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  #1  
Alt 26.06.2007, 10:58
Richard_72 Richard_72 ist offline
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Registriert seit: 24.08.2006
Beiträge: 3
Standard Unsere Mutti ist gegangen...

Unsere Mutti hat es vor zwei Wochen geschafft -- sie ist nach langem Kampf aus unserer Mitte von uns gegangen und wir danken Gott, daß er sie zu sich genommen hat. Wir verabschieden uns dankbar von ihr für alles was sie für uns Kinder und unseren Vater getan hat. Sie hat viel leiden müssen seit August letzten Jahres, als bei ihr ein inoperables, metastasiertes Pankreaskarzinom diagnostiziert wurde. Danach hatte sie aber noch mehr als sechs Monate guter Lebenszeit haben dürfen und wir danken vor allem unserem Vati für die Fürsorge und Pflege, die er unser Mutter zukommen ließ.

Ein besonderer Dank geht auch an alle, die sich so professionell und menschlich um unsere Mutter gekümmert haben. Wir Kinder haben vor allem zu danken, dem Marienkrankenhaus in Hamburg, dem ambulanten Alten- und Hospizpflegedienst der evangelisch-reformierten Kirche in Hamburg und dem Sinus Hospiz in Hamburg-Othmarschen.

Wir wollen auch allen lieben Menschen in diesem Forum danken, die uns indirekt so viele Anregungen, so viel Mut und Trost gespendet haben. Leider hatten wir den Leidensweg unserer Mutter hier nicht aufgezeichnet und konnten auch niemandem bisher wirklich in dieser Situation eine Hilfe sein. Heute möchten wir aber allen, die irgendwo in diesem Kampf sind, Mut zusprechen, Gottvertrauen wünschen und hoffen daß sie genauso eine kompetente und menschliche Fürsorge bekommen können.

Wir alle haben immer bis zum Schluß gehofft und versucht, allen voran unsere Mutti, tapfer zu sein, aber es war seit August letzten Jahres eine stetige, manchmal schnellere, manchmal langsamere Talfahrt, deren Ende wir oft nicht wahrhaben wollten. Nach der typischen, rapiden Gewichtsabnahme und Schmerzen im Bauchraum, wurde in Hamburg basierend auf CT oder MRT der Verdacht ausgesprochen, dann folgte die endgültige Diagnose gestützt auf eine Spiegelung in Heidelberg. Damals im August sagten die Ärzte meinem Vater noch, daß Weihnachten für meine Mutter bereits sehr weit weg sei. Doch mit einer Chemo, die meine Mutter sehr gut vertrug -- sie ging anfangs sogar oft im Anschluß daran einkaufen -- konnte ihr Zustand noch stabilisiert werden. In einer Chemopause waren wir auf Sylt gewesen und haben noch nie eine so intensive Zeit erlebt. Im Dezember letzten Jahres hatte unsere Mutter noch ihren 60. Geburtstag auf Lanzarote mit meinem Vater und meiner Schwester feiern dürfen. Zu Weihnachten hat sie uns beim Tannenbaumschmücken geholfen und uns noch alle gut bekocht. Danach waren wir noch ein paar Tage in Bayern und staunen noch heute, wenn wir uns die Bilder ansehen, was für einen schönen Sonnenschein und eine tolle Fernsicht wir auf unserem Tagesbesuch auf der Zugspitze damals hatten.

Ende April fing meine Mutter stärker an Schmerzen zu leiden, bis schließlich ein akuter Darmverschluß operiert werden mußte. Seitdem hat sie nicht mehr Nahrung aufnehmen, das Krankenbett verlassen oder die Chemo fortsetzen können. Als die Ärzte im Krankenhaus nichts mehr machen konnten, haben wir unsere Mutti noch eine Woche zu Hause mithilfe eines ambulanten Pflege- und Hospizdienstes haben können. Das war die Zeit, wo jeder von uns, unser Vater und wir Geschwister noch viele wichtige Gespräche und Umarmungen und Momente des Weinens und Lachens alleine mit unsere Mutter an ihrem Bett haben durften. Diese Tage waren wahrscheinlich die wichtigsten auf dem Weg des Abschieds.

Nachdem meine Mutter schließlich fürchterlich an zwei heftigen Schmerzattacken leiden mußte -- bis dahin war die Schmerztherapie gut eingestellt gewesen --, mußten wir sie wieder ins Krankenhaus bringen, wo sich ihr Gesamtzustand innerhalb weniger Tage weiter rapide verschlechterte. Sie wurde zunehmends verwirrt und ihr langer Todeskampf begann. Von da an war immer jemand von uns bei ihr, Tag und Nacht. Wir hatten Glück, daß ein Hospiz-Platz frei wurde, wo wir unserer Mutti in einer verständnisvollen Umgebung für ein paar restliche Tage bis zu ihrem Tod beistehen konnten. Es fiel schwer zuzusehen, wie sie um jede Minute hier bei uns rang und Wieviel in ihr vorging bevor sie loslies, aber ich bin mir sicher, daß dort wo sie jetzt ist, es ihr unendlich besser geht, an einem Ort von unendlicher Liebe.

Den wahrscheinlich einzigen Rat, den wir denen geben können, die gegen diesen Krebs kämpfen und mitkämpfen, ist der, nicht in die Verzweiflung zu stürzen, sondern als Patient und Mitmensch, die beste Behandlung zu suchen und einzufordern -- wer hier im Forum liest, kennt die besten Zentren und Ärzte auf dem Gebiet --, jede kostbare Minute des Gemeinsamseins zu nutzen und immer etwas darauf vorbereitet zu sein, daß alles viel schneller und viel schlimmer kommen kann als man denkt. Dazu gehört auch sich über das Sterben und den Tod Gedanken zu machen. Ich bin dankbar dafür, daß die engste Familie und ich mit meiner Mutter während ihrer letzten Wochen, Tage und Stunden zusammen sein konnten.

Wir wünschen allen hier Kraft, Mut und Gottvertrauen für ihr Leben, ihren Kampf, ihren Abschied und schließlich zum Loslassen und Trauern.

Richard
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Alt 26.06.2007, 11:57
Benutzerbild von Anke LE
Anke LE Anke LE ist offline
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Registriert seit: 07.05.2007
Ort: Leipzig
Beiträge: 182
Standard AW: Unsere Mutti ist gegangen...

Lieber Richard,

fassungslos, bewundernd, bedauernd und unendlich traurig habe ich soeben Deine Liebeserklärung für Deine Mutti und Deine Familie gelesen.
Danke für den herzlichen letzten Absatz. Wir alle suchen den eigenen Weg, um mit solch einer Diagnose umzugehen. Umso mehr tun Deine klaren Worte gut.
Ich kenn keinen aus diesem Forum hier persönlich, und trotzdem hab ich das Gefühl, mit allen in irgendeiner Form verbunden zu sein. In Freude, Leid, Schmerz und grenzenloser Trauer.
So auch jetzt bei Dir. Ich wünsche Dir und Deiner Familie jetzt eine Zeit der Besinnung. Die Traurigkeit und der Schmerz werden noch lange bleiben. Aber die Gewißheit, dass ein wunderbarer, lieber Mensch nicht mehr so leiden muss, sollte Dir die Kraft geben, wieder die Sonne in Dein Herz zu lassen.
Ich dich, und wünsche Dir von ganzem Herzen Kraft für die kommenden Tage und Wochen. Für Deinen Vati dazusein und ihm auch noch jetzt noch Stütze zu sein.

Unbekannter Weise herzlichst

Anke
__________________
Betroffener: mein Papa, geb. 21.11.1935
Diagnose erhalten am 5.5.07, Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen in Leber und Bauchraum

eingeschlafen am 09.07.07. friedlich, still und leise
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