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Alt 09.03.2005, 20:50
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Standard Erbitux - wer hat Infos / Erfahrungen

28.02.2005 Journal Onkologie .



Capecitabin in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms: Der Patient hat ein Recht auf die beste Behandlung
Die adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms konnte in letzter Zeit deutlich verbessert werden. Wesentlich dazu beigetragen hat Capecitabin, ein orales Fluoropyrimidin, das sich in einer auf dem ASCO 2004 vorgestellten Phase-III-Studie als mindestens ebenso effektiv aber besser verträglich erwiesen hat wie die intravenöse Applikation von 5-Fluorouracil/Folinsäure. Die Zulassung in Deutschland ist beantragt, doch auf Grund des ca. einjährigen Zulassungsprocederes noch nicht erfolgt. Will der Arzt seinem Patienten dennoch die momentan besten therapeutischen Möglichkeiten bieten, so steht er oft im Dilemma zwischen ethischer Verantwortung und wirtschaftlicher Existenzgefährdung. Der auf Pharmarecht spezialisierte Hamburger Jurist Wolfgang Kozianka erläuterte auf einer Fortbildungsveranstaltung unter Schirmherrschaft der AIO und im darauf folgenden Gespräch, wie sich die rechtliche Situation bei der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikationen in Deutschland darstellt.

Untersuchungen zeigen, dass bis zu 70 Prozent der onkologischen Patienten in der Regelversorgung mit Arzneimitteln behandelt werden, die im zulassungsüberschreitenden Bereich liegen, weil dies dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens und internationalen Standards entspricht. Wollen Ärzte ihre Patienten nach dem besten Erkenntnisstand therapieren, geraten sie laut Kozianka oft in ein Dilemma: Sie sind einerseits verpflichtet, qualitätsgesichert nach „dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ zu behandeln und die Qualität der Behandlung „entsprechend dem medizinischen Fortschritt“ weiter zu entwickeln“ (§ 2, SGB V). Andererseits sind sie angehalten, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 92 SGB V) zu arbeiten.

Zulassung ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium

Mit dieser Regelung entsteht eine für Ärzte unzumutbare Situation und „strafrechtliche Konsequenzen drohen gleich von mehreren Seiten“, bemängelte Kozianka. Bei Verordnung der Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation riskiert der Arzt Regressanträge der Krankenkassen. Gleichzeitig macht er sich beim Verzicht auf wissenschaftlich anerkannte Therapien nicht nur strafrechtlich wegen unterlassener Hilfeleistung, sondern auch zivilrechtlich auf Grund des Rechts des Patienten auf Schadensersatz haftbar. Um sich in dieser Situation überhaupt rechtskonform verhalten zu können, sollte nach verfassungsrechtlichem Vorrang entschieden werden. Nach juristischer Auffassung, so Kozianka weiter, gilt folgender Grundsatz: „Die Zulassung oder Nichtzulassung eines Arzneimittels ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium für die Verordnung bzw. Erstattungsfähigkeit. Das heißt, der Arzt muss das Arzneimittel verordnen, das dem anerkannten wissenschaftlichen Standard entspricht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist dabei nachrangig.“ Kozianka ergänzt, dass „zu teuer und zu neu“ als Argument der Kassen nicht gelten kann, sondern der „Anspruch des Patienten auf die beste Therapie“ oberste Priorität einnimmt.


Therapiehoheit obliegt dem Arzt

Kozianka erinnert daran, dass letztendlich der Arzt derjenige ist, der unter medizinischen Gesichtspunkten über die geeignete Therapie des Patienten entscheiden muss, nicht die Krankenkasse. Es gibt laut des Hamburger Rechtsanwaltes inzwischen auch Patienten, die sich die innovative Therapieform mit gerichtlichen Eilanträgen erstritten haben. Der Königsweg ist dies jedoch nicht. Kozianka gab zu bedenken: „Welcher Patient, der schwer krank ist, hat die Kraft, seine Kasse zu verklagen? Wer um sein Leben kämpft, sollte nicht auch noch um die angemessene Behandlung kämpfen müssen.“

Ausnahmetatbestände führen zur Erstattungspflicht
Des Weiteren erläuterte der Jurist, dass die Erstattungsfähigkeit für Medikamente außerhalb der zugelassenen Indikation zwar grundsätzlich verneint wird, explizit aber Ausnahmetatbestände durch den Gesetzgeber formuliert wurden, die zu einer Erstattungspflicht führen. Diese sollten eins der folgenden Kriterien erfüllen: „Es muss sich um eine schwerwiegenden Erkrankung handeln, es darf keine zugelassene Alternative vorhanden sein, und es müssen entweder bereits abgeschlossene Zulassungsstudien vorliegen oder es sollte zumindest ein Konses in der medizinischen Wissenschaft hinsichtlich dieser Behandlung bestehen.“ Er ergänzt, dass ganz allgemein für die Erstattungsfähigkeit vor Zulassung die Voraussetzung gilt, dass es kein gleichwertiges zugelassenes Präparat in dieser Indikation gibt.


Capecitabin ist erstattungsfähig

Am Beispiel von Capecitabin (Xeloda®) zeigt sich nach Ansicht von Kozianka gut, welche Kriterien zur Erstattungsfähigkeit führen. Erstens liegt mit der X-ACT-Studie eine Phase-III-Studie vor, die nach Auffassung Koziankas als wissenschaftlicher Nachweis im rechtlichen Sinn gilt. Laut dieser Studie überlebten nach drei Jahren 65,5 Prozent der Patienten in der Capecitabin- und 61,9 Prozent in der Vergleichsgruppe rezidivfrei. Der Unterschied war signifikant. Zudem wurde die Behandlung mit dem oralen Fluoropyrimidin von den Patienten besser vertragen. Es kam signifikant seltener zu Stomatitis, Alopezie, Neutropenie sowie Übelkeit und Erbrechen. Damit ist zweitens der Nachweis erfüllt, dass es keine vergleichbare Therapie gibt. Kozianka kommt zu dem Schluss: „Konnte das neue Präparat in Studien die Überlegenheit gegenüber der herkömmlichen Therapie – sei es in der Häufigkeit oder Schwere von Nebenwirkung oder sogar der Effektivität – belegen, so kann nicht mehr von einer vorhandenen vergleichbaren Therapie gesprochen werden. Die neue Therapie ist dann erstattungsfähig.“ Da zudem bei Capecitabin die Zulassung bereits beantragt worden ist, „steht die Verordnungsfähigkeit und Erstattungsfähigkeit in diesem Fall außer Frage.“


Gut gegen den Regress gewappnet

Trotz des wissenschaftlich bestätigten Nachweises ist es für den Arzt am besten gegen alle Eventualitäten sprich Regress gerüstet zu sein. Dazu gehören die wichtigen Studienergebnisse und die ausführliche Einzelfalldokumentation. Entscheidend ist nach Einschätzung von Kozianka, dass der Arzt dokumentieren kann, warum er dieses Präparat gewählt hat, dass es dem neuesten Erkenntnisstand entspricht und Behandlungsalternativen zum Zeitpunkt der Behandlung nicht vorhanden waren. Abschließend macht der Hamburger Jurist Mut, auch die bürokratischen Hürden zum Wohl des Patienten durchzustehen: „Der Arzt sollte sich in jedem Fall wehren und einen Regress nicht klaglos hinnehmen. Soweit ich weiß, ist beim Vorliegen der entsprechenden Unterlagen in der Onkologie noch kein Regressantrag vor den Sozialgerichten durchgegangen.“
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