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  #1  
Alt 09.03.2007, 23:50
kook kook ist offline
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Beiträge: 7
Standard drüber sprechen

Hallo miteinander,

Nochmals ich. Ich beginne fühle mich hier gut aufgehoben und schreibe deshalb gleich nochmal was...

Wie war das euch mit der Reaktion der Freunde, der Bekannten, der Arbeitskollegen, der Familie? Wie kamen die damit klar? Und wie kamt ihr damit klar, wie sie damit klar kamen?

Ich bin mir bewusst, dass es sehr von der konkreten Form des Tumors abhängt, von den Prognosen etc (bei mir eben Seminom I, von daher nicht wirklich schlimm).

Ich muss sagen, dass ich teilweise sehr enttäuscht war, wie die Leute das aufgenommen haben. Ich fand es auch sehr schwierig, die Sache mitzuteilen. Ich habe es auch nur im engeren Freundeskreis gemacht, und natürlich bei Familie und Freundin. Meistens hat es sich ergeben, wenn z.b. jemand ausgerechnet während der Radiatio auf ein Bier wollte Dann musste ich wohl oder übel absagen und begründen wieso.

Den wirklich wichtigen Freunden habe es auch so gesagt, aber erst nachdem das gröbste vorbei war. Während der Behandlungszeit hatte ich gerade keine Lust, WIEDER an das ganze Zeug zu denken, sondern wollte soweit wie möglich ganz normal mit den Freunden über alltägliches sprechen, wollte auch wieder zurück in den Alltag finden.

Später hätte ich mir dann mehr offene Gespräche gewünscht. Ich glaube, dass ganz einfach niemand von Krebs hören will. Bei ganz wenigen hatte ich das Gefühl, dass sie ein ehrliches Interesse an der Krankheit an sich hatten, was es bedeutet etc. Vielen genügte "gegen 100% Überlebenschance, bald wieder gesund", dann war für sie das Thema abgehakt, *Verdrängungsmodus ein*.

Ein Beispiel: eine liebe Kollegin hörte interessiert zu, fragte später auch nach, hatte aber JEDESMAL wieder keine Ahnung, was der Unterschied ist zwischen Chemo und Bestrahlung, obwohl sie sonst keineswegs auf den Kopf gefallen ist. Ab und zu habe ich bei engen Freunden ein bisschen erzählt, wie das so abläuft bei einer Bestrahlung, weil das doch eine sehr eindrückliche Erfahrung ist. Den meisten war das Thema offensichtlich unangenehm und ich habe es dann irgendwann bleibenlassen, von selber damit anzufangen.

Meine Freundin war zum Glück immer für mich da, aber mit ihr mochte ich mich wiederum nicht zu oft darüber unterhalten, weil sie jedesmal zu heulen anfing, und damals noch mitgenommer war als ich selber.

Es ist, wie wenn ich diese Lebenserfahrung mit niemandem richtig teilen kann. Wenn jemand z.b. bei einer Bergwanderung in eine Gletscherspalte fällt, dort 10 Stunden ausharrt und schliesslich wohlbehalten gerettet wird, ist das eine Geschichte, die spannend ist, und die bei jedem geselligen Anlass gerne aufgewärmt wird. Gesellschaftsfähig ist aber weder das H-noch das K-Wort, deswegen liegen beim Thema Hodenkrebs nur Verdrängung und dumme Sprüche drin.

Naja, das war jetzt schon fast ein bisschen ausgekotzt...

Ich grüsse herzlich und danke für's lesen,
Kook
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  #2  
Alt 10.03.2007, 08:57
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Wie war´s bei mir ?

Klar, die Tatsache, dass es nun so ist wie es ist, war insbesondere für meine Frau ein Schlag vor den Kopf. Bisher war ich der solide Teil bei uns, mir ist es nie richtig schlecht gegangen, nie irgendetwas großartiges passiert. Es war also bis dato völlig ausgeschlossen, dass mir soetwas passiert. Das brachte die Weltordnung für sie arg durcheinander. Aber klar, für mich war es ja nun auch nicht leicht, hatte ich mich doch an diesen "Good Guys Never Die-Status" irgendwie gewöhnt.

Dazu kam, dass unser damals vierjähriger Sohn nun wirklich seine Antennen entwickelt hat und unheimlich viel, auch nicht gespreochenes, aufnimmt. Dazu dann die Zukunkftsängste. Was, wenn es schief geht, ich es nicht schaffe. Was, wenn ich eine Chemo brauche, wie wird das mit dem Geld, denn der Arbeitgeber zahlt ja auch nicht ewig weiter.

Am schlimmsten war die Zeit der Ungewißheit. Der Tumor noch drin, die OP stand an, keiner weiß, was nun wirklich dabei rum kommt. Ich glaube, da haben wir am allermeisten Federn gelassen.

Erzählt haben wir es ersteinmal nur der Familie und dem engsten Freundeskreis. Da tauchten dann plötzlich die Namen von irgendwelchen zwölftgradigen Bekannten auf, die auch HK hatten. Mein Schwiegervater hatte vor Jahren Blasenkrebs und erhielt eine neue Blase brauchte aber nix anderes. Er hatte echt Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass ich eine Chemo brauche (als es soweit war).
Und dann mußte ich leider auch die Erfahrung machen, dass mit meiner Diagnose das eine oder andere Kaffekränzchen thematisch gefüllt wurde. Und da hörte es dann langsam bei mir auf.

Nachdem es klar war dass ich durch die CTX muß, erfuhren es noch meine direkten Kollegen.

Die, die es wissen, befassen sich auch sehr objektiv mit mir und der Diagnose, zeigen sich interessiert. Zu belanglosem Geplänkel lasse ich es inzwischen schon gar nicht mehr kommen. Eine Lehre der letzten Monate.....

Und ansonsten bin ich froh, dieses Forum gefunden zu haben. Hier kann man sich so herrlich einfach und bequem mit Gleichgesinnten austauschen.

Tja, so war´s bei mir...
Liebe Grüße
Dirk
__________________

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  #3  
Alt 10.03.2007, 16:44
Julian Julian ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Als es bei mir rauskam war ich gerade beim Bund. Ein Teil meiner Einheit kannte ich auch privat, von daher habe ich dort offen darüber gesprochen. In meinem Freundeskreis wusste auch jeder bescheid. Da ich in einem kleinen Vorort von Paderborn wohnte, hat es auch relativ schnell die Runde gemacht.

Anders kam es dann als ich einen Monat nach der Reha mein Studium anfing. Ich bin knapp 500km weit weggezogen. Ich wollte nicht von Anfang an bemitleidet werden und habe es auch lange Zeit niemanden erzählt. Hier weiss es nur der engste Freundeskreis.

Wie die Leute damit umgegangen sind ist unterschiedlich. Ein Teil hat sich mehr dafür interessiert und nachgefragt, ein anderer Teil hat nur gesagt "das wird schon wieder" und dann vom Thema abgelenkt. War mir teilweise auch ganz recht.

Die Krankheit hat bei mir bestätigt wer wirklich meine besten Freunde sind, und eigentlich bin ich von keinem enttäuscht worden. Eher im Gegnteil: Mein bester Kumpel war fast jeden Tag im Krankenhaus, immer mit ner Tüte vernünftiges Essen vom Burger King

Mittlerweile spreche ich nichtmehr oft über das Thema, erzähle kurz wenn ich bei der Nachsorge war das alles ok ist (was hoffentlich so bleibt) und sonst gibt es wichtigere Themen.
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  #4  
Alt 19.03.2007, 12:14
schäferhund2006 schäferhund2006 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Hallo kook!

Ich bin eine der Frauen, deren Mann letztes Jahr zum zweiten mal an einem Hodentumor erkrankt ist. Erst einmal möchte ich Dir sagen dass es mir sehr leid tut das Dir das passiert ist.
Nun zu den lieben Bekannten,Verwanten;Freunden und Kollegen!!!
Wie mussten leider feststellen das es nur sehr wenig Leute gab mit denen man reden konnte. Den meisten war das Thema sehr unangenehm. Ich denke aber das es eher davon kommt, weil die Leute nicht genügend darüber wissen und es ihnen auch einfach nur peinlich ist darüber zu reden. Wenn man jetzt ( Gott beware ) z.B. Lungenkrebs oder eine andere Krebsart hätte die nicht in Verbindung mit " SEX " gebracht werden kann fällt es den Leuten leichter darüber zu reden. Obwohl man glauben sollte, dass man in einer Zeit lebt wo man über alles reden kann, muss ich doch sagen, es gibt sehr-sehr-sehr-sehr viele prüde Menschen.
Nun aber noch ein Wort zu Deiner Freundin.
Ich kann sie sehr gut verstehen. Es ist sehr schwer wenn man zusehen muss wie ein geliebter Mensch leidet, ohne wirklich helfen zu können. Ich habe nach dem ersten Hodentumor meines Mannes ( vor ca. 9 Jahren ) 2 Jahre gebraucht bis ich das Seelisch verkraften konnte.
Letztes Jahr nach dem zweiten Hodentumor habe ich dieses besser verkraften können auch aufgund dessen, dass ich hier im Krebsforum über meine Ängste sprechen konnte.
Vielleicht hat auch Deine Freundin mal Lust hier ein wenig zu lesen und vielleicht sogar ihre Ängst mit Frauen wie ich es bin zu teilen. Ich würde mich sehr freuen wenn es mehr Frauen in diesem Forum geben würde.
Viele Grüsse und alles Gute!

schäferhund2006
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  #5  
Alt 11.07.2007, 19:51
cancer71 cancer71 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Hallo

Ich hatte meinen ersten Hodentumor vor 14 Jahren, sieben Jahre danach den zweiten. Daher kenne ich dieses Thema bestens.

Tumor/Krebs hat für die meisten etwas mit Tod zu tun. Deshalb sprechen sie es nicht gerne an. Dazu kommt, dass sich der Tumor an einem Körperteil befindet, worüber man ja auch sonst nicht so frei in aller Allgemeinheit spricht.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Männer insbesondere sehr interessiert, denn schliesslich könnte es ihnen auch einmal passieren. Nur getraut sich keiner zu fragen. Meine Erfahrung ist, dass wenn ich etwas zu erzählen beginne, das Eis bricht, und dann die Fragen automatisch kommen.

Frauen fragen sehrwahrscheinlich deshalb nicht, weil es ihnen auch zu peinlich ist. Aber auch da: Mach den ersten Schritt, und wenn das Gegenüber merkt, dass Du unverkrampft darüber sprechen kannst, dann werden sie sich auch getrauen, Fragen zu stellen.

Ich vergleiche es immer, wenn eine Bekannte von mir Brustkrebs hätte. Wenn sie nichts erzählt, hätte ich wohl auch Hemmungen, einfach so Fragen zu stellen.

Wenn ich so erzähle und mir Fragen gestellt werden, muss ich immer wieder feststellen, wie wenig Männer über ihren Körper resp. dessen Funktionen wissen.

Also, viel Spass bei der Aufklärung!

Liebe Grüsse
Martin
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  #6  
Alt 12.07.2007, 08:39
Tabaluga1967 Tabaluga1967 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Guten Morgen.
Diese Frage kann ich sehr gut verstehen? Wie reagieren Freunde und Familie?
Wir stecken ja noch mitten im Disaster.Mein Mann ist seit gestern aus dem Krankenhaus nach der ersten Chemo.
Unser Glück/Unglück war das er mitten auf einer großen Feier im Dorf bewußtlos zusammen gebrochen war und es daher sehr viele Menschen mitbekommen haben das etwas passiert ist.Die Diagnose stand dann innerhalb von 3 Tagen schon fest.Ich habe mit einer guten Freundin im Dorf und ihrem Mann gesprochen und inerhalb von wenigen Tagen war das halbe Dorf informiert....Meinem Mann war es extrem unangenehm das das "Dorf" jetzt im Blick hat das ein Hoden weg ist....
Kann ich ihn gut verstehen...

Wir haben aus der direkten Nachbarschaft und aus dem engen Freundeskreis bisher sehr sehr positive Reaktionen erlebt.
In der Nachbarschaft (organisierte Gemeinschft von 8 Häusern) sind vorallem die Männer momentan aktiv und besuchen ihn und helfen uns mit Haus und Garten.
Ich habe festgestellt ,das die Aufmerksamkeit vorallem der Männer ihm wahnsiinig gut tut.
Im Freundeskreis ist das Verhalten sehr positiv.Sein bester Freund wohnt im Osten,wir an der Niederrhein und er kam sofort am nächsten Wochenende und sie telefonieren täglich miteinander.
Da sind aber auch vorallem die Männer sehr wichtig für ihn und melden sich auch.
Da mein Mann selbständig ist hat er nur Vertragspartner die ihn auch unterstützen und mit ihm sprechen...
Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt sehr positiv nur über unser Umfeld sprechen....
aber als Frau eine Betroffenen wird manchmal Übermenschliches von einem erwartet...
Mein regaiert im Moment oft anders als ich ihn bisher erlebt habe und es ist sehr schwer Jemanden den man liebt in so einer Verfassung zu sehen
ich habe aus unserem Umfeld immer wieder zu hören bekommen ...du mußt stark sein,du mußt für ihn da sein,du mußt ihm helfen,er hat bestimmt Angst...aber wo gehen meine Ängste hin....wie kann ich ihm helfen,das war meine zentrale Frage...
Gott sei Dank sind aber nicht alle so und es gibt ja auch dieses Forum..was mir viele Ängste genommen hat.
Ich kann Dir genau wie Schäferhund nur anbieten...wenn Deine Freundin Hilfe braucht...bitte schreiben.
Gute Besserung ...LG Moni
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  #7  
Alt 13.07.2007, 10:08
matze01 matze01 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Hallo zusammen,

ich finde es sehr interessant eure EIndrücke zu lesen. Ich bin auch betroffen. 2003 Seminom, rechter Hoden entfernt, danach Bestrahlung. 2006 Metastase in der Wirbelsäule, 3 Zyklen PEB Chemo. und Bestrahlung. Beim ersten Mal habe ich mir noch wenig Gedanken gemacht, weil die Prognose ja sehr gut ist bei Seminoms im Anfangsstadium. Da habe ich gedacht: vier Wochen Bestrahlung und alles ist wieder OK. Beim zweiten Mal sah das dann schon etwas anders aus. Auch sind einige Ärzte nicht gerade feinfühlig in ihrer Wortwahl. Ich habe da die ganze Bandbreite zu hören bekommenVom Chefarzt im Krankenhaus "Da haben Sie aber nochmal Glück gehabt, ein Seminom, auch als Metastase ist sehr gut heilbar" über einen Radiologen "Naja.....da wollen wir mal schauen.....mit viel Glück könnten SIe es nochmal schaffen...." bis zu einem Urologen in der REHA " Da werden Sie wohl damit rechnen müssen, daß da nochmal was kommt und dann müssen Sie eine Hochdosis Chemo. mit Stammzellentherapie machen".

Jetzt habe ich seit einigen Monaten wieder angefangen zu arbeiten. Die Reaktion der Arbeitskollegen ist unterschiedlich. Aber da die äußerlichen Merkmale nicht mehr zu sehen sind und man ja wieder "normal" aussieht, vergessen doch viele, daß man noch nicht wieder so belastbar ist wie vorher. Privat habe ich leider auch nicht so schöne Erfahrungen gemacht. Mein bester Freund, den ich seit der Schulzeit kenne, ist während der Zeit im Krankenhaus nur einmal vorbei gekommen und hat sich auch sonst eher distanziert, obwohl wir früher fast täglich zusammen gesprochen haben. Wahrscheinlich ist es auch die Angst gewesen vor dem Krebs, aber trotzdem habe ich den Kontakt abgebrochen.
Meine Frau hat immer zu mir gehalten und das hat mir auch sehr geholfen, auch wenn es nicht immer einfach für sie war.

Ich denke, so eine Krankheit verändert einen enorm. Ich kann mich jetzt nicht mehr mit Leuten über irgendwelchen belanglosen Quatsch unterhalten. Das interessiert mich einfach nicht mehr....Vielleicht kommt das ja irgendwann wieder. Aber ich fühle mich schon manchmal ganz schön einsam mit meiner Krankheit.... Deswegen bin ich auch sehr froh, dieses Forum gefunden zu haben.

Im August habe ich die nächste Nachuntersuchung, drückt mir schonmal die Daumen.
__________________
Gruß Matze

Alles wird gut!

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  #8  
Alt 13.07.2007, 13:16
Andi Frenzel Andi Frenzel ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Hallo matze01,

die Erfahrungen mit dem Freundeskreis kenne ich so auch: Es trennt sich die Spreu vom Weizen. Einerseits war auch ich enttäuscht darüber, dass sich Freunde kaum noch gemeldet haben, von denen ich es erwartet hätte - andererseits aber haben sich welche regelmäßig nach mir erkundigt, von denen ich es eher nicht erwartet hätte. So gesehen war es eine interessante Erfahrung.

Trotz aller Enttäuschung denke ich aber auch, dass manche Menschen einfach enorme Probleme im Umgang mit solchen Erkrankungen haben - das mag eine Distanzierung kaum entschuldigen, aber eben doch erklären. Krebserkrankungen sind nach wie vor gesellschaftlich tabuisiert, es mag sich gebessert haben in den letzten Jahrzehnten und doch ist es noch ein Makel und ein Vorkommnis, das einen schlagartig aus der gesellschaftlichen Normalität herauskatapultiert.

Was deine Nachsorge angeht, so solltest du ihr gelassen entgegen sehen. Die Effektivität der PEB ist doch enorm. Und du hattest vorher "nur" Strahlentherapie. Anders wäre es, wenn es bereits die zweite Chemo gewesen wäre. Aber so...
Ich weiß, dass man sich diese Dinge immer wieder ins Bewusstsein zurückholen muss. Auch kenne ich die Einsamkeit, die die Angst mit sich bringt. Am größten war sie bei mir unmittelbar nach der Diagnose. Wenn man schlagartig aus der Welt der Gesunden herausgetreten ist und wie ein Schatten seiner selbst durch die Flure der molochartigen Krankenhäuser schleicht, auf einmal Teil des Medizinapparates, Opfer, Patient ist. Man ist allein mit sich und der Krankheit, eine völlig neue und radikale Form des Alleineseins.

Aber es macht einen auch stark, wenn man dann aus diesem Tal wieder herausgetreten ist. Die tiefsten Erfahrungen sind nun mal die, die man in existentiellen Situationen macht. Anders sind sie nicht zu haben als unter dem Einsatz des eigenen Leibes, wenn es wirklich mal ans Eingemachte geht. Dieser Blick in den Abgrund ist furchtbar, kann furchtbar sein, aber - so absurd das ist - er verschafft auch Einsichten und Erfahrungen von einer Tiefe, die den meisten vorenthalten bleiben und von denen man vermutlich ein Leben lang profitiert. Die Wertigkeiten verschieben sich, das Leben ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Alltägliches gewinnt an Wert und das Glück wiegt schwerer.

Grüße von Andi
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  #9  
Alt 14.07.2007, 08:57
matze01 matze01 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Danke Andi für den netten Text.
Du hast schon recht. Man sieht schon viele DInge anders als vorher und geht auch stärker aus der Erkrankung raus als vorher. Zumindest habe ich den Eindruck. Aber ich bin auch nachdenklicher geworden, also nicht mehr so unbeschwert wie vorher. Vielleicht kommt das mit der Zeit ja wieder....?
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Gruß Matze

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  #10  
Alt 14.07.2007, 10:12
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Klar Matze, das kommt wieder.

Während der Chemo spielt halt noch immer eine gute Portion Angst mit rein. Selbst ich, der sich in Sachen Tod eher weniger bis gar nicht fürchtet, hatte Angst, weil ich mir halt nicht vorstellen konnte oder wollte, wie meine Familie ohne mich zu Recht kommen sollte. Nicht, dass sie es nicht könnten, aber mein Sohn hat unter der Chemo schon ziemlich gelitten. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, sollte ich es nicht schaffen. Da war mehr Sorge um Frau und Kind als um mich. Auch bekloppt, oder ???

Naja, und nach der Chemo und Wiedereintritt in den Beruf kam dann mit dem guten Abschlußergebnis die totale Euphorie. Ich freute mich ja unter der Chemo schon über jeden Sonnenstrahl (was wohl auch am sonst so bescheidenen Wetter lag), aber jetzt genieße ich diese Kleinigkeiten viel mehr. Und eben diese Kleinigkeiten haben jetzt einen ganz anderen Stellenwert, gepaart mit einem kleinen Hang zum Egoismus. Ich liebe es, an einem Sommernachtmittag auf einer Liege im Garten zu schlumpfen und mir den lauen Sommerwind über die Haut "streicheln" zu lassen. Wenn mir mal wieder danach ist, nehme ich mir ganz klar eine Auszeit dafür. Und da helfen Proteste dann auch nicht viel.

Zur Nachsorge hin, kam dann wieder die Sorge auf, es könnte ja doch noch etwas sein. Das versaute mir unheimlich die Laune. Dann noch den Umstand, dass es fast nur am regnen war und kaum Sonne durchblickte. Ätzend!
Aber da hilft notfalls eine Viertelstunde Solarium. Brauchte ich zwar noch nicht, war aber schon kurz davor.

Wenn ich eines aus dieser verschissenen Krankheit mitgenommen habe, ist es, dass ich zukünftig keine Zeit mehr verschwenden möchte. Dazu gehört halt auch, dass ich für gewisse Leute heute keine Zeit mehr habe. Sie hatten sie ja auch nicht für mich....

Ich ärgere mich auch nicht über irgendwelche an sich belanlgose Kleinigkeiten. Wozu ? Ändert sich dadurch etwas? Ich sage meine Meinung jetzt offener als vorher. Klar, ich verbrenne mir damit durchaus mal den Mund. Na und ? Es ist meine Meinung. Wem sie nicht passt, kann ja einen Bogen um mich machen.

Und mit dieser ganzen Mixtur geht es mir richtig gut. Und auch Dir, lieber Matze, wird es bald wieder richtig gut gehen.....
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