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  #1  
Alt 19.11.2006, 19:21
Benutzerbild von waldi52
waldi52 waldi52 ist offline
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Standard Ende einer großen Liebe

Heute habe ich meinen Mann verlassen. Zum allerersten Mal seit vor genau einem Jahr diese vernichtende Diagnose (kleinzelliges BC) gestellt wurde. Jeden Tag und jede Stunde gingen wir seither diesen schweren und doch immer wieder glücklichmachenden Weg. Ob im Krankenhaus oder bei der Reha. Ich war immer an seiner Seite. Habe darum gekämpft, dass ich auch in der Nacht bei meinem geliebten Mann sein durfte. Das war mitunter recht schwer und nur mit finanziellen Rücklagen zu bestreiten. Aber wir haben es geschafft. Haben alles miteinander geteilt, durchlitten und erlebt. Und heute früh hat er auf qualvolle Weise den Kampf einstellen müssen. Seit 10.11. waren wir wieder im Krankenhaus. Das war unser 34. Hochzeitstag. Am 33. Hochzeitstag vor einem Jahr bekamen wir die Diagnose.
Heute ist in meinem Armen erstickt. Es war schrecklich. Als alles zu Ende war, habe ich Ärzte und Pfleger gebeten, uns alleine zu lassen. Ich habe ihn gewaschen und schön angezogen. Das letzte Zeichen meiner Fürsorge, das ich ihm geben konnte. Ich habe das Chaos beseitigt, das der Kampf ums Überleben hinterlässt. Das Zimmer, unser gemeinsames Zimmer für diese letzten schweren Tage, für ihn gerichtet. Als das getan war konnte ich Abschied von ihm nehmen. Auch unsere beiden Töchter waren inzwischen eingetroffen. Sie taten mir so leid, als sie ihren toten Vater in diesem Bett sahen.
Seit einem Jahr haben wir uns trotz aller Hoffnung, die wir nie aufgegeben haben, auf dieses Sterben vorbereitet. Trotz aller Verzweiflung bin ich seltsam gefasst. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo ich ihn alleine in diesem Zimmer zurücklassen musste. Das war unbeschreiblich schwer. Ich kann jetzt noch nicht glauben, dass ich es getan habe und alleine nach Hause ging. Meine beiden Töchter wollten bei mir bleiben, aber dies muss ich alleine durchstehen. Dieser erste Abend in einem Zuhause, das mir plötzlich fremd ist. Morgen beginnt der Weg durch die Ämter, der Gang zum Bestatter und alles, was zu tun ist. Dabei werden mir die Mädels helfen. Aber jetzt möchte ich nur alleine sein, realisieren, dass es tatsächlich passiert ist. Ich bin seltsam verloren, gehe rastlos durch die Zimmer. Überall Spuren von ihm, es kann doch nicht sein, dass es nur noch Spuren sind. Und er alleine in diesem Krankenhaus liegt, bis ihn der Bestatter holt.
Morgen beginnt mein neues Leben ohne das Liebste an meiner Seite.
Ich bin übrig geblieben. Eine vereinsamte Hälfte eines glücklichen Ganzen. Wie kann man leben, wenn die Hälfte fehlt? Was gibt jetzt einen Sinn?
Mein Mann war die letzte Zeit oft verwirrt, nachdem ihm Hirnmetastasen immer mehr zusetzten. Aber gestern hatte er einen total klaren Tag. Und wir haben bewusst Abschied genommen. Auch unsere Töchter konnten kommen und sich von ihrem Papa verabschiedne. Es waren so schwere, aber so glückliche Stunden. Und es macht uns allen den heutigen Tag einigermaßen erträglich. Denn wir konnten noch alles aussprechen, was zu sagen war. Und wir konnten uns sagen, wie glücklich wir als Paar und als Familie waren. Jetzt kann ich nur in Gedanken mit meinem Herbert sprechen. Aber die Antwort fehlt. Mein Gott, wie wird das weitergehen?
Mein Großer, du hast mir versprochen, aus deiner Welt ein Auge auf mich zu haben und auf mich aufzupassen. Ich hoffe, du bist inzwischen dort angekommen, jenseits aller Schmerzen und Ängste. Hilf mir, die nächste Zeit zu überstehen. Ich danke dir für so viele glückliche Jahre. Du fehlst mir unsagbar. Warte auf mich, bis wir uns wieder sehen.

Deine Marianne, die es noch nicht fasst, dass sie dich nicht mehr umarmen kann.
__________________
In einem Meer von Schmerzen ertrinken die einen,
die anderen lernen darin schwimmen. (Kyrilla Spiecker)
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  #2  
Alt 19.11.2006, 19:41
silverlady silverlady ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

liebe marianne
ein stiller gruß.

ich wünsche dir die karft die du brauchst
silverlady

auch meine große Liebe ging vor ein paar tagen ins regenbogenland
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  #3  
Alt 19.11.2006, 19:59
Benutzerbild von skorpion1965
skorpion1965 skorpion1965 ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Liebe Marianne,

auch von mir ein stiller Gruß und eine liebe Umarmung. Wir hier sind für dich da.

Ich wünsche dir viel Kraft
Ute
__________________
Schweigen ist oft der lauteste Schrei!
Schokohase 07.06.1979 - 16.07.2006
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  #4  
Alt 19.11.2006, 20:08
Benutzerbild von Muckchen
Muckchen Muckchen ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Liebe Marianne,
ich spreche Dir mein tief empfundenes Beileid aus und wünsche Dir für die kommende Zeit alle Kraft der Welt. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Du das Ganze realisieren kannst. Wahrscheinlich wirst Du erst einmal nur funktionieren. Nimm es dankbar hin, dass Du Dich in Liebe von Deinem Mann verabschieden konntest und die Gewissheit hast, dass er von seinen Schmerzen erlöst ist. Ich habe das jetzt 1 Jahr hinter mir und es tut immer noch sehr weh. Aber ich nehme viel Kraft aus dem Glauben, dass er mich begleitet und beschützt. Jeden Abend spreche ich mit ihm, was mir auf alle Fälle gut tut.
Viel, viel Kraft - wünscht Dir Marion
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  #5  
Alt 20.11.2006, 10:19
Anemone Anemone ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Liebe Marianne,
auch von mir herzliches Beileid. Ich weiß, wie schwer die letzten Monate für Euch waren und für Dich die kommende Zeit sein wird, ich bin seit 10 Monaten allein, mein lieber Mann hat seinen tapferen Kampf gegen den Krebs im Januar verloren.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie ganz viel Kraft und Zuversicht, vielleicht hilft Dir das Schreiben im Forum ein wenig. Du kannst sicher sein, dass Du hier immer ein offenes Ohr findest, wir sind alle aus dem selben Grund hier.
Ich schicke Dir eine stille Umarmung und viele liebe Grüße,
Anemone
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  #6  
Alt 20.11.2006, 21:52
Benutzerbild von waldi52
waldi52 waldi52 ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Hallo ihr Lieben,
ich danke euch für eure mitfühlenden, herzlichen Worte. Es hat mir gut getan, dass ihr Anteil nehmt, besonders da jede von euch genau weiß, wie es sich anfühlt. Wie es ist, wenn man plötzlich wieder laufen lernen muss.
Heute war ich beim Bestatter. Meine Töchter haben mich begleitet. Alle drei hatten wir Angst vor diesem Gespräch, genauso wie wir Angst vor dieser Trauerfeier hatten, die es zu organisieren galt. Auf der anderen Seite hatten wir auch recht konkrete Wünsche, wie das Ganze nun aussehen könnte. Wussten nur nicht, ob es so zu verwirklichen ist. Denn die Beerdigungen, bei denen ich bisher teilnehmen musste, waren allesamt nur schrecklich. Stunden, die man nur versuchte, hinter sich zu bringen. Ich weiß genau, das will ich nicht. Zum Glück habe ich einen Bestatter gefunden, der offen ist für Wünsche. Er hat sehr schnell gemerkt, um was es mir ging. Das Ganze hat er noch um einige wunderschöne Details ergänzt.
Mein Mann will verbrannt werden. Also wird es eine Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung geben. Die Urne wird auf einem Podest stehen, umgeben von Rosen, den Lieblingsblumen meines Mannes. Dabei wird ein Bild von ihm stehen. Dazu noch ein großer Rahmen mit verschiedenen Bildern seiner Lebensstationen. Jeder der Angehörigen entzündet zu Beginn eine Schwimmkerze, die in eine schöne Wasserschale gelegt wird und ebenfalls bei der Urne steht. Wir haben die Musik ausgesucht. Bevor die Urne zum Grab getragen wird, wird ein afrikanisches Wiegenlied gespielt. Das habe ich meinem Mann oft in besonders schwierigen Stunden gespielt. Es hat ihn immer ruhig werden lassen. Wenn die Urne versenkt wird, kann jeder eine Handvoll Blüten darüber streuen. Ich finde diese Sitte, eine Schaufel Sand in ein Grab zu streuen, nicht sehr schön. Ich habe es untersagt, dass Grabreden gehalten werden. Nur der Pater, der die Feier durchführt, wird einiges erläutern, was diesen einzigartigen Menschen ausgemacht hat. Die Informationen erhält er von mir. So kann ich mich insgesamt mit dem Ablauf der Trauerfeier anfreunden. Es soll ein Trost werden und keine Veranstaltung, wo man froh ist, wenn sie vorbei ist.
Ich bin erstaunt, wie gefasst ich bin, trotz aller Trauer über diesen grausamen Verlust. Ich kann es mir nur so erklären, dass es hilfreich war, sich ein ganzes Jahr auf dieses Sterben vorbereiten zu können. Mitzuerleben, wie die Krankheit immer mehr die Oberhand gewann. Und vor allem war wichtig, dass ich die Gewissheit habe, alles, aber wirklich auch alles für meinen Liebsten getan zu haben, was in meiner Macht steht. Das erleichtert mir die Trauerarbeit sehr. Auch die Tatsache, dass wir viel Trauerarbeit schon zu seinen Lebzeiten geleistet haben, weil wir immer offen waren und keine Schutzzäune gegenseitig aufgebaut haben, erspart mir jetzt viele Tränen. Ich habe sie ja vorher zusammen mit meinem Mann geweint. Ich weiß jetzt, dass der Weg, so wie wir ihn gegangen sind, für uns richtig war.
Und ich gebe mir die Erlaubnis, dass das Leben für mich weitergeht. Ich versuche schon jetzt jeden Tag, wieder Anschluss ans Leben zu finden.
Als wir vom Bestatter kamen, gingen wir drei zusammen zum Chinesen essen. Und tatsächlich habe ich es genossen. Seit Wochen das erste Mal, dass ich Essen genießen konnte. Meine Töchte haben sich riesig gefreut, dass ich fast einen Teller voll aufessen konnte ohne Probleme. Denn das ging nun schon lange nicht mehr. Und ich war glücklich darüber.
Heute musste ich auch viele Anrufe erledigen, um Bekannten und Verwandten den Tod meines Mannes mitzuteilen. Das war recht schwer.
Ich denke, so wird es oft sein in der nächsten Zeit. Augenblicke der Zufriedenheit und Ausgeglichenheit werden sich abwechseln mit tiefer Traurigkeit. Ich werde beides zu leben wissen.

Mein Großer, warst du heute wieder so stolz auf deine drei Mädels, wie du es uns am Samstag noch immer und immer wieder gesagt hast?
Ich glaube, deine Feier wird dir sehr gut gefallen. Morgen darf ich dich ein letztes Mal beim Bestatter besuchen. Dann wird dieser Körper, der dir zuletzt den Dienst versagt hat, eingeäschert. Aber da ich weiß, dass du immer um mich bist, ist das so in Ordnung. Hast du dich gefreut, als ich dir eine Urne aus Naturholz ausgesucht habe? Ich glaube, von den anderen hättest du gesagt, die sehen aus wie ein Rumtopf. Das habe ich auch dem Bestatter gesagt, und so haben wir inmitten von Särgen und Urnen gelacht. Das hätte dir gefallen.
Bis morgen mein Liebster. Ich werde deinem Körper ein Bild von unserer Hochzeit mit auf den Weg geben. Dann werde ich auch ein kleines Stück mit dabei sein dürfen. Hilf mir morgen, es wird sehr schwer werden, dich endgültig gehen zu lassen.

Alles Liebe von Marianne (die sich immer noch nach realen Umarmungen von ihrem Liebsten sehnt)
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In einem Meer von Schmerzen ertrinken die einen,
die anderen lernen darin schwimmen. (Kyrilla Spiecker)
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  #7  
Alt 20.11.2006, 23:06
Benutzerbild von Yvonne68
Yvonne68 Yvonne68 ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Liebe Marianne,mein herzlichstes Beileid,Ich wünsche dir aller größte Kraft für die nächsten Stunden,Tage ,Wochen, Monate.Vieleicht tröstet es dich nur ein wenig,das du nun weißt,das dein lieber Mann nun nicht mehr leiden muß,und er deine Liebe bestimmt spürt.Wo auch immer seine Reise ihn hin geführt hat. Nun nehm ich dich mal fest in Arm,um dir Kraft zu schenken.Wünsch dir erst mal alles alles gute.Yvonne
__________________
Gott gebe mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen,die ich nicht ändern kann,den Mut Dinge zu ändern die ich ändern kann,und die Weisheit,das eine vom anderen zu unterscheiden.
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  #8  
Alt 20.11.2006, 23:44
Schnullerbacke Schnullerbacke ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Hallo Marianne

Einen stillen Gruß,
eine liebe Umarmung
und alle Kraft der Welt
für die schwere Zeit,
die noch vor dir liegt.

Sylvia
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  #9  
Alt 21.11.2006, 06:41
Wolke Wolke ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Hallo Marianne,

nun hast du schon die ersten Hürden genommen wie die Anrufe tätigen und zum Bestatter gehen. Es hat doch gut geklappt oder? Ich bin mir sicher du wirst auch die Trauerfeier gut hinter dich bringen. Auch ich hatte Angst davor, als meine Ma beerdigt wurde, aber ihm nachhinein, war es weniger schlimm als ich befürchtet habe. Ich kann mich eh nicht mehr an alles erinnern, weil es in der Woche so viel zu verarbeiten galt.

Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft.

Wolke
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