Meine Mama zeigt gar keine Emotionen mehr- wer hat Erfahrung?

[Cloudy78]

Hallo,

meine Mama hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich und die letzten Tage waren so aufwühlend dass ich mir einfach mal die Seele vom Leib schreiben möchte...

Seit 2011 hat meine Mama Brustkrebs, im Oktober 2014 wurde Metastasen festgestellt.Ihr ging es recht schlecht, sie hatte Flüssigkeit im Herzbeutel, im Rippfell und Tumore in den Knochen. Trotzdem hat sie sich bis Anfang diesen Jahres wieder einigermassen gefangen und konnte wieder halbwegs am Leben teilhaben.

An Ostern kam sie in die Klinik, da das Rippfell punktiert werden sollte. Aus einem geplant "kurzen" Klinikaufenthalt kam sie bis heute nicht mehr nach Hause. Nach Verklebung des Rippfells war sie so schwach, dass sie in eine Spezialklinik verlegt wurde, da kam dann ständiges Erbrechen dazu so dass bei einer Magenspiegelung festgestellt wurde, dass sie einen Tumor an der Speiseröhre hat welcher die komplette Röhre zudrückt und verschliesst. Daraufhin hat sie im Juni eine Magensonde bekommen und wird seither durch diese ernährt. Nichtmal trinken kann sie...

Die Klinik versuchte 5 Wochen den Tumor zu bestrahlen damit dieser wieder schrumpft- leider ohne Erfolg. Seit Freitag liegt sie hier bei mir in der Nähe auf der Palliativstation und ist total kraftlos und abwesend. Sie kann sich nicht mal selbst mehr auf die Seite drehen.

Am meisten zu schaffen macht mir die Emotionslosigkeit. Meine Mutter war immer eine sehr emotionale, dominante (nicht immer einfache) Frau. Jetzt liegt sie im Bett, ist nur noch Haut und Knochen und spricht so gut wie gar nicht mehr. Ihre Augen sind so leer wenn sie mich ansieht und sie zeigt überhaupt keine Gefühlsregungen. Sie schläft die meiste Zeit und ist oft sehr verwirrt

Kennt das jemand von Euch? Hat jemand einen Tip wie man sie aus der Leere wieder bisschen herausholen kann?

Bin über jede Antwort dankbar...

Liebe Grüße
Cloudy78

[Cloudy78]

Liebe Andrea,

vielen Dank für Deine Nachricht. Es tut mir leid, dass Du das gleiche mit Deiner Mama erleben musstest.

Meine Mama ist 67. Ich habe gestern versucht ihr Musik vorzuspielen, die sie früher gerne gehört hat bzw sie an früher erinnern müsste. Sie hat aber auch hier nur ganz minimal reagiert. Die Klinik meinte auch so etwas ähnliches wie Du beschrieben hast, dass sich manche Menschen wenn sie begreifen, dass es dem Ende zugeht in sich zurückziehen. Du hast auch recht, meine Mutter wollte immer über alles die Kontrolle haben...

Am Samstag war ich mit meinen Kindern bei Ihr. Es war schon sehr erschreckend, dass sie auch hier keine Emotionen zeigen konnte. Ist auch sehr schwierig das meinen Jungs (12 und 10 Jahre alt) zu erklären....

Für mich ist die Machtlosigkeit furchtbar und zu sehen wie sie leidet und wirklich gar nichts mehr selbst machen kann....

Liebe Grüße
Cloudy78

[vintage]

liebe cloudy78,

du kannst im Internet Informationen dazu finden, wie der Sterbeprozess verläuft und die einzelnen Phasen sind.
Das "in sich zurückziehen", auf sich und das Innere zu konzentrieren,
so Abschied von der Welt zu nehmen... ist also ganz normal.

Ich wünsche deiner Mutter, das sie gut sterben kann.
Und Dir Kraft für diese Zeit und den Abschied.

[mausi69]

Liebe Cloudy

Es tut mir sehr leid was bei euch passiert.

Für uns Angehörige ist das alles sehr schwer vor allem damit umzugehen.
Deine Mama löst sich vom Leben, lässt ihr ganzes Leben noch einmal Revue passieren, daher auch das apathische als wäre sie weit weg.

Gedanklich ist sie das auch. Trotzdem nimmt sie euch war. Wenn man sein ganzes Leben lang nicht auf Hilfe angewiesen war ist das noch schwerer jetzt nichts mehr allein machen zu können.

Sei einfach für sie da, erzähle ihr einfach wie dein Tag war was die Kinder machen etc, vielleicht schafft du es doch noch sie aus ihrer Welt rausziehen.

Alles liebe Mausi

[Cloudy78]

Vielen Dank für eure lieben Antworten... Es tut mir sehr gut das zu lesen, zumal heute Vormittag ein ganz furchtbarer Tag in der Klinik war...

Heute war sie eher aggressiv, hat kaum mit mir gesprochen und mich wenn überhaupt nur aggressiv geschimpft. Sie hat mich irgendwann gefragt wegen welcher Krankheit sie überhaupt im Krankenhaus sei und wie ihre Chancen sind... Da war ich echt überfordert und gleichzeitig musste ich mich so zusammenreißen nicht zu weinen weil sie so verletzend zu mir war...

Die Palliativstation will sie bis Ende der Woche weiterüberweisen. Optimalerweise in ein Hospiz, da sehen sie aber kaum Chancen auf einen Platz... Das sitzt mir jetzt natürlich auch schon wieder im Nacken und ich hoffe sehr dass wir da irgendeine Lösung finden...

Momentan bin ich ganz alleine mit der Situation. Mein Papa ist wieder nach Hause gefahren weil er einen arzttermin hat und mein Mann ist auf Geschäftsreise... Das macht mir auch sehr zu schaffen...

Danke für euer offenes Ohr!
Liebe Grüße
Cloudy78

[Cloudy78]

Guten Morgen,

vielen Dank, Elisabeth, für Dein Mitgefühl. Ich werde heute morgen gleich mal in die Klinik gehen und nochmals mit dem Arzt sprechen. Ich hätte ab nächster Woche einen Hospizplatz für meine Mama. Ich hoffe, dass ich ihn davon überzeugen kann, sie so lange zu behalten.

Hat von Euch jemand Erfahrung, dass sterbende Angehörige von der Palliativstation "geschmissen" werden? Ich falle echt vom Glauben ab- die Station ist relativ leer und die Klinik verdient an meiner Mama ja Geld- trotzdem habe ich das Gefühl sie wollen sie los werden. Ich bin wirklich masslos von der Klinik enttäuscht, sie ist ja erst seit Freitag dort...

An das organische habe ich bezüglich der Aggressionen noch gar nicht gedacht. Aber das Wissen, dass es von der Leber kommen könnte (Sie ja hat ja auch Lebermetastasen) macht es etwas einfacher.

Liebe grüße
cloudy78

[Cloudy78]

Ich habe meine Mama in meiner Mittagspause gerade das zweite mal heute besucht. Heute ist sie sehr viel friedlicher wie gestern und schläft die meiste Zeit.

Ich habe das genutzt und einfach Ihre Hand gehalten, diese hat sie auch immer wieder ganz leicht gestreichelt, also gehe ich davon aus, dass sie gemerkt hat, dass ich da bin.

Mit der Ärztin konnte ich jetzt vereinbaren, dass meine Mutter bis nächste Woche bleiben darf, solange bis das Hospiz einen Platz für sie hat. Wir stehen jetzt in zwei Hospizen auf der Warteliste ganz oben.

Meine Mama hat jetzt schon seit Donnerstag letzter Woche keine Nahrung mehr über die Sonde bekommen, da sie diese verweigert. Sie bekommt nur Tee über die Magensonde und eine Salzlösung über den Port.

Dir, liebe Elisabeth, alles Gute für den bevorstehenden Gottesdienst.

Liebe Grüße
Cloudy78

[Elisabethh.1900]

Liebe Cloudy,

Hat von Euch jemand Erfahrung, dass sterbende Angehörige von der Palliativstation "geschmissen" werden? Ich falle echt vom Glauben ab- die Station ist relativ leer und die Klinik verdient an meiner Mama ja Geld- trotzdem habe ich das Gefühl sie wollen sie los werden. Ich bin wirklich masslos von der Klinik enttäuscht, sie ist ja erst seit Freitag dort

Wie alle medizinischen Einrichtungen, stehen auch die Palliativstationen unter einem enormen Kostendruck. Wenn jemand, die Betreuung der Palliativeinheit nicht mehr benötigt (wann dieser Zeitpunkt gekommen ist,darüber kann man streiten) muss für ihn eine andere Betreuungsmöglichkeit gefunden werden.
Die Kriterien für eine Krankenhausbehandlung sind im SGB V verankert.
Die Krankenkassen als Kostenträger für die Behandlung sind da sehr rigoros. Wenn sie der Meinung sind, dass der Patient die Behandlung im Krankenhaus nicht mehr benötigt, dann bezahlen sie den Aufenthalt nicht mehr. Dies geschieht in Abstimmung mit dem MDK.
Die behandelnden Ärzte erhalten ein Schreiben mit einer ganz eindeutigen Mitteilung.
Danach muss gemeinsam mit Patient und Angehörigen eine Lösung für die weitere Versorgung gefunden werden.
Es kann sein, dass von 10 Betten auf der Palliativeinheit einige leer stehen.
Mit dem Warten auf einen Hospizplatz ist ja eine Betreuungsmöglichkeit in Aussicht.

Ich wünsche Dir viel Kraft für die kommende Zeit,
Elisabethh.

[Cloudy78]

Vielen Dank für die guten Wünsche.

Meine Mama ist als "Selbstzahlerin" aufgenommen worden, da sie nur zu 30% privat krankenversichert ist und 70% Beihilfe erhält. Dadurch wundert es mich jetzt trotzdem warum hier so ein Druck gemacht wird.

Wenn es tatsächlich nächste Woche mit einem Hospiz klappt bin ich froh und denke sie ist dort am richtigen Ort. Ich hoffe nur, sie nicht in ein Pflegeheim entlassen zu müssen.

[Cloudy78]

Danke, Elisabeth... Ich versuche auf jeden Fall alles was mir möglich ist um für sie da zu sein... Ich weiß auch, dass sie immer in meine Nähe wollte wenn es dem Ende zugeht, das hat sie immer gesagt als es ihr noch verhältnismäßig gut ging...

Morgen muss ich ihr sagen, dass sie nächste Woche ins Hospiz verlegt wird. Davor habe ich Angst- sie will das alles ja gar nicht wahr haben... Wie sehr würde ich mir momentan wünschen einen Bruder oder eine Schwester zu haben mit der ich diese Last teilen könnte...

[Cloudy78]

Danke, Elisabeth... Es ist tatsächlich so, dass man in solchen Extremsituationen vieles bewältigen kann was man sich vorher kaum vorstellen konnte... Allein aus dem Grund weil es eben gehen muss...

Ich habe heute Mittag einen Anruf vom Hospiz bekommen dass sie ab morgen aufgenommen werden kann. Zum einen fallen mir natürlich viele Steine vom Herzen zum anderen bin ich aber geschockt, dass sie nun in ihre "letzte" Station gebracht wird... Ich bin aber sicher, dass dies der richtige Weg ist...

Liebe Grüße
Cloudy78

[diejüngste]

Hallo Cloudy,

bei meiner Mama war es irgendwann auch ganz schlimm, sie lag nur noch im Bett, hat geschlafen, kaum zugehört und schon ganz sicher nicht mehr gesprochen, war verwirrt und ihre Augen haben immer nur ins Leere geblickt.
In unserem Fall meinten die Ärzte das sei das viele Morphium.
Tatsächlich ging es meiner Mama danach auch noch einmal besser und sie hat wieder ein bisschen Lebenswillen gehabt.

Vielleicht schafft es deine Mama ja auch noch und hat noch ein paar schönere Tage?

Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dir nichts aufbauenderes sagen kann.
Hab mich auch ziemlich alleine um meine Mama kümmern müssen, Job aufgegeben etc, ich weiß sehr gut wie du dich gerade fühlst, und ich würd dir so wahnsinnig gerne helfen, aber ich weiß nicht wie.

Ich wünsch dir alles alles Liebe.

[Cloudy78]

Liebe Elisabeth,
liebe Jüngste,

vielen lieben Dank für Eure lieben Worte. Nein, Du trittst mir nicht zu nahe- ich bin so froh, wenn ich etwas lesen kann und mich mitteilen. Das hilft mir wirklich sehr die schweren Tage zu überstehen.

Wie lange ist es denn bei Euren Müttern her, dass sie gegangen sind? Es tut mir sehr leid, dass auch Ihr so eine schwere Zeit erleben musstet und Eure Mama verloren habt...

Ich schöpfe gerade sehr viel Kraft aus dem Forum und von privaten Nachrichten, da nur sehr wenige Freundinnen momentan für mich da sind. Ich glaube, sie haben einfach Angst das falsche zu sagen und ignorieren mich deswegen. Das tut aber viel mehr weh als eventuell falsche Worte...

Alles Liebe
Cloudy78

[Cloudy78]

Ich war heute morgen vor der Arbeit bei ihr. Sie war fast die ganze Zeit abwesend und hat geschlafen. Mein Mann war mit, den hat sie auch erkannt aber sonst konnten wir nicht viel mit ihr reden.

Ich hoffe sehr, dass die Verlegung morgen gut geht und sie noch Zeit hat im Hospiz anzukommen.

Das mit Deiner Mama tut mir leid, aber schön, dass ihr den Weg zusammen gehen konntet! Du bist auch eine starke Frau und eine Tochter auf die deine Mama sicher bis zum Schluß stolz war.

Als ich meine Mama Anfang Juli, damals noch in der Krebsklinik, besuchte war sie schon sehr müde und schwach aber hatte auch einige wache Momente. Da sagte sie mir, sie sei so froh, dass ich Ihre Tochter bin... Das war sehr schön zu hören, und das baut mich heute noch auf

[Cloudy78]

Leider wird sich die Verlegung in das Hospiz auf nächste Woche verschieben... Sie haben bei meiner Mama einen darmkeim festgestellt und dürfen deshalb nicht verlegen... Ich hatte so gehofft dass ab morgen bisschen Ruhe einkehrt...

Sie war heute den ganzen Tag nicht wirklich bei sich... Sie ruft die ganze Zeit um
Hilfe ist aber nicht ansprechbar... Das ist sehr schwer zu ertragen wenn man ihr nicht helfen kann... Ich sitze dann einfach da, halte ihre Hand ( jetzt muss ich leider auch noch schutzkleidung und Handschuhe tragen) und sage ihr dass sie keine Angst haben muss, ich bei ihr bin und sie lieb habe...

Liebe Grüße
Cloudy78