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Alt 17.09.2010, 00:50
aufgeben: nenene aufgeben: nenene ist offline
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Registriert seit: 17.09.2010
Ort: Bayern
Beiträge: 13
Standard 1 Jahr danach...das Leben mit ....

Da war es wieder, das Gefühl. Es musste erledigt werden. So konnte das nicht weiter gehen. Das Päckchen lag da, schrie schon fast 'bring mich endlich weg'. Ich raffte mich auf, hab es ja versteigert, also muss es weg. Nun werde ich es aufgeben. Ja, ich werde das Päckchen aufgeben, nicht mich.

Es ist gar nicht so einfach, alles irgendwie auf die Seite zu schieben, nicht mehr den ganzen Tag darüber nachdenken...... Aber: es geht. Positive Gedanken..ja, ja, werden nun so einige denken, aber es hilft. Mir hat es geholfen. Ich habe meinen „Untermieter“, wie ich ihn genannt hatte, zum Auszug gebracht. Das ist aber eine lange Geschichte.Diese will keiner wissen. Denke ich. Oder?

Na gut. Aufgeben, nein danke zum Thema: Krebs. Jederzeit geb ich auf: einen Brief, ein Paket, ein Päckchen... ;-).
Echt eine lange Geschichte.

Wäre blöd, mit „Es war einmal“ anzufangen, würde aber passen.

Kein Märchen, eine wahre Geschichte.

Im September 2009 ( nun fast genau ein Jahr her...) hatte ich plötzlich keine Stimme mehr. Ja toll, dachte ich mir, denn ich habe bis dato 23 Jahre geraucht. Also weiter nichts wildes. Zum Arzt, der hat erstmal eine Kehlkopfentzündung diagnostiziert. Klasse, dachte ich mir noch. Erst mal eine Woche außer Gefecht. Aber ich wollte doch in die Arbeit. Ging aber nicht, der Körper meinte: aufgeben...
Na ja, drei Wochen damit rumgemacht. Dann kam es so langsam ans Tageslicht. Stimme immer noch nicht wieder da: kann nicht sein. Ich musste zum HNO. Der stellte eine linksseitige Stimmbandlähmung fest. Jetzt im Nachhinein: ausgerechnet links. Der Nerv verläuft erst mal bis zum Herzen und dann wieder nach oben zum Stimmband. Klasse, dachte ich mir. Wird ja nicht so schlimm. Von wegen, es kam schlimmer. HNO verwies mich an einen Radiologen. Na gut, bin hin. Es wurde CT gemacht, natürlich mit Kontrastmittel. Bei der Besprechung kam dann heraus, das da mehrere Schatten auf meiner Lunge sind. Und eine Veränderung (Verdickung) im Bronchialstamm. Was sollte ich da noch denken? Der Radiologe meinte, das sei normal wenn man raucht, er rauche auch schon seit über zwanzig Jahren.

Das ganze wurde innerhalb von vier Tagen festgestellt. Fünf Tage nach der Diagnose: Schatten auf Lunge: Bett in einer Lungenfachklinik. Dort wurde erst mal eine Bronchioskopie gemacht. Man gönnt sich ja sonst nichts. Tagelang hörte man nichts von den Ärzten. Selbst nachgefragt? Niemals, könnte ja eine schlechte Nachricht sein. Bei mir: Angst kam auf. Montag nach der Bronchi kam die Ernüchterung: OP Termin am nächsten Morgen. Adenokarzinom des linken Oberlappens, Metastasierung im Bronchialstamm! Klasse, Nervenzusammenbruch.

Ok, wie man hier lesen kann, lebe ich noch. Ich habe nicht aufgegeben.

Die Vorbereitung vor der OP war schon eine Qual: Schmerzkatheder legen, in die Wirbelsäule, in den Rückenmarkkanal!. PANIK! Das waren Schmerzen VOR der eigentlichen OP. Hab dann doch ein Beruhigungsmittel gespritzt bekommen, dann ging's. Kurze Zeit später hab ich tief und fest geschlafen....
Nach der OP kam ich erstmal in den Aufwachraum der Intensivstation. Da hörte ich so einiges, was nicht gerade für meine Ohren bestimmt war. Der operierende Arzt meinte: wenn das nicht gefunden worden wäre, hätte die Frau Ostern nicht erlebt!

(Stille)

Meine erste Frage nach dem vollen Aufwachen war: wann kann ich jetzt denn endlich wieder in die Arbeit? Die OP ist ja nun vorbei. Keiner gab mir Antwort, außer eine Andeutung, dass es wohl noch eine Weile dauern könne. Ich wusste ja, das ich etwas Bösartiges in mir hatte, aber so richtig hat keiner mit mir gesprochen darüber. Hatten die Angst, ich würde aus dem dritten Stockwerk in der Klinik aus dem Fenster bzw. vom Balkon springen? Ne ne, dafür war, ne ist, mir mein Leben zu wichtig.
Nach 17 Tagen Krankenhaus, endlich wieder daheim.

Fertig mit den Nerven, mit Gedanken, dachte ich, dass ist das Ende. Blödsinn, was für ein Blödsinn...DAS war erst der Anfang, der Anfang meines zweiten Lebens! Genau 13 Tage nach meiner Heimkehr aus dem Krankenhaus, musste ich schon wieder dort hin.

GRAUS

Nun wurde mir ambulant ein Port implantiert, für die anstehende Chemo. Wäre besser, sagten die mir, denn sonst könnte bei der Chemo jedes mal die Armvene „verstopfen“, abgesehen von den dauernden Einstichen...Das ganze erfolgte unter örtlicher Betäubung... Nette Witze der Chirurgen halfen nicht gerade, etwas ruhiger zu werden... Egal, dachte ich mir, das wird schon gehen...Wieder zuhause angekommen, konnte ich meinen rechten Arm nicht wirklich bewegen. Ich musste aber am nächsten Tag zur ersten Besprechung zwecks der Chemo Auto fahren. Das war lustig. Mein Beifahrer hat geschalten, wenn ich es gesagt habe, denn ich habe die Gänge wegen Schmerzen im Arm nicht einlegen können, war halt leider kein Automatik. Nach einiger Zeit habe ich es aber selber ausprobiert, wieder zu schalten, das ging dann auch. Hat allerdings ein bisschen gezwickt in der Schulter und dort, wo die frische OP-Narbe war. Aber es ging. Hab einfach nicht aufgegeben.

Beim Chemodoc angekommen: Mir wurde bei diesem Gespräch erklärt, wenn ich es nicht machen würde, werde ich wahrscheinlich aufgeben müssen. Das wollte ich auf keinen Fall.
Dann kam der erste Tag dieser Chemo. Nervlich am Ende bin ich dort aufgetaucht, hatte Angst vor weiteren Schmerzen. Wer weiß, was da alles gemacht wird.... Die Mädels der Praxis waren aber immer nett und beruhigend. Sie können die Ängste verstehen. Aber trotz des Beruhigungsmittels, welches ich vorher genommen hatte, liefen die Tränen, zitterte ich und dachte nur das Allerschlimmste. Dann war es soweit: der Port wurde gespült und dann kam der eigentliche Cocktail: die Chemo! Vier Stunden lief das Zeug in mich hinein. Musste danach Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen nehmen. Ging ganz gut. War nicht so schlimm, wie ich mir dachte. Hab mich zuhause erst mal auf die Couch gelegt, da mir doch leicht übel war, was sich aber in Grenzen gehalten hat. Die Tage danach waren aber wieder ganz normal, leichte Übelkeit trotz der Tabletten, aber nichts weiter schlimmes. Und bald war Weihnachten... Schnee, Kälte, ….Ruhe

Ein paar Tage später war dann das erste Gespräch wegen zeitgleicher Bestrahlung. Hm, das auch noch... was denn noch alles? Fast das gleiche Szenario wie vor der ersten Chemo. Hab dann Termine am Abend bekommen, da die damals nur ein Gerät zu Verfügung hatten. (37 Bestrahlungen waren es letztendlich.... 37!)

Gefahren bin ich nicht selbst, zu den Anwendungen, hätte das gar nicht geschafft, schon gar nicht wegen der Wetterverhältnisse: ständig waren die Straßen wegen Schneeverwehungen dicht, Glatteis oder ein Unfall nach dem Anderen.

Meine zweite Chemo hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen: die Tabletten gegen Übelkeit haben nicht geholfen!!! Drei Tage nach der Chemo hing ich mehr über der Toilette als ich auf der Couch verbrachte. Zudem musste ja auch noch gekocht werde, Kinder und Ehemann hatten Hunger. Dieser Geruch (Gestank) war fast nicht auszuhalten... Alles was ich gegen das Erbrechen eingenommen hatte, kam nach zwei Minuten wieder postwendend ans Tageslicht... Ein Wundermittel, ja das gibt es: Zäpfchen! Die gehen nicht auf den Magen.
Trotzdem ging es mir die darauffolgenden beiden Tage auch noch nicht ganz so toll, musste aber wegen eines Termins beim Doc wieder Auto fahren. Langsam wieder angefangen, trockene Brötchen ohne alles zu essen und Karamalz wegen des hohen Zuckeranteils zu trinken. Funktioniert einwandfrei, mögen muss man es halt...Ich habe immer daran gedacht, wenn ich das nicht mache, kann ich gleich meinen Sarg bestellen, weil dann kann ich aufgeben, das wollte ich aber nie. Ich bekam ein anderes Medikament gegen die Übelkeit, dann hatte ich keine Probleme mehr.

Und immer dieses Blut abnehmen. Blut für dieses, Blut für jenes... So viele Spritzen, wie seit der Erkrankung, habe ich wahrscheinlich vorher mein ganzes Leben nicht gesehen.
Ständig schwankende Blutwerte, aber immer noch im grünen Bereich. Wenigstens etwas, dachte ich mir...

Dann kamen die letzten Bestrahlungen. Drei davon waren mit einer höheren Strahlendosis, um meinen Untermieter jetzt unwillkürlich zu verstehen zu geben, dass er nun verloren hat.. Hab da aber nicht wirklich daran geglaubt, wer weiß, Statistiken sind auch nur Zahlen und Worte.

Während der darauffolgende drei Wochen brach dann die Hölle los. Gefühlsschwankungen, Unruhe, Unwohlsein, Gedanken, die man besser nicht haben sollte und die Tatsache, das die Speiseröhre durch die Bestrahlung so angegriffen war, das gar nichts mehr im Magen ankam. Weder Essen noch Flüssigkeit...und auch keine Schmerzmittel! Und die Gedanken, was alles während der OP hätte passieren können, die Lunge war ja nun mal platt wie eine Flunder...(ist halt so die Vorstellung eines Laien)

Dann noch einmal eine Chemo, und die Frage an den Arzt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, wieder „normal“ zu werden. Sprich, das die Schmerzmittel wieder wirken könne, sich die Nerven wieder beruhigen, usw.
Er, der Doc, hatte die passende Antwort: Ja, die gibt es. Ich war so froh! Nachteil: einen Platz dort zu bekommen dauert etwas. Also nochmal zwei Wochen warten. Wieder zwei Wochen ohne Essen, wenig Flüssigkeit, wenig Schmerzmittel, außer Schmerzpflaster die nicht wirklich geholfen haben.

Dann kam der erlösende Anruf: sie haben in zwei Tagen einen Platz bei uns! Palliativstation! Sachen fertig gepackt und auf den Tag gewartet. Aber, so einfach wollte es mir mein Leben nicht machen. Genau an diesem Tag hatte ich über fast drei Stunden fast unerträgliche Schmerzen auf der rechten Seite in der Nierengegend im Rücken. Ärzte angerufen, die sagten: Notaufnahme fahren, abklären lassen; könne aber auch an der Verdauung liegen, da diese Schmerzpflaster das manchmal auslösen. Na gut. Atemübungen gemacht. Dann war's wieder weg. Weiter keine Gedanken mehr daran verschwendet. Am nächsten Tag mit einem starken Zwicken im rechten Arm aufgewacht. Naja, war die halbe Nacht da drauf gelegen, da kann der schon mal weh tun. Dann war er da, der Tag der Tage. Taxi angerufen und in die Klinik gefahren, besser fahren lassen.

Kurz nach meiner Ankunft kam schon mal die erste Ärztin. Kurzes Gespräch, Aufnahme fertig gemacht und mitgeteilt bekommen, der leitende Arzt werde am Abend vorbeikommen, da er auch noch auf der Strahlen zu tun habe. Naja, hatte ja Zeit. Erst mal meine Sachen ausgepackt und mich in mein Bett gelegt. Habe mir zum Fernsehschauen eine Karte bringen lassen, sonst wäre es ganz schön langweilig geworden.
Dann kam der Arzt. Langes Gespräch und dann die Untersuchung. Und da kam es an Licht: das Zwicken im Arm war eine Thrombose, wahrscheinlich durch meinen Port ausgelöst. Klasse, dachte ich mir. Jetzt bekam ich eine Heparinpumpe zur Blutverdünnung an meinen Port, damit ich nicht jeden Tag drei Spritzen bekommen musste.

Im Entlassungsbericht stand dann auch noch sowas wie: die Patientin kam mit einer nicht mehr ganz frischen Lungenembolie ins Krankenhaus .... uuups... waren das die Schmerzen in der Nierengegend?

Und hier könnte ich jetzt, sechs Monate nach diesem Vorfall, schon fast sagen: Es war einmal...

Ich gehe seit Ende Juli wieder vollzeitig in die Arbeit, …..........ja, selbstverständlich nach einer Wiedereingliederungsphase. Klasse.. Super.... das hätte man vor einem Jahr, naja fast einem Jahr, nicht wirklich gedacht, das ich jemals wieder arbeiten gehen könnte.. Wie ich schon am Anfang schrieb: aufgeben, niemals; außer Briefe, Pakete, Päckchen!

Das Schlimmste jetzt ist noch das regelmäßige Blut abnehmen wegen Einnahme von Marcumar. Aber alle drei Wochen geht das.

Manchmal würde ein Gespräch mit einem Psychologen nicht schaden, aber das schaffe ich wegen meiner Arbeit nicht, da kein solcher in „greifbarer Nähe ist“.

Wenn es sich wieder verschlimmert (haha, dann fang ich wieder mit dem Rauchen an, denn dann ist es auch schon egal ). Ja, das ist etwas das ich vermisse. Wenn es ein anderer Krebs gewesen wäre, würde ich jetzt immer noch rauchen.

Ich lebe nicht nur für mich, auch für meine drei Kinder ,... und für meinen Mann, der mir immer zur Seite stand und immer noch steht. Ich hoffe dass das noch lange so weiter geht..........
Hoffe, habe nicht wirklich was wichtiges vergessen hier zu erwähnen. Wollte euch das nur mal mitteilen. Ich mag ja Foren nicht so sonderlich....Vielleicht schreib ich ja mal wieder was.

Ihr müsst hier nichts dazu schreiben, ist nur als kleine Info gedacht, für die, die solch eine Diagnose erst kürzlich erhalten haben..

Also Kopf hoch und : nur Briefe, Pakete und Päckchen aufgeben, bei der Post...

Gruß
Biggi
 

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