Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 24.07.2003, 13:54
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

es wäre sehr schön wenn mir jemand ein paar tipps geben könnte. vielleicht muss ich mir auch einfach mal was von der seele schreiben.

mein geliebter bruder hat einen gehirntumor. wir wissen dies seit über einem jahr. es handelt sich bei seinem tumor um ein astrozytom who II. in unserer gegend wurde der tumor für inoperabel erklärt. nachdem wir mehrere meinungen eingeholt haben, fanden wir einen prof. der bereit zur op wäre. ein kontroll mrt im jan. 03 hat kein wachstum ergeben. ganz anders im juni 03. es stellte sich heraus dass der tumor stark gewachsen sei und sich schon in einen who III entdifferenziert hat. dies wurde ihm in einem krankenhaus um die ecke mittgeteilt.

sofort fuhren mein bruder und seine frau nach berlin zu "unserem prof." dieser operierte ihn erfolgreich, leider nur ein teil des tumors ( nach phatologischem befund ist der tumor weiterhin ein grad II). aber seitdem geht es ihm wieder gut. er ist im moment auf reha und erholt sich sichtlich.

es fällt mir sehr schwer mein herz auszuschütten. ich bin zwei jahre jünger als mein bruder und wir sind fast wie zwillinge aufgewachsen. ich komme mit seiner erkrankung nicht zurecht. ich fühle mich schuldig dass ich gesund bin. ich habe schlimme angstzustände.
ich habe mich sehr genau über die erkrankung informiert habe. ich weiss was noch auf uns zu kommt. das mag nicht heute und nicht morgen sein, irgendwann halt.
warum habe ich diese schuldgefühle, sie fressen mich auf. mein mann versucht mich davon wegzubringen indem er sagt ich solle einfach mal loslassen. ich weiss ja er hat recht ich schaff das aber nicht.

wäre über ein paar anregungen dankbar
ich wünsche allen betroffenen und angehörigen alles erdenklich liebe und gute

sterntalerchen
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 24.07.2003, 14:46
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Wie alt ist Dein Bruder wenn ich Fragen darf?
Tut mir echt sehr Leid!
Du darfst aber keine Schuldgefühle haben.
Du musst unbedingt versuchen Dich abzulenken und davon wegzukommen.
Niemand kann was dafür wenn der andere Krank wird. Ist halt eben so.
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 24.07.2003, 17:43
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Hi, Sterntalerchen,

loslassen ist nicht einfach, nein. Aber Du kannst für Deinen Bruder da sein, und ihm mit Deinem Da-Sein einen Teil Deiner gesunden Kraft geben. Das macht Sinn, und dafür brauchst Du Dich nicht schuldig zu fühlen. Sei sein Engel.

Ich bin auch Betroffene, und würde mir jemand von meinen Angehörigen oder Freunden sagen, er fühle sich mir gegenüber schuldig, WEIL er noch gesund ist, so würde ich ihn - erstens mal ein bisschen durchschütteln! - und ihm zweitens sagen:
"Dein Leben ist ein Geschenk, merkst Du's nicht? Jeder einzelne Tag ist ein wunderbares Geschenk. Niemand von uns weiss, was kommen mag, durch Krankheit oder Tod, und niemand weiss, WANN es kommen mag. Darum geniesse Dein Leben, solange Du noch gesund bist, jede einzelne Stunde, und freue Dich darüber. - Du kannst traurig sein über mich und meine Krankheit, Du kannst mich dabei begleiten; doch ich bin ich, mein Leben ist mein Leben, ... und Du bist Du, und Dein Leben ist Dein Leben. - Dass man Leben darf, ist kein Grund, um sich schuldig zu fühlen. Das Leben ist da, um es zu leben. Mit all den guten Seiten, und all den schlechten Seiten. Freue Dich über dieses Geschenk! Du kannst noch so viel daraus machen. Ist das nicht herrlich?"

Ich sende Dir eine dicke und lebensfrohe Umarmung, Sterntalerchen, und ganz liebe Grüsse.
Die "krasse" Brigitte
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 24.07.2003, 18:33
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Hallo Sterntalerchen!

Ja, ich kann dir nachfühlen! Dieses Gefühl kenne ich auch. Ich hatte es während der Krankheit und nach dem Tod meiner Tochter. Lange Zeit! - und niemand konnte mir dieses Schuldgefühl nehmen! Auch nicht mit guten Worten. Vom Kopf her weiß man ja selbst, dass es unlogisch ist, so zu denken, aber das Gefühl....

Heute bin ich selbst Betroffene und glaube mir: Alles was Brigitte geschrieben hat trifft genauso zu. Es würde mich unheimlich traurig machen, wenn jemand wegen mir so denken würde. Und wahrscheinlich würde ich mich sogar schuldig fühlen, weil ich dieses Gefühl bei jemand anderem hervorgerufen habe.
Und mal ganz ehrlich: Hilfst du ihm mit deinem Schuldgefühl? Stell dir mal vor, du wärst krank, da würde dein Bruder noch viel mehr leiden.
Freue dich ganz einfach mit ihm mit, wenn es ihm besser geht!

Eine liebe Umarmung schickt dir

Hedi
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 27.07.2003, 09:10
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Alles okay, Sterntalerchen?
Bitte melde Dich doch noch mal.

Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 29.07.2003, 09:10
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

ihr lieben,

vielen dank für eure zeilen.
ich bin im moment einfach im stress ( selbstgemacht zur ablenkung).

mein bruder ist 34 jahre alt. hedi du schreibst wie es ist. klar weiss ich dass es unsinn ist sich schuldig zu fühlen. an manchen tagen geht es besser dann krieg ichs wieder gar nicht hin. obwohl mein bruder von meinen gefühlen nichts weiss. ich spiel da die starke die mut macht und sagt wir kriegen das schon hin. mein bruder war als kind immer ein bissle der sorgengrund meiner eltern. er war so dünn und oft krank.. und jetzt das. ich hingegen war immer die starke nie krank und so steckts in meinem kopf drin ich beschütze meinen "kleinen" bruder.
aber wie du sagst brigitte. das leben ist ein geschenk, so fühle ich das auch.
es ist so dumm ich will meinem bruder die krankheit nehmen und das geht natürlich nicht.
wie geht ihr, liebe betroffene, mit der angst um?
ich wache manchmal nachts auf und mein herz klopft wie wild..
ich wünsche euch allen einen schönen sonnigen tag.

grüsse von der alb

sterntalerchen
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 29.07.2003, 12:26
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Hallo Sterntalerchen,
da bist Du ja wieder.

Ist eine gute Frage, wie wir Betroffene mit der Angst umgehen.
Naja, es braucht mal erstens Zeit dazu. Am Anfang strampelt man gerne mal wie wild, will es einfach nicht wahr haben. Aber dieses Nichtwahrhaben-Wollen quält einen eben auch sehr. Es dauert dann halt ein Weilchen, bis man die Situation akzeptieren kann.
Wenn man akzeptiert hat (ich weiss, das klingt so trocken), wenn man sieht, dass die Krankheit eine Tatsache ist, etwas Unumstössliches, etwas Unabwendbares, wenn man sich einlässt auf dieses Leid, auf dieses Schicksal, und es mit offenen Augen betrachtet, ... dann geht es ein bisschen leichter. Leichter in diesem Sinne, dass man wieder Kräfte entwickeln kann. Kräfte, die aus der Akzeptanz gewachsen sind.

Aber die Angst wird immer da sein, liebes Sterntalerchen. Manchmal mehr, manchmal weniger. Sie hilft einem aber auch, das Leben wertzuschätzen, es zu lieben. Jeden Augenblick.

Du brauchst nicht die Starke zu "spielen". Du kannst Deinem Bruder sicher sagen, wie Du Dich fühlst. Er braucht jetzt ja nicht Deine Lebensaufopferung für sich, oder Deine Schuldgefühle, sondern nur Dein Da-Sein, Dein Begleiten. Er braucht Dich, so wie Du bist, auch wenn Du traurig bist.

Damit Du nicht das Gefühl bekommst, dass Du "nur" bei ihm weinst, wenn Du mal bei ihm bist, oder so unendlich traurig bist (weil ihn das ja auch runter zieht),... versuche vielleicht für Dich einen Ausgleich zu finden. Diese Woche versuchst Du ein bisschen stark zu sein für ihn (lacht ein wenig zusammen), und nächste Woche darfst Du Dich bei ihm ein bisschen gehen lassen.
Er wird das verstehen. Er wird verstehen, dass Du nicht "nur" Stark sein kannst.
Wenn Du es zulässt - für Dich selber - dass Du nicht IMMER stark bist, wirst Du besser damit umgehen können. Und Dein Bruder merkt, dass Du nicht "spielst", sondern ehrlich bist.

Lass Dich ganz lieb umarmen.
Die "krasse" Brigitte
Mit Zitat antworten
  #8  
Alt 29.07.2003, 15:07
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

Hallo Sterntalerchen

ich bin jetzt nicht nur selbst Betroffene sondern auch Schwester von einer zur Zeit erkrankten Schwester und einer leider schon verstorbenen Schwester. Sie war damals erst 38 Jahre alt und ich kann Deine Gedanken sehr gut verstehen. Wie gerne hätte ich ihr damals alles abgenommen - hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte kleine Kinder, war Mutter - und ich selber war alleine und 2 Jahre älter. War und bin auch heute nicht unbedingt diejenige, die sagt - das Leben ist sowas super schönes - und ich muß unbedingt 60, 70 Jahre alt werden. (bin jetzt 46)
Aber so gerne ich ihr Leid auch abgenommen hätte - so klar war es ja auch, das das gar nicht gehen konnte. Und - sie würde es auch gar nicht gewollt haben.
Sie litt sehr - aber sie war auch sehr tapfer. Lachen gehörte bis fast zum Schluß zu ihrem Leben. Obwohl das Leben ihr übel mit gespielt hat.
Ich glaube, am meistn berührt meine Krankheit jetzt meinen jüngsten Bruder. Er versucht mir viel zu helfen. Leider wohnt er zu weit weg, und so ist es meistens eben nur etwas telefnoisch, wie wir uns ausstauschen können. Jetzt am Wochenende musste ich ihm wohl leider mitteilen, das ich wohl innerhalb kürzester Zeit eine zweite Rezidiverkrankung hatte - und ich habe förmlich gespürt, wie er um Worte rang.
weißt Du, ich habe ein paar Tage überlegt, ob ich es ihm sage, oder nicht. Aber vor ein paar Monaten habe ich ihm versprochen, ehrlich zu sein. Er fragt nicht nur, weil er denkt - das gehört sich so als Bruder. Sondern er will es wirklich wissen. Genauso wie er Derjenige ist, der mit in meine Entscheidungen einbezogen wird. Falls ich das irgendwann einmal nicht mehr können sollte, wird er Derjenige sein - der für mich die Entscheidungen trifft. Es kann ja soweit kommen, wir haben es bei meiner einen Schwester gesehen. Und bei ihm - nur bei ihm bin ich mir sicher, das er in meinem Sinne entscheiden wird. Das geht aber nur, weil wir offen über die Dinge reden.
Was mir gut tut ist, das er seine Traurigkeit nicht versteckt. Wir können uns gemeinsam manchesmal die Angst vor dem nehmen, was kommt ( was kommen kann, aber ja nicht muss) . Ich fühle mich meistens sehr alleine, mit dem, was kommt. Bin ich ja auch. Wohne fast 400 km weit weg. Habe keine eigene Familie. Trotzdem bin ich nicht alleine.
Mein (kleiner) Bruder hat vor kurzem zu mir gesagt, das er viel Angst hat, und er sehr traurig ist. Aber er hat auch gesagt, das er mich auf meinem Weg begleiten wird.
Alles gehört zum Leben. Ein Mann muß nicht stark sein, weil er ein Mann ist - ein Angehöriger muß nicht stark sein, weil er gesund ist. Mir als Angehörige ist es damals viel schwerer gefallen, die Krankheit meiner Schwester zu akzeptieren, als mir jetzt als Betroffene meine eigene Erkrankung.

Leider gehören auch solche Erkrankungen zum Leben dazu. Krebs bedeuted nicht immer sterben. Und sterben bedeutet nicht immer das Ende vom Leben.
Wir haben noch mehr Geschwister - aber da ist das Verhältnis eher schlecht. Sie laufen vor dem weg, was ist und denken, so können sie es aufhalten. Nur leider nutzt es weder ihnen noch mir.

ich denke auch - gemeinsames Weinen ist genauso wichtig, wie gemeinsames Lachen ! Mein bruder und seine Familie und ich können auch viel Lachen. Ich lache gerne - warum auch nicht.
Das Leben ist viel zu kurz, um jetzt für den Rest des Lebens ( egal wie lang das sein mag) nur zu weinen.

wünsche Dir und Deinem Bruder alles Gute

viele grüße
elisabeth
Mit Zitat antworten
  #9  
Alt 18.09.2003, 18:14
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard fühle mich unendlich schuldig

ich möchte mich ganz herzlich für alle kommentare und antworten bedanken.
ich bin erst jetzt in der lage ein feedback zu geben.
hab viel nachgedacht und mir eure worte zu herzen genommen.
liebe krasse brigitte, ich hab erkannt dass ich die erkrankung meines bruders bisher nicht akzeptiert habe. ich habe mich mit händen und füssen geweigert. und wenn er vielleicht doch krank ist dann finde ich die nadel im heuhaufen zu seiner absoluten genesung. ich muss mich nur stark genug anstrengen um die "lösung" zu finden.
das mag sich alles wahnsinnig anhören, aber ich hab echt so gedacht.
ich glaub ich bin ganz langsam auf dem weg der akzeptanz, gleichzeitig mit der überzeugung dass er mit der krankheit noch eine schöne und lange zeit leben wird. die hoffnung wandelt sich im laufe der erkrankung.
wenn ich unser "familien schicksal" mit offenen augen betrachte sage ich schon nach 1 1/4 jahren dass wir innerhalb der fam. vorsichtiger miteinadner umgehen und das dasein der anderen nicht mehr für selbstverständlich nehmen.
ich versuche den tag zu pflücken. es gelingt mir schon wieder besser.
nochmals vielen dank für eure anteilnahme...
ich wünsche euch alles erdenklich liebe und gute

sterntalerchen
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Ich bin so unendlich traurig Susel Schweiz 5 26.05.2007 13:17
Verzweifelt und unendlich traurig nico23 Forum für Angehörige 15 12.04.2006 20:50
Es ist so unendlich schwer... Siri1981 Forum für Angehörige 21 18.10.2005 08:42
bin gesund, fühle mich alleingelassen Forum für Angehörige 54 09.12.2004 11:44
Ich fühle mich alleingelassen Magenkrebs 17 07.12.2003 14:41


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 00:56 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55