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  #1  
Alt 22.03.2005, 17:07
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

OHNE DICH - von E. Fried

Nicht nichts ohne dich
aber nicht dasselbe.
Nicht nichts ohne dich,
aber vielleicht weniger.
Nicht nichts
aber weniger und weniger.
Nicht nichts ohne dich
aber nicht mehr viel.

..... eine Fortsetzung von Gedanken, eine Fortsetzung von Austausch, der im
"Forum für Angehörige - Russisch Roulette" begann,und den ich gerne hier fortsetzen würde......
Briele
  #2  
Alt 22.03.2005, 17:34
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Alina,

Dieses Gedicht von Erich Fried (mit Ausnahme der letzten Zeile) drückt mein Empfinden nach Mamas Tod aus.

Ich hatte ein sehr inniges Verhältnis zu meinen Eltern, aber meine Mama war mein Lebensmensch. Wir haben wirklich tausende Briefe gewechselt, hunderte Bücher gemeinsam gelesen, mit niemanden bin ich so gerne verreist, mit niemanden konnte ich so gut lachen wie mit meinen Eltern.Wir haben auch viel gemeinsam gemacht.

Wie bei Dir, ist sie mir auch das große Vorbild - im Altern, im Umgang mit Krankheit und beim Sterben. Sie ist jetzt fünfeinhalb Jahr tot, mein Papa drei Jahre. Also viel, viel länger als bei Dir. Trotzdem gibt es Momente, in denen erscheint es mir unbegreiflich, daß sie nicht mehr da sind, ich ein altes Waisenkind bin!

Ich hatte in Saphir Thread einmal geschrieben, ich sei nicht mehr die Gleiche. Positiv empfinde ich meine gesteigerte Sensibilität anderen, - so oder so leidenden Menschen gegenüber. Ich bin auch dankbar, daß mein großer Wunsch - bei meinen Eltern zu sein, wenn sie sterben - daß sich das ausging und daß wir das so gut hinkriegten. Dadurch bin ich dem "Mysterium Tod und Sterben" einen Schritt näher gekommen.

Aber das Leben das ist hatte als meine Mama noch lebte, das ist vorbei. Diese Qualität ist vorbei.Mittlerweile kann ich wieder Dinge machen, von denen ich dachte, ich will das nie mehr tun. Ganz Banales, z.B. haben wir immer viel gebacken, neue Rezepte ausprobiert und ich dachte ich will nie mehr einen Kuchen backen.Sehr lange dauerte es bis ich wieder Opern hören konnte ohne beim ersten Ton in Tränen auszubrechen.

In den ersten zwei Jahren habe ich eifersüchtig und neidisch beobachtet wie alt andere Menschen werden, habe andere Töchter und Mutter beäugt. Mittlerweile habe ich sogar Kontakt zu einigen älteren Damen. Die sind kein Mutterersatz, ich will ihnen eher etwas von der Aufmerksamkeit einer Tochter schenken.

Einmal habe ich einen Ausspruch gelesen: die größte Tragödie im Leben einer Frau ist der Tod der Mutter, der Tod der Tochter. Für mich stimmt es, aber allgemein würde ich sagen, es kommt auf die Beziehung an.
Ich würde sagen, seit dem Tod meiner Mama ist viel von meiner Lebensfreude verschwunden, das Leben ist nicht mehr so voll, eben weniger Leben, weniger Freude. Zugleich weiß ich, daß genau dies ihre Sorge war.

Jetzt muß ich aufhören - Deine Frage bezüglich Hospizarbeit beantworte ich später.

Liebe Grüße
Briele
  #3  
Alt 22.03.2005, 19:40
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Briele,

sehr aufmerksam habe ich die Beschreibung deiner Empfindung gelesen und ich konnte spüren, wie nah deine Eltern und du euch gewesen seid. Und ich kann all das, was du beschreibst bestätigen, nicht als Tochter aber als Ehefrau. Genau diese Gefühle - positiv wie negativ - Dankbarkeit für die Zweisamkeit bis zur allerletzten Sekunde, ein gewisser Verlust der eigenen Todesangst, Furcht etwas alleine zu tun, was man so gerne gemeinsam gemacht hat, Eifersucht auf andere, die noch leben dürfen, was man selbst verloren hat - all das sind wohl Empfindungen, die man hat, wenn man einen wirklich geliebten Menschen verliert, wenn man das eigene Leben nach dessen Tod alleine leben muss, nicht immer schlechter, aber immer ungewollt anders. Ich habe mich in jeder deiner Zeilen wiedererkannt.

Liebe Grüße
Andrea
  #4  
Alt 22.03.2005, 21:58
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Briele,
danke für deine Antwort. Kann jetzt gar nicht viel schreiben, deine Worte gehen mir ans Herz und ich möchte mir jetzt ein paar Tränen gönnen.Meine Mama war mir auch so nah wie dir deine, wir waren nicht nur als Mutter und Tochter verbunden, sondern auch noch auf einer anderen seelisch geistigen Ebene.Sie fehlt mir in so vielen Lebensbereichen, das wird mir jeden Tag bewußter.Da haben wir wohl beide "Heimat" verloren, Briele und ich muss trotzdem auch lächeln über uns "alte Waisenkinder ". Genau so fühl ich mich trotz meiner 39 Jahre, trotz Freund und Freundeskreis. Mama und ich waren immer die starken Frauen in der Familie-jetzt bin ich halt alleine.

Melde mich auch wieder,
Liebe Grüße, Alina

Auch dir,Andrea liebe Grüße- da fühlen wir wohl alle gleich und es ist so schwer.Ob es wohl weitergeht nach dem Tod ? Wäre schon ein großer Trost !
  #5  
Alt 23.03.2005, 17:36
Melli Melli ist offline
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

hallo zusammen,

eure zeilen rühren mich und erinnern mich an meine vergangenheit...es ist so schwer das leben ohne meine mama zu leben, sie fehlt so sehr....jede sekunde....sorry...muss aufhören...sonst weine ich gleich noch und da ich auf der arbeit bin wäre das nicht so gut.

ich grüsse auch ganz lieb!!
  #6  
Alt 23.03.2005, 21:09
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Andrea,

wenn Du magst dann erzähl uns doch einmal Deine Geschichte, von dir und Deinem Mann.

In der ersten Zeit meiner Trauer fand ich es schwierig und mußte ich mich immer bemühen die Dankbarkeit sozusagen über den Verlust zu stellen.Es war mir immer klar, daß ich in erster Linie um mich trauere, denn was meine Eltern betraf da mußte ich fast froh für sie sein, daß sie sterben konnten.

Auch mir geht es so wie Dir, die Angst vor dem eigenen Tod ist kleiner geworden. Aber ist nicht immer die Angst vor dem Sterben größer?

Wann ist Dein Mann gestorben?

Liebe Grüße
Briele
  #7  
Alt 23.03.2005, 21:20
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Melli,

das tut mir sehr leid, daß Eure Mama so früh sterben mußte, Ihr jetzt ohne sie leben müßt!

Ich habe mir die Homepage angesehen. Das ist wunderschön gemacht! Ich wollte ich könnte so etwas, aber ich wäre schon froh wenn ich so viele Fotos von meiner Mama hätte. Wir haben leider nie viel fotografiert. Die letzten sind vielleicht sechs Jahre vor ihrem Tod. Wenn ich im Bett liege, die Augen geschlossen habe, dann rufe ich in meinem Gedächtnis alles ab: ihre blitzblauen Augen, den Haaransatz, die kleine Narbe an der Stirn, ihre Falten, alles und denke, wenn ich schon wenig Fotos habe, so will ich das im Kopf gespeicherte für immer aufbewahren.

Liebe Grüße
Briele
  #8  
Alt 23.03.2005, 21:58
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Alina,

danke für Deine Zeilen. Das "alte Waisenkind" ist auch mit einem lachenden Auge gesagt. Meine Eltern hatten einen etwas schwarzen Humor, den vermisse ich auch schrecklich.

Es verbindet uns anscheinend einiges, so auch der Gedanke ehrenamtlich bei der Hospizbewegung mitzuarbeiten.

Schon vor Mamas Erkrankung habe ich den ersten Teil der Ausbildung für Sterbebegleitung gemacht. Dann hat mich das wirkliche Leben eingeholt. Mit all den Erfahrungen, die ich jahrelang gemacht habe würde ich heute sagen, ich wäre damals, eben ohne das Erlebte, ja gar nicht wirklich brauchbar gewesen.
Ich will nichts Schlechtes über diese Kurse sagen, aber sie waren für meinen Geschmack zu katholisch ausgerichtet.

Als mein Papa im Sterben lag, habe ich zwei Damen kennen gelernt, die Hospizarbeit machten. Ich habe noch heute Kontakt mit ihnen und werde ihnen immer dankbar sein. Es waren zwei ehemalige Krankenschwestern.
Ich habe für meine Eltern alles getan und es hätte nichts gegeben was ich nicht hätte tun wollen oder können. Aber ich weiß nicht, ob ich das für andere, mir nicht nahe stehende Menschen auch tun möchte. Ich glaube es ist nicht damit getan, daß man einen Sterbenden nur spirituell begleitet, da ist weder ihm, noch den Angehörigen gedient. Man muß auch bereit sein pflegerische Hilfestellung zu geben, zumindest sehe ich es so.

Ich habe mich in den letzten Jahren für "Trauerbegleitung" interessiert, sehr viel gelesen, einige Seminare besucht. Von der sogenannten "Ausbildung" her gesehen hat mich nichts wirklich zufrieden gestellt. Ich glaube auch nicht, daß es dafür eine Ausbildung geben kann. Mir war das alles zu sehr fest gefahren, ich hatte das Gefühl etweder läuft es nur auf der Kübler Ross Schiene (so sehr ich sie schätze) oder auf der Schiene des Griechen Canazakis (schreibt sich vielleicht anders). So wie fast jede Erkrankung anders abläuft, jedes Sterben, so ist es auch mit dem Trauern und ich glaube das Wichtigste ist die Bereitschaft einfach zuzuhören, seine Ohren, sein Herz offen zu halten und sicher auch die Arme um einmal jemanden zu halten.

Ich habe mir gedacht, eigentlich brauch ich mich keiner Organsiation anschließen.Um mich herum sind Kranke, Alte, Sterbende, Traurige, es gibt genug zu tun. Aber ich schließe nicht aus,daß ich mich auch einmal einer Bewegung anschließe, was ja mein ursprünglicher Gedanke war.

Für heute genug.
Liebe Grüße
Briele
  #9  
Alt 24.03.2005, 00:48
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Hallo Briele,
nur ein paar Worte zu späterer Stunde,die Frühjahrsmüdigkeit hat mich fest im Griff ! Danke für deine Gedanken und schön, dass du mit einem gewissen schwarzen Humor auch was anfangen kannst.Meine Mama hatte ihn auch,diesen Humor.Ich denke gerade an einen meiner Krankenhausbesuche bei ihr, der mit der Arztvisite zusammenfiel.Der Arzt sagte betont munter zu ihr, wie schön das Wetter heute sei - sie sagte ganz cool" Ja,Herr Doktor,heute wäre wirklich ein guter Tag zum Sterben".( Zitat der Hopi-Indianer). Der Arzt erstarrte förmlich und sah so unglücklich drein, dass Mama IHN tröstete mit den Worten
" Aber Herr Doktor, das ist ja nicht so schlimm, sterben müssen wir ja alle mal".Noch heute muss ich über sie und die Reaktion der anderen lächeln.

Ich werde mir deine Worte zur Sterbebegleitung durch den Kopf gehen lassen.Bin ja auch noch recht unsicher,warum ich diesen Gedanken bzw.Wunsch habe ! Ein großer Teil ist es wohl die Dankbarkeit dafür, was man dort für meine Mutter und mich getan hat. Dort fand meine Mama wirklich " einen guten Platz zum Sterben".
Bis bald,
liebe, müde Grüße Alina
  #10  
Alt 25.03.2005, 16:20
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Alina,

Danke für Deine Zeilen und ich wünsch Dir Frohe Ostern! Wie geht es Dir? Bei mir ist auch nach vielen Jahren jeder Feiertag irgendwie umwolkt.

Deine Indianerausspruch zitierende Mama ist bemerkenswert.Ich denke auch immer gerne an kritische, witzige,mutige Aussprüche meiner Eltern.

Heute mußte ich an eine eigene Erfahrung denken, die ich Dir erzählen möchte:
Nach Mamas Tod war ich eigentlich recht großzügig im Verteilen von Andenken. Die Großzügigkeit wurde gelenkt vom Wissen, daß sich Menschen schneller, leichter, öfter an einen erinnern, wenn sie etwas in den Händen halten können.Und es sollen doch viele an meine Mama denken! Einerseits konnte ich gut weggeben, andrerseits
schien jeder Knopf wertvoll, jedes Ding, von ihr benützt, war wie eine geweihte Reliquie.

Ich hab dann einmal ganz ernsthaft von Marmeladegläsern und Tuppergeschirren von ihr geschriebene Etiketten abgelöst, ganz vorsichtig. Das Ganze dann zum Trocknen auf ein Tuch gelegt. Dann bin ich vor diesen Zettelchen gestanden:Himbeermarmelade, Erdbeermarmelade, Geschnetzeltes ..... und war ein klein wenig ergriffen von meiner Sinnigkeit.
Plötzlich hörte ich meine Mama neben mir die Luft laut einziehen und mit einem lauten baahhhh ausstoßen, so wie sie das gemacht hat, wenn ihr etwas auf den Geist ging und ich hörte sie zischend sagen... ich bitte dich .... und dann mußte ich auch lachen und ich sagte zu ihr, Mama, das wird jetzt ein bißchen plemplem, nicht?

Na ja, dann hab ich die Zettelchen entsorgt.

Ich bin richtig froh über Saphirs Nachrichten. Was meinst Du, bleiben wir mit unserem Austausch hier?

Liebe Grüße
Briele
  #11  
Alt 25.03.2005, 23:29
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Hallo Briele,
dir auch schöne Ostern, trotz der Wolken. Ich höre gerade eine für mich neue CD von Rosenstolz und stell dir vor, sie singt gerade "Dunkle Wolken können auch schön sein, und die Trauer gehört zu mir" Tja,so ist es auch für mich. Ich habe jetzt ihren Geburtstag und Weihnachten ohne sie erlebt und jetzt will Ostern ohne sie gelebt werden.Und da sind sie natürlich,die Wolken auch für mich und eine große Sehnsucht nach ihr dazu.Aber so wie sie immer sagte, sag ich auch:"das ist halt so"
Aber ich dachte eigentlich, dass die Feste ( und die akute Trauer)im ersten Jahreslauf nach dem Verlust am stärksten sind und dass es dann leichter wird.Wie war/ist das bei dir ? Bekommen die Wolken ein andere Farbe, werden sie weniger, stehen sie nun höher oder verziehen sie sich nun wieder schneller ?

Deine Marmeladeetikettenerinnerung ist schön,ich kann mir das so gut vorstellen.Wir "haben" unsere Mütter sehr nah bei uns und können innerlich intensive Dialoge führen mit ihnen, das ist schön und tröstlich ( und nicht bedenklich,wie ich in einem Psycho-Trauerbuch der schlechten Sorte gelesen habe !)

Ich erlebe gerade auch die Wahrheit des Satzes "jeder neue Verlust belebt auch alle anderen wieder neu,die man in der Vergangenheit erlebt hat ".Meine Freundin musste gestern ihren Hund einschläfern lassen,auch wegen Krebs.Ich habe diesen Hund ebenfalls sehr geliebt,der Verlust schmerzt.Und als ich meine Freundin zum Tierarzt begleitete, war auch alles Leid und die Angst um Mama wieder da. Schwerarbeit ist das Trauern !

Zum Abschluss möcht ich aber auch noch was Positives zu Ostern sagen: Ohne dass ich (kirchen)katholisch bin,empfinde ich schon seitlangem in diesen Tagen immer dasselbe,nämlich Bedrückung am Karfreitag und ein Gefühl der Erleichterung und Freude am Auferstehungstag.Meine Mama habe ich auch nach ihrem Sterben drei Tage lang ganz intensiv und irgendwie physisch noch anwesend im Haus erlebt ( wir lebten in einem Haus mit zwei getrennten Wohnungen). Ende des dritten Tages war sie dann wirklich "fort".Ostern hat also für mich wirklich eine "Frohbotschaft", auch wenn mein Glauben manchmal ins Wanken kommt.Wie denkst du darüber ?

Zu deiner letzten Frage denke ich mir,dass es wohl doch gut passt, hier zu bleiben. Habe da einige Gedanken dazu,die ich dir ein anderes Mal schreiben möchte. Ich schaue auch immer nach,ob Saphir was geschrieben hat und werde mich weiter bei ihr melden.So schön, dass es wieder Hoffnung für Saphirs Mama gibt !

Jetzt wünsch ich Dir ( und allen,die da und traurig sind),dass zu Ostern Sonnenstrahlen durch die ( unsere)Wolken dringen !
Alles Liebe von Alina!
  #12  
Alt 26.03.2005, 10:34
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AndreaS AndreaS ist offline
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Liebe Briere,

mein Mann ist im Oktober 04 gestorber. 10 Tage vor seinem 50 Geburtstag, den wir ursprünglich gemeinsam mit Freunden auf Kreta feiern wollten. Ende 2003 begann er, sich nicht wohl zu fühlen und im Februar 04 mussten wir die Diagnose Nierenzellcarzinom zur Kenntnis nehmen. Ab da blieben uns noch 8 Monate, wobei ich, losgelöst von mir und meinem "Egoismus" sagen muss Gott sei Dank (ich hoffe, ihr wisst, wie ich das meine)

Wir waren 28 wunderbare Jahre zusammen, davon 23 verheiratet und haben vier tolle gemeinsame Kinder. Wenn ich auf unser gemeinsames Leben zurückblicke, denke ich manchmal, dass wir irgendetwas "geahnt" haben müssen, denn wir haben wirklich jeden Tag versucht zu leben, als wäre es der Letzte. Wir haben kaum etwas auf später aufgeschoben, sondern gelebt. Nicht nur in den Ferien, wir waren stets bedacht das "Urlaubsfeeling" auch zu Hause zu empfinden.Das ist etwas,was mich heute sehr glücklich macht und tröstet. Es gibt nichts, was ungesagt blieb (nicht erst in der Zeit der Krankheit, sondern schon vorher) Wie viel schlimmerwäre es, wenn Dinge unerledigt und ungesagt zwischen uns geblieben wären, jetzt da das NIEMEHR Einzug gehalten hat.

Was mich sehr erstaunt ist, dass die Zeit einfach weitergeht.Dass ich bereits seit fast 6 Monaten hier im Forum schreibe und lese, ist unfassbar. Und dass es dieses Forum gibt, ist ein unglaubliches Glück. Seinen Schmerz "rausschreien" können und wirklich zu wissen, dein "Gegenüber" weiß genau,wie es dir geht, ist unglaublich hilfreich. Denn auch mit der größten Anstrengung, keiner meiner Freunde weiß wirklich, was es bedeutet, sie können es nicht wissen...

Ich wünsche Euch allen eine erträgliche Zeit und ein sonniges,nicht zu trauriges Osterfest.

LG
Andrea
  #13  
Alt 27.03.2005, 21:25
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Danke für Deinen Brief.

Wie Du, habe ich mir in diesen Tagen auch Gedanken über die Bedeutung von Ostern gemacht. Ich bin, nicht durch meine Eltern, aber durch die Schule und das Umfeld katholisch - ich sage am besten - geprägt. Ich bin vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten und aus der Distanz heraus kann ich nun mehr mit der Symbolik, den Ritualen, anfangen als vorher. Mir wurde erst vor kurzem bewußt, daß für mich die Bedeutung des Karfreitags mehr Raum einnimmt, als die Auferstehung. Leider, oder vielleicht konsequenterweise ist es so, daß auch meine Karfreitage schwerer wiegen, als meine Auferstehungen. Aber ich denke, daß diese Erkenntnis auch ein Schritt ist.

Du fragst, wie es mit den Trauerwolken Jahre später ist. Auf den Punkt gebracht kann ich sagen, der Faktor Zeit ist das einzige was die Trauer mildert. In Deinen Beiträgen hast du Deine Mama zitiert, die sagte .....das ist halt so ,..... das paßt schon so.... Das haben meine Eltern beide auch so gesagt.Im ersten Jahr nach Mamas Tod empfand ich meine Trauer wie ein wildes Tier, das mich von der Seite anspringt, ohne Vorwarnung, von einer Sekunde auf die andere. Und im Laufe der Zeit sagte ich mir auch, ..das ist halt so, das muß ich einfach aushalten. Und nach dem fünfzigsten Mal hatte ich die Erfahrung, daß das kommt, aber auch geht.
Wenn ich bis in die letzte Pore angefüllt bin mit Traurigkeit, es vor Sehnsucht kaum aushalte, dann ist das jetzt so, aber morgen vielleicht nicht mehr. Und umgekehrt genauso.

Im Laufe der doch langen Zeit ist es mir gelungen daß die Dankbarkeit für das was war stärker ist als der Schmerz über das Verlorene. Man weiß nicht was kommt, aber das was ich mit und an meinen Eltern, vor allem an meiner Mama hatte, ist nicht ersetzbar.

Als ich - sicher ein Jahr nach Mamas Tod wieder einmal schrecklich weinte, mußte ich ins Badezimmer und da sah ich mein Gesicht im Spiegel. Ich war erstaunt. Das war das Gesicht, das plärrende Gesicht eines Kindes. Ich meine an sich sehe ich in meinem Alter anders aus wenn ich weine.

Einmal habe ich einen Fernsehbericht über Trauernde gesehen. Darunter war ein achtjähriges Kind, das um seine verstorbene Oma trauerte. Sie fand sehr gute Worte. Dann erzählten alle - Alte und Junge - was ihnen hilft bei der Trauer.Das kleine Mädchen sagte, manchmal wenns ganz fest weh tut, dann denk ich schnell an etwas anderes, z.B. an Erdbeeren mit Sahne. Solche Aussagen helfen mir oft mehr als ein kluges Buch. Ich dachte dann, ich kann meiner Trauer immer nachgeben,aber ich kann auch die Erdbeeren suchen. Ich habe auch die Möglichkeit der Wahl und das hat nichts mit Verdrängung zu tun.

Entschuldige bitte, ich muß jetzt etwas abrupt aufhören.
Liebe Andrea ich schreib Dir auch noch.
Einen schönen Ostermontag
Liebe Grüße
Briele
  #14  
Alt 27.03.2005, 21:26
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naja, das war nicht von der lieben Alina sondern für die liebe alina
Briele
  #15  
Alt 27.03.2005, 22:57
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Liebe Andrea,

danke daß Du geschrieben hast, das hat mich gefreut. Ich habe erst in den letzten Tagen mehr im Forum gelesen, auch Deine Beiträge und hatte befürchtet Du findest es unaufmerksam von mir, wenn ich Dich frage, was du schon längst geschrieben hast.

Es tut mir leid, daß Dein Mann so früh gestorben ist und ich freue mich mit Dir, daß Ihr ein gutes Leben hattet.Ich glaube es ist eher selten, daß man in der Trauer nicht etwas zu bereuen hat, und ich bin trotz allem auch froh und dankbar, daß es so ist wie es ist, daß alles gesagt wurde, gelebt wurde. Natürlich gibt es einiges was ich bedaure: daß ich nicht viel mehr Fotos habe, daß ein paar wichtige Reisen nicht mehr zustande kamen, aber ich wußte schon lange vor der Erkrankung, egal was wir alles machen, es hätte immer noch mehr sein können. Darüber hatte ich auch mit meinen Eltern gesprochen.

Ich habe in dem Thread "Vorwürfe"gelesen, ich nehme an Du bist die Andrea, die mitschreibt. Das Gedicht ....du kannst Tränen vergießen .... habe ich heraus kopiert. Weißt Du wer der Verfasser ist?

Alles was Du sonst in diesem Thread schreibst, kann ich mit unterschreiben. Es tut mir in der Seele weh wenn ich von den Vorwürfen höre und lese, die sich Hinterbliebene machen. Ich will damit nicht sagen, daß die immer und in jedem Fall unbegründet sind, aber diese Vorwürfe die entstehen, weil in Büchern Situationen beschrieben und bewertet werden, und Leute sich dann als Versager fühlen weil ihre Situation eine andere war.

Ob in Büchern, ob bei Seminaren, es läuft so nach einem Schema ab. z.B. habe ich oft gelesen und gehört (auch gesagt bekommen) man müsse mit dem Sterbenden laut sprechen, weil das Gehör nachläßt und er doch wissen soll, daß ich bei ihm bin. Also ich hab nicht laut geredet, meine Eltern haben es nicht leiden können wenn jemand laut geredet hat, ich hab in ihr Ohr geflüstert und sie haben mich, meine Hände, meine Arme, meine Lippen, meine Wange, ihre Tochter gespürt.

Die Menschen verhalten sich in ihrer Krankheit ja auch ganz verschieden, warum sollen sie im Sterben alle gleiche Wünsche, Ansprüche, Ängste haben. Es ist nicht immer leicht sich darauf einzustellen, aber das muß man einfach versuchen.

Dieses Forum ist eine feine Sache. Schade, daß ich diese Möglichkeit nicht schon vor Jahren hatte.

Für heute- liebe Grüße
Briele
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