Nur ein böser Traum..

[bienchen92]

Hallo zu sehr später Stunde..

wieder eine Nacht in der ich nicht Schlafen kann, wie so oft seit sieben Monaten.
Ich bin 23 und habe letztes Jahr meine beste Freundin verloren.. Sie wurde nur 24 Jahre..

Vor 8 Jahren hatte meine beste Freundin Leukämie. Nach einem Jahr Chemo und viel Kämpfen hat sie es geschafft und war nach 5 Jahren Stolz wie Bolle das keine Krebszellen mehr vorhanden waren. Letztes Jahr hat das Schicksal wieder zu geschlagen. Im Juni bekam ich ein Anruf auf der Arbeit von Ihrem Verlobten. Ich hatte mich gewundert, eigentlich sollten die beiden doch noch in Spanien am Strand liegen. Als ich ran ging erzählte er mir das sie früher zurück geflogen sind weil es meiner besten Freundin nicht gut geht. Sie bekam schlecht Luft und sind nach der landung direkt in die Klinik gefahren. Das Ergebnis hat mir den Boden unter den Füßen weg gerissen. Die Leukämie ist wieder da. Noch schlimmer laut der Ärzte waren es.. wie soll ichs erklären.. mutierte Krebszellen, sehr aggressiv.. Die Blutuntersuchung ergab zu dem Zeitpunkt 70% Krebszellen im Blut.. Die Ärzte konnten sich nicht erklären wieso der Krebs so schnell ohne die bekannten Symptome, die sie beim ersten mal hatte, wieder kommen konnte. Danach ging alles sehr schnell. Die Chemo began und es stand schnell fest das sie eine Knochenmarksspene braucht. Leider hatte ich beruflich bedingt (ich habe in der Altenpflege gearbeitet) nicht so viel Zeit wie ich sie gern gehabt hätte. Alle 2 Wochen konnte ich sie besuchen und Irgendwann durfte ich gar nicht mehr zu. Sie wollte mich nicht sehen, bzw. heute weiß ich sie wollte nicht das ich sie so sehe. Nach der Knochenmarksspende (diese bekam sie mitte September) ging es ihr so gut. Die Ärzte meinten sie würde wieder gesund werden wenn es weiter so läuft. Wir haben angefangen Ihre Hochzeit zu planen, sie hat sich eine Liste gemacht was sie alles wieder Essen will wenn sie aus dem Krankenhaus raus ist. Sie hat mir erzählt wo sie überall hinreisen will, was sie alles noch sehen will. Kurzum sie blühte wieder richtig auf.. so lebensfroh hatte ich sie Monate lang nicht mehr gesehn..

Aber wie das immer so ist.. Das Schicksal schlug genau eine Woche später wieder zu. Sie bekam Halsschmerzen die immer schlimmer wurden. Diagnose: Lungenentzündung.. Anfang Oktober ging es ihr so schlecht das sie kaum noch reden konnte.. Sie sollte in ein künstliches Koma verlegt werden, wir sollten uns keine Sorgen machen das solle ihrem Körper entlassten und die heilung unterstützen... Ein Tag davor waren Ihr verlobter und ich noch zusammen mit ihren Eltern da. Ich habe Ihr gesagt das wir uns bald wieder sehen und alles gut wird und sie ihren langen Schlaf genießen soll.. ein kleines lächeln konnte man erkennen. Ihr Verlobter sagte Ihr wie sehr er sie liebe und sie flüsterte nur "ich dich auch" .. diese Situation werde ich nie vergessen und wir gingen mit einem unguten Gefühl nach hause. Ihre mama erzählte mir später das sie als wir weg waren noch geweint hat und sie geflüstert hat das sie nicht sterben will und sie angst hat. Ich bin in dieser Zeit als sie im Koma lag nicht einmal mehr bei Ihr gewesen.. Irgendwie wusste ich das ich sie das letzte mal gesehn habe und ich sie nicht mit schleuchen im Hals in erinnerung halten wollte.. Am 11 Oktober kam der Anruf ihrer Mama.. Die Organe fangen an zu versagen, sie haben ihr schmerzmittel gegeben und das die Ärzte nicht sagen können wie lange es dauert.. mehr konnte sie mir nicht sagen und wir haben uns gefühlt mehrere minuten einfach nur angeschwiegen und leise geweint.. In dieser Nacht habe ich zusammen mit meinem Partner vor dem Telefon gesessen und ich habe nur gewartet, gebetet und ins leere gestarrt.. Morgens um 05.23 Uhr kam der Anruf.. Vor 10 Minuten hat ihr Herz aufgehört zu schlagen. Bis zur Beerdigung habe ich nicht einmal geweint.. wegen schuldgefühlen weil ich in den letzten tagen und stunden nicht mehr bei ihr war.. weil es so unreal war.. weil ich dachte das ist alles nur ein böser Traum aus dem ich jeden Moment erwache.. Erst auf Ihrer Beerdigun, als ich den Sarg da stehen sah mit ihrem Foto daneben. Da kam alles raus. Der gedanke und das wissen das sie da in dieser Kiste liegt und ich nicht zu ihr kann um sie zum Umarmen.. nie wieder ihre stimme und ihr lachen zu hören. Zu wissen das ich den Mensch der 11 Jahre wie eine Schwester für mich war nie wieder sehe.. In diesem Moment habe ich den glauben an alles verloren und ich wäre am liebsten mit gestorben...

Heute 7 Monate später komme ich mir immer noch vor wie in Watte gepackt.. Ich bin noch lange nicht darüber hinweg. Bin immer noch Wütend und Traurig. Ich fühle mich wie in einem Teufelskreis.. Heute bekam meine Mutter die Diagnose Blasenkarzinom.. und wieder fühle ich angst und unverständnis für das was da passiert und möchte einfach nur noch weinen so lang es geht. Ich frage mich wann wieder glückliche Zeiten kommen und ich lerne das was passiert ist und was noch passieren wird zu akzeptieren.. Ich kann und will das alles einfach nicht verstehen und wahr haben...

Das musste alles mal raus..

[vintage]

liebe Bienchen,

ich musste weinen bei deinen zeilen;
genau so ist es...wie ein (alp)traum...mit diesem krebs.

ich drücke dir und deiner ma die daumen für alles.

[HeikesFreundin]

.... dass alles mal raus muss ist wahr - Du hast dazu heute einen guten Anfang gemacht.

Es klingt sehr schrecklich, was Du schreibst und es liegt auf der Hand, dass durch die Diagnose
Deiner Mutter da nun die gerade langsam verheilenden Wunden wieder aufreissen und die Angst wieder hochkommt.

Ich kann und will das alles einfach nicht verstehen und wahr haben.

Doch,
Du kannst schon - denn das tust Du hier. Aber Du willst verständlicherweise nicht.

Das einzige was ich Dir sagen kann ist, dass Du Dir selbst Geduld und Zeit erlauben musst - so
ein Verlust ist nicht mal eben in ein paar Monaten verarbeitet ...
Es wird immer wehtun - für immer,
ABER: irgendwann wirst Du feststellen, dass die Abstände der völligen Verzweiflung größer werden
und die Täler, durch die man geht, nicht mehr ganz so tief sind, wie zu Anfang - es ist ein Prozess.
Annehmen ist ein Prozess, Trauern ebenso.

Bis zur Beerdigung habe ich nicht einmal geweint.. wegen schuldgefühlen weil ich in den letzten
tagen und stunden nicht mehr bei ihr war..

Lass das mit den Schuldgefühlen - es sei denn, Du
möchtest darin verharren, jetzt und immer. Hör auf damit .... Du warst 8 !!!! Jahre an ihrer Seite.
Ich kenne das mit den Schuldgefühlen von mir selbst auch. Es hat eine Zeit gedauert, aufzuhören,
mir einzureden, ich hätte Heike retten können, wenn ich "nur auf die Idee gekommen wäre, sie irgendwo
anders noch hinzubringen und sie einem anderen Arzt vorzustellen" .... NEIN - es hätte sie NICHT gerettet.

Das was wir nicht haben wollen und das was wir unbedingt LOSWERDEN wollen - das bleibt uns garantiert für immer.

Der einzige Weg ist: anzunehmen, was IST - es gibt keinen anderen Weg.

Deine Freundin hätte nicht gewollt, dass Du SO zurückbleibst - und ich denke, das weißt Du selbst.

Hättest Du gewollt, dass Deine Freundin sich von Schuldgefühlen zerfressen lässt, hättest Du ihren Weg gehen müssen?

Ich glaube nicht.

Gönn Dir eine Atempause von diesem Dich selbst zu malträtieren -
DU BIST NICHT SCHULD!!!!

Ich drücke Deiner Mutter auch die Daumen - und auch für Dich.

Herzlichst, Angie