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Alt 17.06.2007, 15:19
Benutzerbild von Susanne28
Susanne28 Susanne28 ist offline
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Registriert seit: 20.02.2006
Ort: Nordhessen
Beiträge: 287
Unglücklich Wenn die Psyche nicht mehr mitspielt....

Hallo,
ich eröffne heute ein neues Thema, weil ich beim Lesen hier im Forum noch nicht wirklich auf so etwas gestoßen bin, wie das was sich bei uns seit Monaten Tag für Tag ereignet... aber vielleicht gibt es ja doch jemanden, der sich angesprochen fühlt... Ich lese von so vielen, wie die Krankheit die Familie näher zusammenbringt, wie gemeinsam gekämpft wird, wie der Kranke egal wie hoffnungslos die Situation zu sein scheint doch auch irgendwie seiner Familie zur Seite steht und kämpft.... Nur bei uns scheint irgendwie alles anders zu sein und ich merke wie mir bei allem Kampfgeist die Kräfte schwinden.

Aber von vorne, auch wenn der ein oder andere vielleicht unsere Geschichte kennt.. Bei meinem Vater wurde nach langer Zeit der Schmerzen Im Februar 06 ein Plattenepithelkarzinom in der Lungenspitze (Pancoasttumor), eingewachsen in Schultergewebe, sowie eine Rippe und Wirbel diagnostiziert. Außerdem 2 kleine Lebermetas. Nach Cisplatin/Vinorelbin, Taxotere wurden die Schmerzen weniger, Morphin konnte reduziert werden, außerdem war die obere Hohlvene nicht mehr eingeengt und das alles obwohl auf den CTBildern nie wirklich ein Schrumpfen beobachtet werden konnte. Eine Chemoembolisation der Leber wurde versucht, elendige Schmerzen- die Dinger verdoppelten ihre Größe. Der Lungentumor hält seit ca Mai 06 seine Größe. Wegen der Leber bekam mein Vater im Januar Tarceva verordnet, zudem suchten wir einen Experten für diese Metas und haben ihn auch gefunden. Nun schrumpfen die Metas brav und eventuell werden sie nächste Woche oder in 4 Wochen per Laser entfernt. Der Stand vom letzten CT von vor 3 Wochen war also Lunge unverändert, Metas rückläufig.
Ich denke das ist ein gar nicht mal so unerfreulicher Verlauf für Stadium 4, aber mein Vater ist seit ca April dabei völlig durchzudrehen. Er ist der Meinung er hätte mehr Schmerzen und der Tumor würde wachsen. Davon lässt er sich auch trotz im Abstand von 4 Wochen durchgeführter CTs nicht abbringen! Er hat die ganze Zeit 3 mal 30mg MST eingenommen- bis er anfing durchzudrehen.... Ich hab ihn dann zu einem Schmerztherapeuten gebracht, der meinte er sollte auf 3mal90mg erhöhen, allerdings kämen die Schmerzen von einem Ödem am Wirbel (nach 2minütiger Untersuchung) und dagegen würde das Morphin nicht helfen.... Tja, was soll ich sagen, es half auch nicht. Allerdings hatte der Arzt meinen Vater nach Ausfallerscheinungen gefragt, die bei dieser Tumorart häufig seien und seit der Krankengymnast auch noch danach gefragt hat, wartet mein Vater auf diese. Überhaupt wartet mein Vater auf alles, er legt sich hin und überlegt ob er Schmerzen hat, er wartet darauf dass die Medikamente wirken, er wartet darauf dass die Schmerzen weggehen, er wartet darauf ob er eine Panikattacke bekommt oder ob sie vergeht. Er liegt da und wartet..... Und während er da liegt bekommt er Angst, Angst, dass er Schmerzen hat, die ihm keiner nehmen kann, Angst, dass er eine Panikattacke bekommt, Angst dass er abnimmt, weil er nicht genug isst, weil er Angst vorm Essen hat, er hat Angst vorm Duschen/Baden, er hatte Angst, dass wir ihm sein Bett im Wohnzimmer abbauen, dass er nur wegen einer Lungenentzündung im März 06 bekam, weil er die Treppe nicht hoch kam, Angst dass er Atemnot bekommt, die er nur wegen eben dieser Entzündung hatte.... Und alles negative was er irgendwo aufschnappt integriert er freudig. Seit der Radiologe erwähnte, dass er einen Patienten hatte, bei dem Tarceva Schmerzen verursachte, tut dies das Tarceva bei ihm auch, die Ausfallerscheinungen bemerkt er jetzt auch schon....
Wir haben versucht ihm klar zu machen, dass er sich ablenken muss, am Leben teilnehmen muss, aber mein Vater möchte eigentlich nichts anderes als daliegen und grübeln und mit uns über seine Ängste und Schmerzen reden - stundenlang. Er ist in psychotherapeutischer Behandlung, wir waren zudem zu dritt beim sauteuren Psychonkologen, der ihm auch versucht hat klar zu machen, dass er diesen gedanklichen Teufelskreis durchbrechen muss... Aber mein Vater ist mittlerweile zu der Überzegung gelangt, dass es viel schlimmer um ihn steht als ihm alles sagen- die Radiologen würden a) nicht genau hinsehen und ihn b) anlügen. Wir versuchen ihm klar zu machen, dass wir wohl kaum einem Sterbenden versuchen würden in den Hintern zu treten, er will es einfach nicht sehen... Er hat Simonton gelesen, begonnen die Visualisierungsübungen zu machen, mittlerweile muss er die immer genau dann machen, wenn wir es mal wagen uns im Wohnzimmer zu unterhalten, er bekommt genau dann starke Schmerzen wenn man mal über irgendetwas anderes mit ihm redet oder er mal aufstehen soll... Ich hjab teilweise das Gefühl er erpresst uns regelrecht mit den Schmerzen, damit wir alles mögliche für ihn tun bzw er nichts tun muss. Mein Vater macht nämlich seit über einem Jahr quasi überhaupt nichts, er denkt nicht einmal von sich aus daran zu essen, zu duschen oder irgendetwas zu tun.... Es ist schon ein Wunder wenn er den Geschirrspüler halb ausräumt, er kann sich nicht mal selber ein Brot schmieren... Er ist jetzt in Rente gegangen, seine Firma hat ihn aber sofort wieder als freien Mitarbeiter eingestellt und seine Chefs waren neulich hier, haben ihn auf dem Laufenden gehalten und gesagt, wie sehr sie ihn brauchen... Er hat das komplette Equipement hier um sich ins Firmennetzwerk einzuloggen und der Besuch war ein netter Nachmittag mit viel Ablenkung und ganz ohne Schmerzen und trotzdem - er macht nichts! Hat sich noch nicht eine Sekunde an den Firmen Laptop gesetzt.
Er macht sich jetzt gerade verrückt, dass er ja nicht mehr gut schläft- er wundert sich, dass er wenn er um 23h schlafen geht um 7h aufwacht und nicht mehr schlafen kann... ja von was soll er auch müde sein?! Vom Rumliegen?! Allein heute hat er wieder von 9h bis jetzt (14h) im Bett gelegen und "meditiert"....
Ich könnte hier noch stundenlang weiterschreiben, aber wer soll das nur alles lesen... Mein Vater ist körperlich wirklich in guter Verfassung (83kg bei 1,86), wir waren an meinem Geburtstag im März sogar zusammen essen, aber seit ca April befindet er sich in seinem Teufelskreis und ist nicht wirklich gewillt mit seinem Kopf daran zu arbeiten, es ist ja viel einfacher Tavor und Sevredol je nach Bedarf in recht kurzen Abständen einzunehmen. Und von den Ärzten bekommt man keine wirkliche Hilfe, denn die sehen ja gar nicht mehr den eigentlichen Menschen in guter körperlicher Verfassung sondern das Stadium 4... Der einzige der ihn mal auf seinen Schmerzmittelkonsum angesprochen hat, ist sein RadiologieProf gewesen- der hat ihm gesagt, dass das doch so gar nicht nötig wäre und ihn gefragt, was er denn eingentlich machen will wenns wirklich mal schlimmer wird (er hat jetzt 75er Fentanylpflaster und nimmt 20mg Sevredol nach Bedarf- also z.B. letzte Woche als er seine Angstphase mit 2 Tavor am Tag hatte gar nicht und heute schon 2 Stück zwischen 9 und 12h).... Tja, vielleicht will er dem jetzt deshalb nicht mehr glauben. Wir hoffen so, dass die Lebermetas vielleicht wirklich bald weg sind und er dann in die Reha kann, vielleicht kann ihm da geholfen werden und er wird wieder selbstständiger und gewinnt Interesse an irgendetwas.
Ich bin damals bei meinen Eltern eingezogen- der Hausarzt gab ihm bei Diagnose erstmal nur noch 6 Monate, er bekam unter der Chemo ein Lungenentzündung, die erst für massives Tumorwachstum gehalten wurde und an der er fast starb, ich möchte ihm so gerne helfen, suche nach Ärzten, Medikamenten, rede stundenlang mit ihm, helfe ihm, kümmere mich, fahre durch die Gegend und bin zudem noch das offene Ohr für meine verzweifelte Mutter die ohne ein nettes Wort zur Putzfrau und Köchin degradiert wurde und nebenher zu 50% beruftätig. Jetzt bin ich hin und her gerissen zwischen helfen und endlich doch wieder ein Stück weit ein eigenes Leben führen... Allerdings weiß ich schon nicht wo ich Zeit und Kraft für einen Umzug hernehmen sollte... Mein Freund ist lieb und geduldig, und wir sehen uns nur am Wochenende, aber da bin ich von Job und Familie völlig ausgelaugt und es geht ja dauernd lustig weiter...
Wer immer, das liest, ich danke für euer offenes Ohr,
Susanne

Geändert von Susanne28 (17.06.2007 um 19:25 Uhr)
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