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  #1  
Alt 02.01.2006, 13:36
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard Meine Geschichte: Warum ich hier bin - Mutter Bauchspeicheldrüsenkrebs

Lächeln
Da ich - zumindest als schreibendes Mitglied - neu in diesem Forum bin, denke ich, daß die Leserinnen und Leser auch wissen sollten, was mich in dieses Forum geführt hat. Deshalb möchte ich mich und meine Geschichte kurz vorstellen.

Mit dem Thema Krebs, insbesondere dem der Bauchspeicheldrüse, wurde ich im Jahr 2001 konfrontiert. Im Mai dieses Jahres erfuhr ich, daß meine Mutter, damals 47, an einem bösartigen Tumor im Kopf der Bauchspeicheldrüse erkrankt ist. Leider hatte er auch schon in die Leber gestreut, eine OP war also nicht mehr möglich. Wie wohl die meisten, ob nun von dieser Krankheit betroffen oder indirekt damit konfrontiert, war ich zunächst nur fassungslos und entsetzt darüber. Ich konnte nicht verstehen, daß es eine noch so junge Person treffen konnte. Ich begann, im Internet nach Informationen über die Krankheit zu suchen, doch was ich lesen mußte, war nicht gerade motivierend; und auch der Arzt im Krankenhaus sagte mir unmißverständlich: "Wir wissen nicht wann, aber Ihre Mutter wird an dieser Krankheit sterben."

Doch zunächst einmal schöpften wir neuen Mut, als meine Mutter die übliche Chemotherapie - eine Kombination der Mittel Cisplatin und Gemcitabin - erhielt und sie sich, nachdem es ihr zuvor schon sehr schlecht gegangen war, rasch wieder aufrappelte: Sie bekam wieder Appetit, nahm zu, konnte nachts wieder besser schlafen und ging im Grunde wieder ihren alltäglichen Gewohnheiten nach. Man hätte fast vergessen können, wie krank sie war, von einigen Zwischenfällen wie Herzkammerflimmern, Nierenstau und Thrombosen abgesehen, die uns wieder daran erinnerten. Doch ansonsten ging es ihr erstaunlich gut; im August hieß es sogar, der Tumor habe sich um 4 mm verkleinert. Grund zur Hoffnung?

In dieser Zeit taten wir alles, damit meine Mutter sich wohlfühlte. Doch irgendwie hatte ich trotz allem das Gefühl, daß sich zwischen ihr, der Schwerstkranken und mir, der Gesunden, eine Mauer aufzubauen schien. Ich glaube, sie wußte sehr gut, daß sie nicht mehr viel Zeit haben würde und war unendlich traurig darüber. Ihre Stimmungen wechselten rasch, und es war mitunter schwer, immer geduldig zu sein und zu erspüren, was sie gerade nötig hatte.

Am schlimmsten aber war es letztlich für mich, ihr Sterben mitansehen zu müssen - den Zeitpunkt also, mit dem dieses Sterben offensichtlich wurde. Es war furchtbar und für mich so unfaßbar, daß sich ein Mensch einfach so auflösen konnte - man konnte förmlich zuschauen, wie sie einfach immer weniger wurde, immer mehr Aktivitäten selbst nicht mehr erledigen konnte.
Einige Wochen zuvor hatte die bewährte Chemotherapie plötzlich aufgehört zu wirken, eine zweite, die versuchsweise eingeleitet wurde, brachte keine Besserung, im Gegenteil: Die Nebenwirkungen verschlechterten ihren Zustand nur noch. Schließlich fiel das Wort, vor dem wir uns die ganze Zeit über gefürchtet hatten: "austherapiert". Meine Mutter kam aus dem Krankenhaus nach Hause, um bei uns, im Kreise ihrer Familie, zu sterben. Ich weiß bis heute nicht, wie ich das ganze ausgehalten habe: Ich konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, ich glaube, ich funktionierte einfach nur noch.

Meine Mutter wurde von Tag zu Tag immer schwächer, ihr Atmen mühsamer, ihre Hautfarbe immer gelblicher. Und schließlich setzte auch noch eine Art geistiger Verfall ein, sie fing an, nachts herumzugeistern, konnte Gesprächen häufig nicht mehr folgen oder vergaß Dinge, die man ihr in der letzten Minute noch gesagt hatte. Unsere Hausärztin, die sich sehr intensiv um meine Mutter kümmerte und uns bei der Pflege half, erklärte uns, daß sie wohl bald in ein sog. hepathitisches Koma fallen würde. So war es dann auch: Zwei Tage vor dem 3. Advent 2001 war sie von der einen auf die andere Stunde nicht mehr ansprechbar, und sie starb am 16.12.2001 um sieben Uhr abends, acht Monate nach Diagnosestellung, allerdings schlief sie ruhig und lächelnd ein, kein Todeskampf mehr und kein sich-wehren-Wollen.

Lange konnte ich darüber weder schreiben noch sprechen. Ich hatte ständig nur Albträume, diese Gerüche in der Nase und ihr Stöhnen im Ohr, das überhaupt nicht mehr aufhören wollte. Erst langsam kann ich darüber reden, ohne gleich in Tränen auszubrechen. Für alle, die noch von dieser grausamen Erkrankung betroffen sind und es noch sein werden, wünsche ich mir, daß man auch hier bald wirkungsvollere Therapien zur Verfügung hat und die Diagnose "Bauchspeicheldrüsenkrebs" nicht mehr nahezu einem Todesurteil gleichkommt. Denn auch wenn es immer wieder vorkommt, daß der eine oder andere diese Krankheit doch überlebt - es ist bis jetzt eine Erkrankung mit schlechter Prognose, insbesondere dann, wenn ein Tumor bereits metastasiert hat.

Soweit zu meiner Geschichte. Es gibt aber noch einen Grund, weshalb ich hier bin. Ich habe erlebt, wie schwierig der Umgang mit einem Sterbenden für alle Beteiligten sein kann und wie sehr man doch an seine eigenen Grenzen bei diesem Thema stößt, das von der Allgemeinheit doch am liebsten verdrängt wird. Wenn ich kann, möchte ich hier gerne meine Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gewonnen habe, an alle weitergeben, die sich mit einer solchen Situation konfrontiert sehen und nach Rat und Zuspruch suchen. Ich denke, das ist ohnehin eine der vielen Möglichkeiten, die dieses Forum zu bieten hat.
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"Ich glaub, es zählt im Leben / nur, daß du in der Tat / Wie es auch mit dir umspringt / Vor dir selbst gradesteh'n kannst." (Reinhard Mey)

Geändert von Bettina K. (02.01.2006 um 13:52 Uhr)
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  #2  
Alt 02.01.2006, 16:11
Lili Lili ist offline
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Beiträge: 83
Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Liebe Bettina,
ich finde es sehr schön, dass Du Dich entschlossen hast, hier so "öffentlich", wenn auch vor einer sehr speziellen Öffentlichkeit, Deine Geschichte zu schildern und Deine Hilfe denen anzubieten, die einen so schweren Weg noch vor sich haben. Herzlich willkommen in diesem Forum. Vielleicht kann dies auch ein Weg der Verarbeitung für Dich sein, um mit Deinem Verlust besser umgehen zu können.
Lili
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  #3  
Alt 02.01.2006, 16:52
Krasi Krasi ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Hallo Bettina,

deine Geschichte könnte auch meine sein. Meine Mutter verstarb 1994 an Brustkrebs im Alter von 46 Jahren. Sie hinterließ mich im Alter von 16, meine grosse Schwester 18 und meine kleine 8, sowie meinen Vater. Auch ich leidete sehr an diesem Trauma, sowie meine Schwestern sowie Vater noch heute leiden. Es ist auch innerhalb unserer Familie ein Tabu und wird es wohl immer bleiben. Unsere "Familie" hat diesen druck nicht ausgehalten und ist immer mehr entzweit. Ich kann auch alle Betroffenen nur warnen aus dieser Krankheit und dem Sterben ein Tabu zu machen, daß schadet viel mehr als das es nutzt. Meine Mutter hat mit mir als einzige über Ihren Tod gesprochen und mir Ratschläge für die Zukunft gegeben an die ich mich bis heute bestmöglich halte. Meine große Schwester konnte mit dem Sterben nicht um gehen und ist in der letzten Zeit nur noch zu morgen und Nacht sagen zu Ihr gegangen, sie quälen bis jetzt Schuldgefühle nicht da gewesen zu sein. Sehr selten man kann es bis heute 11 jahre später an einer Hand abzählen, hat sie sich geöffnet. Meine kleine kann auch bis heute nicht darüber reden, ebenso mein Vater der auch seit der Beeerdigung nicht mehr an Ihrem Grab war und nur noch im Streit über seine Frau spricht. Es hat uns sehr viel Leid gebracht, daß man mit seinen Gefühlen alleine ist. Ich hatte das Glück vor 10 jahren meinen Mann kennen zu lernen, der mir zuhörte ohne was zu sagen und bei dem ich mich öffnen konnte, so daß ich es über eine sehr lange Zeit geschafft habe zu verarbeiten. Es gibt immer noch Tage an denen es mir nicht gut geht, aber er ist dann da und nimmt mich in den Arm und hört mir zu. Ich glaube heute, es wäre sinnvoll gewesen seine Kinder auf das vorzubereiten was kommen mußte und nach dem Tod meiner Mutter hätte man mit uns reden sollen. Natürlich weiß ich, daß es meinem Vater nicht nmöglich war und ist, aber ich denke daß wenn man von anfang an lernt mit dieser Krankheit zu leben, man auch lernt mit Ihren möglichen Folgen umgehen zu können, daß das nicht immer einfach ist ist klar. Aber es macht das Leben und den Umgang mit dem Sterben leichter, auch wenn die Angst bleibt. Wir (ich und mein Mann) durchleben gerade im Moment diese Phasen erneut, da wer meine Texte gelesen hat, weiß das nun mein SchwiPa an BSDK erkrankt ist. Nun versuche ich es ihm und seiner Familie mit meinen Erfahrungen zu helfen. Natürlich nur soweit wie sie wollen und sie es annehmen. Seit unserer ersten großen Auseinandersetzung mit dem Thema (es ging um das Tolerieren der Diagnose und das aussuchen der richtigen Klinik) habe ich das Gefühl, daß es nicht zu Tabu Thema werden wird . micha und seine Mutter unterhalten sich nun schon viel "lockerer"(habe kein anderes Wort gefunden) mit dem Thema Krebs. Das sehe ich schon als kleinen erfolg an, da zuerst niemand diese Diagnose wahr haben wollte, was natürlich auch normal ist. Allerdings blieb zuwenig Zeit um sich langsam an das Thema ranzumachen und in der traumwelt zu leben, es ist ein Fehldiagnose und alles wird ohne was dazuzutun gut. Nun hat mein SchwiPa so die Möglichkeit bekommen und wird sie morgen wahrnehmen zum Spezialisten nach Bochum zu gehen.
Habt die Kraft und den Mut über diese Krankheit zu sprechen als wäre es etwas"normales" und Kinder können besser mit der Wahrheit umgehen als viele Erwachsene denken.
LG
Silke
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  #4  
Alt 02.01.2006, 16:58
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Liebe Lili,

danke, daß Du mir geantwortet hast. Du hast recht: Wenn ich mich in diesem Forum mit anderen austausche, dann ist das letztlich für mich auch nochmal eine Art Auseinandersetzung mit dem Tod meiner Mutter. Indem ich anderen meine Erfahrungen mitteile, gehe ich auch selber damit immer wieder neu um.
Bei mir ist die ganze Geschichte ja nun schon vier Jahre her, so daß ich dazu inzwischen schon ein wenig Abstand gewonnen habe. Aber ich weiß, wie hilflos und gelähmt man sich in einer solchen Lage fühlt, und da sollte man möglichst nicht allein sein. Ich habe damals nach Kontaktmöglichkeiten gesucht, aber ich glaube, das Forum für diesen speziellen Krebs gab es in dieser Form gerade noch nicht. Jedenfalls gab es keine "Gleichgesinnten", und die hätte ich damals sehr gebraucht. Auch deshalb möchte ich zu diesem Forum etwas beitragen.
Das Thema Sterben und Tod ist leider immer noch so tabubesetzt, daß es so schwierig ist, mit anderen darüber zu sprechen. Aber gerade die, die solche Grenzsituationen erfahren haben, sollten meiner Meinung nach, wenn sie es schaffen, diese Dinge so offen wie möglich aussprechen. Das wäre mein Anliegen.
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  #5  
Alt 02.01.2006, 17:21
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Meine große Schwester konnte mit dem Sterben nicht um gehen und ist in der letzten Zeit nur noch zu morgen und Nacht sagen zu Ihr gegangen, sie quälen bis jetzt Schuldgefühle nicht da gewesen zu sein. Sehr selten man kann es bis heute 11 jahre später an einer Hand abzählen, hat sie sich geöffnet.

@Silke
Ach ja, das Thema Schuld gehört aber wohl auch zu fast jeder Trauer irgendwie dazu, habe ich den Eindruck. Denn obwohl ich ja eigentlich bei meiner Mutter war und alles Menschenmögliche getan habe, haben auch mich lange Schuldgefühle gequält und die Frage, ob ich nich doch etwas versäumt habe. Aber letztlich tut eben jeder, was er kann, und wir alle - ich denke, auch das dürfen wir uns im Umgang mit Sterbenden zugestehen - haben auch unsere Grenzen. Auch ich habe insbesondere während der beiden letzten Tage vor dem Tod meiner Mutter große mühe gehabt, in ihre Nähe zu gehen bzw. still an ihrem Bett zu sitzen. Ich mußte dazwischen auch nach draußen, um Kraft zu schöpfen, sonst wäre ich durchgedreht. Es ist und bleibt eine Grenzsituation, mit der jeder anders umgeht und für die es keine Regeln gibt. Ich bin heute davon überzeugt, daß mein Vater und ich und alle, die uns begleiteten, ihr bestes gegeben haben. Und das wußte meine Mutter. Für sie war es das wichtigste, nicht allein in einem sterilen Krankenhaus zu sterben, und das konnten wir ihr ermöglichen. Ich danke noch heute Gott dafür.
Du hast recht, eine wirkliche Verarbeitung - in jeder Hinsicht - kann eigentlich nur dann stattfinden, wenn alle Beteiligten sich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, so wie sie ist. Das ist sehr schwer, kostet viel Kraft und erfordert einiges an Mut; und natürlich sollte man, solange es möglich ist, immer die Hoffnung bewahren. Aber wenn das Unvermeidbare offensichtlich wird, tut man besser daran, es anzunehmen und den geliebten Menschen loszulassen. Als meine Mutter mir damals mitteilte, daß sie zu Hause nun sterben wolle, konnte ich es nicht glauben. Ich wollte sie überreden weiterzukämpfen, nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Aber damit habe ich ihr zunächst keinen Gefallen getan, denn für sie war es ohnehin schwer genug, mich, ihre Tochter, zurückzulassen. Und eine Chance auf Heilung gab es in diesem Stadium einfach nicht mehr. Schließlich hat sie mich förmlich angefleht, ihr einfach nur zu helfen und da zu sein. Es war ein schwerer Abschied, aber heute kann ich sagen, daß ich froh bin, ihr das Sterben erleichtert zu haben.

Ich hoffe für Dich, liebe Silke, daß es auch euch mit Deinem Schwiegervater gelingen möge, wenn es so weit sein sollte.

Liebe Grüße,
Bettina
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  #6  
Alt 02.01.2006, 19:15
Krasi Krasi ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Danke Bettina für deine worte. Wie schwierig loslassen ist, weiß ich ja und natürlich hatte ich auch lange schuldgefühle, sogar dafür das ich zum Schluß zu Gott gebetet habe sie zu erlösen. Heute denke ich anders darüber, aber wenn es wieder soweit ist loszulassen, glaube ich wird es wieder so schwer. Allerdings wird es heute leichter sein sich darauf vorzubereiten und dadurch wird auch die Zeit die man noch gemeinsam hat intensiver, weil man mehr zu schätzen weiß, daß man diese Zeit wenigstens noch hat. Vielleicht gerade weil ich weiß was ich dafür geben würde noch etwas Zeit mit Ihr verbringen zu dürfen. Andererseits bin ich heute der Meinung, daß der TOD nicht das Ende ist. Sie mag zwar körperlich nicht mehr anwesend sein, aber Ihr Geist ist bei mir. Hätte mir sowas früher jemand gesagt, hätte ich gedacht die hat sie doch nicht mehr alle. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie über mir wacht. Sie ist da, obwohl sie nicht da ist. Schwierig sind für mich Vorstellungen von Hochzeit, schwangerschaft, Geburt, da mir dann ganz besonders Ihre körperliche Anwesenheit fehlt.

LG Silke
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  #7  
Alt 02.01.2006, 19:35
Petra40 Petra40 ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Hallo Bettina,

auch ich kenne diese Situation.
Ich bin Petra und mein Mann Pit ist am 01.04.2005 mit 39 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben.

In etwa war es bei ihm genauso wie bei Deiner Mutter. Er war zu diesem Zeitpunkt in der Hufelandklinik, irgendwie unseres letzte Hoffnung, da er ja eigentlich bereits im April 2004 (bei Feststellung der Diagnose) austherapie war. Er hatte beide Leberlappen voll mit Metastasen.

Er hat dann noch ein knappes Jahr Chemo bekommen. Anfangs ging es ihm super gut, nur ab Weihnachten 2004 ging es ihm dann zusehends schlechter.

Ich muß dazu sagen, daß Pit ein Bär von einem Mann war 195 cm groß und 94 kg schwer und das blieb auch so bis zum Schluß. Er hat nie gejammert, war nie schlecht drauf. Ganz im Gegenteil er hat mich immer wieder aufgebaut, wenn einer das schaffen würde dann er. Dafür liebe ich ihn heute noch, er war so stark.

Es ist wirklich fürchterlich einem geliebten Menschen zusehen zu müssen, wie es ihm täglich schlechter geht. 6 Wochen vor seinem Tod waren wir noch beim Skifahren und es war ein wundervoller Urlaub, auch wenn er schon sehr viel Schmerzmittel nehmen mußte.

Wir hatten auch Freunde die mit dieser Krankheit nicht umgehen konnten und sich zurückgezogen haben, aber Gott sei dank nicht sehr viele. Wir haben einen sehr großen Freundeskreis und die waren eigentlich fast alle immer für uns da. Es gab auch Leute die meinten sie wüßten genau wie ich mich fühlen würde, nachdem Pit gestorben war. Das waren Leute die irgendwie schon einmal eine unglückliche Liebe hatten oder so. Darüber konnte ich mich unwahrscheinlich aufregen, denn ich meinte ja mein Leid wäre wohl das allergrößte. Es ist ja wohl auch nicht vergleichbar. Aber für den einen ist ein verlorener Gegenstand schon das allerschlimmste.

Ich finde es gut, daß Du eine solche Seite aufgemacht hast, es ist wirklich sehr schwer über seine Gefühle zu reden, für mich war das jedenfalls so.

Liebe Grüße

Petra
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  #8  
Alt 02.01.2006, 20:53
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Hallo Silke und Petra,

ihr sprecht zwei wichtige Dinge an: erstens das Unvermögen anderer, mit Betroffenen und deren Angehörigen umzugehen, und zweitens die Frage, wie wir das Andenken an unsere Lieben bewahren und sie zugleich loslassen können.

Zu Ersterem kann ich nur sagen: Auch ich fand die Art und Weise, wie viele Bekannte damals mit uns umgehen, einfach unerträglich. Das reichte von "Trostworten" wie "Das wird schon wieder" (obwohl wir doch längst wußten, daß eben nichts mehr werden würde) bis hin zu altbekannten Sätzen wie "Das Leben muß weitergehen". Das alles zeigt aber eines ganz deutlich: daß wir es nicht mehr gewohnt sind, mit diesem Thema, das doch eigentlich genauso zum Leben gehört wie eine Geburt, unbefangen umzugehen. Von Grund auf wird der Tod uns als etwas böses, schreckliches eingebleut, über das man nicht spricht, erst wenn wir keine andere Wahl haben - und dann wissen wir nicht, was wir tun sollen. Vielleicht müssen wir das wieder lernen.

Das Loslassen ist genauso schwer und wohl ein langer Prozeß. Aber ich glaube auch, daß die Liebe unserer Verstorbenen immer bei uns bleibt, solange wir uns an sie erinnern. Inzwischen kann ich jedenfalls meine Mutter guten Gewissens gehen lassen und zu ihr sagen: Du hast deine Aufgabe erfüllt. Auch weil ich glücklich und dankbar bin, eine Mutter gehabt zu haben, wie sie es war.

Übrigens: Hier noch ein TV-Programmtip, der vielleicht manchen interessieren könnte.

'Letzte Reise' - eine Doku über das Sterben

"Letzte Reise", eine fünfteilige Dokumentar-Serie von Mechthild Gaßner, begleitet Menschen mit der Kamera, denen die Diagnose gestellt wurde, nicht mehr lange leben zu dürfen. Die WDR-Produktion ist vom 16. bis 20. Januar jeweils um 20.15 Uhr in ihrer Erstausstrahlung auf arte zu sehen.

In "Letzte Reise" wird das Sterben thematisiert, die Arbeit professioneller Helfer und Begleiter, aber auch die Versuche der Angehörigen, dem Schicksal
ihrer Nächsten ins Auge zu blicken. Dennoch dreht sich die Dokumentar-Serie – so informiert arte – nicht nur um Trauer und Tod, sondern: "Es geht auch um Treue und Freundschaft, um Liebe und Hingabe - um das Leben."
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  #9  
Alt 03.01.2006, 21:38
HolgerS HolgerS ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Danke für den TV-Tip. Das werde ich mir mal sofort in den Kalender schreiben und den Videokrekorder anschmeissen.

Jetzt überlege ich gerade nur wieder: Soll ich das auch unserer Mutter geben oder mir erstmal angucken und dann entscheiden?
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  #10  
Alt 03.01.2006, 22:17
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petra9 petra9 ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

hallo,möchte mich hier auch einmal melden.mein mann, 53 jare, wurde im juni 05 am bauchspeicheldrüsenkopf operiert.danach bekam er chemo mit gemzar.die musste aber abgebrochen werden, da er im sept. nur noch 48 kilo wog.er ist 182cm groß und hat vorher 82 kilo gewogen.inzwischen wird er nur noch über den port ernährt.die blutwerte sind andauernd schlecht.jetzt ist er gerade wieder im krankenhaus.essen kann er nicht mehr.der darm funktioniert nicht.urin kann er nur noch mit dem katheter entleeren. in der leber und im bauchfell sind metastasen.wurde jetzt beim ct gesehen.blutübertragung hat er auch wieder bekommen.die ärzte sagen, sie können nichts mehr für ihn tun.op und chemo würde er nicht vertragen.wir sind so hilflos.ausserdem habe ich auch krebs am gebärmutterhals.wurde operiert.ist aber bis jetzt alles ok.wir wissen nicht mehr, was wir machen sollen.
petra
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  #11  
Alt 04.01.2006, 10:33
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Hallo in die Runde,

@Holger, hier nur meine ganz persönliche Einschätzung: An Deiner STelle würde ich Deiner Mutter von der Doku erzählen und sie selbst entscheiden lassen, ob sie sie sehen will. Ich denke, so etwas kann sehr aufwühlend sein, und das will bestimmt nicht jeder. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das gebraucht hätte in der Zeit, in der meine Mutter so krank war. Aber jetzt bin ich gespannt darauf, wie mit diesem Thema umgegangen wird.

@Petra, ich lese die Hilflosigkeit aus Deinem Beitrag deutlich heraus, und das ist auch völlig normal und legitim. Wir alle sind nur Menschen, die angesichts solcher Tragödien an ihre Grenzen stoßen. Leider kann ich Dir nichts abnehmen, aber ich will Dich wissen lassen, daß Dich meine Gedanken begleiten. Sei einfach da für Deinen Mann, so gut Du es kannst. Die Anwesenheit der Liebsten ist, so glaube ich, das Wichtigste in dieser Zeit.

Alles Gute,
Bettina
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  #12  
Alt 10.01.2006, 16:59
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petra9 petra9 ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

hallo, wollte mich nur noch einmal kurz melden.mein mann ist diesen morgen verstorben.er hatte nur noch morphium spritzten bekommen. sein ringen mit dem tod hat 2 std. gedauert.die ärzte sagen zwar, jetzt ist er erlöst, aber der schmerz ist doch sehr schlimm.
petra9
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  #13  
Alt 10.01.2006, 17:09
Bettina K. Bettina K. ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Hallo Petra,

das tut mir leid zu hören! Ich verstehe, daß Du den Tod Deines Mannes noch nicht als Erlösung empfinden kannst. Ich habe beim Tod meiner Mutter damals schon erst mal eine Art Erleichterung empfunden, weil es so weh tat, sie leiden zu sehen. Aber dann kommt der Schmerz trotzdem sehr schnell hinterher, das ist doch auch ganz klar.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für die nächsten Tage, denn die sind die schwersten. Aber wenn Du das überstanden hast, dann wird es jeden Tag ein kleinwenig leichter. Melde Dich ruhig, wenn Du reden willst.

Alles Liebe für Dich,
Bettina
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  #14  
Alt 10.01.2006, 17:45
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Roland Roland ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

Liebe Petra 9,

Auch ich möchte Dir mein Beileid aussprechen.

Für die kommende Zeit wünsche ich Dir und Deiner Familie viel Kraft.

Stille Grüsse

Roland
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“Gib’ mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann;
die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann
- und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!”
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  #15  
Alt 10.01.2006, 17:52
Jörg46 Jörg46 ist offline
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Standard AW: Meine Geschichte: Warum ich hier bin

@Petra9

auch mein aufrichtiges Beileid, ich wünsche viel Kraft und Stärke

ein stiller Gruß Jörg
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