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  #1  
Alt 09.01.2003, 22:31
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Hallo!
Ich habe gerade die niederschmetternde Nachricht erhalten, dass meine Großmutter, aufgrund von Tumoren im Gehirn, nur noch eine Lebenserwartung von 3-6 Monaten hat.
Sie ist bereits 1997 an Brustkrebs erkrankt und wir, also meine Familie und ich, haben seit dem viel durchmachen müssen.
Mein Großvater hatte auch Krebs, aber er hat sich vor knapp zwei Jahren das Leben genommen. Er hat ich erschossen. Im Schlafzimmer, meine Großmutter saß daneben, als er sich unter der Bettdecke in den Bauch geschossen hat.
Ich muss ehrlich sagen, dass mich diese Sache sehr, sehr belastet.
Hinzu kommt, wie gesagt, meine Großmutter.
Ich habe so schreckliche Angst vor der Zeit, die jetzt auf mich zukommt.
Es ist nicht nur die Tatsache, dass meine Großmutter bald sterben wird, es kommt nämlich noch hinzu, dass mein Onkel mir Vorwürfe macht, ich hätte mich zu wenig um sie gekümmert. Und meine Großmutter selber sagt, dass sie sehr enttäuscht von mir ist.
Deshalb hat sie auch all meinen Verwandten verboten, mir ihre Telefonnummer zu geben (sie wurde gestern ins Krankenhaus eingeliefert). Ich meine, klar, ich kriege die Nummer ohne Probleme raus, aber sie hat mir ebenfalls ausrichten lassen, dass sie mich weder sehen noch hören will.
Und das tut mir unheimlich weh. Man muss wissen, meine Großmutter wohnt direkt nebenan. Und immer, wenn ich Zeit hatte, war ich für sie da. Ich habe ihre Wäsche gewaschen, bin einkaufen gegangen, habe ihr beim Duschen geholfen, gespült, Essen rüber gebracht, geputzt und ich bin mitgefahren zu vielen Chemos und zu allen Bestrahlungen.
Mein Onkel meinte, meine Großmutter hat Recht, wenn sie enttäuscht ist, denn schließlich war ich nur alle 2-3 Tage bei ihr.
Aber ist es denn egoistisch von mir, wenn ich auch an mein Leben denke? Ich mache eine Berufsausbildung zur PTA, die viel Zeit für's Lernen erfordert. Und ... ist es falsch, dass ich auch mal Zeit für mich haben wollte?
Ich habe viel Zeit mit ihr verbracht. Mehr Zeit als mein Onkel und seine Frau zusammen!
Und ist es falsch, wenn ich denke, dass ich "nur" die Enkelin bin?
Warum will sie mich nicht sehen?
Viele werden jetzt sagen, die Krankheit hat sie verändert; aber das stimmt nicht, meine Großmutter war
immer so hart zu ihren Mitmenschen.
Liegt ihr denn aber gar nichts daran, in Frieden zu sterben???
Einer meiner Onkel wohnt in Berlin. Er darf überhaupt nicht wissen, dass es ihr so schlecht geht. Sie will ihn nie wieder sehen, sagt sie.
Ich dachte, dass der Tod und vorallem die Art und Weise des Sterbens meines Großvaters, allen vor Augen führt, worum es es WIRKLICH geht.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Wie ich mich verhalten muss, damit mir keiner böse ist!
Ich bin einfach hilflos und habe Angst, dass ich nicht genügend Kraft habe! Ich bin doch erst 20!
Danke für's zuhören!
Jules
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  #2  
Alt 09.01.2003, 23:46
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Hallo Jules,
was ist mit Deiner Mutter bzw. Eltern? Auch Du brauchst jetzt Jemanden mit dem Du ueber die Sache reden kannst. Wenn Deine Oma vorher schon hart war, wird sie sich nun auch nicht mehr aendern. Aber Du warst vorher in Kontakt mit ihr, so versuch auch jetzt mit ihr in Kontakt zu bleiben. Zumindest ein Versuch ist es wert. Wie Du Dich verhalten must, damit Dir niemand böse ist. Was immer Du tutst und wie immer Du Dich verhälst, darüber brauchst Du niemanden Rechenschaft ablegen. Wie und was, Alles ist in Ordnung, mach Dir darueber keine unnoetige Sorgen. Alles andere machst Du wie Du Dich fühlst oder wie Du es verkraftst. Ich wünsche Dir alles Gute, Kraft und Staerke diese stressvolle Zeit zu bewältigen. Liebe Gruesse - Ute
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  #3  
Alt 10.01.2003, 07:14
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Beiträge: n/a
Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Hi Jules,
ja, Du hast sehr viel für Deine Grossmutter getan. Alle 2 bis 3 Tage bei ihr? Wenn man bedenkt, dass das seit 1997 war, dann warst Du dort ja 15 Jahre alt!

Deine Grossmutter muss aber wohl sehr Vieles durchgemacht haben, dass sie so hart ist. Da Du ja nicht die einzige bist, die sie nicht mehr "sehen" will, und sie es auch noch so hart sagt, muss sie schon sehr empfindlich sein.
Naja, Krebs MACHT auch noch ziemlich emfindlich, und ich kann mir vorstellen, dass Deine Grossmutter da einen zünftigen Schock hat, schon alleine was damals mit Deinem Grossvater geschah.

Aber ich finde auch, dass Du dieses "Zurückweisen" von ihr nicht so schnell akzeptieren musst. Wenn sie Dich schon nicht "sehen" will, dann kannst Du ihr ja vielleicht einen Brief schreiben? Schreib ihr doch vielleicht genau so einen Brief, mit Deinen Gedanken und Gefühlen, so wie Du diesen Eintrag hier gemacht hast. Schreibe ihr, dass Du ihr gerne helfen möchtest, so viel wie es in Deinem eigenen Ermessen und Erträglichen möglich ist. Und dass Du nicht den Eindruck hattest, damals "falsch" gehandelt zu haben.
FRAGE sie, was sie von Dir genau erwartet, welche Hilfe sie von DIR benötigt. Wenn Dir Deine Grossmutter dies genauer erklären kann, dann kannst Du danach handeln, Dich danach einrichten, und es vielleicht sogar mit ihr im gegenseitigen Einverständnis absprechen. (Z.B. Hilfe im Haushalt, Gespräche, Spaziergänge, Begleitung zu den Ärzten, Besuche im Krankenhaus, usw.)

Ein "Zuviel" der Hilfe kann manchmal schlecht sein, belastend für alle Seiten, und vor allem schnell mal "aufdrängend".
Aber ein "Gar keine Hilfe" ist noch tausendmal schlimmer für Deine Grossmutter. Wahrscheinlich ist ihr das gar nicht so richtig bewusst.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, Jules, und Deiner Grossmutter ebenfalls, vor allem viel Gesundheit, ja?
Alles Liebe von
der "krassen" Brigitte (Krebsbetroffene)
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  #4  
Alt 10.01.2003, 07:59
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Hallo Jule
ersteinmal möchte ich Dir sagen, das Du jedes Recht der Welt hast, auch an Dein Leben zu denken. An Deine Ausbildung und all das, was zum Leben dazu gehört.
Laß Dir kein schlechtes Gewissen einreden, denn Du brauchst es nicht zu haben !!!

Ich schreibe Dir das jetzt einfach mal als Betroffene (jetzt seit ziemlich genau einem Jahr) - aber auch als Angehörige, die genau das erlebt hast, was Du jetzt erlebst.
Ich war damals 19/20 Jahre alt, als meine Mutter an Krebs erkrankte und sehr sehr schnell unleidig wurde. Klar, sie hat viel mitgemacht, aber wir - ihre Knder auch. Wir alle haben kurz vorher unseren Bruder ( damals 20 Jahre) alt durch Suzid verloren, deswegen kann ich auch dieses Gefühl sehr sehr gut nachvollziehen.
Ich war damals Diejenige, die aus diesem Grunde wieder zu den Eltern zurückgezogen ist, weil die Mutter krank geworden ist. Habe neben meiner Ausbildung und Arbeit versucht den kleineren Geschwistern die grosse Schwester zu sein und mich langsam aber sicher als Mutterersatz zu etablieren. Und trotzdem war immer alles falsch, was ich getan habe... Je kränker meine Mutter wurde, je schwieriger war es für mich, ihr alles Recht zu machen. Ich gab alles auf - praktisch mein Leben, nur um für sie da zu sein, für die beiden jüngeren Geschwister. Machte meine Arbeit weiter ... In der Mittagspause erledigte ich Einkäufe, nahm mir frei um mit ihr zum Arzt zu fahren; besuchte sie im Krankenhaus; machte den kompletten Haushalt - oft bis tief in die Nacht hinein.
Meinen Vater gabs auch noch - irgendwie. Er war haltlos überfordert, also musste ich herhalten. Hab das auch gemacht - die ganze Zeit während ihrer Krankheit und auch nach ihrem Tod. Bis der jüngste endlich 18 Jahre alt war. Dann war ich ausgepowert - mit Mitte 20 ...

Heute würde ich vieles davon wieder machen, aber nicht alles.
Denn es hat mich viel zu viel gekostet - und es war keiner da, der mich mal in die Arme genommen hat, der mir mal zugehört hat. Alle dachten wohl immer - die E. ist stark, jung und eben die älteste Tochter des Hauses. Dann muss es eben so sein wie es ist. Gut, das ganze ist jetzt 25 Jahre her, es gab damals noch nicht so viele Hilfsmöglichkeiten wie heute. Aber jeder hat das Recht auf sein Leben. Und es ist gut, das Du es auch so siehst und machst.

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, das es durchaus auch die Möglichkeit gibt zusätzlich eine Pflegekraft zu engagieren? Dafür wird doch in die Pflegekasse eingezahlt.
Das hat nichts mit Abschieben zu tun, es ist eine unterstützende Maßnahme. Ich selber bin mittlerweile in eine Pflegestufe eingestuft - und kann mir so ein wenig Hilfe leisten. Das tut gut und macht mich unabhängiger von der Familie.

Leider kann man es nicht allen Recht machen Jule, egal was Du tust oder wie Du es tust. Wenn Menschen das negative sehen wollen, sehen sie all das Positive schon aus diesem Grund nicht. Es ist nicht einmal böse gemeint.

Auch wenn ich weiß, das Krebs eine sehr sehr schwere Krankheit ist, so habe ich mir fest vorgenommen, dies nicht an meine Angehörigen/Bekannten auszulassen. Auch ich als Patientin hab gewiße Pflichten, nicht nur Rechte. Nicht nur Rechte des Nehmens.
Wenigstens ein Dankeschön ist wohl immer drinnen, und tut auch niemanden weh es zu sagen... egal wie hart der andere Mensch ist - wahrzunehmen, was Andere für mich als Kranke tun. Ich habe nicht das Gefühl, Dankbar bis ins Dorthinaus sein zu müssen, für alles was für mich getan wird. Soviel ist es auch nicht, da ich viel lieber meine Selbständigkeit aufrecht erhalten will, und wenn es mit Hilfe der Pflegestufe ist, die mir zusteht.

Aber ich bedanke mich gerne mit ein paar Kleinigkeiten dafür. Und es tut mir gut, es so zu tun.

Wünsche Dor für Deinen Lebensweg alles Gute - und für die nächste Zeit viel kraft und vor alen Dingen eine Entscheidung, wie Du Dich weiterhin eingeben kannst - ohne Dich selber zu verlieren.

Der Vorschlag von Brigitte, ihr wenigstens einen Brief zu schreiben ist nicht schlecht. Wobei es auch sein kann, das es nicht viel helfen wird. Aber dann hast Du dir einen möglichen Weg gesucht. Mehr geht nun mal nicht.

viele Grüße
elisabeth
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  #5  
Alt 14.01.2003, 19:06
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Ich war am Sonntag im Krankenhaus. Ich habe meiner Großmutter gesagt, dass ich sie lieb habe. Ich wußte nicht, dass es ein Abschied war.
Sie ist heute Nachmittag gestorben.
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  #6  
Alt 14.01.2003, 20:07
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

Liebe Jule,
der Mensch denkt und Gott lenkt. Wie schön daß Du es noch geschafft hast. Wünsche Dir viel Kraft und Staerke, und alles Gute auf Deinem weiteren Lebensweg. Liebe Grüsse - Ute
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  #7  
Alt 15.01.2003, 15:14
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Standard Ich, als Enkelin, welche Pflichten habe ich?

liebe jules- ich denke deine oma wollte dir auf ihre art zeigen, dass es wichtig ist an dich und dein eigenes leben zu denken- ich glaub sie war eine kluge frau und ich denke sie wird dich sicherlich geistig begleiten- mein aufrichtigstes beileid susi
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