauchte es eine Kumulation von Äusserungen über diese sehr nahe gehenden Themen.
Es ist zumal auch nicht immer einfach, schriftlich Niedergelegtes präzis so zu formulieren, dass alle Teilnehmer die Botschaft so empfangen, wie sie abgeschickt worden ist.

Ich wehre mich ja nicht gegen die Energie, die wir in die Abwehr der Krankheit investieren.
Ich wollte nur mal versuchen, die Sicht derer auszudrücken, die nicht mehr die Kraft haben, die ihren eigenen Beitrag zu ihrer Gesundheit in Frage stellen.

Was ich mir im Forum wünsche, ist eine grundlegende Offenheit, wenn man sich selber betroffen fühlt. Geschieht dies nicht, so ziehen sich Teilnehmer zurück, fühlen sich unter Umständen disqualifiziert.

Vielleicht äussern sich weitere Teilnehmer. Das würde mich freuen.

Ich danke Dir sehr herzlich für die lieben Wünsche.

Urs
  #15  
Alt 20.11.2006, 23:50
roberth roberth ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 16.11.2006
Ort: Asperg bei Ludwigsburg / Württ.
Beiträge: 3
Standard AW: 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

Lieber Gerhard und Urs,
vielen Dank für die Informationen. Mein Bruder wude am Freitag operiert und alles ist viel besser als erwartet (auch von den Ärzten) verlaufen. Ich habe dieses ganze Thema hier ausgedruckt und meinem Bruder vorgelesen. Er hat jetzt eine sehr positive Einstellung. Ich denke der Verlauf der Operation und diese posts hier haben einiges bewirkt.

Danke!!!!!!!!

Liebe Grüsse
Robert
Thema geschlossen

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 
Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 00:56 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55