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  #1  
Alt 28.08.2012, 15:41
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
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Standard Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Lange habe ich darüber nachgedacht ob ich hier schreiben sollte oder nicht...
Ich kann nicht sagen, was mich schlussendlich dazu bewegt hat es zu tun!

Derzeit kann ich nicht mal meine Gefühle meinen besten Freunden gegenüber zum Ausdruck bringen.

Nun zu unserer Odysee:
Es begann im November 2010, ich steckte gerad in den Prüfungsvorbereitung und bekam einen Anruf von meinem besten Freund, der mir erzählte, dass er meinen Vater beim Hausarzt sah wie er sich den Kopf hielt, er erkannte meinen besten Freund nicht mal (man sollte dazu erwähnen, dass mein Vater nie zum Arzt musste, weil er eben auch nie was hatte)

Nun ja, ich rief also gegen Abend bei meiner Mama an und erkundigte mich nach meinem Paps, die sagte mir er hätte den ganzen Tag unerklärliche Kopfschmerzen und hält es vor Schmerzen nicht aus, der HA meinte-Erkältung im Anmarsch.

Ich bat meine Mama einen Notarzt kommen zu lassen, da mein Vater mittlerweile schon Geräuschempfindlich wurde und es für ihn eigentlich untypisch ist.
Gesagt, getan, der Notarzt kam, spritzte ihm ein Schmerzmittel und verschwand mit dem Tipp, er möge sich bei Verschlechterung am kommenden Tag in der Notaufnahme vorstellen.

Ich erhiel also am Folgetag einen Anruf meiner Mama, die mir unter Tränen berichtete, dass es im Kopf eine Einblutung gab und er mit Sondersignalen in die 30km entfernte Neurochirurgie gebracht wird.

Ich versuchte meine Prüfung zu meistern und konnte erst einen Tag später in die Uni fahren (den Ort nenne ich lieber nicht, denn es wird noch schlimmer und Beschwerden an diese Klinik sind schon im Druckauftrag)

Mein Vater saß lächeln im Bett und erklärte mir, dass er einen Tumor im Kopf hat, ich bat einen Arzt zu kommen, der uns erklärte um was es sich da genau handelt. (bis zu dem Zeitpunkt ging ich nämlich noch von einem blutigen Schlaganfall aus)

Der Arzt kam auch auf der Stelle, war aber weniger gesprächig, noch war er in der Lage ein aufklärendes Gespräch zu führen, kurz und bündig- ja ein Tumor liegt da im Kopf, der ist rechts an der Seite, deshalb auch die Kopfschmerzen, die haben wir erstmal medikamentös gedämpft und wir müssen eben bald operieren.

Ich fragte nach eventuellen Komplikationen durch diese OP, er sagte: nein, nein, ihr Vater ist doch Rechtshänder, da kann nichts passieren.

Ich muss ergänzen, dass ich ein wenig anatomisches Wissen habe und auf einer Wachkomastation nebenbei arbeite.

Also verstand ich seine Aussage nicht wirklich und gab ihm das auch zu verstehen, er warf dann mit ganz tollen Fachausdrücken um sich, die die Augen meines Vaters immer größer werden ließen.
Ich bat um Erläuterung, da sagte er, er würde lieber einen anderen Arzt schicken.

Der war dann etwas besser aufgestellt und gab zu verstehen, dass neben allgemeinen OP-Komplikationen eine Gesichtsfeldeinschränkung kommen könnte, da der Tumor hinter dem Sehnerv liegt.

Mein Vater ist Unternehmer und ich bat den Arzt meinen Vater nochmal nach Hause zu lassen, da die OP erst 4 Tage später stattfinden sollte und wir ein paar Dinge zu Hause klären wollten.

Diese Wochenende werde ich nie vergessen, mein Paps und ich sind viel zusammen gewesen (ich wohne sonst durch den Beruf weit weg), er fragte mich viel, man merkte ihm seine Angst vor der OP und dem "Danach" förmlich an.

Die OP dauerte 6 Std., auch wenn wir das Gefühl hatten, die Zeit wollte nicht vergehen...ich weiss noch, als wäre es gestern gewesen, ich nahm meine Mama vor dem Zimmer der Intensivstation an die Hand und sagte ganz ruhig, Mama nicht vor Papa weinen, lass uns stark sein und auf alles gefasst sein, wir sind für ihn da und wir zeigen ihm das.
Ich trat vorsichtig an das Bett meines Papas, bewusst von links und kniete mich auf seine Kopfhöhe, er hatte die Augen geschlossen.
Ich sagte leise "Hallo" und eröffnete die Augen, ich fragte ihn, ob er mich erkennt und er antwortete prompt-aber sowas von, ich bat ihn seine Hände und Füsse zu bewegen und alles klappte prima, er sagte sogar er hat einen Bärenhunger...ich war so froh.

Am 2.Tag nach der OP rief meine Mama mich an und erzählte mir, dass Papa nur am weinen sei, ich konnte es nicht verstehen, da die OP doch so gut verlief, sie erklärte mir, dass der OA bei ihm war und sagte: naja die OP war gut, aber der Tumor sah echt schlecht aus, das ist kein gutes Zeichen, aber warten wir mal die Pathologie ab.

Er konnte tatsächlich nach nicht mal einer Woche entlassen werden und ausser einer rasierten Stelle am Kopf und der Narbe war ihm nichts anzumerken.

Wir müssten 2 Wochen warten, bis endlich ein Gespräch mit dem Neurochirurgen (OA) stattfand-angeblich dauert die Pathologie so lange (nun weiss ich, dass das Quatsch ist und viel schneller geht).

Wir saßen also wie Schulkinder auf den Stühlen vor dem Behandlungszimmer und warteten auf die erlösenden Worte.
Das Gespräch lief wie folgt ab: Guten Tag Herr F., und Probleme? Ging ja alles gut, Glück gehabt, hat sich doch anders dargestellt. Alles gut, alles weg. Na dann, noch Fragen? Dann noch schönen Tag.

Meine Eltern hatten keine Fragen, die hörten nur: alles gut, Glück gehabt.
Als er gerade meine Eltern verabschieden wollte, meldete ich mich zu Wort und fragte meine auf einem Zettel notierte Fragen.

Nach WHO Grad, nach Kontrolle Augenarzt, nach MRT-Kontrolle, nach Reha???
Der OA war sichtlich genervt und konnte nur teils Antworten geben, aber es wurde alles geklärt.

So musste mein Vater erstmal alle 3 Monate zur Kontrolle, leider in einer auswärtigen Radiologiepraxis (da kein UniPatient derzeit), auch ein Augenarzttermin konnte vereinbart werden (in der Uni, obwohl derzeit ja kein Patient), eine Reha wurde geplant, da er doch etwas angeschlagen war, was ihm auch zustandt

Wir flogen gemeinsam in den Urlaub, verbrachten eine schöne Zeit, nach der 2. drei monatigen Kontrolle konnte der Intervall auf ein halbes Jahr erhöht werden, da angeblich keine Veränderungen im Kopf zu erkennen waren (schon damals hätten wir stutzig werden müssen, da ja der OA nach der 1.OP sagte-"Wunderheilung"-warum also Veränderungen wenn doch eigentlich nichts mehr da ist-wie naiv von uns)!
Leider hatte meine Vater danach vermehrten beruflichen Stress und Druck, so dass nach der 1.Halbjahrkontrolle leider eine niederschmetternde Info kam: GEWACHSEN.

Ich konnte bei dem Gespräch nicht dabei sein: aber ich bekam das Gespräch erzählt (wieder der OA mit wenig Einfühlungsvermögen und Redebedarf): hab keinen Befund hier, können wir heute nicht besprechen, sie hören dann von uns.

Den Bericht plus Bilder hatte meine Mutter aber gleich nach der MRT-Kontrolle im Empfang einlesen lassen, leider war sie so zerstreut, dass sie nicht wirklich was erwiedern konnte und sie nach Hause fuhren.

Ich bat meine Mutter ALLE Berichte (sowohl OP, als auch Augenarzt und MRT inside und outside) anzufordern bzw. persönlich abzuholen, da ich mir eine 2.Meinung einholen wollte, ich hatte ein innerlich ungutes Gefühl.

Aufgrund der Entfernung fuhren mein Freund und ich in eine Klinik in Norddeutschland und hatten dort ein sehr gutes und vorallem klärendes Gespräch mit einem Professor, ich bedauerte sehr, dass mein Vater bei diesem Termin nicht teilnehmen konnte, denn das Gespräch war teils auch sehr "hart".
Zitat: sie wissen aber schon, dass ihr Vater daran versterben kann.

Ja ich wusste es, aber ich habe es gut verdrängt und meine Eltern haben mit der Krankheitsverarbeitung trotz OP noch nicht mal begonnen.

Es ist doch alles gut verlaufen und der OA sagte, alles gut, was soll denn da schon noch kommen.

Leider sagte mir auch der Professor, dass die Pathologie den Tumor eindeutig unterschätzt habe und das in alles MRT Berichten der auswärtigen Praxis zu lesen sei, dass ein eventuelles Rezidiv zu sehen sei, schon bei der aller ersten Aufnahme, der Radiologe bat mehrmals in seinen Berichten, dass er die MRT-Bilder vor und nach der OP aus der UNI braucht um abschließend beurteilen zu können.
Nun ja bei der 3.MRT-Kontrolle brauchte man nicht mehr vergleichen.

Ich fragte ihn was wir tun sollen (denn seiner Meinung nach, hätte man nach der ersten OP schon eine Bestrahlung und/oder Chemo machen sollen).

Hätte, hätte Fahrradkette

Er versicherte uns, dass der Neurochirurg gut operiert hat, wir ihn aber ein wenig auf die Füsse treten sollten.

Es stand ja eh noch ein Termin aus, an dem besprochen werden sollte, was nun passiert.

Ich rief also im Vorzimmer an und fragte nach einen Termin, da ich nun gut aufgestellt bin und mir auch diese Beratung für meinen Vater wünsche.
Antwort: wo wollen sie eigentlich noch alles hin und sich beraten lassen, dann brauchen sie hier auch nicht mehr angeschissen kommen.
Ich dachte kurzzeitig ich vergesse mich am Telefon, erinnerte sie aber freundlich an die freie Arztwahl in Deutschland und das es nicht ihre Aufgabe sei zu entscheiden, wer wo welche Informationen bekommt.

Wir saßen also in Familie wieder auf dieser besagten "Schulbank" und warteten, zwischenzeitlich ging für das Gespräch (kein Befund da, kann nichts sagen) eine Rechnung bei meinem Vater ein, mit dem Leistungssatz ausführliches neurologisches Beartungsgespräch für ca. 90€.

Der OA eröffnete meinem Vater, dass der Tumor ja nun doch größer geworden sei und sie nochmal operieren müssen-zeitnah.
Ich sprach ihn auf die Befunde der auswärtigen Radiologie an, welche in jedem Befund von Übermittlung der Vorbefunde spricht, da antworte er nur: das ist doch nicht meine Aufgabe, da sind sie selbst für verantwortlich.
(Mir fehlten die Worte, nun weiss ich aber, dass meine Mum von JEDEM Bericht eine Kopie mitnehmen MUSS, damit wir nachlesen und ggf.mitwirken können!)

Falls sich jetzt der ein oder andere fragt, warum habt ihr euren Vater nicht in den Norden geholt...ja wir haben lange überlegt und wir denken, dass es meinen Vater nicht gut getan hätte, wenn wir ihn so weit von zu Hause getrennt hätten, allein wegen Mama und der Firma, er erträgt es nicht weit weg zu sein und auch der Professor meinte wir sollen das berücksichtigen, den es würde einer Genesung im Wege stehen und wir müssten dann bei jeder noch so kleinen Folgebahndlung oder Komplikation etliche Kilometer fahren.

Zurück zu dem Gespräch: mein Freund und ich waren ja nun gut aufgestellt durch den anderen Professor, hatten mit meinen Eltern auch schon darüber gesprochen, aber meinem Vater fehlt immer etwas die ärztliche Kompetenz, auch wenn er mir sicher nie Dramatik unterstellen würde, aber es hat einen anderen Stellenwert.
So konnten wir dem nicht wirklich gesprächsfreudigen OA ein paar für meinen Vater wichtige Fragen stellen, da mein Vater ja noch immer auf dem Standpunkt war, alles ist gut, sie haben ja alles raus geholt vor einem Jahr.

Ich sprach ihn dann auch auf die Rechnung an und das es uns nicht um 90€ geht, er meinte, er hat damit mal gar nichts zu tun und wenn uns das nicht passt, müssen wir uns eben beschweren.

So wurde ein OP Termin vereinbart und wieder begann die Zeit des Wartens und Hoffen, ein wenig positiver gestimmt, da wir ja noch "verwöhnt" waren vom Verlaufserfolg der anderen OP.

Mein Freund verfasste in der Zwischenzeit einen ganz tollen Brief an das Managment, mit der Bitte ihre Rechnung zu überprüfen, da der Gebührensatz im Gegensatz zur erbrachten Leistung steht und das es sehr enttäuschend ist, wenn man durch einen behandelnden OA nicht gut beraten wird, sondern sich eher als endmündigten Patient vorkommt und man erst durch Gespräche mit anderen Ärzten/Professoren in das Krankheitsbild einbezogen wird, wenn der OA neurochirurgisch nicht so gut arbeiten würde, wären wir sicher bereits gewechselt, aber leider gehört mehr dazu als nur das.

Seit diesem Schreiben ist es möglich mit dem OA ein kionstruktives Gespräch zu führen, schon erschreckend das sowas teils nur duch Beschwerden geht.

...über die 2.OP schreibe ich morgen weiter, ich muss jetzt ein wenig den Kopf entlüften...

bitte nicht über Fehler stolpern, einfach ignorieren...bis morgen

Geändert von AnneMelanie (29.08.2012 um 08:57 Uhr)
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  #2  
Alt 29.08.2012, 09:36
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
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Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

TEIL 2 unserer Oligodendrogliombekanntschaft!

Die 2.OP fand also Ende Oktober 2011 statt, wir waren ein wenig entspannter, aber diesmal fielen alle guten Vorsätze auch bei mir über Bord und ich weinte bitterlich als er in dem Intensivzimmer seine Augen aufschlug und mich anschaute, sicher auch weil die Last von mir fiel, ich warf meinen Kopf auf seine Brust und er streichelte ihn mir.

Er durfte wieder nach einer Woche nach Hause, er hatte ausser einer Gesichtsfeldeinschränkung keine Ausfälle, so konnte ich zeitnah wieder fahren und meinem Alltag nachgehen.

Ein paar Wochen später rief meine Mama mich an und weinte wieder sehr, sie erzählte mir, dass der OA sie anrief und ihr mitteilen musste, dass der Pathologiebefund schlechter ausgefallen ist und wir es nun mit einem Grad III zu tun haben, der eine Weiterbehandlung unumgänglich werden lässt.
Wir sollten uns also in Familie beraten was wir möchten.
Ja was möchten wir denn? Am liebsten möchte man an die Hand genommen werden, dass einer einem als Betroffenen und Angehörigen sagt, wir machen das so und so, das ist das aller beste und bringt Erfolg.
Ich weiss das es kein Patenrezept gibt, aber wir fühlten uns so hilflos, ich wusste durch eigene Recherche das es Bestrahlung oder Chemo in Frage kommen könnten, aber selbst hier kann über Prognose keine Aussage gegeben werden.
Was ist also stressfreier aber erfolgversprechend?

Ich fand eine Klinik (Cyberknife) mit der ich mich in Verbingung setzte und leider teilten sie mir mit, das mein Papa mit seiner Diagnose und dem derzeitigen Stand nicht für dieses Verfahren in Frage kommt.
Wieder eine Hoffnung dahin.
Also sprachen wir mit meinem Vater, der wie gelähmt da saß und nicht wusste was mit ihm passiert.
Von Krankheitsakzeptanz noch immer keine Spur, wie ein Schutzmechanismus wird es ganz weit von sich geschoben, ausgeblendet, verdrängt.

So fuhr ich also kurz vor Weihnachten 2011 nach Hause, sprach lange mit meinen Eltern, teils waren es keine schönen Gespräche, viele Tränen und auch böse Worte.
Mein Vater sagte IMMER auf Nachfrage, dass es ihm gut geht und er nichts hat.
Ich telefonierte also einen Abend vor Weihnachten mit dem OA der Uni und erkundigte mich wie denn der aktuelle Verfahrensplan sei und welche Ergebnisse die zwischenzeitlich gemachte Augenarztuntersuchung gebracht hat.
Er sagte das meine Vater auf keinen Fall mit dem Auto fahren darf, da das Gesichtsfeld stark eingeschränkt sei und jeder Zeit mit einem epileptischen Anfall gerechnet werden müsste.
Wir sollten uns nach Weihnachten mal mit einem Onkologen unterhalten und weiteres besprechen, wegen der Feiertage kann ja dann eh erst im Neuen Jahr begonnen werden, egal mit was.

Also zurück ins Wohnzimmer und den belehrenden Zeigefinger raus: Papa der OA sagt du darfst kein Auto fahren! Also ist ja doch nicht alles gut!
Ich muss dazu sagen, dass mein Vater aufgrund seines Geschäftes und der Örtlichkeiten auf sein Auto angewiesen ist.
Also gab es einen riesen Streit und er schrie mich das erste mal in meinen 31 Lebensjahren an, wenn ich nicht Ruhe gebe, solle ich verschwinden.

Ich rief meinen Freund an, der leider arbeiten musste und schilderte ihm die Geschichte.
Mein Freund ist für mich und meine Familie ein absolut unentbehrlicher Part, da er leider schon seinen Vater (vor 29 Jahren) und seine frühere Lebenspartnerin aufgrund von Krebs zu Grabe tragen musste.
Durch diese Erfahrungen ist er uns im Denken und Fühlen mindestens einen Schritt voraus und durch seine klare, teils rationale Art ein ruhender Beratungspol-ohne ihn wären wir noch immer gelähmt und oft handlungsunfähig.

Ich kann mich an das Telefonat noch genau erinnern, ich weinte und sagte, er versteht mich nicht, er merkt nicht wie ernst es ist, ich will doch nur helfen... mein Freund schwieg und sagte dann: Anne...hast du dich mal in seine Lage versetzt, wie würdest du reagieren, wenn man dir das aller liebste bzw.aller wichtigste nehmen würde? meinst du nicht er hat genug Ängste im Kopf und Zukunftsdruck, hol ihn dort ab, wo er jetzt steht und begleite ihn, er hat Angst und braucht keine Vorwürfe.
Ich stockte und sagte: und was ist mit mir? Ich hab auch Angst, wer nimmt mich an die Hand?
Antwort von meinem Freund: DU BIST JETZT NICHT AN DER REIHE!

Auch wenn die Worte hart waren, aber sie haben mich wachgerüttelt, ich bin sofort zu meinen Eltern, setzte mich zwischen ihnen und sagte meinem Vater das ich wahnsinnige Angst habe, wahrscheinlich wie er auch, das ich ihn verstehe und das wir gemeinsam alles versuchen werden, damit wir noch lange eine gemeinsame Zeit haben, wir müssen beginnen zu reden und gemeinsam beraten.
Schon zu dieser Zeit bat ich meine Eltern eine Versorgungsvollmacht zu unterschreiben, leider hörten sie nicht auf mich, was sich später als grosses Problem darstellten wird.
Es wurde durch dieses Gespräch aber ein entspanntes Weihnachten in Familie.

Meine Eltern bekamen leider erst im Januar 2012 einen Termin beim Onkologen und ich konnte mit anwesend sein, es war ein gutes Gespräch mit dennoch fadem Beigeschmack.

Er schaute meinen Vater an und sagte ganz ruhig: wir unterhalten uns hier nicht über einen eingewachsenen Zehnagel, sie können an dieser Krankheit sehr schnell versterben.

Meine Mama brach in Tränen aus und verließ den Raum, mein Vater hatte glasige Augen und schluckte mehrmals und als der Arzt mich anschaute, schloss ich kurz die Augen und nickte, ging dann aber zu meiner Mama raus, um sie aufzufangen.

Ich weiss es klingt vielleicht blöd und man kann es schwer nachempfinden, aber ich war froh, dass ein Arzt diese Worte aussprach, ich konnte nicht länger als Prophet in eigener Mission unterwegs sein und meine Eltern immer und immer wieder in die Realität schubsen, ich hatte keine Kraft mehr und wollte einfach auch nur mal Betroffene sein.
Schon jetzt keine Kraft mehr, mein Freund würde mich wachrütteln und mir sagen, dass noch gar nichts los sei, es wird noch schlimmer, abwarten...aber als Betroffener leidet man irgendwie mehr?! anders auf jeden Fall!

Am Ende saßen Oberarzt und Professor der Onkologie und wir an einem Tisch und besprachen das Vorgehen, sie wägten ab, was für meinen Vater besser sei und rieten ihm eine Bestrahlung zu machen, das wäre für den Körper erstmal angenehmer und würde ihn nicht so aus der Bahn werfen. Chemo kann dann immernoch folgen, wenn überhaupt nötig.

Der OA bat uns auch an, uns jeder Zeit beratend zur Seite zu stehen wenn irgendwas ist und das wir uns nicht scheuen sollen ihn anzurufen.

Also würde im zeitnah eine Bestrahlung begonnen, welche mein Vater ohne Probleme verkraftete, auch der berüchtigte Strahlenkater blieb aus.
Vier Wochen nach der Bestrahlung wurde ein Kontroll-MRT gemacht.
Was waren wir positiv gestimmt und wir spürten alles kann gut werden, jetzt ist Ruhe, ein wenig befriedeter...

NEIN! ein niederschmetterndes Ergebnis: um das dreifache gewachsen, verteilt habe er sich, nicht mehr nur im rechten Seitenlappen.

Ein Tumorboard wurde veranlasst, sie besprachen sich und wir wurden informiert, dass eine neue OP stattfinden muss, zeitnah.

Ich kann mich noch erinnern, als wir meinen Vater das 1.Mal in die Klinik brachten zur 1.OP, da saß ein Mann in seinem Zimmer und meinte, er wäre schon das 4.mal am Kopf operiert worden, da staunten wir uns sagten, na wir haben das nicht vor...und nun stand schon innerhalb von 1 1/2 Jahren die 3.OP an.

So wurde er also am 25.Juli von meiner Mama ins Krankenhaus gebracht.
Ich fuhr sofort nach Hause und besuchte ihn noch am selben Abend vor der OP, wir verbrachten 2 schöne Stunden, hatte sogar ein Stück Schokoladenkuchen organiesiert, 2 Plastikgabeln und Kaffee und wir machten es uns trotz aller Umstände auf seinem Bett bequem.

Am 26.07. war die OP...ab jetzt beginnt der Wahnsinn...
schreibe später darüber...

Geändert von AnneMelanie (29.08.2012 um 10:00 Uhr)
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  #3  
Alt 29.08.2012, 11:45
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
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Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Part III:

Die 3.OP war nun also am 26.07.2012 gegen 08:00 Uhr, wir bekamen nach der OP einen Anruf das alles gut verlaufen sei und wir ihn am Nachmittag sehen können.

Er sah für seine Verhältnisse gut aus und wir scherzten sogar, der Pfleger der Intensivsation war sehr zuvorkomment und bemüht, wir gingen beinahe beflügelt aus der Uni.

Am Freitag sah es schon ein wenig anders aus, er hatte ein leichtes Durchgangssyndrom entwickelt, was aber nicht weiter dramatisch war.
Ich konnte aufgrund einer Zerrung eine weitere Woche bei meinen Eltern bleiben und so fuhr ich jeden Tag in die Klinik und meine Mama kam jeden 2.Tag mit, so konnte sie sich um alltägliche Angelegenheiten kümmern, denn mit Fahrzeit und Besuch gingen immer mind. 2 1/2 Std ins Land.
Nicht viel, aber da meine Mum selbst nicht auf dem Gesundheitsgipfel hockt, ist es für sie sehr anstrengend.

Am Samstag bekam mein Vater Fieber, ihm war immer latent übel und er wollte einfach nichts essen, nicht mal probieren, auch der Kopf tat ihm weh.
Der Stationsarzt meinte das sei normal und auch die Schwestern schien es nicht sonderlich zu interessieren, er lag also die meiste Zeit im Bett und hatte Augen geschlossen.
Sonntag (29.07.) war die Übelkeit und der Kopfschmerz zwar nicht verflogen, aber er lief einfach mit meiner Mama im Arm ein paar Schritte über den Flur, hier konnte man schon stark den Gesichtsfelddeffekt erkennen, so lief er gegen Hindernisse auf der linken Seite und schien auch sonst nicht sehr aufmerksam.

Am Montag fuhr ich allein zu ihm, er hatte ein Gestell am Bett, daran war ein Behältnis befestigt in dem sich eine hellgelbe Flüssigkeit sammelte (konnte ja nur Hirnwasser sein-was war also passiert)?

Er erzählte mir, dass er morgens am Tisch saß, weil er versuchen wollte zu essen, da überkam ihn die Übelkeit und er musste ins Bad, dort schaffte er es nur zum Waschbecken und bemerkte nach dem Übergeben (im Magen war ja eigentlich nichts mehr), dass es sich im Nacken nass anfühlte, er ging langsam zum Bett und wartete (ich weiss nicht warum er sich nicht traut zu klingeln).
Zum Glück kam der Krankengymnast nach einer Weile und informierte sofort die Pflegekräfte.
Auf jeden Fall war der Druck im Kopf zu gross (deshalb ja auch Kopfschmerz und latente Übelkeit) und die Narbe platzte auf.
Er erzählte mir, dass man ihm dann hier im Zimmer eine Drainage im Spinalkanal gelegt habe und er vor Schmerzen den Arzt am liebsten eine runter gehauen hätte.

Ich wunderte mich sehr, muss doch sowas unter absolut sterilen Bedingungen erfolgen? Naja ich bin ja kein Arzt...ich musste dann live miterleben, wie auch bei seinem Zimmerkollegen eine Drainage gelegt werden sollte...im Zimmer!Unter sterilen Bedingungen!

Ich suchte mir dann eine Schwester und fragte sie was das hier nun sei...sie erklärte mir, dass durch die Drainage, welche 6 Tage verbleibt, der Hirndruck geregelt wird.
Ich fragte sie, was denn normal wäre, also wieviel Hirnwasser ablaufen darf und sie erklärte es mir kurz (also nicht zu viel, ist ja dann auch schlecht)...logisch, mensch Anne wie dumm du doch bist.

Ich blieb dann noch 1 Stunde und irgendwie lies es mir keine Ruhe, da die Schwester doch meinte, viel soll da nicht ablaufen, denn die Skala zeigte eine Volumenzunahme von 150 ml an, also ging ich wieder zur Schwester, die hoch empört in einem barschen Ton zu meinem Vater: Mein Gott, was bewegen sie sich hier auch immer im Bett, liegen sie doch mal ruhig.
Ich musste echt um meine Fassung ringen...habe sie aber gewahrt.

Dienstag ging es ihm estwas besser, er lag ja nun still, wie einbetoniert.

Am Mittwoch saß ich an seinem Bett und er nahm meine Hand, sah mich an und bat mich um einen Gefallen, der mich erschaudern ließ.
Ich solle mich um den baldigen Verkauf der Firma kümmern, aber Mama nichts erzählen, sie soll nicht beunruhig werden, aber es geht nicht mehr, er merkt es langsam, er kann seinen Lebenstraum nicht weiter führen.

Bevor ich vergesse, an diesem Tag klagte er schon über ziehende Schmerzen an der Einstichstelle der Drainage, der Stationsarzt meinte das kann mal sein.

Am 02.08. sind wir dann mit Kuchen und Kaffee in die UNI, er hatte darauf Hunger und meine Mama schließlich Geburtstag, bei unserer Ankunft lief er über den Flur, er habe die Nacht nicht ein Auge zu getan, seine Beine tun ihm höllisch weh, er hält es kaum aus, er kann weder sitzen noch liegen, wenn er in Bewegung ist geht es leicht.
Er bekommt dagegen Pracethamol und gut ist....sehr unbefriedigend, aber was hat man für eine Wahl, man vertraut den Ärzten und vielleicht sind wir doch zu "verwöhnt" von den ersten beiden OP's und zu ungeduldig.

Am Freitag fuhr ich dann in der UNI ran, als ich auf dem Rückweg zu mir nach Hause war, ich traf auf einen völlig übermüdeten Papa, der beim Reden einschlief, er lag frierend mit Hose im Bett und das bei 30 Grad Aussentemperatur.
Die Drainage hatten sie schon den Vorabend gezogen (sollte die nicht 6 Tage verbeliben), komisch...
Ich rief meine Mama an und bat sie am späteren Nachmittag nochmal hin zu fahren.

Ich setzte mich kurz ans Bett und streichelte seine Hand, ab und an machte er die Augen auf, da platzte eine Schwester ins Zimmer und stöhnte rum: menschens Kind, nun beeilen sie sich doch, immer trödeln sie, der Essenswagen ist da und muss runter, ihr Mittag steht schon seit ner Stunde.
Mein Vater schaffte nicht mal zu antworten, da verschwand sie schon.
Ich versuchte ihn immer wieder zu wecken und bat ihn zu essen, er schaffte es mühsam zum Tisch, 2 Happen Salat nahm er zu sich und schlief ein.
Ich holte eine andere Schwester und erklärte ihr, dass mein Vater im Vergleich zu gestern ein anderer Mensch sei, sie erstellte die Vitalparameter, sagte sie werde den Arzt informieren und es beobachten, sei aber völlig normal, da er ja mittlerweile 2 Nächte nicht geschlafen habe.

Meine Mum fuhr also gegen Abend hin und die Lage war unverändert, er bat sie, sein Handy dort zu lassen (wir hatten es immer wieder an uns genommen, weil zu viele Geschäftsanrufe eingehen und er Ruhe braucht), also tat meine Mum ihm den Gefallen, wenigstens für das WOE.

Samstag telefonierte ich mit ihm, er erzählte mir immernoch von den unerträglichen Beinschmerzen und der Übelekeit, aber das er bald nach Hause möchte, er hätte in der Nacht sogar den Arzt kommen lassen, weil es nicht mehr ging.

Am Sonntag rief mich meine Mama an und erzählte mir, das sie Vormittags bei ihm war, er trotz Schmerzen orientiert war und sie gut reden konnten, er nahm sogar etwas Obst zu sich.

Gegen 14 Uhr rief er sie dann auf ihrem Handy an und sagte: hol mich mal ab, ich bin hier auf der Baustelle und fertig mit vermessen.Diesen Satz wiederholte er immer und immer wieder.
Meine Mutter traute ihren Ohren nicht, wie kommt er zu einer Baustelle und dann noch am Sonntag?
Sie hörte wie ein Mann im Hintergrund sagte: soll ich mal mit ihr reden.
Da wurde mein Vater sehr wütend und schrie umher, meine Mama glaubte ja noch immer die Baustellengeschichte und verlangte nach dem Mann im Hintergrund.
Der stellte sich als sein Zimmerkollege vor und das Papa seit Mittags halluziniert.
Meine Mama bat ihn, eine Schwester zu suchen und ihr das Telefon zu geben.
Das tat er auch.
Die Schwester meinte dann: ja komsich, haben wir auch schon bemerkt, der stand vorhin vor der Wand und redete mit ihr und als wir ihn ansprachen, meinte er Fussball zu gucken. Einen Arzt informieren? Aber es ist doch Sonntag, das beobachten wir, beruhigen sie sich mal.

Die komplette Nacht rief mein Vater im Wechsel mich und meine Mutter an, sagte aber immer nur Hallo, Hallo...bis sein Akku endlich den Geist aufgab.

Geändert von AnneMelanie (29.08.2012 um 11:54 Uhr)
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  #4  
Alt 29.08.2012, 14:08
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
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Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Part IV:

Nun ja die folgenden Tage wurde nicht wirklich was gemacht, wir wurden beschwichtigt und beruhigt, man wüsste schon was das Beste für ihn sei.
So wurde er trotz ungeklärter Beinschmerzen am 08.08. entlassen und nach tatsächlich 2 Stunden wieder eingeliefert, weil er vor Schmerzen nicht mehr aggieren konnte.
Sichtlich "glücklich" schienen die Schwestern über die Rückkehr meines Vaters.

Am Donnerstag den 09.08. erzählte ein Schüler meiner Mama, dass mein Vater sich wohl in der Visite Luft gemacht hätte, was sie meinen wie es hier weiter gehen soll etc (mein Vater ist eher ein ruhiger Vertreter).
Nach einer Weile betrat dann eine OÄ'in das Zimmer und wollte mit meiner Mutter sprechen, sie entgegnete ihr, dass sie es auch hier vor meinem Vater machen können.
Nun ja, die OÄ'in entschuldigte sich und versprach eine schnelle Regelung, meine Mutter verlangte nach einer Schmerztherapeutin.

Unter Knurren wurde diese dann auch geholt, sie bemerkte eine Polsterung an der Einstichstelle der Drainage (riet zu einem MRT) und verschrieb zur Schmerzbekämpfung ein Opiat, welches natürlich erstmal wieder Halluzinationen auslöste.
Aber die Schmerzen waren am Freitag schon erträglicher für ihn.

Meine Mama sprach dann mit dem OA der Station (der behandelnde Neurochirurg ließ sich ja seit getaner OP nicht mehr blicken-sein Job ist ja erledigt) und fragte nach dem MRT-Termin.
Der Arzt etwas aufgebracht-ein MRT Termin in der UNI wäre erst am 17.08. frei, vorher geht nichts und der Chefarzt der Radiologie kann sich nicht um Vorverlegung kümmern, da zu ausgebucht und nicht erreichbar ist.

Mir schien es etwas zeitentfernt, so rief ich bei der Radiologiepraxis an, die meinen Vater ja schon kannte, diese hatte noch am selben Tag Zeit für ihn, ich also meine Mutter wieder angerufen und ihr das erzählt.
Meine Mutter wieder zum OA, Zitat: wenn ihr Mann sich dort untersuchen lässt, ist er nicht länger Patient hier und somit entlassen.

Ja....was macht man da!? man ist ja schockiert und fühlt sich wie ein Kleinkind, welches getadelt wird und nun nachsitzen muss, weil es bestimmte Regeln nicht befolgt.
Also warten bis zum kommenden Freitag.

Der Schüler im Praktikum erzählte meiner Mama, dass Papa in der Nacht am Wochenende sogar weggelaufen sei und sie ihn 2 Etagen tiefer eingesammelt hätten, das er es nicht mehr bis auf die Toilette schafft und sogar in die Ecken des Zimmers uriniert.
Darauf hin wurde er in ein Einzelzimmer verlegt, die Schwester meinte im Beisein meiner Mutter-das haben sie jetzt davon, wenn sie die ganze Nacht umherlaufen und die anderen Patienten stören.

Am Montag hatte meine Mutter eine zündende Idee (ich denke man ist oft wie gelähmt und dann handlungsinkompetenter), sie ließ sich von den Schwestern die Nummer der Vermittlung geben, die wollten erst nicht, aber ließen sich dann doch überzeugen, meine Mutter rief dort mit dem Handy an und verlangte die Radiologie der UNI, mit dieser verbunden, bat sie um ein Gespräch mit dem Chefarzt und keiner kann und wird es glauben-der war prompt dran und schockiert über diese Geschichte, mein Vater konnte also noch am MONTAG ins MRT.

Meine Mutter ging zu den Schwestern, sagte denen, dass Papa noch heute dran kommt, als die Radiologie anrief und um die Bringung des Patienten bat, brachte meine Mutter ihn selbst.

Als sie gemeinsam zurück auf Station kamen, standen 2 Schwestern und die schon erwähnte OÄ'in zusammen (sie sahen meine Eltern nicht kommen) und Zitat: keine Ahnung wie die das mit dem Termin geschafft hat, aber der ist ja selbst Schuld wenn er an der Drainage zieht- meine Mutter sagte dann ganz laut, dass sie jetzt zurück seien und das Trio erschrack sichtlich.
Zu dem "ziehen" der Drainage kann ich sagen, mein Vater ist einmal im Bett hochgerutscht und dabei zog es plötzlich am Rücken, das teilte er der Schwester mit, aber die zeigte kein Interesse.

Das MRT ergab eine Einblutung am Rücken durch die Drainage, nun mussten schnell abschwellende Medis her.

Dienstagnachmittag rief die Hausärztin meines Vaters (nach der 1.OP gewechselt zu dieser, gut aufgestellt und begleitet ihn auch mit Homöopathie) auf Station an und bat den OA der Station (nennen wir ihn mal Doc X) meinen Vater doch noch bis Freitag in der UNI zu lassen, um sicher zu gehen, dass die neuen Medikamente auch anschlagen, da die häusliche Situation diesen Zustand nicht tragen kann.

Doc X rief dann empört meine Mutter an und beschwerte sich förmlich was der Hausärztin einfiel ihm zu sagen, was er zu tun hat, mein Vater ist noch heute aus der Klinik ventassen und kann umgehend abgeholt werden.
Medikamente kann er schließlich auch zu hause nehmen.

Meine Mutter erklärte Doc X, dass es ihr heute nicht mehr möglich sei, da sie wichtige Termine wahrzunehmen hat, gut-aber morgen ab 10 Uhr!!!

Also holte meine Mama ihn ab, er halluzinierte nicht mehr, die Schmerzen in den Beinen waren auszuhalten und er hatte sogar Appetit, sie fuhren in ihr Liebglingsrestaurant und urplötzlich fingen die Schmerzen wieder an, er konnte nicht mehr sitzen, musste umher laufen, konnte vor Schmerzen wieder nicht essen.
Zu Hause legte er sich sofort hin und schlief so gut es ging.

Am Donnerstag rief Mama an, völlig aufgeregt und planlos-er pullert ein, er schafft es nicht bis zur Toilette, er hat Schmerzen, im Kopf, im Rücken, in den Beinen und er übergibt sich in einer Tour.
Ich bat sie die Hausärztin zu informieren und da diese leider unterwegs war, kam sie erst gegen Abend vorbei.

Meine Vater wurde also mit Sondersignalen zurück in die UNI gebracht und noch während der Fahrt "schlafen" gelegt.
Meine Mama fuhr Freitagfrüh gleich zur Station, vorher fasste sie sich ein Herz und rief den Onkolgen an (der bat uns ja schon Beginn des Jahres seine Hilfe an), der meinte dann er würde schauen ob neurologisch alles getan ist und wenn ja, holt er ihn sofort auf seine Station und kümmert sich um ihn.
Auf Station wartete schon mit Hände in den Taschen Doc X (ich redete meiner Mama bereits Donnerstagnacht ins Gewissen-geh nicht auf Konfrontation, sei bestimmt aber freundlich, notiere dir lieber in einem Buch Namen und Gesprächsinhalte).
Doc X blufte also meine Mutter an: was wollen sie denn hier? Ich versteh nicht was ihr Mann hier soll, am liebsten hätte ich ihn postwendend heute Nacht noch heim geschickt, der simuliert doch.

Am Abend kam der Anruf: NOT-OP Gehirnhautentzündung, Deckelung Schädel nicht vollständig möglich, da Bakterien den Knochen angefallen haben.
Es darf erstmal niemand zu ihm, er muss die Antibiose annehmen. (zur Erinnerung, heute wäre erst das Rücken MRT gewesen)

Samstag: neue OP-Kopf es konnten nicht alle Eiterherde entfernt werden, Druck zu hoch, Drainage in Kopf

Sonntag: meine Mama darf zu ihm, er weiss wie er heisst und wie alt er ist, aber mehr ist nicht möglich-der OA der Intensivstation führt ein sehr langes und gutes Gespräch mit meiner Mutter, meine Mama macht sich endlich über die Verfahrensweisen Luft und selbst der Arzt bestätigt, dass Behandlungsfehler vorliegen, wäre er später als Donnerstagnacht gekommen, dann hätten sie ihm nicht mehr helfen können.

Montag: OP-Rücken, das Polster am Rücken ist ein zusätzlicher Bakterienherd im Spinalkanal durch die Drainage von vor 2 Wochen, neue Drainage zur Wundreinigung

Dienstag: NOT-OP Kopf, der Intensivstationsarzt, der meine Mama anrief und über die OP informierte, sagte ihr auch das Doc X bei der stattfindenden OP anwesend sein wird.
Meine Mama bat ihn freundlich-grüssen sie Doc X von mir, er sieht ja nun selbst das mein Mann nicht simuliert und er soll seine Arbeit ordentlich machen.

Ihr werdet es nicht glauben, Doc X rief eine Std. später (also noch vor der OP) meine Mutter an und fragte sie, warum sie denn so geladen ist, sie hätten wohl aneinander vorbei geredet.
Meine Mama erklärte ihm, dass er froh sein kann, dass sie Freitag nicht auf Station aus dem Anzug gesprungen ist und was er sich eigentlich erlaubt, er kann von Glück sagen, dass sie nicht gleich zur Chefetage gegangen ist.

Er entschuldigte sich und versprach egal wie spät es werden würde, meine Mutter über den Ausgang der OP zu informieren.

Mittwoch: unverändert-schläft viel, nicht orientiert, erkennt aber Personen

Donnerstag: das Gleiche in Grün

Freitag: er sitzt am Vormittag mit der Krankengymnastik an der Bettkante

Samstag: kurzes Gespräch möglich zwischen Papa und Mama, aber eher geschlossene Fragen

Sonntag: OP-Kopf neue Eiterherde entdeckt, ein Port und eine weitere Drainage müssen gelegt werden

Montag: meine Mama so enttäuscht, da er Nachmittags kaum weckbar ist, also wurde mit der Pflege vereinbart, dass sie Mittags kommen darf, er sitzt in einem therapeutischen Stuhl und lässt sich von Mama Mittag anreichen, er schafft eine ganze Mahlzeit

Gestern: er wird künstlich ernährt, verweigert das Essen und redet nicht mit meiner Mama

Was soll ich sagen...ich funktioniere, in den letzten drei Wochen habe ich neben meiner Vollzeitarbeit noch nebenbei gearbeitet und bin dann Abends zum Sport, nur um nicht nachzudenken und immer wenn das Telefon nicht klingelte, war ich froh, weil keine Schreckensnachrichten kommen konnte.

Die Schwestern äussern sich meiner Mutter nicht mehr gegenüber, es scheint als hätten sie einen Maulkorb um, auch in die Akten darf meine Mama keine Einsicht nehmen.
Das müsste der Arzt genehmigen, hier spielt wieder die Versorgungsvollmacht eine Rolle, hätten wir diese bereits, so müssten sie Einsicht gewähren.

Meine Mama trägt eine bereits vor ausgefüllte in der Handtasche mit sich rum, aber mein Papa kann den Stift nicht halten, denn leider gibt es neben der gesundheitlichen Situation auch die geschäftliche, die Auftraggeber zahlen nicht, weil sie aus unserer Not eine Tugend machen und erst mit dem "Chef" also Papa sprechen möchten, bevor sie zahlen.

Meine Mama kann keine Rechnungen schreiben, keine Angebote verfassen, da sie keine rechtliche Vertretung ist, es läuft zum Glück jetzt über einen Anwalt.
Mein Freund hat zum Glück daran gedacht einen ins Boot zu holen, da sonst die Fristen verstreichen und wir dann irgendwann gar keinen Handlungsspielraum mehr haben und der Lebenstraum meines Vaters unfreiwillig in den Ruin geht, was ihm obendrein noch das Herz bricht.

Meine Mama hat eine viel zu hohe Erwartungshaltung an meinen Vater, sie kann mit der Situation nicht um und ist jedesmal enttäuscht, wenn sie einen schlafenden Mann auffindet, der nicht "schätzt" das sie extra seinen Lieblingsjoghurt mitgebracht hat, damit er wenigstens etwas isst.

Auch das er kognitiv nicht in der Lage ist die Gabel zum Mund zu führen, ist für sie nicht zu verstehen und Neuland.

Ich rede oft mit ihr, versuche ihr zu Verstehen zu geben, dass alles Zeit braucht und das wir leider auf die Nase gefallen sind, weil wir keinen Plan B hatten, den hat uns mein Freund schon nach dem ersten Tag der Diagnose geraten.

Wir sind leider blauäugig los und jetzt zum teil handlungsunfähig, weil die Emotionen und Ereignisse einen überrollen.

Ich fahre am WOE das erste Mal seit dem 02.08. wieder nach Hause, ich habe wahnsinns Angst davor, meinen Vater so sehen zu müssen.
Auch tut mir auf einer Seite mein Freund sehr leid, weil er diesen Weg wieder miterleben muss.
Wir hatten vor einigen Tagen ein langes Gespräch bis in die Nacht und ich sagte ihm unter Tränen, dass mich der Gedanke quält, wenn er nicht mehr ist, das ich ihn immer mit Enkelkinder spielen sehen wollte (es sind noch keine geplant wegen Beruf), das ich mir immer gewünscht habe er baut mit mal mein Traumhaus und das es der Wunsch einer Tochter ist, das ihr eigener Vater sie zum Traualtar bringt und die Hand der Tochter an die schützenden Hände des Verlobten übergibt.
Er bestätigte mir, dass diese Fragen wie wäre es gewesen wenn, immer bleiben werden, egal wie lange der andere nicht mehr bei uns ist.
Und er sagte mir auch, dass es ihm unendlich leid tut, zu wissen, dass ich die Erfahrung machen muss, wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren aufgrund einer Erkrankung.
Sterben gehört zum Leben dazu, aber wenn eine Krankheit einen in die Knie zwingt, dann hat es einen anderen Charakter und das verändert einen.
Und genau das tut ihm leid, das hätte ich nicht verdient und meine Mama beginnt schon jetzt zu zerbrechen, obwohl "noch nichts" passiert ist.

Ich arbeite seit 3 Jahren auf einer Wachkomastation nebenbei und ganz ehrlich, ich kann von mir sagen, dass ich abgebrüht bin, ich nehme mir Schicksale von meinen Patienten nicht zu Herzen, weil ich ihnen dann nicht helfen kann und sich nicht gut therapieren kann, ich kann an deren Situation durch Mitleid nichts bewegen, aber ich hatte dieses WOE das erste Mal große Probleme dort meinen Job zu machen und musste um eine Auszeit bitten, auch wenn diese Tätigkeit immer mein Wochenhighlight war.

Ich kann es nicht, im Moment nicht.

Mein Vater wird diesen Sonntag 60 und die vor Monaten geplante Feier mit allen Freunden und Kunden kann nicht stattfinden, keine hätte gedacht das wir mal eine Situation erleben werden, wie sie jetzt ist.

Ich bin schockiert über die Ärzte, über einzelne Schwestern und Pfleger und ich bin zum Teil schockiert über uns selbst.



...wieviel Leid kann ein Mensch ertragen...
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  #5  
Alt 29.08.2012, 14:47
melast80 melast80 ist offline
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Beiträge: 36
Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Meine Herren.... wie krass.
Das tut mir unheimlich, wahnsinnig leid, was ihr erleben musstet/müsst!!!

Wir haben bei meiner Mama leider ähnliche Erfahrungen gemacht, aber Gott sei Dank früh genug die Reißleine gezogen, sonst hätte ich jetzt keine Mama mehr. Sie war in einem Krankenhaus mit einem sehr guten Ruf, aber die können scheinbar nur "Standard" und waren mit Außergewöhnlichem total überfordert. Hätten wir die Ärzte gewähren lassen, hätten sie meine Mama wohl totoperiert. Also hat sie sich selber entlassen und lässt sich jetzt anderswo weiter behandeln.

Auch die MRT-Geschichte kommt mir leider nur allzu bekannt vor... Wie kann es sein, dass bei MRT 1 nichts war, und bei MRT 2 (ein Jahr später) zwei große Tumoren einer Art, die nur sehr langsam wachsen, aber dennoch äußerst bösartig sind? Leider machen allzu viele Ärzte grobe Fehler...

Ich denke an euch!
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  #6  
Alt 29.08.2012, 14:53
AnneMelanie AnneMelanie ist offline
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Beiträge: 15
Standard AW: Oligodendrogliom WHO II-WHO III

Lieb von dir...

es bringt Gänsehaut wenn man liest das es anderen auch so geht, ich versteh nicht wie sowas im Jahre 2012 passieren kann, ich habe Verständnis für Fehler, aber ich habe Wut für Inkompetenz und Arroganz...es geht um das Leben der Betroffenen, um deren Gesundheit, nicht um ein Objekt was man vielleicht ersetzen kann.

Ich bin fest entschlossen einen Brief zu verfassen an das Beschwerdemanagment und ganz unten wird stehen: eine Kopie an die ...Zeitung und eine Kopie an den Rechtsanwalt.

ICH BIN ES LEID HIN ZU NEHMEN
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