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  #1  
Alt 03.02.2013, 01:56
Benutzerbild von Lina21
Lina21 Lina21 ist offline
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Registriert seit: 02.02.2013
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Beitrag Vater du fehlst mir!

Am 11. September 2012 hat mein Vater uns verlassen. 2 Jahre lang haben wir mit ihm gegen den Lungenkrebs gekämpft. Ich kann es heute immer noch nicht fassen, dass er nicht bei uns ist.

Am 10. September hatten wir ihn im Krankenhaus gebracht, da er Atemprobleme hatte. Obwohl mir die Ärzte sagten, dass mein Vater nur noch einige Stunden leben wird, wollte ich es nicht glauben. Doch ich musste stark bleiben, meine Mutter beruhigen und meine jüngeren Geschwister so schnell wie möglich von der Schule abholen, damit wir uns alle noch von unserem Vater verabschieden konnten. Es kam mir wie in einem Albtraum vor. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich war wie gelähmt, ich wusste nicht was ich machte.
Als ich meine Schwester (15) von der Schule abgeholt habe, fragte sie mich was los sei. Und ich (wie konnte ich das bloss sagen): Unser Vater wird sterben. Sie wurde ganz blass im Gesicht. Ich kann mir das bis heute nicht verzeihen, dass ich es ihr so direkt gesagt habe...wir hatten doch alle Hoffnung.
Jene Nacht hatte ich mit meiner Mutter bei meinem Vater verbracht bis er dann starb. Nach seinem Tode hörte ich immer sein Atem und das eine Woche lang.
Nachdem wir von der Beerdigung wieder in die Schweiz waren, begann das schlimmste. Seine Kleider, sein Büro, das Haus alles was ich sah erinnerte mich an ihn. Doch ich musste weiterleben...mein Studium hatte begonnen. Ich wusste nicht wie ich das jemals durchstehen würde. Ob ich lernen soll oder ob ich die Dokumente meines Vaters richten sollte, die Medikamente entsorgen sollte, mich um sein Büro kümmern sollte... es kam mir vor als ob ich seine Verantwortung tragen würde..und das war sehr schwer, schwerer als ich gedacht hatte.

Auch im Studium habe ich Mühe. Meine Konzentration lässt schnell nach... was kann ich dagegen machen?
Im ersten Monat konnte ich zu keinem meiner Klassenkamaraden sprechen. Zuerst dachte ich die Welt steht still, aber dann merkte ich, dass ich still stehe.

Ich fühl mich jetzt schon ein bisschen besser, dass ich das alles los werden konnte. Denn ich merke gerade, dass ich nicht richtig trauern konnte, da ich so Vieles zu erledigen hatte.

PS: manchmal denke ich, dass niemand mich versteht. Als würde ich eine andere Sprache sprechen.


Liebe Grüsse
Lina
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  #2  
Alt 03.02.2013, 08:32
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Vater du fehlst mir!

Liebe Lina,

es tut mir so leid, dass auch du deinen Papa verabschieden musstest. Auch mein Vater hatte Lungenkrebs und ich kann mir daher gut vorstellen, was du durchgemacht hast, welchen Hoffnungen du hattest und welche Ängste... Auch diese Bilder, die immer wieder auftauchen, der womöglich rasselnde Atem deines Papas. Das tut so weh.

Als wohl älteste Schwester hast du viel Verantwortung übernommen, oder? Und deine Mama gestützt und deinen Papa begleitet. Ich hoffe, dass dir das irgendwann ein Trost sein kann, dass du da gewesen bist und alles getan hast, was möglich war.

Mach dir bitte keine Vorwürfe wegen deiner jüngeren Schwester. Du hast nichts Falsches gesagt. Es entsprach ja leider den Tatsachen, dass dein Vater im Sterben lag und ich denke, dass deine Schwester es dir keinesfalls übel nimmt, dass du ihr die Wahrheit gesagt hast.

Ich kann mich gut erinnern, welche Lawine auf uns zurollte, nachdem meine Vater gestorben war. So vieles musste erledigt werden, ich habe Anträge für meine Mutter gestellt und lauter Behördengänge hinter mich gebracht. Jeden Tag flatterte uns irgendetwas Neues in den Briefkasten und wir waren einfach nur müde. Müde vom Leben und wir wollten unsere Ruhe. Ähnlich wirst du es wohl auch empfunden haben. In der ersten Zeit kommt man nicht einmal richtig zu sich und zu seiner Trauer, weil so vieles getan werden muss. Und wenn alles dann geschafft ist, dann kommt die große, gähnende Leere. Und dann stellt man fest, wie erschöpft und traurig man ist. Kein Wunder, wenn du Konzentrationsprobleme im Studium hast. Das, was du erlebt hast, ist so tiefgreifend und einschneidend, dass man schon sehr viel Kraft aufbringen muss, um zurück in den Alltag zu finden und zu "funktionieren". Ich bin sicherlich sehr viel älter als du (schließe ich mal daraus, dass du im Studium steckst) und auch mich hat der Tod meines geliebten Papas völlig aus der Bahn geworfen. Andererseits muss ich sagen, dass er mich auch sozusagen durcheinandergerüttelt hat und ich eine neue Chance bekommen habe. Die Chance zu erkennen, was im Leben mir wirklich wichtig ist. Prioritäten und Werte haben sich verschoben. Das, was mir mal wichtig war, ist vollkommen in den Hintergrund gerückt und vieles, was ich für selbstverständlich hielt, hat heute eine immense Bedeutung für mich. Nun nähert sich der Geburtstag meines Papas und auch sein erster "Todestag"... Ein Jahr ist vergangen und in mir ist so viel passiert. Es war ein schweres Jahr mit Rückschlägen, es war sehr dunkel in mir, oft bin ich gestürzt und wäre am liebsten liegen geblieben, doch ich bin immer wieder aufgestanden und heute stehe ich hier und kann mit einem Lächeln im Gesicht und sehr viel Dankbarkeit in mir an meinen Papa denken. Das wünsche ich dir auch, liebe Lina, und du solltest dir alle Zeit nehmen, um um deinen Papa zu trauern. Es wird nicht leicht sein, aber es ist wertvoll...

Alles Liebe
Miriam

P.S.: Und ich bin sicher, dass du hier auf viel Verständnis stoßen wirst, denn wir hier wissen, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren...
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #3  
Alt 03.02.2013, 09:34
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fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Standard AW: Vater du fehlst mir!

liebe lina..
es tut mir leid, daß du deinen vater verloren hast. mein beileid.
ich möchte dir gerne was mitgeben: hier sprichst du keine fremde sprache... hier sprechen wir alle die gleiche sprache: die sprache der trauer.
schreib dir hier alles von der seele. wir sind füreinander da.
liebe grüße tine
__________________
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  #4  
Alt 04.02.2013, 16:38
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Lina21 Lina21 ist offline
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Beiträge: 3
Beitrag AW: Vater du fehlst mir!

Liebe Miriam, Liebe Tine

Ich danke euch von ganzem Herzen für die aufbauenden Worte.

Mein herzliches Beileid Tine für deine Mutter. Mein herzliches Beileid Miriam für deinen Vater. Unsere Väter mussten das selbe durchmachen. Und du auch wie ich, mit dem ganzen Papierkram.
Es spielt keine Rolle wie alt unsere Väter sind. Fakt ist, dass unsere geliebten Menschen uns verlassen haben. Und wir müssen weiterleben. Klar wir können das geschehene nicht vergessen, aber wir müssen das beste aus unserem Leben machen. Und uns an die schönen Momente mit ihnen erinnern, damit sie in unseren Träumen und Gedanken weiterleben.

Durch Arbeit versuchte ich meine Trauer zu verdrängen, aber irgendwann wurde es zu viel. Ich bin nun zuversichtlich, dass ich das nun kann und zwar mit euch. Denn ihr gebt mir Kraft dies durchzustehen.

Danke, dass ihr mich aufgenommen habt, denn jetzt fühl ich mich endlich verstanden.

Ich wünsche euch beiden Alles Gute der Welt und ganz viel Kraft. Ihr habt mir sehr viel weiter geholfen

LIEBE Grüsse

Lina
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  #5  
Alt 04.02.2013, 16:57
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Vater du fehlst mir!

Liebe Lina,

keine Ursache! Es braucht nur seine Zeit und ich hätte mir auch nicht vorstellen können, wie sich das anfühlen würde... Aber Tine hat so recht, wir verstehen deine Sprache alle hier und du kannst hier wirklich alles loswerden, was dich bewegt. Und ich bin mir sehr, sehr sicher, dass du es schaffen wirst, deinen Weg zu gehen! Und dein Papa ist sicherlich sehr stolz auf dich und wenn du bereit bist, dann schickt er dir Zeichen, dass er dennoch auf eine andere Art bei dir ist... Das kann ein Sonnenstrahl sein, der dein Gesicht streichelt, eine Windböe, die deine Haare zerzaust oder ein Vogel, der ein Lied für dich singt.

Liebe Grüße
Miriam
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  #6  
Alt 14.06.2013, 00:26
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Lina21 Lina21 ist offline
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Lächeln Papa du wirst immer in meinem Herzen sein

Nun sind es 9 Monate her als mein Vater starb. Ich dachte zu Beginn ich würde das niemals durchstehen. Aber ich lebe.. Einen Ratschlag habe ich bekommen: Ich solle nicht den Weg der Toten einschreiten.

Und das stimmt, denn ich konnte in der ersten Phase nichts tun. Ich war so geschockt und versuchte alles durch Arbeit und Studium zu verdrängen. Auch das Büro meines Vaters habe ich weitergeführt und Steuererklärungen für Kunden ausgefüllt. Früher hatten wir das immer zusammen gemacht, doch diesmal war ich auf mich alleine gestellt. Ich konnte ihn nicht bei Unklarheiten fragen. Deshalb habe ich einen Steuererklärungskurs gemacht. Ich wollte mir sicher sein, dass ich das auch kann. Der ganze Druck wurde mir jedoch zum Verhängnis. Als ich die Semesterprüfungen hatte wurde es mir zu viel. Ich habe alles gegeben, das weiss ich. Aber meine Gefühle waren diesmal stärker. Nach den Prüfungen nahm ich mir Zeit um wenigstens ein Teil des Geschehens zu akzeptieren.

Ich besuchte die Palliativstation und bedankte mich für den Einsatz & die Hilfsbereitschaft. Dann besuchte ich noch das Unternehmen, wo mein Vater gearbeitet hat. Anschliessend ging ich noch am Bodensee, und setzte mich an dem Ort wo ich & mein Vater nun vor einem sassen. Dort konnte ich zum ersten mal weinen.

Zuhause konnte ich das nicht, denn ich wollte nicht, dass meine Geschwister mich so sehen. Da ich die älteste bin, wollte ich ihnen Stärke zeigen und ihnen Mut machen. Ich glaube dieser Schritt hat mir sehr gut getan. Obwohl ich gemerkt hatte, dass ich all diese Orte aufgesucht habe und sogar Hoffnung hatte, dass ich mein Vater sehe. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass er nicht bei uns ist.

Auch in der Schule ging es mir ähnlich. Ein Monat nach dem Tode meines Vaters hatte ich bereits meine erste Präsentation über eine wirtschaftliche Arbeit, die wir verfassen mussten. Ich fühlte mich an diesem Tag noch einigermassen gut, und hoffte, dass alles klappen würde.
Doch dann als ich präsentierte, sah ich zu meinem Platz rüber und sah meinen Vater. Er war nicht mehr krank, er sass da und lächelte mich an, wie früher. Ich hielt kurz den Atem an und schaute kurz in die Klasse. Dann riss ich mich zusammen und versuchte nicht auf meinen Platz zu schauen.
Alle schauten mich fragwürdig an. Ich entschuldigte mich und setzte den Vortrag dann fort. Diese Situation beschäftigte mich eine Weile. Hatte ich Halluzinationen? War ich psychisch gestört? Wie konnte es soweit kommen?Oder war es vielleicht doch real?

Diesen Vorfall konnte ich niemanden erzählen. Darum ging ich in die Bibliothek und suchte nach Büchern. Nach dem durchlesen des Buches, wurde mir alles klar..alle Phasen die ich durchstehen musste, wieso ich so reagierte und noch viel wichtiger, dass ich es akzeptieren muss. Sonst werde ich überall nach meinem Vater suchen und es nicht wahrhaben.

Ich wusste auch wieso ich auf einmal so sensibel wurde und nicht jedem trauen konnte. Andererseits bin ich froh, denn nun weiss ich wem ich trauen kann. Und wer mir in schwierigen Situationen hilft. Ich dachte immer das wäre die Verwandschaft, doch da hatte ich mich getäuscht. Mein Onkel wohnt in derselben Liegenschaft wie wir. Wir sind 2 Hausstöcke voneinander entfernt. Doch seitdem mein Vater von uns gegangen ist, hat er sich nicht einmal über uns interessiert. Ich erwartete nicht,dass er mir die ganzen administrativen Dinge erledigt, sondern schlicht eine Frage: Wie es uns geht? Respekt ist wohl zu viel verlangt. Nun weiss ich, dass ich mich mit solchen Kleinigkeiten nicht runterbringen lassen soll.

Ich habe vieles selber erledigt und das habe ich für meine Familie gemacht und für meinen Vater. Ich denke jeden Tag an ihn und ich bin mir sicher,dass er mich auch weiterhin unterstützt hat, auch wenn ich ihn nicht sehe oder seine Nähe spüre.

Nun sind wir auch finanziell stabil, meine Mutter erhält die Rente, mein Bruder arbeitet. Ich leiste keinen Beitrag, doch ich bin mir sicher, dass sich das Studium lohnt, und ich später meiner Familie auch finanziell helfen kann. Da ich die Semesterprüfungen nicht bestanden habe, werde ich es nochmals versuchen. Ich bin mir sicher, dass es beim zweiten Anlauf klappen wird.

Im September werde ich am pink ribbon charity walk 2013 in zürich teilnehmen. So kann ich etwas Gutes für die Krebskranken (Brustkrebs) tun und gleichzeitig auch für mich. Denn so sehe ich auch eine Verbindung zu meinem Vater.

Liebe Grüsse

Lina
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