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Alt 06.10.2011, 13:58
asj asj ist offline
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Standard Erfahrungsbericht XELOX/ CAPOX (adjuvant)

Hallo zusammen,

dieser Beitrag richtet sich an andere Betroffene aber auch an deren Angehörige, die sich mit der Diagnose Darmkrebs herumschlagen müssen und wissen wollen, wie die Behandlungsmethoden aussehen.
Ich schreibe dies vor allem vor dem Hintergrund, dass ich selbst meinem sehr freundlichen und fachlich absolut versierten Onkologen Details erst aus der Nase saugen musste, was die adjuvante Chemotherapie mit XELOX/ CAPOX angeht. Man läuft einfach Gefahr, wichtige Infos zu verpassen.

Was ist XELOX/ CAPOX?

Das Standart-Prozedere zur Behandlung von Darmkrebs in fortgeschrittenen Stadien ist die Gabe von Oxaliplatin, Folinsäure und Fluoracil (s.g. FOLFOX-Regime). Diese Medikamente hemmen das Wachstum sich schnell teilender Zellen, betreffen also vor allem Tumorzellen. XELOX/ CAPOX ist ein noch neues Regime, bei dem das Fluoracil in Tablettenform (Handelsname: Xeloda) gegeben wird. XELOX/ CAPOX ist laut zahlreichen Studien in der Mehrzahl der Fälle verträglicher als FOLFOX bei gleicher Wirkung.

Meine Ausgangslage

Mir wurde nach einer inneren Blutung in 03/11 ein Dickdarmtumor im aufsteigenden Dickdarm diagnostiziert (Erstdiagnose Dukes A). Eine OP (rechtsseitige Hemikolektomie, d.h. Entfernung dieses Dickdarmteils) wurde nötig. Während der OP wurde ein fortgeschritteneres Stadium festgestellt als ursprünglich vermutet (Dukes C). Der Operateur entschied sich für eine radikale, erweiterte rechtsseitige Hemikolektomie (entspricht Entfernung von etwa 1/3 Dickdarm + Entfernung des Dünndarmendes). Dabei wurde zusätzlich eine akute Blinddarmentzündung festgestellt.
Die OP verlief kompliziert und trotz speziell zertifiziertem OP-Personal waren gewisse Blutungen und eine Eröffnung des eiternden Blinddarmteils nicht zu verhindern.

Als Enddiagnose wurde gestellt: pT3a PN1b (2/87) PL1 Pv0 G2 R0 nach der TMN-Klassifikation, d.h. ein mittelaggressiver Tumor im Stadium 3 mit Lymphknotenmetastasen, aber keinen Fernmetastasen. Aufgrund der Blutungen während der OP (hohes Verschleppungsrisiko) und einer Vielzahl von Darmpolypen galt ich als Hochrisikopatient und ließ mir eine adjuvante, also den Operationserfolg absichern sollende Chemotherapie empfehlen.

Chemotherapie

XELOX ist ein Regime, das mit der Gabe von Oxaliplatin intravenös beginnt und vom Patienten selbst mit der Einnahme der Xeloda-Tabletten über 2 Wochen fortgeführt wird. Danach erfolgt eine Woche Pause. Insgesamt finden mindestens 8 Wiederholungen statt (also mind. 6 Monate Behandlungsdauer). Die Alternative FOLFOX erfordert einen Port, was mich persönlich abschreckte. XELOX hingegen kann problemlos ambulant erfolgen.

Die Nebenwirkungen von XELOX können sehr vielfältig sein und auch sehr schwer werden. Die Betonung liegt hier auf "können", denn jeder Patient scheint anders zu reagieren.

Ich persönlich kann von belastenden und den Alltag beeinträchtigenden Nebenwirkungen berichten, aber wirklich schwerwiegend oder besonders schmerzhaft war keine davon. Auch die adjuvante Chemotherapie ist eine gewaltige Durststrecke, kann gerade bei Darmkrebs aber die Heilungschancen zu einem guten Teil erhöhen, weswegen man die Nebenwirkungen hinnehmen sollte solange es geht.

Folgende Nebenwirkungen konnte ich beobachten: Zurückzuführen auf das Oxaliplatin sind v.a. leichtgradige Neuropathien, d.h. Kribbeln und Taubheitsgefühle in Händen und Füßen, große Kälteempfindlichkeit, ein "Flimmern" und leichtes, nur selten bemerkbares Zittern in den Muskeln sowie gelegentlich leichte Schmerzen beim Kauen. Diese Nebenwirkungen waren verhältnismäßig erträglich und klangen spätestens 8-10 Tage nach der Gabe wieder ab. Wirklich unangenehm und gerade noch tolerabel waren Schluckbeschwerden, die noch während der Infusion auftraten und langsam innerhalb der nächsten Tage wieder abklangen.

Neuropathien treten beinahe bei jedem Oxaliplatin-Patienten auf.

Speziell aufs Xeloda zurückzuführen waren Hautveränderungen bei mir v.a. an den Füßen, die sich mit regelmäßigem Eincremen (Spezial-Cremes gibt es beim Onkologen) aber gut in schach halten ließen. Etwas problematischer war eine verzögerte Wundheilung, die sich bei mir v.a. anhand der ebenfalls von Xeloda ausgelösten Veränderungen an den Finger- und Zehennägeln bemerkbar machte.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Therapie natürlich in die Knochen geht. Speziell in den ersten Tagen jedes Zyklus hatte ich ein enormes Schlafbedürfnis und körperliche Arbeiten waren erst ab der zweiten Chemowoche möglich. Gewisse Konzentrations- und Koordinationsprobleme hatte ich auch, wenn man aber auf sich achtet und damit umzugehen weiß, stellen diese kein weiteres Problem dar. Hin- und wieder hatte ich nervige Heißhungerattacken, die sich wiederum mit Phasen absoluter Appetitlosigkeit abwechselten. Wenn man sich einmal orientiert hat was der mitunter durch die OP und Nebenwirkungen gebeutelte Darm gut verträgt, kann ich nur empfehlen allein das zu essen, wonach einem der Sinn steht selbst auf die Gefahr hin dass man sich eine Zeit lang eher ungesund ernährt.

Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle oder andere oft mit der Chemotherapie verbundene Nebenwirkungen wie Haarausfall traten praktisch gar nicht auf.

Bilanz

In den ersten Nachsorgeuntersuchungen konnten keine Tumorherde und keine Metastasen festgestellt werden. Alle Tumormarker sind unauffällig.

Meine persönliche Prognose lag anfänglich bei maximal 60% und ist Dank Chemotherapie trotz "Dukes C" auf mittlerweile 85% gestiegen.
Bedeutet so viel wie: Alle zur Verfügung stehenden Daten und Erfahrungswerte legen nahe, dass ich eine Chance von 85% habe die nächsten fünf Jahre krankheits- und rückfallfrei zu überstehen.

Vor diesem Hintergrund macht eine adjuvante Chemotherapie zu 100% Sinn und ich bin froh, dass ich sie nicht abgelehnt habe - allein schon, damit ich mir sagen kann alles Menschenmögliche getan zu haben. Trotz der Gabe des "Killermittels" Oxaliplatin war XELOX mit ein bisschen Geduld recht gut zu vertragen und ich kann nur raten, sich bei bestehender Notwendigkeit für dieses Regime zu entscheiden.

Tipps

Die adjuvante Chemotherapie folgt ja im Grunde immer einer Operation am Darm, die sich bisweilen noch Monate danach bemerkbar machen kann. Deswegen ist es schwer aber wichtig herauszufinden, ob Darmprobleme Folgen der OP oder Nebenwirkungen der Chemotherapie sind. Hier muss man ein bisschen Geduld haben. Wie gesagt, wenn man sich einmal orientiert hat, würde ich v.a. empfehlen zu Essen wonach einem der Sinn steht.
Um es mal krass zu formulieren: Die Nachwirkungen der Darm-OP empfand ich zeitweise als wesentlich schlimmer als die Chemotherapie.

Viel Trinken ist wichtig, um die Zytostatika so schnell wie möglich aus dem Körper zu bekommen.

Man sollte sich auf Geschmacksveränderungen einstellen bzw. auf eine Art Kloß im Hals, wodurch einem auch übel werden kann. Mir sehr geholfen haben tic-tac Drops.

Regelmäßiges Eincremen von Haut und insb. Händen und Füßen ist sehr wichtig, weil so die Entstehung des dem Vernehmen nach sehr unangenehmen und bisweilen sogar ausnehmend schmerzhaften s.g. Hand-Fuß-Syndroms verhindert werden kann.
Der Onkologe empfiehlt bisweilen auch Handschuhe und Socken gegen die gestiegene Empfindlichkeit von Haut und Nerven, in der warmen Jahreszeit hingegen solle man eher "luftig an die Luft gehen". Ich persönlich habe stattdessen schweres und innen weiches Schuhwerk bevorzugt und kam gut damit klar.

Wenn man sich eine gewisse Fingerfertigkeit bewahren will und die vom Oxaliplatin ausgelösten Neuropathien es noch zulassen, sollte man sich irgendwie darin üben, bspw. durch Gitarre- oder Klavierspielen, Tippen, gerne auch Stricken oder so ähnlich. Bei mir hat das die Verschlimmerung der Neuropathien gut gebremst.

Sollte durch die Neuropathien die Empfindlichkeit für Kälte oder die Berührung von spitzen oder scharfkantigen Gegenständen gestiegen sein, muss man die Finger und ggf. Füße unbedingt schonen und auch keine Scheu haben, Hilfe in Anspruch zu nehmen ("Kannst Du mir das mal aus dem Kühlschrank holen?"). Der Tipp ergeht auch speziell an Angehörige!

Mein letzter Tipp: So viel Bewegung wie möglich, und wenn es nur ist, dass man anstatt Aufzug die Treppe nimmt. Es hilft gegen die oft auftauchende chronische Müdigkeit wahre Wunder und wenn man merkt, dass man zumindest noch einigermaßen aktiv sein kann profitiert davon auch die Psyche.

Ich hoffe, mit diesem Erfahrungsbericht den Interessierten ein bisschen geholfen zu haben.
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