Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Krebsarten > Darmkrebs

 
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 25.09.2013, 02:08
Papstanwärter Papstanwärter ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 10.09.2013
Ort: Oelde
Beiträge: 117
Standard Raus damit!

Hallo,

irgendwie weiß ich nicht so recht, wie ich anfangen soll...
Aber jede Wette, wenn ich angefangen habe, wird es länger als ich wollte.

Im April 2012 kam ich mit extremen, krampfartigen Bauchschmerzen ins Krankenhaus.
Das war praktisch, denn wir wohnen nur 50m entfernt.
Bei der Notaufnahme bekam ich sofort eine Infusion mit Buscopan und die Beschwerden ließen nach.
Als ich Durchfall als Begleiterscheinung angab, wurde ich nach einer kurzen Sonografie, die nichts erbrachte, auf ein Isolierzimmer verlegt; Verdacht auf Norovirus.
Es wurden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt und da die Beschwerden sich in Luft auflösten wurde ich nach sechs Tagen wieder entlassen.

Ich arbeitete ganz normal und freute mich nebenbei, das ich den Gürtel immer enger schnallen konnte, sprich: ich hatte abgenommen, 10kg in zwei Monaten.
Und das, ohne meine Gewohnheiten zu ändern.
Naiv wie ich war dachte ich mir nichts dabei.

Es ging gut, bis zum 8. Juli des gleichen Jahres.
Die gleichen Beschwerden wie schon im April, nach einer höllischen Nacht also frühmorgens wieder in das KH.
Gleiches Prozedere: Infusion, Sonografie.
Die Notärztin beruhigte mich mit den Worten: Gallensteine sind es schon mal nicht.
Leider brachte das Buscopan diesmal keine Linderung und als ich erwähnte, an Gewicht verloren zu haben seit meinem letzten Aufenthalt im KH, wurde die Infusion auch gleich gestoppt.
Die Notärztin verabschiedete sich zu einem Einsatz und ein Oberarzt übernahm meinen „Fall“.
Er hielt es für sinnvoll, noch eine Sono durchzuführen.
Sein Fazit: „Wussten Sie, dass Sie Gallensteine haben?“
Gerade 30 Minuten früher hatte ich noch keine laut Aussage der Ärztin, so schnell kann es also gehen.

Die behandelnde Ärztin vom April kam dazu und machte, genau, nochmals eine Sono.
Ich konnte das Ergebnis kaum erwarten, schließlich hatte ich schon zwei unterschiedliche.
Sie ging jedoch gar nicht auf die Galle ein sondern murmelte etwas von „Veränderungen am Darm“.
Ich bekam also wieder ein hübsches Bett und die Ankündigung, in den nächsten Tagen diverse Untersuchungen zu durchlaufen.
Zum Glück ließen die Schmerzen nach und ich konnte es relativ gut aushalten.
Einen Tag später, Montag, begannen die Vorbereitungen für die Koloskopie, die am Dienstag
stattfand.
Es wurden Gewebeproben entnommen und zum ersten Mal fiel das Wort „Geschwür“.
Ich brauchte einen Moment, bis ich realisierte, was mir da gerade eröffnet wurde.
So bekam ich kaum noch mit, das für Mittwoch eine CT angesetzt wurde um das Ausmaß
des „Geschwür“ festzustellen.
Der behandelnde Arzt kam am Mittwochnachmittag und bat mich, ihn aus dem Zimmer zu begleiten. Mir schwante nichts Gutes.
In einer Sitzgruppe auf dem Flur kam die Ankündigung, das ich für Freitag auf dem OP-Plan stehen würde. Alle Anzeichen sprächen für ein bösartiges Geschwür, die Ergebnisse der Gewebeproben würden zwar erst zu Donnerstag erwartet, aber im Fall der Fälle wolle man keine Zeit verlieren.

Für mich war die Situation so unwirklich, schließlich war ich im April zum ersten Mal in meinem Leben im Krankenhaus. Selbst meine Geburt fand zuhause statt...
Und jetzt gleich so ein Brüller...
Naja, zu allem Überfluss lagen die Leukozyten bei über 50.000, was mir erstmal nichts sagte.
Aber es musste wohl auch ein schlechtes Anzeichen sein.

Am Donnerstag also alle Ergebnisse in geballter, zusammengefasster Form:

Karzinom am Colon ascendens, lt. CT in größerer Ausbreitung (T4), OP am nächsten Tag.

Diese verlief lt. Ärzten gut, alles befallene Gewebe wurde im gesunden entfernt.
Da auch ein „Ableger“ am Colon transversum gefunden wurde, musste direkt etwas mehr entnommen werden.
Also wurde ich um rund einen Meter Dick- und zwei Metern Dünndarm „erleichtert“.
Allerdings begann jetzt die quälende Wartezeit, was die pathologische Untersuchung der Lymphdrüsen ergeben würde.
23 davon wurden entnommen (ich hatte keinen blassen Schimmer, wieviel der Mensch davon hat bzw wofür die überhaupt gut waren).
Am Dienstag dann die zweite gute Nachricht, nachdem im Umfeld des Darms keine weiteren Organe betroffen waren. Auch die Lymphdrüsen waren ohne Befund.
Puh, ich google-te mich durch die ganzen Fachbegriffe und befand für mich: Schwein gehabt!
Trotzdem war es für mich plausibel, das mir eine Chemo empfohlen wurde, um evtl noch im Körper umherschwirrende Krebszellen zu erwischen.
Ich befragte den behandelnden Arzt nach den Chancen, wieder gesund zu werden.
Er wiegelte ab und entschied sich für „fifty/fifty“ in fünf Jahren laut Statistik.
Also kam ich zu dem Schluß, die Chance steht bei 50%, in fünf Jahren gesund zu sein.
Die Alternative, die er mir denn offenbarte, holte mich ruckartig wieder in die Realität zurück:
es bestünde auch zu 50% die Möglichkeit, tot zu sein.
Das empfand ich mal als knallharte, saublöde Aussage...
Aber ich pfeife auf die Statistik, die blöde!!!

Die Genesung verlief ohne Komplikationen.
Zwei Tage nach der OP drehte ich meine erste, winzig kleine Schleife mit einem Rollator über den Flur.
Da gerade die Olympiade in London lief, beteiligte ich mich täglich mit größer werdenden Runden.
Dabei kündigte mich der quietschende Galgen mit den Infusionen und Perfusor schon immer von weitem an. Aber das nur am Rande

Sechs Wochen nach der OP begann der erste Zyklus der Chemo, Oxaliplatin und Xeloda.
Ich verzichtete auf einen Port, leider.
Es wäre doch gelacht, diese 9 „kleinen“ Infusionen nicht auch über einen Armzugang bekommen zu können.
Abgesehen davon, das ich besagten Arm drei Tage nicht schmerzfrei berühren konnte (was nach jeder Oxaliplatingabe so war), vertrug ich den ersten Zyklus erstaunlich gut.
Doch nach jedem weiteren wurde das Empfinden schlimmer.
Extreme Kälteempfindlichkeit, auch in der Mundhöhle, gefühllose Hände und Füße (bis heute!), Übelkeit (mit MCP jedoch gut zu verkraften), allgemeines Schwächegefühl, Schmerzen im Kieferbereich (komisch, ziemlich weit weg vom Darm), alles schmeckte metallisch und, als krönender Abschluß: keine Empfindungen mehr im Darm-/Blasenbereich.
Es begann damit, das ich zwar bemerkte, auf Toilette gehen zu müssen, aber nicht zu wissen, warum. Ich musste mich also immer überraschen lassen, ob ich das Klopapier brauchte oder nicht.
Naja, das ist ja dann schon eine komische Situation. Noch schlimmer kam es dann allerdings, als sich unkontrolliert Urin in Bewegung setzte und ich erst bemerkte, wenn das Hosenbein nass wurde.
Das war nicht nur extrem peinlich, sondern auch beunruhigend.
Die Onkologin setzte deshalb die letzte Oxali-Ration aus mit der Bemerkung:
es nützt ja nichts wenn wir mehr zerstören als wir bezwecken wollen.
Nach wenigen Tagen war denn auch zumindest dieses Problem wieder Geschichte.

Ach ja, der 4. Zyklus wurde auch ausgesetzt, da ich wieder mit extremen Bauchkrämpfen stationär aufgenommen wurde.
Es waren zum Glück nur Verwachsungen, die minimal-invasiv behoben wurden.

Vier Wochen nach dem letzten Zyklus trat ich denn meine AHB an.
Ganz oben auf meinem Wunschzettel stand: Beendigung des nunmehr seit fast einem Jahr andauernden Durchfall! Das war nicht nur unangenehm, sondern unter Umständen auch sehr schmerzhaft und blutig!

Lange Rede kurzer Sinn: auch Ernährungsumstellung und Erhöhung der täglichen Ration von Loperamid auf das doppelte der zulässigen Menge lt. Beipackzettel brachten keinen Erfolg.

Ziemlich genau ein Jahr nach der OP erhielt ich von meinem Hausarzt eine Überweisung in die Klinik, er weigerte sich schlichtweg, mir weiter Loperamid zu verschreiben, ohne das konkret die Ursache für den Durchfall gefunden würde. Ausserdem brachte es ja ohnehin kaum etwas.
Er vermerkte seinen Verdacht „Gallensäureverlustsyndrom“, bedingt durch die Entfernung großer Teile des Dünndarms. Wurde in der Klinik jedoch erstmal ignoriert.
Es folgten ein Laktose-Intoleranztest, eine Magen- und Darmspiegelung und ganz zum Schluß griffen sie wieder die Vermutung meines Hausarztes auf.
Seitdem nehme ich dreimal täglich zu den Hauptmahlzeiten ein „Anionenaustauschharz“ (schmeckt so wie es klingt) und, oh Wunder, der Durchfall hat sich zu einer täglichen Randerscheinung zurückgebildet.

Wenn ihr meinem weit ausgeholten Geschwafel bis hierher überhaupt gefolgt seid:

nächsten Monat habe ich meine zweite Kontrolluntersuchung, die hoffentlich den gleichen Befund wie die erste ergibt, nämlich keinen.

Es geht mir jetzt besser, denn während ich hier geschrieben habe ist mir aufgefallen, das ich die ganze Thematik fast ausschließlich mit mir selbst (im Kopfkino) ausgetragen habe.
Ich will meine bessere Hälfte (Schwerstasthmatiker, Neurodermitis, Multi-Allergiker, Herzrhythmusstörungen...) nicht zusätzlich belasten und versuche immer, wie gewohnt meine gute Laune an den Tag zu legen.
Und Freunden will ich kein anderes Bild präsentieren als das, das sie von mir kennen.

Manchmal, in ruhigen Minuten, habe ich kleine Durchhänger, aber:
man soll den Kopf nicht hängen lassen, auch wenn der Hals dreckig ist

PS: die Stationsärztin, die mich im April "betreut" hatte, besuchte mich nach der OP und entschuldigte sich.
Allerdings hätte keiner damit rechnen können, das ich in meinem Alter
Darmkrebs hätte...
Eine flüchtige Lektüre dieses Forums allein belehrt
da sehr schnell eines Besseren!

Geändert von Papstanwärter (26.09.2013 um 17:06 Uhr)
 

Lesezeichen

Stichworte
bauchfellkrebs, hipec, lebermetastasen, peritonealkarzinose


Aktive Benutzer in diesem Thema: 2 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 2)
 
Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 15:12 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55