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Alt 08.09.2012, 00:43
Joe Cramer Joe Cramer ist offline
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Registriert seit: 07.09.2012
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Standard Der Weg ist das Ziel

Liebe Mit-Betroffene

Begonnen hatte es bei mir im März dieses Jahres; es ist mein 65. Lebensjahr.

Eines Morgens, nach dem Aufwachen, hatte ich derartige Schwindel, dass es mir kaum mehr möglich war, mich zu bewegen, ohne gleich erbrechen zu müssen.
Es erinnerte mich an einen ähnlichen Schwindelzustand, der mich schon mal viele Jahre zuvor am Schreibtisch (offenbar wegen einer durch Fehlhaltung bewirkten Nackenstarre) plötzlich befallen hatte und damals vom Notarzt mit Stugeron (Medikament gegen Reisekrankheit) sofort und wirksam behandelt werden konnte.
Doch diesmal half kein Stugeron. Und es war auch nicht die Grippe, die ich als nächstes in Verdacht hatte, da sie in unserer Gegend gerade grassierte; aber ich hatte kein Fieber.
Der herbeigerufene Hausarzt blieb ebenso ratlos wie ich und veranlasste die Einlieferung in den Notfall des nächstgelegenen Spitals. Ein erstes Röntgen zeigte dann einen «Vorfall» im Kleinhirn, der genauer abzuklären war, weshalb ich in die Neurologie der Universitäts-Klinik weitertransportiert wurde.

Eine erste Computertomographie (CT) brachte es dann an den Tag: Im Kleinhirn sass ein Tumor. Da das Kleinhirn unter anderem massgeblich für die Bewegungssteuerung zuständig ist, vermochte dies schon mal die Schwindelattacken zu erklären.
Die Magnetresonanztomographie (MRI) hat dann weitere Unklarheiten beseitigt: Im rechten Lungenflügel breitete sich eine «Raumforderung» aus.
(Anfänglich hatte ich mich noch erheitert über diesen vagen Begriff der «Raumforderung». Doch mittlerweile verstehe ich, dass die Fachärzte sich nicht weiter auf die Äste hinaus wagen, solange sie bloss Abbilder sehen und keine Gewebeproben zur Verfügung haben; denn es gibt ja auch «Raumforderungen», die kein Krebs sind.)

Sofort wurde der neurochirurgische Eingriff vorbereitet und sehr erfolgreich durchgeführt, was ich meinem Hirnchirurgen hoch anrechne, angesichts des gezielten mikroskopischen «Gefummels», das er zu leisten hatte. Die bereits angemeldete Überweisung in die Rehabilitations-Klinik konnte jedenfalls storniert werden.

Ich musste dann gleich zwei Lungen-Biopsien über mich ergehen lassen sowie ein weiteres MRI und auch noch eine Positronen-Emmissions-Tomographie*(PET)/CT, bis feststand, dass in meinem rechten Lungenflügel ein Plattenepithelkarzinom wuchert, inoperabel, da bereits metastasierend, wie erwähnt ins Kleinhirn, aber zusätzlich noch mit kleinen Spots in die Nebennieren.

Es folgten postoperative Kleinhirn-Bestrahlung (nur das Drumherum ist eine Tortur, die mit Kopfmaske und totaler Mund-, Nasen- und Kieferstabilisierung unter anderen Umständen als Folter gewertet würde) und Chemotherapie-Zyklen.
Weder die Bestrahlung noch die Chemotherapie haben bei mir bisher nennenswerte Nebenwirkungen hinterlassen, weder Übelkeit, Haarausfall noch grosse Geschmacksbeeinträchtigung. Einzig Mundschleimhaut, Zahnfleisch und eine der Ohrspeicheldrüsen machen mir gelegentlich leichte Beschwerden, zu deren Eindämmung ich Mundspülungen und Nasensprays anwende.
Das Blutbild zeigte anfänglich zwar starke Einbrüche bei der Zahl der Thrombozyten (Blutplättchen), was nach der allerersten Chemotherapie sogar eine Thrombozyten-Transfusion nötig machte. Doch nachdem die Chemo-Dosis leicht reduziert und die Infusionen von wöchentlich auf vierzehntäglich umgestellt wurden, hat sich das Blutbild jeweils wieder völlig erholt.

***edit by Mod*** Und ich habe das Glück, dass mein Onkologe, ein junger Assistenzarzt, total aufgeschlossen ist gegenüber natur- und alternativmedizinischer Begleitbehandlung.
Eine Konsultation mit einem Schulmediziner, der zur Naturmedizin gewechselt hat, ist für die nächsten Wochen ebenfalls vereinbart.

Die weiteren PET/CTs haben gezeigt, dass nach dem ersten Chemotherapie-Zyklus der Lungentumor von den ursprünglichen 10 x 8 cm um rund die Hälfte geschrumpft ist; nach dem zweiten Zyklus noch ein weiteres bisschen, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmass. Ausserdem sind die Nebennieren-Spots so gut wie verschwunden.

Inzwischen ist auch das Thema Chirurgie überraschend aufs Tapet gekommen. Einer grossen Thorax-Chirurgie gegenüber mit der Entfernung des gesamten betroffenen Lungenflügels war und bleibe ich jedoch gänzlich ablehnend eingestellt. Bei weiter schwindendem Tumor kommt jetzt hingegen laut meinem Onkologen ein weniger invasiver Eingriff (durch die gespreizten Rippen hindurch) in Reichweite und/oder eine lokale Bestrahlung.

Mal sehen.

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«Mal sehen» ist übrigens die treffende Kürzestfassung meiner Einstellung gegenüber dem ganzen Geschehen. Oder anders gesagt: Ich nehme es, wie es kommt. Und das war von Beginn weg so.
Natürlich war ich schon ein bisschen geschockt — oder besser gesagt: überrascht — ob der unerwarteten Diagnose. Aber eine Welt ist für mich nicht zusammengebrochen. Bricht nämlich die Welt zusammen, tut es das auch das Immunsystem. Das lässt sich nicht nur in manchen Krankheitsberichten nachlesen, es bestätigen dies auch viele Onkologen. Die mentale Ausrichtung scheint ausschlaggebend zu sein für den weiteren Verlauf.

Nun könnte man einwenden, dass ich als knapp 65jähriger gut reden habe, da sich mein Leben und meine Welt ohnedies ihrem Ende zuneigen.
Aber die Antworten, die mir inzwischen sehr viel jüngere Krebs-Patienten und/oder deren Angehörige gegeben haben (man trifft ja plötzlich haufenweise auf Betroffene, wie man das auch von allen anderen Krankheiten kennt) und natürlich auch die Aussagen der Ärzte bestätigen mir, dass ich mir den Selbstvorwurf der Altersarroganz ersparen darf: Anscheinend ist es keineswegs eine Frage der Menge an bereits gelebtem Leben, die gegenüber dieser Krankheit mehr oder weniger versöhnlich stimmt. Es heisst sogar, dass manche ältere Menschen des öftern viel schlechter damit umgehen können als viele jüngere.

Ob man etwas nehmen kann, wie es kommt, scheint also eher von der grundsätzlichen Einstellung zum Leben als solchem abzuhängen.
Dabei hilft mir sicher, dass ich um Mitte Zwanzig intensiv mit dem Zen Buddhismus in Berührung gekommen war und durch Zen Meditation (Zazen) gelernt hatte, mich verstärkt auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren — statt wehmütig Vergangenem hinterher zu schauen oder verbissen irgendwelchen Zukunftsträumen nachzujagen.
Bei der konsequenten Ausrichtung auf das Hier und Jetzt folgt die Zukunft ja automatisch und im Idealfall sogar in der für uns best passenden Abfolge. Denn: «Der Weg ist das Ziel», wie eine der zentralen zen-buddhistischen Weisheiten besagt.

Liebe Mit-Betroffene, hadert nicht mit dem Schicksal!
Versucht vielmehr, es zu akzeptieren und von innen heraus zu er-leben und zu durch-leben, positiv ausgerichtet auf das Hier und Jetzt. Von dessen Wahrnehmung und Bewertung durch uns hängt schliesslich (fast) alles ab.

Geändert von Anhe (08.09.2012 um 06:34 Uhr) Grund: Siehe auch Nutzungsbedingungen - Danke!
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hier und jetzt, zazen, zen


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