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Alt 06.07.2013, 13:43
sabiharu sabiharu ist offline
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Registriert seit: 13.07.2012
Beiträge: 4
Standard Ich hab dich lieb, Oma

Nach 6 Monatigem Kampf ist meine Oma gestern Abend im Alter von 84 Jahren verstorben.
Ich möchte mir die Geschichte ein wenig von der Seele schreiben, weil mich mich das Ganze sehr beschäftigt und mitnimmt. Ich wohne aufgrund meines Studiums 2 Stunden von meinem Heimatort entfernt und konnte deswegen nur noch ein paar Mal meine kranke Oma besuchen.

Der Leidensweg meiner Oma begann ca. vor einem halben Jahr, als bei ihr zuvor Demenz diagnostiziert wurde. Bis Februar lebte sie noch alleine in ihrer schönen Wohnung. Als sie jedoch immer wieder schnaubte und nur noch kurze Wegstrecken gehen konnte, mussten wir sie ins Krankenhaus bringen, weil der Verdacht bestand, dass etwas mit dem Herzen nicht in Ordnung war.

Im Krankenhaus fand man nichts weiteres heraus, aber Oma fing sich dort einen Virus ein, der mit Antibiotika behandelt wurde. Sie hatte immer und immer wieder starken Durchfall, sodass sie auf eine isolierte Station kam. Irgendwann nach zwei Wochen wurde sie frühzeitig entlassen, doch noch am selben Abend musste meine Mutter den Notarzt rufen, weil Oma drohte, zu ersticken Sie hatte Wasser in der Lunge und kam wieder in das selbe Krankenhaus...

Wieder Krankenhauskeime, wieder Durchfall, immer mehr Gewichtsverlust, Demenz schritt fort, kein Appetit. Alles in allem besserte sich nichts

Meine Eltern und meine Tante entschieden sich mit Einverständnis meiner Oma, deren Wohnung zu kündigen. Sie sollte dann bei nach dem Krankenhausaufenthalt bei uns Zuhause wohnen. Darauf hat sie sich auch soweit gefreut/eingelassen. Das war im Mai.
Wir wussten nicht, dass es so schrecklich werden sollte....

Zur Übergangsphase kam meine Oma für 10 Tage nach dem zweiten Krankenhausaufenthalt in ein Pflegehaus. Mama beantragte die Pfelgestufe(n) und richtete umgehend das Zimmer für meine Oma ein. Der Durchfall war noch nicht ganz weg, aber zunehmend besser geworden. Im Übergangshaus ging es ihr relativ gut, aber sie konnte kaum noch gehen und war immer wieder außer Atem. Sie war immer müde und schlapp.Aufgrund ihres Gesundheitszustandes wurde sie anschließend an eine Geriatrie angebunden, in der sie weitere 2 Wochen verbleiben sollte, bis sie schließlich zu uns nach hause kommen durfte.

In der Geriatrie kam sie auf ein einzelnes Zimmer. Dort hat man sich meiner Meinung nach einen Dreck um sie gekümmert. Physiotherapie wurde nur sporadisch gemacht, keien Gruppentherapie, nicht nach dem Essen geguckt, Tabletten falsch dosiert etc...Wir besuchten sie jeden Tag und so oft es ging. Sie wollte aber nicht mehr essen und auch z.B kein Fernsehen mehr gucken. Der Gewichtsverlust und der Durchfall hatten zusätzlich ihre Kräfte geraubt.

Als dann Oma endlich zu uns nach Hause kam, hatte sie wieder Durchfall - meine Mutter musste die Arbeit von 3 Pflegern übernehmen. Windeln wechseln, umlagern, füttern, waschen usw...
Laufen konnte Oma nun gar nicht mehr. Sie war nur noch an den Rollstuhl und das Bett gefesselt. Geistig hatte sie ebenso abgebaut. Manchmal verwechselte sie die Namen ihrer Töchter. Dann hatte sie wieder klare Momente, wo sie sich mitteilte und Scherze machte.

Als der Durchfall Zuhause immer noch anhielt, musste sie wieder in ein Krankenhaus. Dort wurde sie notoperiert, weil ein Darmverschluss drohte. Die OP vor einem Monat verlief gut. Doch die Ärzte entdeckten bei der Operation einen riesengroßen Unterbauch Tumor :-( Ebenso hatten sich in der Leber Metastasen gebildet. Die Ärzte sagten, dass der Tumor bereits seit Jahren im Unterbauch sei und so verwachsen wäre, dass man ihn auch nicht entfernen könne. Es sei nur noch eine Frage der Zeit. Um Oma ein bisschen Lebensqualität zurückzugeben, bekam sie einen künstlichen Darmausgang.

Mitte Juni ging es dann ein wenig aufwärts. Oma machte wieder Scherze und ich besuchte sie so oft ich konnte. Meine Mutter fühlte sich aber oft alleine gelassen mit der schweren Aufgabe, Oma Zuhause zu pflegen. Mama schlief wenig und war im Dauereinsatz. Sie sorgte immer dafür, dass Oma genug trank und aß, säuberte den Ausgang, ging selber wenig arbeiten, nur um bei Oma sein zu können...
Viele Verwandten besuchten uns,auch viele, die ich gar nicht kannte, oder mit denen wir einst verkracht waren....Eigentlich schön, aber irgendwann empfand selbst ich das als störend und nervend, denn so viele Leute um uns herum waren wir nicht gewöhnt und statt zu helfen, saßen diese draußen beisammen und tranken Kaffee. Meine Mutter war zunehmend aufgebraucht.

Als ich vor zwei Wochen nochmal Zuhause war, schaute ich mit Oma Fotos an. Einige Personen erkannte sie auf Anhieb, manche verwechselte sie, aber sie war ganz gut drauf. Ich versprach, an ihrem Geburtstag, dem 02.07 mit meinem Freund vorbeizukommen und sie zu besuchen. Sie grinste und drückte ganz stark meine Hand. Ich dachte, sie hätte noch Kraft, so stark drückte sie.

In der Woche darauf bekam sie zusätzlich einen Katheter gesetzt... Durch das viele Liegen hatte sie schon mehrere Dekubiti, meine Mama, der Pflegedienst und auch mein Vater lagerten sie immer wieder um, um weitere offene Stellen zu vermeiden. Die Demenz war soweit fortgeschritten, dass sie ihre Töchter nicht richtig erkannte. Auch mich erkannte sie oft nicht.

An ihrem Geburtstag ging es ihr dann schon sehr schlecht . Sie hatte wieder abgenommen, wollte nicht viel essen und schlief den ganzen Tag.
Ich drückte sie, gab ihr ein Küsschen und sagte, wir kommen bald wieder, um dich zu besuchen, du bist so stark. Sie lächelte, aber es kam mir so vor, als meinte sie, es sei nun i.O, du kannst jetzt beruhigt fahren.


Gestern Abend rief meine Mutter mich an. Die Hautfarbe von Oma hatte sich verändert und sie musste den ganzen Tag dauernd brechen, irgendwann hat sie nur noch Galle erbrochen. Sie hatte starke Schmerzen. Der Notarzt sagte, dass sie die Nacht nicht überleben werde. Meine Mutter rief meine Tante an, die umgehend zu uns nach Hause fuhr.
Mama meinte, dass die letzten Stunden der Horror gewesen seien :-( Sie hat mich um 22:04 angerufen und gesagt, dass Oma sterben wird.

Oma starb gestern gegen 22:30 Zuhause im Beisein meiner Eltern und meiner Tante.

Ich tröste mich damit, dass meine Oma einen so leidvollen letzten Weg gehen musste und dieser nun endlich geschafft ist. Aber ich begreife es nicht. Es ging so schnell und doch hat man es kommen sehen. Ich frage mich, ob gewisse Dinge anders abgelaufen wären, wenn im Krankenhaus früher etwas entdeckt worden wäre...

Wir haben festgestellt, dass wir alleine waren. Trotz Pflegedienst, Ärzten und Angehörigen - gab es besonders für meine Mutter wenig Entlastung. Ich habe Angst, dass sie nun über diese Ereignisse ebenso krank wird. Sie ist nicht gesund, hatte einen Schlaganfall und einen sehr hohen Blutdruck, der durch ihren Kaffee und Tabakkonsum noch verstärkt wird... :-(

Geändert von sabiharu (06.07.2013 um 13:48 Uhr)
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  #2  
Alt 06.07.2013, 14:19
frau hoffnung frau hoffnung ist offline
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Registriert seit: 05.07.2013
Beiträge: 22
Standard AW: Ich hab dich lieb, Oma

Ich möchte Dich einfach einmal still drücken. Ganz viel Kraft Dir und Deiner Familie.


Ich trage meine Oma seit langem im Herzen. Bei uns war es ein Hirntumor.
Mir half es irgendwann einmal zu wissen, dass auch wenn sie nicht mehr hier ist, sie doch immer bei mir sein würde. Und das ist wirklich so. Mittlerweile sind 25 Jahre vergangen. Doch ich spüre sie immernoch sehr intensiv, so als wäre sie erst vor kurzem gegangen.
__________________
Liebe Grüße
von Sunny


Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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