Russisch Roulette.......

[Briele]

Meine liebe Saphir,

ich glaube Du hast richtig entschieden, nein mehr, ich bin ziemlich sicher, daß es richtig war. Als ich Deinen Beitrag las, fühlte ich mich für Dich, für Deine Mama erleichtert.

Wenn ich in den letzten Wochen an Euch denke, merke ich, daß dies nun oft von einem anderen Blickwinkel geschieht. Ich glaube ich bin älter als Deine Mama, trotzdem hab ich mich über die Zeit, in der wir hier schreiben, mehr in Deine Situation hinein versetzt: das Leid der Tochter, die Sorge, der Kummer, um die kranke Mutter.

Das ist verständlich, denn diese Seite kenne ich, die andere nicht.

Nun versetze ich mich immer öfter in die Lage Deiner Mama. In kleinen Ansätzen, anders ist das ja nicht möglich. Ich bin (so hoffe ich) nicht krank und ich habe keine Kinder. Manchmal denke ich natürlich darüber nach, wie ich auf eine Krebsdiagnose reagieren würde und weiß, die ganze Denkerei ist reine Theorie. Von meiner jetzigen Situation aus gesehen, hoffe ich, dann einmal den Zeitpunkt zu erkennen ab wann ein Fortsetzen von Therapien nur mehr eine Fortsetzung meiner Qualen bedeutet.

Ich weiß, ich habe Dich vor längerer Zeit bekräftigt, fand es gut, daß Du Deiner Mama nicht das wahre Ausmaß ihrer Krankheit, die schlechte Prognose gesagt hast.
Es hieß ja auch einmal , noch vier Wochen, und das ist schon länger her. So gesehen war es vielleicht richtig, ihr nichts zu sagen.

Es tut mir so leid Saphir, ich fühle mich unsicher und fände es nicht recht Dir meine Gedanken zu verschweigen, Dir Durchhalteparolen zuzurufen.

Es geht auch überhaupt nicht darum was ICH für richtig finde, ich bin nicht in Eurer Situation und wenn ich darüber schreibe, ich hoffe du glaubst mir das, geschieht es aus Interesse und Anteilnahme.

Du schreibst von der Hoffnung, daß die Quälereien in den Griff zu kriegen sind. Meinst Du damit eine neue Therapie, oder daß Mittel gefunden werden, die Deine Mama weitgehend schmerzfrei machen?

Liebe Saphir, es macht mir ein bisschen Angst wenn Du schreibst, Du willst Mama im Kampf bestärken, Du hoffst, daß sie sich nicht noch mehr hängen lässt, sich aufgibt.
Vielleicht hat es ja eine hoffnungsvolle Wende gegeben, wie sehr wünschte ich das für Euch! Aber wenn alles so ist wie Du es in letzter Zeit beschrieben hast, ist dann „Kampf“ die einzige Möglichkeit?

Nun ist der Druck der Prüfungen erst einmal vorbei, Du bist in der Zeiteinteilung freier. Vielleicht war dieser Schritt die Voraussetzung für einen anderen Schritt, ich weiß es nicht. Ich wünsche Deiner Mama und Dir, Deinem Bruder natürlich auch, daß Ihr die Zeit die bleibt, gut verbringen könnt, Ihr nichts versäumt und zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung trefft. Das gilt für vieles: auszuloten, was Mama wissen will, machen will, was ihr das liebste wäre, ihr zu signalisieren, daß sie nicht immer weiter kämpfen muß, sie sich hängen lassen darf, sie nicht im Krankenhaus bleiben muß, wenn sie das nicht mehr will.

Du würdest uns ja schreiben, wenn die Situation doch eine andere, eine hoffnungsvolle wäre, nicht?

Meine Liebe, noch nie war ich so unsicher ob ich meinen Beitrag abschicken oder löschen soll.

Ich umarme Dich, Deine p.N. beantworte ich heute Abend, oder morgen.

Deine Briele

[Saphir]

Liebe Briele,

ich bin froh, dass du deinen Brief abgeschickt hast. Und ich weiß aus ganzem Herzen, dass du eine große, unendlich starke Anteilnahme zeigst. Und das zeichnet dich unter vielen anderen Dingen auch aus. Danke.
Du hast recht. Mama sollte nicht gegen Unmögliches ankämpfen, und dabei noch mehr Kraft verlieren. Mit den Qualen meine ich keine weitere Therapie (es gibt ja auch keine), sondern ein Linderung ihrer Beschwerden.
Bald bin ich das Wort "Kampf" auch leid....hat uns ja eigentlich auch nicht sehr weit gebracht.
Es schwingt viel Verbitterung in meinen Worten. Das bin ich vielleicht auch. Ich glaube, mein Ehrgeiz für mein Studium war eher ein großer Ehrgeiz, mich an ein "normales" Leben zu klammern. Nicht zuzulassen, dass diese miese Krankheit sich weiter ausbreitet, sie nicht noch mehr zerstören lassen.
Und auch ich habe jetzt den Kürzeren gezogen. Vielleicht nicht auf lange Sicht, aber ein "normales" Leben wird wohl nicht mehr möglich sein.
Wieder soviel Selbstmitleid. Morgen fahre ich wieder zu Mama. Und weißt du was? Ich freue mich, sie zu sehen. Trotz des immer schlechter werdenden Zustandes. Aber es gibt mir(und ihr bestimmt auch) Kraft, allein in ihrer Nähe zu sein.
Sie hat neulich so am Telefon geweint. Weil sie noch nicht mal mehr allein die Toilette benutzen kann. Sie fühlte sich so erniedrigt. Was muß sie alles durchstehen????
Bis zum Ende werden wir für sie da sein, und das mit viel Kraft. Dafür werde ich immer genug Kraft haben, und meine Familie auch. Da kann der Krebs nichts gegen tun, dass wird er nicht zerstören.
Eine dicke Umarmung, Saphir

[Alina]

Liebe Saphir,

auch ich möchte dir sagen, dass ich nun fast "erleichtert" bin, dass du die Entscheidung, die Prüfungen zu verschieben ,getroffen hast. Ich glaube zu wissen, dass es eine schwere Entscheidung war und eine, die Angst macht.Trotzdem das Studium und die Prüfungen viel Kraft von dir verlangten, war es doch ein Stückchen Normalität in einer Zeit, in der dir der Boden unter den Füßen weg gerissen wurde.Mir ging es ähnlich, als ich mich entschied, in Hospizkarenz zu gehen. Ich war einerseits erleichtert, andererseits machte es mir auch Angst, war doch dieser Schritt ein endgültiges Bewusstmachen, dass Mama und ich nun die letzten Wege gehen werden.
Nun bin ich um jeden Tag froh, den ich noch mit Mama hatte und der nicht durch die zusätzliche Last des Arbeitengehens getrübt und gekürzt war.

Saphir, auch ich glaube, dass nun eine andere Zeit angebrochen ist für dich und deine Mama. Wann, meinst du, kann deine Mama aus dem Krankenhaus entlassen werden und heimgehen ? Spricht sie davon, dass sie heimgehen will ?

Ich habe gestern wieder einmal in der Biographie von Elisabeth Kübler-Ross gelesen und möchte ein paar Zeilen zitieren, deren Inhalt an die Angehörigen gerichtet ist. Kübler Ross schrieb: Durch aufmerksames Zuhören erkannte ich allmählich, dass jeder sterbende Patient wusste, dass er sterben musste.Die Frage, die sich uns Angehörigen stellt, ist nicht, ob wir es ihm sagen sollen oder ob er es weiß. Die einzige Frage, die wir uns stellten sollten, ist:" Kann ich ihn hören ?"
Ich glaube, dass es nun dieses Dasein und Zuhören ist, was du für deine Mama jetzt tun kannst, ohne die Belastungen des Studiums. Dieses Zuhören kann dir vielleicht auch die eine oder andere offene Frage beantworten, ich wünsche es mir für dich.

Eine Ärztin sagte meiner Mama, dass es immer Hoffnung gäbe, nur verändert sich ihr Ziel. Wenn die Hoffnung auf Heilung verschwunden ist, so hofft man als Angehöriger auf eine möglichst intensive, schöne Zeit miteinander, auf Schmerzfreiheit und letztlich auf eine gute Sterbestunde, in der man seinen Kranken begleiten darf.

Saphir, ich hoffe mit euch mit,
Liebe Grüße von Alina

[Saphir]

Liebe Alina,

ich kann Mamas Gedanken nicht richtig einordnen. Einerseits redet sie viel über die Zukunft, als ob sie nur noch ein wenig Zeit in der Klinik verbringen muß. Und dann nach Hause kann. Andererseits kommen dann auch hin und wieder Gespräche auf, wo man das Gefühl hat, sie hat sich schon auf den Tod vorbereitet.
In diesem Jahr steht ein großes Ereignis an. Sie überlegt mit mir, was sie dafür für ein Kleid anziehen soll. Und sagt, dass sie Angst hat, nicht fit genug für den Tag zu sein, also nicht lange genug durchzuhalten.
Als ich ihr schweren Herzens vom Tod von Robby erzählt habe, war sie natürlich traurig. Doch dann kam eine überraschende Wendung. Sie meinte, es hat doch auch was Schönes. Denn dann würde Robby sie an der "Himmelspforte" willkommen heißen. Das wäre doch so wunderbar........
Als ich dann fragte ob sie meint bald zu sterben, verneinte sie. Ihre Zeit sei jetzt noch nicht gekommen.
Will sie mich schonen? Ich möchte ihr ja auch auf keinen Fall den Todesgedanken aufdrängen. Es hat auch sowas Schönes, mit ihr über die Zukunft zu sprechen(träumen).
Immernoch bin ich der Meinung, sie muß den ersten Schritt machen.
Wenn ich mir vorstelle, sie liegt da im Krankenhausbett, immerzu mit dem Gedanken auf das bevorstehende Ende.....ich weiß nicht so recht. Das fühlt sich für mich nicht gut an. Sicherlich denkt sie viel an den Tod. Aber wie kann man das aushalten, wenn man keine hoffnungsvollen Gedanken hat?
Ich habe keine Ahnung!
Nun werde ich fahren. Vielleicht entscheidet sich ja jetzt, wann wir sie zu meinem Onkel und meiner Tante holen.
Danke für eure treue Begleitung und Anteilnahme.
Alles Liebe, Saphir

[Saphir]

Hallo,

es gibt einen neuen Schock: bei meinem Onkel wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Wie weit, und die anderen ausschlaggebenden Befunde sind noch nicht da. Das wird sich jetzt in der nächsten Zeit rausstellen.
Nur problematisch ist jetzt natürlich die Situation für Mama. Wenn er ins Krankenhaus muß, kann sie ja nicht wie geplant dort hin. Ihr Zustand ist mieserabel. Und ich spüre, sie muß bald aus dem Klinikum raus. Sie soll ja nicht da sterben. Jetzt beginnt für mich ganz viel Organisation. Ich versuche eine häusliche Finalpflege zu bekommen, sie will ja unbedingt zuhause sterben. Nur werden wir das hinkriegen???????????
Auch mit dem anderen Problem wird das ja schwierig. Es wird bestimmt zusätzlich ein derber Krieg beginnen. Am liebsten und sichersten wäre mir da schon ein Hospiz. Aber sie will nach Hause!?! Was soll ich nur machen?
Saphir

[Briele]

Liebe Spahir,

ich habe erst am Abend Deine Nachricht lesen können. Das ist jetzt ein schwerer Schlag. Es tut mir leid für Deinen Onkel, er ist bestimmt ein feiner Mensch und ich denke er war Dir vielleicht oft eine Stütze. Nun wird er mit sich selbst vollauf beschäftigt sein.
Und Deine Tante sicher auch.

Es ist schwer einen Rat zu geben. Vielleicht magst Du mit einer p.N. ein wenig näher ausführen wie die derzeitige Situation ist, was den Menschen betrifft der Euch das Leben schwer macht, bzw. was zu befürchten wäre, wenn Eure Mama daheim ist.

Ich würde so gerne das Richtige schreiben. Vom ersten Gefühl her möchte ich sagen, wenn Deine Mama daheim sein will, wenn das ihr Wunsch ist, dann wäre es schön wenn man ihr das ermöglichen kann. Aber so leicht ist das halt nicht.
Es ist ja nicht damit getan, daß sie einfach heimgeht. Es gilt vieles zu bedenken. Den einen Punkt – der Mensch, der Angst, Unsicherheit hereinbringt – habe ich bereits erwähnt.

Was sagen die Ärzte? Davon hängt ja ganz wesentlich die weitere Planung ab.

Kannst Du mit Deiner Mama über Pläne, Möglichkeiten, Befürchtungen sprechen, könnt Ihr gemeinsam abwägen?

Hast du schon einmal Kontakt mit einem Hospiz aufgenommen?

Weißt Du Saphir, da wäre nun jedem Menschen bang ums Herz, denn da kommt etwas auf einen zu, von dem man nicht weiß wie es wird, vor allem weiß man nicht wie man das selber aushalten wird. Diese Angst möchte ich Dir ein wenig nehmen. Ich glaube man hält es leichter MIT dem Menschen, den man lieb hat aus, als wenn man nicht bei ihm ist. Eine andere Sache ist, daß es viel Hilfe gibt, man diese Hilfe auch in Anspruch nehmen soll. Nicht nur was die Pflege betrifft, es gibt auch Leute, die ehrenamtlich bei der Hospizbewegung arbeiten, die Nachtwachen machen und auch für die Angehörigen ganz liebevoll und hilfreich da sind.

Ich schau immer wieder hier rein, auch in meinen Postkasten.
Jetzt schick ich das einmal ab.
Nur Mut, Saphir!

Deine Briele

[Saphir]

Liebe Briele,

heute habe ich alles Mögliche veranlaßt. Habe mit dem Final-Pflegedienst hier gesprochen. Die kümmern sich ambulant um alles, was sonst im Krankenhaus gemacht wird (Morphingabe, waschen etc.). Das wird also gehen. Jetzt muß ich noch das Inventar besorgen (Krankenhausbett, etc.), und dann können wir sie holen. Vermutlich wird Verwandschaft kommen, wir wechseln uns dann für den Nachtdienst ab.
Für die psychische Unterstützung kommen dann Hospizmitarbeiter. Die höchste Pflegestufe ist auch beantragt.
Zusätzlich habe ich für Freitag einen Termin in einem nahegelegenen Hospiz gemacht. Einfach für den Notfall, falls wir aus irgendeinem erdenklichen Grund diese Sache nicht meistern können...... ans Ende unserer Kräfte gelangen.
Was ich nicht glaube, aber es ist besser, immer eine Tür offen zu haben. Und es muß ja jetzt alles schnell gehen...Mama geht es so schlecht. Ich hoffe, sie ist überhaupt Transportfähig.


Eins kann ich euch sagen: Ich habe die "Ritterrüstung" wieder angezogen. Dieser Typ hat schon genug angerichtet. Und er wird jetzt NICHTS mehr bei uns beeinflussen. Schon garnicht wird er Mamas und unsere nächste Zeit zerstören. Wegen ihm wird sie nicht im Krankenhaus sterben.
Oh nein!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Eure "alte" Saphir

[Briele]

Liebe Saphir,

es ist alles recht traurig, aber, wie soll ich das jetzt nur sagen ? – es klingt alles recht gut. Deine Vorbereitungen, was du in die Wege geleitet hast, alles bedenkst, Dir Hilfe suchst, sie annimmst. Gut, daß Du die Rüstung angezogen hast, da kann jeder gleichsehen, mit wem er es zu tun hat. Alina und ich haben sie unlängst poliert, allerdings innen auch wattiert.

Liebe Saphir, meine guten, meine besten Wünsche begleiten Euch, daß Ihr die Zeit mit Liebe, Nähe, Innigkeit verbringen könnt. Ihr liebevolle Blicke, Berührungen austauschen könnt, vielleicht gibt es noch Gespräche, Worte.

Ich hoffe Ihr seid beschützt. Wenn Du vielleicht manchmal das Gefühl hast vor Deinem Haus stehen zwei Angsteinflößende Gestalten, die Dir aber bekannt vorkommen, die bei Dir nur ein Lächeln auslösen – das sind wir, Alina und ich. Wir bemühen uns jeden zu vertreiben der nicht guten Willens ist.

In Gedanken bei Euch,

Deine Briele

[Saphir]

Liebe Briele,

was hast du mir für schöne Gedanken gegeben. Das macht Mut! Du bist so ein warmer, herzlicher Mensch. Mit Dir und Alina an meiner Seite kann garnichts schief gehen. Siehst du, selbst wattiert habt ihr meine Rüstung. Wenn es nur nach mir gegangen wäre, würde ich immer Gefahr laufen, doch irgendwo unterzugehen.
Aber ihr beide, ihr denkt so an mein Wohlergehen. Ihr beschützt mich davor, selbst auf der Strecke zu bleiben. Das rührt mich von ganzem Herzen. Ich finde gar keine Worte dafür.
Ich möchte euch in meinem Leben nicht mehr missen, ihr habt eine sehr wertvolle Bedeutung für mich. Dafür bin ich dem "Schicksal" sehr dankbar. Das ich auf euch gestoßen bin.

Liebe Grüße, Saphir

[Alina]

Liebe Saphir,

deine Mitteilung, dass dein Onkel nun auch an Krebs erkrankt ist, hat mich vorerst mal richtig sprachlos gemacht.Ich habe mich gefragt, was denn noch alles auf euch einstürmt, es ist wirklich nicht leicht, den Mut nicht zu verlieren.
Als ich heute deinen letzten Eintrag las, war ich richtig erleichtert. Nein, du lässt dich nicht unterkriegen und du wirst es schaffen, dass du deiner Mama ihren Wunsch erfüllen kannst.Was du da alles in kurzer Zeit abgeklärt und organisiert hast, ist enorm !
Ich denke auch voller Wut und Trotz, dass gerade "dieser Mensch" kein Hindernis sein darf, deinen Liebesdienst an deiner Mama erfüllen zu können ! Vielleicht hilft es ja, euch vorzustellen, was in Bezug auf diesen Mann der "worst case" wäre und was ihr dann tun könntet.

Wie sehr wünsche ich mir, dass deine Mama den Frühling in ihrem Garten erleben wird und ihr Frieden haben könnt.
Saphir, dein Betreuungsplan klingt gut, ich meine, es wird zu schaffen sein. Vergiss bitte nicht, auch deinen Bruder gut mit ein zu beziehen, ihr könnt euch gegenseitig viel Kraft und Halt geben. Apropos Kraft- ich glaube immer noch fest daran, dass einem die Kräfte wachsen und zukommen, wenn man sich in einer extrenmen Situation befindet, in der man gebraucht wird. Deine Mama braucht dich sehr und das wird dich durchhalten lassen.Und wenn es anders kommt und deine Mama aus irgendwelchen Gründen ins Hospiz geht,so wird eben das euer richtiger Weg sein. Ein Hospiz ist auch ein guter, würdiger Ort, um die Welt zu verlassen ( meine Mama starb letztlich auch dort und es war für sie und uns ganz in Ordnung so)

Lass uns ein wenig Watte in deiner Rüstung sein, denn mehr können wir leider nicht tun.

Meine Gedanken sind oft bei euch ,
ich umarme dich,
Alina

[Saphir]

Hallo,

es sind wieder katastrophale Nachrichten gekommen. Mamas Zustand ist so schlecht, dass es evtl garnicht mehr zum Transport kommen kann. Aus dem Grund habe ich eine Bitte:
Bitte zündet eine Kerze an, dass Mama lebendig zuhause ankommt. Sie soll mit Blick auf ihren geliebten Kirschbaum einschlafen können.



Wir müssen es hinkriegen, dass wir alles bis spätestens Freitag erledigt haben. Länger können wir anscheinend nicht warten, selbst jetzt steht es nicht so günstig. Ich habe große Angst, dass wir zu spät reagiert haben.
Saphir

[Briele]

Liebe Saphir,

Die Kerze für Deine Mama brennt. Liebe Saphir, versuche so viel als möglich zu delegieren. Ich weiß, es sind hundert Dinge zu bedenken, vorzubereiten. Trotzdem: das wichtigste ist die Anwesenheit von Dir, oder Deinem Bruder bei Eurer Mama. Noch wichtiger als der Blick auf den Kirschenbaum!

Sprich mit den Ärzten, aber höre auf Deine Stimme. Verliere die Option einer Unterbringung im Hospiz nicht aus den Augen - Ihr könnt dort auch immer bei ihr sein. Das ist das Wichtigste.

Ich denk an Euch
Deine Briele

[Alina]

Liebe Saphir,

auch bei mir brennt die Kerze für deine Mama.

Wenn es sein soll, so wird es deine Mama zu euch nach Hause schaffen und ich weiß, du wirst alles dafür tun, dass es möglich gemacht wird.
Sollte es aber anders kommen, dann verzweifle bitte nicht, denn ich bin auch wie Briele ganz sicher, dass deine Anwesenheit und die deines Bruders für sie das Zuhause sind, das Wichtigste jetzt !

Ich bange mit dir um deine Mama, Saphir und hoffe für euch, dass es dennoch gelingt ! Kann dir deine Mama sagen, was sie sich jetzt wünscht ?

Ich umarme dich ganz fest,
Alina

[Saphir]

Hallo,

der Transport hat gut geklappt, und Mama ist "heil" bei uns angekommen. Alles andere hat auch gut funktioniert. Was bin ich froh. Dieser ganze Bürokratiekram in so kurzer Zeit ist echt die Hölle!
Haben einen Plan für die Nachtschichten gemacht, wir teilen uns die Nächte jeweils zu zweit.
Ihr könnt euch garnicht vorstellen, was für Gefühle mich durchliefen, als der Krankenwagen auf den Hof gerollt ist.
Ich war gerührt, mir sind vor Glück ein paar Tränen über das Gesicht gerollt, und ich war einfach nur überglücklich.
Egal, was jetzt auf uns zukommt.....es ist einfach so wunderbar, Mama endlich bei uns zu haben. Zu wissen, wir können sie jetzt die ganze Zeit mit unserer Liebe und Vertrautheit umsorgen, ist soviel wert.
Ich hoffe, wir werden das bis zum "Ende" schaffen.
War heute auch beim Hospiz, einfach um uns auch das Türchen für den Notfall frei zu halten.
Es ist unglaublich, was die Menschen dort leisten. Es ist so liebevoll dort. Jedoch möchte ich Mama logischerweise für immer bei uns behalten. Wer will das nicht??????
Sie hat jetzt das gesamte Jahr 2006 in der Klinik verbracht. So bin ich sehr dankbar, dass wir noch die Möglichkeit bekamen, sie zu uns zu holen. Auch wenn es nur für kurze Zeit sein könnte. Trotz ihres Zustandes sah ich die Freude und zugleich Entspannung/Ruhe in ihrem Gesicht.
Es ist schwierig zu erklären, aber irgendwie kommt jetzt eine sehr intensive/sensitive Phase. Viel stärker als bisher, diese begann schließlich schon vor einiger Zeit.
Klingt vielleicht wirr, ist aber gerade nicht besser zu erklären.
Meine Hündin (eigentlich ein nervöser "Derwisch"), ist auf einmal sehr ruhig geworden, ich konnte es garnicht fassen......?!? Und die Hündin meiner Oma hat sich auch sofort neben Mamas Bett gelegt. Da ist echt was in der Luft. Die Tiere spüren das sofort.
Bitte denkt nicht, dass ich jetzt "durchknalle". Jedoch will ich hier ja meine wahren Gefühle und Gedanken mitteilen.
Es hat auch was Beruhigendes und Angenehmes.
Vielen Dank für eure Unterstützung. Seid gedrückt, Saphir

[Alina]

Liebe Saphir,

ich war so erleichtert, als ich deinen Zeilen las. Ich habe am Freitag immer wieder mal gedacht:" Hoffentlich geht es gut und sie schafft es nach Hause, Saphir´s Mama ". Jetzt ist sie angekommen, bei euch, bei dir und ihr werdet nun eine andere Zeit erleben. Du hast so recht, wenn du schreibst, dass ihr eine sehr intensive Zeit haben werdet. Ich sehne mich zurück nach gerade dieser Zeit, die ich mit meiner Mama erleben durfte.
Wie gut du alles organisiert hast. Ich bin froh, dass du auch Hilfe hast, dass ihr euch das Dasein bei eurer Mama teilt.
Meine Mama, die selbst in schlimmen Situationen immer einen Spruch auf den Lippen hatte, sagte damals, als sie als austherapiert aus dem Krankenhaus nach Hause kam, zu mir: So, jetzt fängt meine Gnadenzeit an". Wenn ich heute zurück denke, so scheue ich mich nicht,genau diesen Ausdruck ebenfalls zu verwenden. Es war für uns eine Gnade, diese Tage, Wochen erleben zu können. Das wünsche ich euch auch so sehr, Saphir !

Was du über eure Hunde schreibst, ist doch keineswegs durchgeknallt ! Ich habe Ähnliches mit unserer Hündin erlebt. Meine Chandra war auch wie ausgewechselt, sie bewegte sich in Mamas Nähe plötzlich bedachtsam und langsam, was sonst nie ihre Art war. Wenn sie neben Mamas Bett lag,hob sie oft scheinbar grundlos den Kopf und sah Mama dann lange und ruhig an. Ich weiß, Mama und mein Hund haben auch ganz intensiv Abschied voneinander genommen.

Ich halte die Daumen, dass deine Mama schmerzfrei bleibt und sie ihren Baum sieht.

Schreib uns wieder, Liebe,

ich denke an euch,
Alina