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  #1  
Alt 11.04.2015, 21:23
brichardi10b brichardi10b ist offline
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Registriert seit: 11.04.2015
Beiträge: 1
Standard Kein Abschied

Hallo,

ich habe eine Frage, die mir seit dem Tod meiner Mutter auf der Seele brennt.

Sie ist vor 1 1/2 Jahren nach einem langen Kampf verstorben. Obwohl sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hat, hat sie allen Familienmitgliedern gesagt, dass sie noch Jahre hätte. In dem Glauben daran war ich trotz ihres Leidenswegs immer zuversichtlich, vor allem weil sie immer diejenige war, die uns Kraft geben konnte. Eine Woche vor ihrem Tod ging es ihr noch recht gut; so gut, dass sie im kleinsten Kreise ihren damaligen Lebensgefährten (standesamtlich) heiraten konnte. Die Hochzeit wurde auf ihren Wunsch vorgezogen, wahrscheinlich weil sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hat. Allerdings wollte sie ihre eigenen Kinder, mit Ausnahme meines jüngsten Bruders, der noch mit im Haus wohnte, nicht dabei haben, es wäre "zu anstrengend". Am Tage der Hochzeit habe ich mit ihr 2 Minuten telefoniert, sie war sehr müde, aber glücklich. 3 Tage später rief mich ihr Mann verzweifelt an, da sie nicht mehr essen und trinken würde. Als ich dann am abend da war, war sie sehr schläfrig und ab dem nächsten morgen nicht mehr wirklich zurechnungsfähig oder ansprechbar, so dass ich nicht mehr die Möglichkeit hatte mit ihr zu sprechen. Widerum 3 Tage später war sie tot.

Meine eigentliche Frage ist, ob es häufig ist, dass Sterbende ihre Kinder nicht mehr sehen wollen. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht wollte, dass wir sie in ihrem schlechten Zustand sehen, aber da wir kein besonders gutes Verhältnis hatten nagt die Angst an mir, dass wir Kinder ihr nicht wichtig genug waren.

Da ich nie mit ihr über die Möglichkeit gesprochen habe, dass sie sterben könnte, kann ich nicht einschätzen, was einem durch den Kopf geht wenn man weiß, dass man nur noch wenige Monate hat. Mir wäre das Abschied nehmen sehr wichtig. Und auch, viel Zeit mit der Familie zu verbringen (was nicht ausschließt, dass man sie im Unklaren lässt und schont). Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Dass sie die Familie so unvorbereitet gelassen hat, hat uns in ein tiefes Loch gestürzt.


Hoffentlich kann mir jemand bei dieser Frage weiterhelfen...

Viele Grüße,
Brichardi
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  #2  
Alt 11.04.2015, 22:17
Chari Chari ist offline
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Registriert seit: 20.11.2013
Beiträge: 164
Standard AW: Kein Abschied

Für mich klingt das so aus deiner Erzählung als wäre deine Mama eine sehr starke Frau gewesen. Es ist nicht einfach mit dieser schweren Krankheit soviel Kraft und Zuversicht auszustrahlen dass sie damit auch noch ihre Lieben stärken konnte. Sie wollte euch sicherlich nicht in ein großes Loch reissen sondern wahrscheinlich einfach die Krankheit versuchen zu vergessen.

Ich denke jede Person ist anders, als Kind kann man besser in die eigene Mutter hineinschauen. Manche ziehen sich sehr zurück, andere wollen noch einmal alle sehen. Man muss aber bedenken dass mit jedem Sehen einem der Abschied wohl noch schwerer fällt. Wenn einem immer wieder vor die Augen geführt wird was man alles zurücklassen muss, was man alles aufgeben muss, was einem alles einfach so weggenommen wird.

Ich würde auch das "zu anstrengend" nicht in Anführungszeichen setzen, diese Krankheit verlangt einem alles ab. Ich kann mir vorstellen dass es deiner Mama wirklich einfach zu anstrengend war mit allen Kindern zu feiern.

Ich würde mir nicht zuviele Sorgen machen wegen alten Streits oder schlechtem Verhältnis. Meine Mama war an ihrem Sterbetag noch sehr klar, hat allen alles vergeben, sich noch mit nicht so gerne gehabten Familienmitgliedern ausgesöhnt. Im Tod liegt auch irgendwie eine starke Vergebung, man merkt wie unwichtig diese einzelnen Streits waren, wie nebensächlich manche Auseinandersetzungen. Man erinnert sich auch als Hinterbliebener mehr an die schönen Sachen.
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  #3  
Alt 12.04.2015, 08:53
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 04.11.2010
Ort: ulmer ecke
Beiträge: 1.152
Standard AW: Kein Abschied

Liebe Brichardi..
Mir kommen bei Deinen Zeilen zwei Gedanken:
- Vielleicht wollte Deine Mama Euch nicht mehr dabei haben, weil auch Sie Euch in guter Erinnerung, ohne Tränen und Leid, behalten wollte. Für eine Mutter muß es furchtbar sein, die Kinder so leiden zu sehen und nicht zu können. So versucht sie, alles Negative von ihnen fern zu halten.
- Dieses Vertuschen von dem wahren Ausmaß ihrer Krankheit kann auch daher kommen, daß sie sich nicht allzu sehr damit auseinander setzen wollte. Meine Mami wollte auch nie groß darüber reden. Und heute, zweieinhalb Jahre nach ihrem Tod, bin ich mir sicher, daß dies ein Selbstschutz für sie war. Wir können wirklich uns nicht ausmalen, was in einem Menschen vorgeht, der weiß, daß er nicht mehr lange zu leben hat. Und jeder geht damit anders um. Da ich in der Sterbe- und Trauerbegleitung tätig bin, möcht ich Dich wissen lassen, daß es wichtig ist, den Erkrankten in seiner Art und Weise mit dem bevorstehenden Tod umzugehen, ganz und gar zu respektieren. Er entscheidet völlig für sich, wie er diese letzte Zeit verbringen möchte. Auch wenn wir Angehörigen es oft nicht nachvollziehen können und es schwer fällt. Und es ist gut, daß Du Deine Mutter da nicht überfordert hast, sondern Sie ihren gewählten letzten Weg gehen konnte, wie sie es wollte.
Auch wenn das alles für Dich sehr schwer ist, Du hast es richtig gemacht. Deine Mami konnte auf Ihre Weise gehen.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft und hoffe, daß ich Dir ein bisserl helfen konnte und Deine Sichtweise nun etwas in eine andere, positive Richtung geht.
Liebe Grüße, Tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
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