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Alt 27.10.2002, 02:58
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Angehörige sind (fast) schlimmer dran!

Liebe Forumsteilnehmer und Angehörige,

ich bin KEINE Angehörige, ich bin Betroffene von Angehörigen.

Als ich vor fast einem Jahr die Brustkrebs-Diagnose erhielt, brach nicht nur für mich eine Welt zusammen.

Mein Mann, die Kinder, meine Mutter, meine Schwestern, mein Bruder...ja alle standen unter Schock.

Mein Mann weinte hemmungslos, meine Tochter genauso, der Sohn mit stand mit versteinerter Miene vor mir.....
Meine Mutter wollte es überhaupt nicht wahr haben, sprach immer wieder davon, das könne doch nicht sein....

Doch, es konnte...

Ich war eigentlich diejenige, die sich zuerst wieder fing.
Ich war diejenige, die tröstete.
Ich war diejenige, die im Internet nach den besten Therapiemöglichkeiten suchte.
Ich war diejenige, die die Klinik aussuchte.
Ich war diejenige, die die notwendigen Telefonate führte.

Das soll jetzt kein Vorwurf sein.

Alle Angehörigen waren einfach nicht mehr in der Lage, zu denken.

Als dann alles Notwendige geklärt war, brach ICH zusammen.
Inzwischen hatten sich aber mein Mann und die Kinder (groß, aber noch zu Hause lebend) einigermaßen erholt und nun musste ich getröstet werden; Telefonate mussten für mich getätigt werden usw...

Mein Mann hat mich zu allen Ärzten und Therapien begleitet, war im Krankenhaus von mittags bis abends bei mir, wich nicht von meiner Seite (hiermit noch einmal ein dickes DANKE an den Arbeitgeber für die pausenlosen Arbeitsbefreiungen).

Mir hat diese "Begleitung" sehr gut getan, ich fühlte mich verstanden und geborgen.

Wie sehr allerdings meine Familie gelitten hat, habe ich nur zufällig erfahren.
Mein Mann (er dachte, ich würde schlafen) telefonierte mit einem Freund und natürlich war ganz schnell ich das Thema.

Nun ja, jedenfalls habe ich dann gehört, wie mein Mann berichtete.

Sprach von den Chemos, wie schlecht es mir darunter gegangen ist (stimmt leider, hatte alles an Nebenwirkungen was es so gibt).
Sprach von den zahlreichen Nächten, in denen ich nicht schlafen konnte und er mich immer wieder versorgen musste (ja, die Nächte waren schrecklich).

Am Ende des Gesprächs sagte er dann noch, dass die Therapien eine einzige Qual für mich gewesen seien.

Als er aufgelegt hatte, habe ich ihm gesagt, dass ich zugehört hatte und das ich der Meinung sei, er habe aber haushoch übertrieben; für mich wäre das alles zwar schlimm, aber nicht qualvoll gewesen.

Die Antwort war dann: "Ich habe es aber so empfunden".

Ich habe lange darüber nachgedacht und ich glaube ihm uneingeschränkt.

Schließlich war ER derjenige, der rund um die Uhr zusehen musste, wie schlecht es mir ging.

Schließlich war ER es, der mich im Krankenhausbett liegen sah, mit allen Schläuchen und Infusionsflaschen (während ich selig schlief)

Schließlich war ER derjenige, der schlechte Nachrichten vom Arzt zuerst bekam (ich hörte erst davon, als es mir schon wieder besser ging)

Schließlich musste ER tagtäglich eine inzwischen kahlköpfige Frau ansehen (mir wars egal, ihm tat es schrecklich leid)

Ich glaube inzwischen, dass die/der Kranke zwar die/der Betroffene ist, dass aber enge Angehörige die Krankheit doppelt so schlimm empfinden.

Nun sind alle Behandlungen überstanden (natürlich bleibt die Angst vor einem Rückschlag).

Die bald beginnende Kur mache ich zusammen mit meinem Mann, er hat sie genauso nötig wie ich.

Die Kinder sind inzwischen davon überzeugt, dass ich wieder ganz gesund werde und ich lasse sie in diesem Glauben.

Der Sohn steckt gerade im ersten Jura-Staatsexamen und braucht seine ganze Kraft dafür.
Die Tochter befördert Menschen durch Deutschland und braucht dafür volle Konzentration.

Meine Mutter kommt am Schlechtesten mit der Situation zurecht. Sie verdrängt.

Und ich?
Ich habe die Papiere geordnet, meine eigene Todesanzeige aufgesetzt (natürlich ohne Todesdatum;-)) und eine Aufstellung gemacht, wo und wie die Gelder zu beantragen sind.
Habe mir ein schönes Lied ausgesucht...auf CD gebrannt... dass soll am Grab dann abgespielt werden.

Denn ich weiß genau, im Falle des Falles reagieren alle kopflos....

Wenn es dann aber irgendwann so weit sein sollte, dann schlafe ich eben den ewigen Schlaf...

Meine Familie aber bleibt zurück und muss damit fertig werden.

Wer ist denn nun wirklich schlimmer dran?????

Schwer krank zu sein ist schlimm, Angehöriger zu sein ist fast schlimmer!

Mit lieben Grüßen
w. Gast

PS: Ich bitte um Gebet für meine Familie und mich. Danke!
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