Wiederaufbau und Körpergefühl

[Pragerin]

Im Oktober werde ich eine Ablatio durchführen lassen müssen. Ich habe im Netz leidlich gute Infos über die kosmetischen Aspekte des Wiederaufbaus gefunden (mit mehr oder weniger schönen Vorher-Nachher-Fotos).

Leider steht nirgendwo etwas über das Körpergefühl, dass man/frau hat, wenn etwa ein Siliconimplantat in der Brust steckt bzw., wenn eine Lappentransplantation von Rücken oder Bauch vorgenommen wurde.
Bleibt das eine oder andere ein gefühlter Fremdkörper? Oder sagt man irgendwann, "das ist jetzt meins"? Wie sind die Erfahrungen - auch langfristig? Wie fühlt es sich an?

Vielen lieben Dank schon mal für eventuelle Erfahrungsberichte!

[Evche]

Hallo!

Ich habe meine rechte Brust vor 8,5 Jahren durch einen Unfall verloren. Die Rekonstruktion konnte erst 2 Jahre später gemacht werden, weil die Narben ausheilen mussten. Bei mir wurde der Aufbau mit dem Lattissimus Dorsi durchgeführt, gefüllt wurde mit einem Silikon-Implantat.

Natürlich habe ich mich vor der OP monatelang gefragt, wie es sein würde, einen Muskel und ein Silikonkissen anstelle einer richtigen Brust zu haben. Meine Gyn meinte damals zu mir: Es gibt Frauen, die haben gesunde Brüste und fühlen trotzdem nichts. Viele brustamputierte Frauen haben einen Aufbau und fühlen alles. Sprich: die Akzeptanz findet im Kopf statt.

Mittlerweile lebe ich 6,5 Jahre mit meiner aufgebauten Brust. Die ersten Monate war es komisch. Nicht, einen Ersatz zu haben, sondern das überhaupt wieder etwas da war, wenn ich meinen BH auszog. Die Brustwarze wurde dann ein halbes Jahr später aus Leistenhaut geformt. Auf eine Pigmentierung habe ich verzichtet.

Die aufgebaute Brust ist für mich kein "Ersatzteil", sondern ein Teil von mir. Der Muskel sitzt zwar an einer anderen Stelle, aber nach dem Unfall ist sowieso vieles nicht mehr da, wo es ursprünglich hingehörte. In den Zähnen habe ich Füllungen, im Aufbau Silikon. Null Problem. Denn wichtig ist einzig, daß ich mich mag.

Liebe Grüße vom Evche

[claudia8]

Hallo,
ich habe auch einen Aufbau mit Silikon (320 ml) und Lat. Dorsi vor über 3 Jahren machen lassen (müssen).
Am Anfang hatte ich gar kein Gefühl in der Brust, aber nach ein paar Monaten war es wieder voll da. Ein Fremdkörpergefühl habe ich eigentlich nur, wenn mich jemand versehentlich stösst, weil ich dann merke, da ist etwas was auf der anderen Seite nicht ist.

Ich war sehr froh, nach der Amputation nicht mit einer Brust aufzuwachen zu müssen und so habe ich sie sehr schnell akzeptiert.
Was mir wohl bleibt sind permanente Verspannungen im Rücken und eine muskuläre Dysbalance die mir dauernde Krankengymnastik Termine bescheren, aber ich kann damit gut leben!
Heute würde ich mir eine Nummer kleiner an Silikon aussuchen, aber es jetzt ist es nun mal drin und wieder eine OP, ne ne, da habe ich gerade gar keine Lust dazu
Letztendlich muss ich Evche Recht geben, bestimmt spielt sich viel im Kopf ab.
Alles Gute für Dich
Claudia

[DeeDee]

Hallo Pragerin,
zum Thema Brustaufbau mit Silikonimplantat (vorab Dehnung mit Expander) kann ich Dir meine Erfahrungen berichten. Bei mir war das Auffüllen des Expanders unter anderem durch eine starke Vernarbung des Brustmuskels durch die Strahlentherapie erschwert. Das jetzige, endgültige Implantat ist eigentlich zu groß für den gedehnten Bereich, aber immer noch etwas kleiner, als die gesunde Brust. Dieses und die Tatsache dass bei mir das Implantat (der Expander vorher natürlich auch) unter dem Muskel liegt, führen zu einem deutlichen Fremdkörpergefühl. Besonders beim Sport, aber auch bei der Liebe (Kontraktion des Brustmuskels, wenns eigentlich gerade am schönsten sein sollte. Törnt ziemlich ab). Sorry, ich weiß nicht, ob ich hier so offen schreiben darf. Ich tu`s einfach und warte, was passiert. Seit einiger Zeit habe ich eine sehr gute Physiotherapeutin/Osteopathin, die mir hilft, den Muskel zu dehnen und meinen "Silikonbeutel" anzunehmen, trotz der Unannehmlichkeiten. So langsam habe ich wieder zwei Brüste. Es wird deutlich besser und im Alltag spüre ich das Implantat zeitweise gar nicht mehr. Allerdings muß ich jeden Tag Dehnübungen und Massagen machen, bis der Muskel sich nicht mehr rückverkürzt.
Wie schon die vorherigen Schreiberinnen sagten, da kommt ganz aber auch viel vom Kopf her. Zeitweise war ich so weit, dass ich das Implantat wieder entfernen lassen wollte, weil ich fast permanent Schmerzen hatte (gereizte Rippe durch den Zug der Muskelansätze). Aber ich kann mich nicht mit der Vorstellung anfreunden, nur eine Brust zu haben. In der Kur durfte ich Frauen sehen, die keinen Aufbau haben machen lassen. Um ehrlich zu sein, war ich geschockt, von diesem Aussehen. Diese Frauen sind zwar gut zurecht gekommen und ich akzeptiere ihre Entscheidung, aber ich hätte damit ein großes Problem. Ich bin froh, wieder ein "Brustpaar" zu haben.
Der Aufbau ist kein Allheilmittel und vor allem keine einfache Sache. Weder körperlich, noch psychisch. Vor allem ist es nicht mit der OP und Heilung der Wunden getan. Die neue Brust ist zunächst eine Fremde. Aber Fremde kann man kennen und lieben lernen.

Liebe Grüße
DeeDee

[gertilong]

Liebe Pragerin,

ich bin 3 Jahre einbrüstig geblieben und habe mir nun vor 5 Monaten die Brust mittels DIEP rekonstruieren lassen. Und: es ist einfach toll!!
Endlich wieder Symetrie, ein Dekollte und nicht diese lästige drückende Epithese. Die habe ich zuhause nach der Arbeit immer sofort ausgezogen.
Ich fühle mich wieder wesentlich wohler, habe glaube ich auch weniger Rückenschmerzen. Es ist ein tolles Körpergefühl, ich habe keine Schmerzen und die neue Brust war sofort ein Teil von mir.
Im Nachhinein hätte ich das schon viel früher machen lassen sollen...
Es hat sich gelohnt, ich kann nur zuraten!
Gertilong