Wesensveränderung

[amyli]

Hallo.

Bei meinem Opa wurde Sommer 2010 ein Glioblastom diagnostiziert.
Seither hatte er 5 Operationen.

in letzter Zeit wird er körperlich immer schlechter. Die linke Seite kann er so gut wie gar nicht mehr Bewegen. Nun kann er sich auch kaum noch auf dem rechten Bein halten. Er ist allerdings noch sehr klar im Kopf. Manchmal bisschen verwirrt oder verwechselt was, aber ansonsten sehr orientiert.
Inkontinenz kommt nun auch noch dazu.

Das körperlich nun nach und nach alles schlechter wird und es auch nicht mehr lange dauern wird....weiß ich.

Allerdings kommt dazu, diese totale Wesensveränderung !!!

Ich habe sehr viel über diesen Tumor gelesen usw. Das also da eine Wesensveränderung mit einher geht, dass weiß ich....aber SO doll...

Er wird manchmal richtig Aggressiv. Er schreit oft meine Oma an....beleidigt sie aufs Übelste ! Sowas würde er eigentlich NIE tun, hat er auch nie. Wäre diese Wesensveränderung nicht.

Letztens wollte er Mittags nicht hingelegt werden und boxte gegen die Tür und schrie rum. Er meckert den GANZEN Tag über ALLEs und JEDEN.
Wirklich den ganzen Tag meckert und brüllt er. Beleidigt die Kindern und meine Oma, Tante und Onkel.

Nur bei mir ist er anders....wir haben immer ein anderes Verhälltnis gehabt. Er war mein Lebenlang meine Bezugsperson aus der Familie usw.
Mit mir geht er anders um.

Nun überlegen meine Familie ihn Beruhigungsmittel zu geben....weil die halten es nicht mehr aus. Die sind psychisch ja so schon am Ende....und wenn das noch dazu kommt.
Ich finde das aber eigentlich nicht gut mit noch einer Tablette dazu...

Ach ich weiß nicht.
Ich weiß nur, dass diese Wesensveränderung echt sehr sehr stark ist...
Ich weiß irgendwie nicht weiter. Ich will meine Familie helfen, aber Opa kann natürlich auch nichts für.
Aber....ach ich weiß auch nicht.

Hat vielleicht jemand einen Rat ???

Liebe Grüße
Amy

[HeikesFreundin]

Hallo Amy ....

es ist alles nicht so einfach zu tragen.

Diese Wesensveränderung bzw diese Aggressivität kann mehrere Ursachen haben.
ZB kann es sein, dass er seine Aggressionen sein Leben lang unterdrückt hat und sie jetzt zutage treten - es kann sein, dass der Hirndruck gestiegen ist, es kann sein als Nebenwirkung, wenn Dein Opa zB Cortison bekommt ... es kann aber auch einfach so sein, dass er mit seiner Situation nicht zurecht kommt und ihm das so sehr zu schaffen macht. Das nehme ich an, weil Du schreibst dass er mit Dir anders umgeht.

Nachfühlen kann ich es nicht - aber ich kann mir denken, was in einem Menschen vorgeht, der merkt, dass er immer weniger kann - und der weiß was seine Diagnose bedeuten wird ..........

Wer aggressiv ist, dem kommt man nicht zu nahe.
Weißt Du was ich damit sagen will?

Vielleicht kann er die fürsorgliche Nähe nicht ertragen, denn im Umkehrschluss macht das auch immer die Hilflosigkeit bewußt ....
Vielleicht will er nicht, dass jeder merkt, dass er inkontinent wird ....
Für Heike war es das Schlimmste an allem und kam gleich nach dem Schock über ihr Sterbenmüssen ... sie hat geweint, als sie merkte, sie bemerkt inzwischen den Harndrang erst so spät, dass es schon zu spät war um bescheid zu geben, dass sie muss.

Das und noch vieles mehr können einen verzweifelt und aggressiv machen - manchmal will man auch, dass die Angehörigen einen "schei**e" finden (entschuldige, wenn ich das so schreibe), weil man denkt: wenn die mich völlig bescheuert finden und sauer auf mich sind, tut es ihnen nicht so weh, wenn ich gehen muss ... dann sind sie froh, wenn ich weg bin und nicht so traurig. Diese Situation des selbstschutzes hatte ich bei einem Sterbenden, den ich begleiten durfte ...

Vielleicht sprecht ihr nochmal mit dem Arzt und schaut, ob Dein Opa Cortison bekommt (mgl Nebenwirkung AGGRESSION) oder bekommen muss wegen erhöhten Hirndrucks (macht ja mitunter auch Aggression) .... und wenn beides nicht der Fall ist, dann müsst ihr sehen .... auch er oder besonders er hat psychisch viel zu tragen.

Ich hoffe, das hilft Dir etwas weiter.

P.S. Das Hirn ist ein riesen Wunderwerk an Schaltzentrale - und wenn da irgendwo was "gestört" ist kann die Schaltzentrale auch schon mal sehr derbe durcheinandergeraten.


Alles Liebe und viel Kraft,
Angie

[Andorra97]

Hallo Amy,
gerade diese Aggressivität und die "üblen Beschimpfungen" sprechen dafür, dass diese Wesensveränderung wirklich vom Tumor kommt, denn sie sind ganz typisch. Die Patienten verlieren die Kontrolle und können sich nicht mehr normal beherrschen. Liegt sein Tumor frontal? Da hört man am häufigsten von solchen Wesensveränderungen.

Ganz ehrlich, ich würde ihm auch Beruhigungsmittel geben (nur in Absprache mit dem Arzt natürlich). Irgendwo muss die Situation für alle noch erträglich sein. Das gilt für den Patienten wie für seine Mitmenschen. Auch wenn man weiß woher diese Aggression kommt, es gibt Patienten, die werden auch körperlich aggressiv und irgendwo ist da eine Grenze. Wenn man da etwas medikamentös machen kann, dann würde ich das auch tun.

[amyli]

Hallo.

Ich danke euch für eure Antworten !

Ich habe mir einiges notiert, damit ich Morgen mal mit meiner Familie drüber sprechen kann.
Die verschiedenen Ursachen geben einen schon mehr Klarheit.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass Opa viel Wut in seinem Leben unterdrückt hat....weil er immer ein friedliches Familienleben haben wollte und vor allem gegenüber meiner Mutter....die viel mit mir falsch gemacht hat, war er immer irgendwie ruhiger als er innerlich vielleicht war. Vor allem, weil wir ja ein sehr enges Verhältniss miteinander hatten/haben.

Es ist einfach so schwierig...damit klar zu kommen.
Mein Onkel hat böse rumgebrüllt gestern....und mein Opa natürlich dagegen.
Also irgendwann platzt man einfach. Aber danach sieht Opa so traurig aus...ich weiß, dass er das alles nie so meint und ich weiß dass er es auch nicht so will....aber ich glaube er kann sich da nicht mehr lenken....

Ich habe solche Angst, dass viele Mitglieder aus meiner Familie, besonders meine Tante und mein Onkel und Cousine und Cousin, dass sie Opa, nach seinem Tod, nur noch so meckerig in Erinnerung behalten und sich kaum noch an sein ,,gesundes" Ich zurück denken ;(

Ich habe ein Bild von ihm, da lächelt er, hat noch seine volle Statue, da war seine Diagnose noch nicht gestellt und genau SO hab ich ihn in Erinnerung....immer. Aber manchmal, wenn ich bei ihm bin, fällt es mir schwer an früher zu denken.

Ich habe viel gelesen über solche Wesensveränderungen, aber nirgends steht so ein Fall beschrieben wie bei Opa...ich finde sie einfach ZU doll.

Aber irgendwie müssen wir ja damit klar kommen.
Es macht mich nur so traurig....ich spüre und sehe, dass Opa bald gehen muss....und diese Spannung oft in dem Haus zwischen allen....das tut weh, zuzusehen....obwohl wir alle einander Lieben als Familie usw...

Lg Amy

[HeikesFreundin]

Amy - ihr ALLE steht unter Strom in dieser Situation, jeder hat seine Gedanken und Gefühle und muss irgendwie mit all dem klarkommen.
Da bleibt es oft nicht aus dass es kracht - leide.

Aber ich denke dass Du keine Angst haben musst, dass die anderen Deinen Opa nur meckerig in Erinnerung behalten - denn ich denke DU wirst die sein, die dafür sorgt dass es anders ist.

Wenn ihr euch zusammensetzt, dann sprich allgemein das Thema "Überforderung" mal an, denn sicherlich ist jeder auf seine Art überfordert - vielleicht findet ihr gemeinsam eine Lösung, wie sich jeder von euch mal entlasten kann, damit es nicht immer so knallt?

Das wäre meines Erachtens wichtig, damit ihr ALLE irgendwie durch diese schwere Zeit kommt. Zusammenhalten wäre wichtig, den anderen anhören - vielleicht kann jemand deeskalierend eingreifen wenn 2 sich so anschreien?

Und vielleicht musst Du das Thema Wesensveränderung nochmals offen ansprechen - möglicherweise schaffen es die anderen ja, wenn Opa so losschreit, die Situation, wenns zu viel wird, ruhig zu verlassen und rauszugehen, statt dagegen zu halten und das alles dann noch mehr anzuheizen?

Alles Liebe, Angie

[Runninggag]

Ich denke ich kann hier mal was zu sagen.

Ersteinmal danke an alle dei so fürsorglich Denken und Handeln.
Leider kommt es nicht immer an und wird andersrum falsch verstanden.

Ich hatte einen Astrozytom WHOII, 2008 komplett entfernt und Chemo hinterher.
Mein Wesen aht sich verändert.
Ich habe erste gekämpft um vond er Leistungsfähigkeit wieder da zu sein , wo ich mich veroher gesehen habe.
Ich habe solange meine Familie ignoriert.
Von aussen kann man mir da nur wenig helfen. Mit der Zeit haben sie erkannt welcher Kampf in mir tobt und das dann dort andere Dinge fehl am Platz sind.
Gedanken drehen sich um andere "kleinliche Dinge" wenn dann etwas dazwischenkommt" passt es nicht in das Muster der Gedanken udn schwub ist eine Diskussion im Gange die keiner wollte.

ich bin 40 und kein Opa.
Habe aber auch diese Erfahrungen gemacht.

Für mich sind Z.Z die Kidner wichtig, das wenn es mich nicht geben sollte, jeder für sich selebr Sorgen kann und das meine frau mich dann nicht ersetzen muss.

All das kostet Kraft die wonader fehlt. Man möchte es sich nciht eingestehen und kommt Zeitweise in einen Teufelskreis.

Jeder Tag ist anders udn ich kann erst nach 2h wach sein sagen wie Leistungsfähig und Belastbar ich binund das auch nur weil ich auf mich hören möchte.

Ich hoffe ich konnte die Verwirrung nutzen und hier keine Klarheit schaffen