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  #1  
Alt 17.07.2007, 19:59
ute57 ute57 ist offline
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Standard Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Ich schreibe jetzt als Hinterbliebene, die vorher im KK-Forum Hirntumor und anschließend im POM (Place of Memory) geschrieben hat. Mein Mann ist jetzt fast 11 Monate tot. Wie kommt ihr damit klar, wenn sich "sogenannte" Freunde und Bekannte danach verabschiedet haben ohne Grund. Ich habe inzwischen erfahren, daß es wohl oft in der Regel so ist. Wie kommt ihr mit der Einsamkeit klar. Wie findet ihr neue Bekannte bzw. einen neuen Bekanntenkreis. Ich spreche im Moment Alterskreise zwischen 45 und 60 Jahre an? Ich weiß nicht, ob ihr mir antworten möchtet oder könnt. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, daß sich unsere sogenannten "Bekannten" leider verabschiedet haben ohne Vorankündigung. Einfach nur nicht mehr melden. Wenn ich mich gemeldet habe, hieß es dann, wir rufen wieder an. Und danach Funkstille. Warum? Ist es normal? Bitte, wer mag, kann vielleicht dazu eigene Erfahrungen schildern. Wir können uns austauschen und vielleicht auch daraus lernen, damit umgehen zu können. Natürlich möchte ich auch jüngere Hinterbliebene damit ansprechen. Ich möchte hier alle ansprechen, ob männlich oder weiblich. Es ist schwierig für alle. Ich muß noch dazu sagen, daß ich leider keine Geschwister oder großen Verwandtenkreis habe. Vielleicht liegt es auch daran. Oftmals habe viele noch Geschwister, dadurch noch mehr familiäre Bindungen. Also wer mag, schreibt vielleicht dazu.
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  #2  
Alt 17.07.2007, 20:29
Franziska1 Franziska1 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Ute, mein Mann ist am 10.04. diesen Jahres verstorben, ich bin 57 Jahre alt, mein Mann war 59 Jahre alt. Ich weiß nicht, wie ich diesen Verlust jemals verkraften soll. Er fehlt mir unendlich.
Obwohl diverse Verwandte nur 3 Straßen weiter wohnen, hat sich in der Zeit in der mein Mann krank war und es waren immerhin 2 1/2 Jahre keiner blicken lassen oder angerufen, jetzt ist er schon 13 Wochen nicht mehr da und keiner hat mit mir Kontakt aufgenommen.. Als mein Mann noch lebte hat mein Chef beinahe täglich bei mir zu Hause angerufen und gefragt wie geht es,(ich habe meinen Mann die letzten 3 Wochen gepflegt) (sie dachten er wird ein längerer Pflegefall und ich bleibe zu Hause)jetzt wird davon ausgegangen, dass sich alles wieder normalisiert hat.Wenn er mich fragt, wie geht es, sage ich schlecht und er sagt "warum"? Es kann niemand verstehen warum ich manchmal in Tränen ausbreche und einen Weinkrampf bekomme. Es kann sich niemand hineinversetzen der diesen Schmerz nicht selbst erlebt.Gute Bekannte rufen Sonntag abend an, wahrscheinlich aus dem Grund damit sie keine Einladung aussprechen müssen. Der beste Freund meines Mannes lebt in Australien, er wusste, dass mein Mann gestorben ist, erst ein Anruf von mir heute mittag bei ihm ergab, dass sie die Nachricht bekommen hätten, aber bei ihnen sei selbst so viel los. Keine Beleidskarte, keine Email, nichts.,Das sagt alles. Ich habe die Menschen jetzt kennengelernt. Gedankenlos und ohne Herz.Dazu muss ich noch sagen, dass ich seit 1965 in einer Kanzlei arbeite, 2 Wochen nach dem Tod meines Mannes hat man mir die Kündigung ausgesprochen, ich bin zu teuer, die Geschäfte gehen schlecht. Mich wundert heute selbst woher ich die Stärke nahm auch das zu überstehen. Meine beste Freundin, mit der ich mich wirklich gut verstehe, kommt nicht auf die Idee mich mal Samstags oder Sonntags einzuladen.Ich warte nicht mehr darauf.Mein wirklicher bester Freund ist mein Sohn, er ist 31 Jahre alt und meine Mutter, die selbst letztes Jahr ihren Mann(meinen Stiefvater) zu Grabe tragen musste.
Liebe Grüße Franziska
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  #3  
Alt 17.07.2007, 21:19
ute57 ute57 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Liebe Franziska, das ist genau das, was ich wissen wollte, mir geht es nicht anders. Es tut so unendlich weh. Deshalb habe ich diesen Thread eröffnet. Ich denke mal, daß wir nicht alleine sind. Nur viele trauen sich nicht, darüber zu reden. Viele haben Angst, daß sie dejenigen sind, die es verschuldet haben, warum sich keiner mehr meldet. Ich möchte hier allen Mut machen, sich zu melden. Dann sind wir nicht mehr alleine! Vielleicht ergibt sich dadurch mehr! Ute
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  #4  
Alt 17.07.2007, 21:44
Franziska1 Franziska1 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Ute,
ich frage mich, liegt es an mir? Aber ich habe viel nachgedacht, ich glaube es fehlt vielen Menschen an Einfühlungsvermögen, vielleicht sind es auch Berührungsängste weil sie nicht damit umgehen können
Jeder schiebst es halt weit von sich, weil sich keiner vorstellen kann, es könnte ihm passieren. Aber es ist diese große Verlassenheit, wenn man die Haustüre hinter sich schließt und man alleine ist.Dann kann ich mich gehenlassen und um meinen Mann weinen.

Viele Grüße Franziska
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  #5  
Alt 18.07.2007, 18:54
moni l. moni l. ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Ute,
es war eine gute Idee, diesen Thread zu eröffnen.
Mein Mann ist am 22.05.07 gegangen. Im Oktober 06 kam die Diagnose Lungenkarzinom, aber wir haben bis zuletzt gehofft, er schafft es.
Heute wäre der Termin für die Untersuchung gewesen, ob der Tumor durch die Bestrahlung
operierbar oder vielleicht auch ganz weg gewesen wäre....
R. war 49, ich bin 56. Wir waren dabei, seinen 50. Geburtstag zu planen.
Ihr habt recht, man ist plötzlich ganz schön allein.
Gerade in der Situation, wo man wirklich andere Menschen und Freunde bräuchte, ziehen sich die meisten zurück. Vielleicht ist es ihnen unangenehm, durch mich an den Verlust ihres Freundes erinnert zu werden oder sie wissen nicht, wie sie mit mir umgehen sollen.
Ich war selbstständig und hatte einen ziemlich stressigen Job (Gastronomie).
Im März, vor Beginn der Bestrahlungen, habe ich meinen Vertrag gekündigt zum 30.Juni,
einfach, um mehr Zeit für R. zu haben, und weil mir schon klar war, was das Wichtigste in meinem Leben ist. Wir haben uns riesig auf unsere viele Zeit zusammen gefreut und auf das, was wir dann alles machen wollten.
Tja, jetzt hab ich die viele Zeit ganz für mich allein, hab keinen Job, dürfte auch mit meinen 56 Jahren nicht so leicht sein, einen zu finden.
Habe einen riesigen Berg Angst, wie soll ich das alles schaffen? Hatten uns das zusammen ganz anders vorgestellt.
Freunde und Verwandte? Die sind längst zum Alltag zurückgekehrt, da ist nicht soviel Platz für plötzlich alleinstehende Hinterbliebene.Sie denken bestimmt an mich,
z.B. während eines Anrufes: "Wir wollen heute abend grillen und ein bisschen feiern,
aber du bist ja noch nicht soweit". Auch eine nette Art der Ausladung.
Oder der Spruch: Na, jetzt hast du noch die Seebestattung, dann ist das ja abgeschlossen. Manchmal möchte ich schon sagen, warte mal ab, einer von euch beiden wird auch in meine Situation kommen. Aber das wäre gemein.
Ansonsten verbringe ich meine Abende eben allein, rede mit dem Fernseher, freue mich,
dass es Internet gibt und bin immer froh, dass wieder ein Tag ohne R. vorbei ist.
Meine Kinder (25 + 22 ) sind mir eine grosse Hilfe. Wohnen zwar beide nicht hier, aber
mein Sohn versucht so oft wie möglich her zu kommen. Und Dank Internet kann ich jeden
Tag mit meiner Tochter (studiert in Australien) reden und sie auch sehen, soweit weg ist sie gar nicht.
Meine Güte. soviel wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.
Schön zu wissen, dass noch mehr darüber reden möchten, das kann man wohl wirklich nur mit Betroffenen. Ich glaube, ich hätte mich vorher auch gedrückt.

liebe Grüsse
Moni
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  #6  
Alt 18.07.2007, 19:19
Franziska1 Franziska1 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Moni, ich werde ja am 31.12. arbeitslos und ich habe auch eine Heidenangst vor allem weil ich nie damit gerechnet hätte, vor ein paar Wochen noch sagte mein Chef, wir Beide verlassen zuletzt das sinkende Schiff, und nun bin ich die Erste und die Kündigung wurde ausgesprochen 2 Wochen nach dem Tode meines Mannes. Für mich hat sich die Welt um 360 Grad gedreht, alles ist nicht mehr so wie es war.. Aber damit muß ich leben, wie schon so viele nette Bekannte sagen " da musst Du durch".Muß ich überhaupt nicht, igle mich manchmal regelrecht ein, weil ich Niemanden sehen kann.
Liebe Grüße Franziska

Es wird schon wieder
wieder wie was
wieder wie vorher
irgendwann wird es
aber nicht wieder ( pirko)
Habe ich im Inernet gefunden, ist wirklich für unsere derzeitige Lebenslage passend.
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  #7  
Alt 18.07.2007, 19:23
ute57 ute57 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Liebe Moni,

Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht, warum die Reaktionen so sind. Aber wie Du schon sagst, vielleicht, weil die anderen nicht - Gott sei Dank - nicht betroffen sind. Es tut aber so weh, daß man dann wirklich allein gelassen wird mit allem. Vor allen Dingen mit der Einsamkeit. Und diese "Ausladungen" sind typisch. Ich habe letztes Jahr, nach der Trauerfeier zur Einäscherung unsere sogenannten Freunde nach 6 Wochen mal angerufen. Was bekam ich zu hören? Wir dachten, Du brauchst jetzt erst mal Deine Ruhe. Wollten Dich nicht stören. Hallo habe ich gesagt, ich lebe und möchte mich unterhalten. Als Antwort kam, ja dann können wir uns ja wieder melden. Die nächste Meldung bekam ich zu Silvester, auf meine SMS, weil ich nicht stören wollte, habe ich eine SMS geschickt und alles Liebe und Gute zum Neuen Jahr gewünscht. Die Antwort war wörtlich: Wünschen wir Dir auch. Danach bis heute nichts mehr. Und das mich so tief getroffen. Ich habe mich daraufhin nie mehr gemeldet und wie gesagt, die besten "Freunde" auch nicht.

Ute
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  #8  
Alt 18.07.2007, 19:27
ute57 ute57 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Liebe Franziska, liebe Moni,

habe gerade erst richtig mitbekommen, welches Leid ihr noch zusätzlich habt. Das tut mir so unendlich leid. Gott sei Dank habe ich meinen Arbeitsplatz und werde ihn auch behalten. Gott sei Dank. Im Gegenteil, ich darf gar nicht mehr so viel arbeiten, weil mir sonst alles von der Witwenpension abgezogen wird. Aber ist egal. Ich möchte Euch Mut machen, fällt mir aber ehrlich gesagt, sehr sehr schwer. Moni, Du hast Recht, in Deinem Alter Arbeit zu finden........ ich bin 50, ich würde auch nichts mehr finden bzw. bekommen. Wir dürfen zwar bis 67 arbeiten, sind aber jetzt schon zu alt. Liebe Franziska, ich weiß nicht wie alt Du bist, aber denke mal nach Deinem zu urteilen auch keine 40 mehr. Wir kann ich Euch Mut zusprechen. Ich drücke Euch jetzt virtuell, weil ihr doch noch ein Päckchen mehr zu tragen als ich, nämlich Eure Existenz Sorry, aber mir fehlen im Moment weitere Worte
Ute
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  #9  
Alt 18.07.2007, 19:50
Franziska1 Franziska1 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Ute und Moni,
ich werde im September 57 Jahre alt von daher habe ich kaum Hoffnung, dass ich noch einen Job finde. Ich arbeite als Rechtsanwaltsfachangestellte Anwälte gibt es zwar wie Sand am Meer, aber viele machen auch wieder zu, weil es sich nicht mehr lohnt.Bei meiner Witwenrente machte ich mich kundig und habe erfahren daß bei jedem zu 100 % Erwerbsunfähigen, der noch keine 63 Jahre alt ist, gleich mal 10 % abgezogen werden das macht sich jetzt auch bei der Witwenrente bemerkbar. Also wird jeder Schwerkranke noch zusätzlich bestraft, wie wenn er was dafür könnte.Ich finde das eine bodenlose Ungerechtigkeit.Aber ich sage mir, jetzt laß ich mal den 31.12. kommen dann sehe ich weiter, und ab 55 bekommt man Arbeitslosengeld 18 Monate lang. Ich hätte nicht im Traum gedacht, dass ich mal in so eine Lage komme.Mein Mann wüsste er das, hätte nicht sterben können. Gott sei Dank muß ich keine Miete zahlen und habe keine Schulden, sonst würde ich es wahrscheinlich nicht schaffen.
Das Schlimmste was uns passieren konnte ist daß unser Partner nicht mehr da ist, alles andere sind materielle Dinge, aber mein Mann kommt nicht wieder.
Liebe Grüße Franziska
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  #10  
Alt 18.07.2007, 20:54
moni l. moni l. ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Ute und Franziska,
na, ihr seid ja fit mit antworten!
Ja, ehrlich gesagt, Lage ist wirklich nicht gerade die Beste. Werde das Haus nicht halten
können, ist zu gross für mich allein, ist zu teuer und ausserdem auf dem Dorf.
Landschaft und Aussicht gut und schön, aber alles allein ist einfach doof.
Wohnen seid 12 Jahren hier, waren damals aber zu viert, intakte Familie, also okay.
Jetzt, allein, hab ich eigentlich überhaupt keinen Kontakt, obwohl R´s. Mutter und Geschwister auch hier wohnen. Wir waren immer ein bisschen die Aussenseiter.
Ich glaube, sie haben seine Krankheit nie richtig ernst genommen.
Schliesslich lebt sein Onkel seit 13 Jahren mit Lungenkrebs, kann also nicht so schlimm sein.
Wenn ich mal von seiner Mutter angerufen werde, dann eigentlich nur, weil sie Langeweile hat und mir jedesmal erzählt: ich kann das immer noch nicht glauben.
Ja, ich muss es glauben und ausleben, mir fehlt er jede Minute und jede Sekunde im Alltag, im Gespräch, ach, ihr wisst schon, was ich meine.
Langsam hasse ich Sprüche wie " du bist eine starke Frau ", "da kommst du auch durch"
etc, na, die kennt ihr ja wohl auch zur Genüge.
Verdammt noch mal, ich möchte einfach nur weinen und trauern und mich ein bisschen selbst bemitleiden. Keiner kann mir einen Rat geben, wie es weiter gehen soll, und ich würde auch nie jemanden nicht Betroffenen fragen.
Man ist ganz einfach auf sich selbst gestellt, wobei ich allerdings ohne meine Kinder keinen weiteren Sinn mehr in meinem Leben sehen würde.
Wenn ich gut drauf bin, denke ich: okay, R., jetzt erlebe ich was schönes, und weil du das nicht mehr so direkt miterleben kannst, muss ich das jetzt eben für dich mit erleben.
Das hilft.
Danke und alles Liebe
Moni
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  #11  
Alt 18.07.2007, 21:02
ute57 ute57 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Ich freue mich, daß ich hier nicht alleine bin. Das tut mir und allen gut. Ich hoffe, daß wir uns auch einiges von der Seele schreiben können. Ich denke mal, vieles wird im innersten ausgemacht, aber es muß auch mal raus. Ich kann nicht immer alles mit mir alleine ausmachen. Ich danke Euch! Ich hoffe, es finden noch mehr Mut, sich hier alles von der Seele reden zu können. Danke.

Viele liebe Grüße Ute
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  #12  
Alt 19.07.2007, 12:27
Anemone Anemone ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo alle zusammen,
nein, allein sind wir wirklich nicht!!
Als ich Eure Beiträge gelesen habe, konnte ich nur denken: Genau so isses. Warum ziehen sich so viele unserer Bekannten oder Freunde von uns zurück? Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich meine, es ist einfach so, dass wir das lebende Beispiel dafür sind, wie es ja wohl allen irgendwann einmal gehen wird: alleine zurückbleiben. Wer will daran schon gerne erinnert werden? Man verdrängt doch solche Gedanken so gerne.
Ein guter Freund meines verstorbenen Mannes drückte es einmal so aus: Wir wünschen uns ja alle, dass wir - wenn wir beide so um die 90 sind - abends noch gemeinsam schlafen gehen, und am nächsten Morgen wachen wir dann beide einfach nicht mehr auf.
Ein wunderschöner Wunschtraum, nicht wahr? Leider hat das Leben es so nicht vorgesehen.
Auch viele meiner Bekannten haben sich zurückgezogen. Ein paar wirkliche Freunde sind mir geblieben. Aber auch die haben Probleme, mit dem Thema Tod umzugehen.
Meinem lieben Mann und mir blieben nach der niederschmetternden Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs noch 9 Monate. Monate, die uns Zeit gaben, uns voneinander zu verabschieden. Monate, in denen unsere Familie sehr eng zusammenrückte. Kinder, Schwiegerkinder und 3 Enkel (damals 6, 6 und 8 Jahre alt). Freunde besuchten uns oft ganz spontan, einfach nur um zu sehen, wie es uns geht.
Nun ist mein lieber Schatz schon 1 1/2 Jahre nicht mehr bei mir. Man erwartet von mir, dass es mir jetzt wieder gut geht. "Man", das sind Menschen, die - ein Glück für sie - noch nicht erlebt haben, wie es ist, wenn man das Liebste verloren hat. Habe ich in meinem früheren Leben nicht auch so gedacht? Sätze wie: Das Leben geht weiter - es war besser so - habe ich bestimmt auch irgendwann einmal von mir gegeben. Nein, es war nicht "besser so". Besser wäre gewesen, er wäre nicht krank geworden, er wäre nicht gestorben.
Nein, das Leben geht nicht weiter! Natürlich, DAS Leben im allgemeinen geht wohl weiter. Aber MEIN Leben, war das Leben mit meinem Mann, und das ist unbarmherzig und endgültig vorbei. Und ich muss mir jetzt ein neues Leben aufbauen ohne ihn, und das kostet mich so unendlich viel Kraft.
Nein, die Trauer ist nicht so einfach vorbei, nach 6, 12 oder was weiß ich wieviel Monaten. Aber das wissen nicht mal Mediziner, die vielleicht doch ein wenig mehr Ahnung vom Zusammenhang zwischen Körper und Seele haben sollten.
Ich war im Mai wegen Herzproblemen im Krankenhaus. Da mein Herz organisch völlig gesund ist, fragte mich der Arzt: Hatten Sie in den letzten Tagen eine besondere Stress-Situation? Ich: Die beiden letzten Jahre waren aufgrund der Erkrankung meines Mannes und seines Todes eine einzige Stress-Situation für mich. Er: Ach nee, wenn Ihr Mann schon im letzten Jahr gestorben ist, dann kanns daher nicht kommen.
So einfach ist das. Wenn er nun denn mal gestorben ist, steht dir vielleicht ein Jahr Trauer zu, und dann hast du dich gefälligst damit abzufinden und musst zur Tagesordnung übergehen.
Ich habe mich, seit mein Mann nicht mehr bei mir ist, noch nie so einsam und so verletzt gefühlt wie in den paar Tagen im Krankenhaus (obwohl meine Kinder jeden Tag zu Besuch waren).
Ich habe mich in diesem neuen Leben, das mir durch den Tod meines Mannes aufgezwungen wird, auch noch nicht wirklich zurecht gefunden. Mir kommt diese Trauer oft vor wie ein hoher Berg, den man besteigen muss. Manchmal denkst du, oh, da vorne wirds heller, jetzt bin ich bald oben. Und dann kommt eine Kurve, und du siehst, dass es dahinter weiter steil bergauf geht. Aber irgendwann wird man schon oben angekommen sein und den Blick auf einen neuen Horizont frei haben.
Ich habe im ersten Jahr nach dem Tod meines Mannes viele Reisen unternommen, bin bis ans andere Ende der Erde nach Neuseeland und Australien gereist. Das Unterwegs-Sein war gut für mich, war für mich ein Teil meiner Trauer-Bewältigung. Aber letzten Endes war es auch Flucht. Flucht vor dem Alleinsein, dem leeren Haus, den Erinnerungen.
Ich habe mittlerweile realisiert, dass Flucht keine Lösung ist. Was ich auch realisiert habe, ist die Tatsache, dass ich die Trauer irgendwie alleine durchleben und durchleiden muss. So, wie mein Schatz seine tödliche Krankheit alleine durchleiden musste. Ich war bei ihm bis zu seinem Ende mit all meiner Liebe und meiner Fürsorge, aber ich konnte ihm die Krankheit nicht nehmen.
Wir können hoffen, dass wir in unserer Trauer Menschen finden, die uns verstehen (dieses Forum ist ein guter Weg dafür).
Ich hoffe, dass ich jetzt nicht zu viel gequasselt habe, aber es tut manchmal gut. Ich würde mich sehr über eine Reaktion von Euch freuen.
Viele liebe Grüße,
Anemone

P.S. Ich bin 62, in Rente, habe erwachsene Kinder (eine Tochter, einen Sohn und 3 Enkel - 8, 8 und 10 Jahre alt)
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  #13  
Alt 19.07.2007, 18:55
ute57 ute57 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Liebe Anemone,

schön, daß Du auch hier geschrieben hast. Ich kann so vieles von Deinen Worten nachvollziehen. Wir sind in ein Leben geschickt worden, was wir nicht wollten. Wir mußten uns von jetzt auf gleich damit auseinander setzen. Erst diese Krankheit, wo man alle Höhen und Tiefen erlebt hat und immer und immer wieder auf Hoffnung gesetzt, bis zu dem Tag, wo wir wußten, die Hoffnung gibt es nicht mehr. Allein in dieser Phase hat keiner an mich gedacht. Es hieß immer nur, Du bist stark, Du schaffst es, Du bist gesund. Wie oft habe ich gedacht, ich schaffe es nicht mehr. Ich habe eigentlich nur noch agiert und reagiert. Ich hatte überhaupt kein eigenes Leben mehr. Ich konnte zeitweise es nicht mehr hören, ach Ute, Du bist stark, Du schaffst es. Ich wurde richtig aggressiv, weil alles irgendwann an meine Substanz ging. Und dann, als alles vorbei war, kam die Leere. Die unendliche Leere. Jetzt hatte ich Zeit, mich auch mal wirklich wieder "Freunden oder Bekannte" zu unterhalten, normal, nicht über die Krankheit oder über den Tod. Und was kam, nichts mehr. Rein gar nichts mehr. Und dann sitze ich abends hier in unserem Haus und ??? Es ist totenstill.............. Ute
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  #14  
Alt 19.07.2007, 18:56
Franziska1 Franziska1 ist offline
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Standard AW: Bin durch einen lieben Freund auf eine Idee gebracht worden

Hallo Anemone,Ute und Moni,
genauso ist es wie Du schreibst.
Einen Tag komme ich mir stark vor, am nächsten Tag denke ich schon beim Aufstehen ich packe das nicht und breche beim nichtigsten Anlass in Tränen aus, ist das nun das Paar Gartenschuhe meines Mannes das ich bis heute nicht wegräumen konnte oder ist es seine Uhr, die immer noch am selben Platz liegt. Ich bin mit meinem Mann während seiner Krankheit überall hin mitgegangen, seien es nun die 38 Bestrahlungen, sei es der Zahnarzt, immer haben wir gemeinsam gehofft und gebangt.
An Weihnachten machten wir noch zusammen einen Schweinebraten mit Kruste und Weckknödel, das konnte er noch halbwegs essen, Ende Februar konnte er dann nicht mehr laufen und weder essen noch trinken. Ich bin im Nachhinein so froh, dass ich nur einen halben Tag gearbeitet habe und die letzten Wochen vor seinem Tod gar nicht mehr, habe ,mich krankschreiben lassen und ihn gepflegt so wir die letzten Wochen intensiv miteinander verbringen konnten. Aber über seinen eventuellen Tod wollte mein Mann nicht mit mir sprechen, er sprach nur mit seinem Bruder und mit meinem Sohn darüber, sie sollten auf mich aufpassen, dass ich auch genug esse. Er hats gewusst dass ich in bestimmten Situationen nicht mehr essen kann, jetzt habe ich 15 Pfund abgenommen aber jetzt zwinge ich mich wenigstens dazu. Am Anfang war mir alles egal. Einige Bekannte sagen auch, geh doch in den Urlaub, aber ich kann das nicht, ich müsste dann immer daran denken das letzte Mal im Urlaub waren wir noch zusammen.
Das Alleinsein ist schon furchtbar, aber es ist nicht aus Selbstmitleid sondern ich denke immer daran welche Schmerzen er erleiden musste und doch kam das Ende für uns alle überraschend. Blödsinn wenn manche sagen, jetzt hat er es überstanden, nein ich wäre froh wenn ich ihn noch gesund hätte.
Was mache ich wenn ich keine Arbeit finde und im Winter an zu Hause gebunden bin. Davor graut mir?
Liebe Grüße Franziska
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  #15  
Alt 19.07.2007, 19:04
ute57 ute57 ist offline
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Liebe Franziska,

auch Du hast es auf den Punkt gebracht. Wie soll ich Urlaub machen??? Alleine, wo alle in trauter Zweisamkeit sind??? Auf unsere geliebte Insel, wo wir letztes Jahr noch im Mai waren. Da würden alle Erinnerungen aufkommen, wo wir abends noch gesessen haben, schön gegessen haben und jetzt alleine dort hin. Nein, das kann ich nicht. Auch dort wäre ich einsam. Ich habe auch noch nicht alle Sachen entsorgen können, der Kleiderschrank meines Mannes ist noch genauso wie vor seinem Tod. Ich kann ihn nicht ausräumen. Auch bei mir sind noch so viele Dinge, die nicht angerührt wurden. Aber ich glaube, es wird doch irgendwann Zeit, daß ich hier einiges ändere. Ansonsten kommt man glaube ich nie aus dem Loch raus.

Liebe Grüße Ute
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