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  #1  
Alt 29.04.2005, 00:27
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Standard nur noch wenige wochen - die angst vorm abschied

hallo,

ich bin seit einigen jahren stille mitleserin dieses forums hier.
meine schwiegermutti (78) ist seit mehreren jahren an magenkrebs erkrankt, das heisst der ursprungskrebs war ein adeno-ca. vor 2 jahren wurde ihr der magen entfernt und bis vor 4 wochen nahm sie noch sehr aktiv am leben teil. schon damals wussten wir, dass metastasen in der leber vorhanden waren, von einer behandlung sah man damals aber schon ab, da die prognosen - ihre lebenserwartung betreffend - laut arzt bei wochen bis monaten liegen sollte. sie überraschte uns immer wieder, kämpfte verbissen, hatte einen unerschütterlichen lebenswillen, betreute ihren psychisch kranken sohn (der seit 40 jahren mit in ihrer wohnung lebt) für den sie da sein wollte etc.
seit 4 wochen nun, hat die krankheit in all ihrem ausmaß von ihr besitz ergriffen. sie hat wahnsinnige schmerzen, die metastasen sind sogar durch die bauchdecke tast/sichtbar. seit 9 tagen liegt sie im krankenhaus und jeden tag geht es weiter berg ab. sie wird inzwischen gefüttert/gewindelt kann sich vor schmerzen kaum bewegen.
wir leben seit 10 jahren mit ihr im haus, kümmern uns um sie etc. so auch jetzt. rund um die uhr ist jemand von der familie an ihrem bett. die schmerzmitteldosis könne man (laut arzt) nicht weiter erhöhen, da sie bei einer höheren medikation sofort versterben würde. sie ist hellwach bzw geistig voll da, ißt auch mit großem appetit. bis gestern bekam sie blutübertragungen, sollte auf eine schmerzstation verlegt werden. für uns kam dieser 'umschwung' ihres gesundheitszustandes völlig überraschend, wahrscheinlich weil sich in unseren köpfen die damaligen schlechten prognosen verfestigt hatten, die sich ja nicht bestätigten.
heute nun, eröffnete uns der behandelnde arzt, dass er sie spätestens montag nach hause entlassen wird. man könne nichts mehr für sie tun.. und zitat:" es geht hier nur noch um wochen".
natürlich möchten wir sie gerne zu hause haben.
das problem/meine angst ist aber gerade folgende:
bis gestern sprachen die ärzte noch von 'dringenden behandlungsmaßnahmen' die durchzuführen seien. zu fünft sind schwestern und pfleger rund um die uhr für sie da (z.b.aller 2 stunden umbetten, wegen wundliegen)oder eben eben weil immer irgendwas schwerwiegendes ist (luftprobleme,schmerzen etc)
bei jeder noch so kleinen berührung, schreit unsere mutter, die nur noch haut und knochen ist (40 kg)
ich selbst habe keinerlei erfahrung im pflegebereich, würde alles laienhaft bzw nach eigenem ermessen durchführen.
ich will sie gerne pflegen, aber ich habe panik zu versagen/etwas falsch zu machen.
mein mann ist täglich von 7.00-16.00 uhr arbeiten, ich selbst habe 2 kinder unseren bauernhof tiere, um die ich mich von früh bis spät kümmern muss.
die angereiste 'restfamilie', die gerade bei ihr wacht, reist am samstag auch schon wieder ab.
ich habe genau einen tag - nämlich heute/freitag - um ein krankenbett zu besorgen sämtliche für die pflege notwendigen utensilien, ihre wohnung umzubauen (bzw ein krankenzimmer einzurichten) etc.
ich bin heute bis 22 uhr im krankenhaus geblieben, um mir von den schwestern/pflegern einige griffe beibringen zu lassen, wie ich sie legen/umbetten kann etc.
alleine ist das aber unmöglich.. im krankenhaus sind sie bei so 'aktionen' wenigstens zu dritt.
ich weiss einfach nicht, wie ich das alles bewältigen soll den in ihrer wohnung lebenden psychisch kranken sohn (also meinen schwager) der die ganze situation überhaupt nicht begreift, eher noch blockiert bzw auf den ich auch noch 'aufpassen' muss.
selbst wenn ich das alles 'geschafft' bekomme, wann habe ich die zeit, mich der mutti voll und ganz zu widmen? sie will über den tod reden, das haben wir in den letzten tagen sehr oft getan. da hatte ich die zeit ja auch noch, da sie im krankenhaus ja versorgt wird.
die behandelnde ärztin hat mir heute einen antrag auf pflegegeld gegeben, ich solle doch einen pflegedienst hinzuziehen. als ich jedoch bei der krankenkasse diesbezüglich anrief, bekam ich nur die auskunft "da muss erstmal ein antrag gestellt werden, danach sieht sich jemand die situation an und danach erst entscheiden wir, ob das notwerdig ist.. und das wiederum kann dauern"
ohne pflegedienst (sie bekommt unmengen an medikamenten zb macumar.. was fast jeden tag anders dosiert wird - neuerdings)
oder irgendeine fachliche hilfe/beratung kann ich sie doch gar nicht optimal betreuen.. zumal alles andere zu hause auch noch weiterlaufen muss.
das allerschlimmste jedoch ist meine angst, dabeizusein.. oder eben gerade nicht da zu sein.. wenn sie "von uns gehen möchte"
ich weiss einfach nicht, wie ich das alles bewältigen soll.. denn ich hoffte, die zeit, die ich noch mit ihr habe, für - ihr wichtige gespräche - nutzen zu können. einfach bei ihr zu sein, falls sie das wünscht. nun frisst die organisation/sorge/tägliche pflege, diese zeit auf.. denn mein mann meine kinder brauchen mich auch.
mein mann tut was er kann, steht aber völlig neben sich, funktioniert nur. er kann zudem aus zeitgründen (arbeit) kaum für eine entlastung sorgen.
ich habe unserer mutti versprochen, dass alles 'kein thema' sei.. sie sich keine sorgen machen soll, wir alles geregelt bekommen etc.
die wahrheit ist, dass ich regelrechte panik habe.. panik zu versagen, was falsch zu machen.. falsch 'zu pflegen' keine zeit für ihr wirklich wichtige gespräche zu haben etc.
und natürlich die angst, dass ich alleine bin mit ihr (und/oder meinem kranken schwager - dessen reaktion ich nicht mal im geringsten einschätzen kann) wenn 'es passiert'.
bisher konnte ich immer mal luft holen/verschnaufen, wenn mir alles über den kopf wuchs. ab morgen weiss ich gar nicht mehr, wann ich kraft, für das bevorstehende, tanken soll.
ich habe einfach nur angst..

jaqueline
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  #2  
Alt 29.04.2005, 01:01
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Hallo Jaqueline,

Deine Angst ist gut nachvollziehbar und auch völlig berechtigt, denn alleine wirst du mit der ganzen Situation überfordert sein.
Also erstens ganz schnell persönlich zur Krankenkasse und einen Eilantrag auf Pflege stellen, dann kommt der Medizinische Dienst, sieht sich alles an und teilt der Krankenkasse die Einschätzung bzgl. der Pflegestufe mit.
Vielleicht gibt es im Krankenhaus einen sogenannten Sozialdienst, der könnte Dich bei dem Antrag unterstützen.. frag dort nochmal nach.
Übergangsweise gibt es auch Pflegeunterstützung z.b. vom DRK oder ASB, die dann auch bei dem Antrag helfen und auch ohne Genehmigung der Krakenkasse bereits einen Teil der Pflege übernehmen könnten. Sie haben meist auch entsprechende Erfahrungen mit dem ganzen Procedere.
Alternativ gibt es bei Euch vielleicht einen Hospizdienst, dort wird Pflege, Gespräche, medizinische Grundversorgung und auch Sterbebegleitung für Deine Schwiegermutter und alle Angehörigen angeboten. Die dortigen Mitarbeiter sind gezielt auf diese letzte Lebensphase geschult und können sicher eine sehr gute Unterstützung sein.
Weiter wäre zu klären, ob es event. im Krankenhaus oder in einem anderen in der Nähe eine Palliativstation gibt, dort könnte Deine Schwiegermutter immer mal bei Bedarf ein paar Tage hin, um auf Schmerzmittel eingestellt zu werden und wieder etwas aufgebaut zu werden. Diese Stationen haben auch entspr. geschultes Personal, dort gibt es meist keine Krankenhausatmosphäre.
Nehm Dir lieber ein paar Stunden Zeit, um das alles abzuklären, bevor du mit der Pflege alleine dastehst.

Gibt es nicht event. eine Möglichkeit, das die "Restfamilie" sich wenigstens um Deinen Schwager kümmert, wenn sie ihn nur mal ein paar Tage mitnehmen, bis du alles abgeklärt und organisiert hast ???
Oder das jemand von denen noch ein paar Tage länger bleibt?

Ich wünsch Dir ganz viel Kraft für die kommende Zeit, aber denke daran, Du benötigst auch etwas Zeit für Dich, um diese Kraft zu tanken und mal zu verschnaufen

Lieben Gruss Gaby
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  #3  
Alt 29.04.2005, 09:38
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hallo jaqueline,


wollte dir genau das selbe sagen wie gaby.
du kannst, solltest dir auch ,hilfe ins haus holen.
weil ganz alleine ist es doch eine schwierige aufgabe, wo du ja auch noch andere sachen zu tun hast.
und du brauchst auch keine angst zu haben wenn du "dabei" sein solltest.
es ist auch wichtig das sie jetzt nicht alleine ist, rede immer mit ihr auch wenn sie nicht antwortet.
sie wird auch angst haben.
halte ihr die hand erzähle schöne dinge, du wirst sehen, du kannst das.
dachte auch ich könnte es nicht, aber bei meiner mama ging es auch.
sie schlief am 10.04 ein.



ganz ganz viel kraft


heike
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  #4  
Alt 29.04.2005, 13:30
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Hallo, Jaqueline, zu den Ausführungen von Heike und Gaby möchte ich noch ergänzen, dass die Pflegekasse zunächst auch nur nach Aktenlage entscheidet, bevor der MDK zur Begutachtung kommt. (Die Aussage von der Mitarbeiterin der Krankenkasse ist daher nicht ganz richtig). Lass´dich davon nicht abschrecken. Außerdem muss man unterscheiden zwischen Leistungen der Krankenkasse und denen der Pflegekasse. Medikamentengabe z. B. fällt in die ZUständigkeit der Krankenkasse. Du könntest mit dem Hausarzt sprechen (oder Onkologen), dass er Leistungen häuslicher Krankenpflege verordnet (bis zu 4 Wochen möglich). Vielleicht gibt es in eurer Region ambulante Hospizhelfer, die euch unterstützen können. Danach könnte man im Krankenhaus oder bei der Kirchgemeinde fragen. Auf jeden Fall solltest du die Hilfe des Krankenhaus-Sozialdienstes in Anspruch nehmen. Zu deiner familiären Situation kann ich dir nichts raten, nur, dass du das alles wohl nicht alleine schaffen kannst. Ich wünsche dir viel Kraft Gundula
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  #5  
Alt 30.04.2005, 17:43
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Liebe Jaqueline, so war es bei meinem Vater auch. Wir pflegten ihn zunächst noch alleine (ich, mein Mann, wenn er nicht arbeiten war, meine 82jährige Mutter und wir haben auch noch 2 Kinder). Dann, als es "zu viel" wurde, schalteten wir einen Pflegedienst ein. Wir stellten schon im Juli den Antrag auf Pflegestufe, am 18. Oktober kam dann endlich jemand prüfen, am 19. Oktober verstarb mein Vater. Die Pflegedienste bieten sehr gute Dienste und sehr viel Hilfe an. Können auch z.B. sagen, wie man "jemand anpacken soll/muß". Es gibt auch Abende, von z.B. Abendschule, VHS, wo es so ca. 2-3 Stunden Abendkurse gibt und man einige Tipps bekommt. Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft. Bekommst sie schon Morphin?
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  #6  
Alt 30.04.2005, 17:54
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Hallo jaqueline,


wie geht es dir?
hoffe du hast hilfe gefunden, sei es in der familie oder vom pflegedienst.
lass den kopf nicht hängen.

liebe grüsse
heike
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  #7  
Alt 30.04.2005, 22:47
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Hallo Jaqueline!
Habe soeben deinen Bericht gelesen. Da ich vor 1/2 Jahr in der gleichen Situation war (bei mir war es mein Mann) kann ich dein Problem sehr gut verstehen.
Hast du dir schon einmal überlegt ob es nicht besser wäre deine Schwiegermutti auf eine Palliativstation zu verlegen? Ich selber wollte meinen Mann auch nach Hause holen. Die Ärzte haben mir aber davon abgeraten weil eben die Pflege und
die Versorgung sehr schwierig war. Mein Mann ist dann auf der Palliativstation verstorben. Heute muß ich sagen es war die richtige Entscheidung. Ich hätte es niemals geschafft daß mein Mann so schmerzfrei und ruhig sterben konnte.
Da ich auch gemeinsam mit meiner Mutter meinen Vater pflege, (liegt seit 1 1/2 Jahren im Wachkomma) weiß ich wie schwierig das ist. Zu Hause muß man um alles was man braucht (Medikamente u.s.w.) fast betteln. Der Pflegediest der uns unterstützt besteht fast bis auf ein paar Ausnahmen aus Frauen die nur einen Altenpflegekurs mitgemacht haben. In schwierigen Situationen können die einem nicht helfen.
Ich und meine Kinder konnten meinen Mann auf der Palliativstation besuchen wann und so oft und lange wie wir wollten. Habe auch dort übernachtet. Ich konnte mich
ausschließlich um meinen Mann kümmern. Zu Hause hätte ich bestimmt nicht so viel Zeit gehabt.
Da er an Mundbodenkrebs erkrankt war und ein Rezitiv an der Luftrörhe bekam bestand die Gefahr daß er ersticken könnte. Wir fühlten und einfach sicherer weil wir wußten es ist jederzeit ein Arzt zur Stelle.
Ich war wirklich verzweifelt weil ich meinen Mann nicht nach Hausen holen konnte.
Jetzt nach dem alles vorbei ist weiß ich daß es für ihn auf jeden Fall besser war. Er ist friedlich und schmerzfrei in meinen Armen verstorben (war erst 47 Jahre).
Bei so schwierigen Fällen ist die Betreuung von geschulten Helfer auf jeden Fall die bessere Lösung. Mein Mann hat alles was er benötigt sofort bekommen, ohne erst
um ein Rezept zu betteln.
Auch deine Schwiegermutti hat mehr von dir wenn du selber ruhiger bist.
Ich wünsche dir auf alle Fälle sehr viel Kraft für die nächste Zeit und laß dich nicht von anderen beeinflussen. Du alleine muß entscheiden ob du dir das zutraust.
Ich jedenfalls bin jetzt sehr froh daß es sowas wie einen Palliativstation gibt
und kann es nur weiterempfehlen.
Liebe Grüße
Gitte
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  #8  
Alt 01.05.2005, 08:58
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Mein Vater wechselet zuletzt zwischen Palliativstation, Krankenhaus und zu Hause, die Palliativstation baute ihn immer wieder "auf", bei den Pflegediensten muß man genau unterscheiden, es gibt wirklich hier auch "schwarze Schafe".
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  #9  
Alt 01.05.2005, 16:59
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hallo zusammen,

erst einmal vielen vielen dank, für eure zahlreichen antworten/tipps. ich freue mich wirklich sehr, dass ich so viele antworten bekommen habe - auch wenn gerade die buchstaben verschwimmen - ich unter tränen schreibe, so möchte ich euch doch unbedingt antworten.

am freitag morgen, habe ich mich sofort um einen pflegedienst bemüht. mich mit einer sehr netten dame um 13 uhr im krankenhaus verabredet. sie wollte sich vor ort ein bild machen und auch ab montag zu hause dann, bei uns sein um eine rundumversorgung sicher zu stellen. die von mir aufgesuchte krankenkasse (auch noch freitag morgens) hatte auch ohne irgendwelche prüfungen die pflegestufe 3 bewilligt. ich hätte ab montag also einigermaßen geregelt, mit der pflege beginnen können.. hätte..
um 11 uhr (als ich meine schwägerin, die mit 'wache' im krankenhaus dran war) erfuhr ich, dass unsere mutter an diesem tag noch gar nicht wach geworden sei. meine schwägerin "du, sie schläft nur und liegt irgendwie komisch da, ich weiss gar nicht was ich tun soll, sie ist nicht ansprechbar". instinktiv rief ich meinen mann an bzw beorderte ihn unverzüglich nach hause. etwa 20 min später rief ich meine schwägerin noch einmal an, erreichte jedoch nur eine 'fremde stimme' die mir sagte, dass unsere mutter in ein anderes zimmer verlegt worden sei. ich begann zu begreifen..
um 12.30 uhr war mein mann dann zu hause und wir fuhren so schnell wir konnten ins krankenhaus.
die mutti lag bereits in einem sterbezimmer. um 13 uhr kam die frau vom pflegedienst, sah uns nur an, sah die mutti an, wünschte uns viel kraft und verabschiedete sich wieder.
etwa zeitgleich begann muttis todeskampf. wir waren alle bei ihr. sie kam nicht mehr zu sich, hatte aber starke schmerzen, war in einem zustand, den ich gar nicht beschreiben kann. sie war nicht mehr ansprechbar, aber ich hatte das gefühl, dass sie uns hörte, noch alles mitbekam. ich bat um eine morphiumspritze, welche sie gegen 17 uhr dann auch bekam. danach fiel sie in einen ruhigen schlaf. gegen 22 uhr ließ die spritze jedoch nach, sie begann unruhig zu atmen.. der hinzugezogene arzt meinte jedoch, dass sie keine schmerzen habe bzw das sei ganz sicher auszuschließen.
wir sprachen von mittag an - auch wenn keinerlei reaktion mehr kam - mit ihr, verabschiedeten uns,hielten ihre hand, sagten was wir noch gerne sagen wollten. ich riß mich den ganzen tag zusammen, saß bei ihr.. überlegte mir jedes wort, da ich irgendwie fühlen konnte, dass sie alles hört/aufnimmt. einmal jedoch, ging es mit mir durch und ich flüsterte meinenm mann zu, dass ich solche angst, solche panik vor dem moment, wo sie nicht mehr atmet habe. ich erschrak bzw zuckte jedes mal zusammen wenn die atmung unregelmäßig wurde. ich war einfach ausser mir innerlich. versuchte aber ruhig zu wirken, streichelte sie, sprach mit ihr.. aber meine panik war sehr gross. gegen 23.30 uhr verließ ich das erste mal das zimmer um eine zigarette zu rauchen und weil ich einfach 5 minuten luftholen musste. als ich um 23.30 uhr wieder angerannt kam, kam eine schwester ruhig auf mich zu. ich blieb stehen, wollte gerade sagen "wollen sie mir etwas sagen?" ich hatte es noch nicht ausgesprochen, da sagte sie schon zu mir "gehen sie bitte langsam - es ist soweit" ich rannte weiter, ging ins zimmer. sah ins bett.. sie war eingeschlafen.
ruhig und friedlich. sie hatte einfach aufgehört zu atmen.. und ich war nicht dabei.
ich glaube ganz fest daran, dass sie meine panik gespürt hat bzw den zeitpunkt abgewartet hat, damit ich nicht zusammenbreche. das klingt vielleicht etwas abgedreht, aber ich glaube fest daran. einerseits mache ich mir nun vorwürfe, andererseits.. ich weiss nicht, ich kann es nicht einordnen, was besser gewesen wäre, für sie, für uns alle. meine schwägerin und mein mann waren jedoch bei ihr. diese 5-10 minuten in all den stunden, die ich nicht dabei war.. ich kann es einfach nicht einordnen..
den gestrigen tag bestimmten formalitäten, so auch heute.. ich kam noch nicht zum luftholen, steh noch neben mir.
ich bin einfach nur am ende.. habe keine kraft mehr.
sie hat jahrzehnte bei uns gewohnt, ich muss nun in ihrer wohnung alles zusammen suchen, was der bestatter braucht.. es ist einfach nur furchtbar, auch wenn wir uns alle sagen, dass sie nun erlöst ist.

ich danke euch - fürs zuhören - fürs lesen..

alles liebe
jaqueline
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  #10  
Alt 01.05.2005, 17:03
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die zweite uhrzeit sollte 23.40 werden, ich habe mich da einfach vertippt
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  #11  
Alt 01.05.2005, 19:32
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Liebe Jaqueline, ja sie hat alles noch mitbekommen! So war es auch bei meinem Vater. In seinen letzten Stunden waren meine Mutter, mein Mann bei ihm, ich kam ca. 45 Minuten, bevor er starb, erst als mein Mann mit den Kindern, meine Mutter, kurz raus gingen, starb er, als ich mit ihm alleine war, auch unter Morphin, zwar mit aufgerissenen Augen und Mund, wie er ca. 5 Stunden vorher schon lag, auch sein atmen wurde unregelmäßiger, langsamer. Aber ich bin mir SICHER; er hat auf mich gewartet und darauf, mit mir alleine zu sein, weil er immer dachte, ich sei die Stärkste in der Familie....
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  #12  
Alt 01.05.2005, 23:42
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Liebe Jacqueline

Erstmal unser aufrichtiges Beileid zum Tode deiner Schwiegermutter, deinem Mutti.

Ich versuche dir ein paar Antworten zu geben als Krankenschwester und ausgebildete Sterbebegleiterin.

Wir spüren, dass du nun mit Schuldgefühlen dich quälst auch wenn du an sich schon die Antworten kennst, so hegst du doch noch Zweifel - "warum war ich nicht mehr bei ihr als sie auf ihre letzte Reise ging?" Diese Frage können wir nicht beantworten - deine Mutti hatte sie dir bereits beantwortet, nämlich weil SIE ES SO WOLLTE, auch wenn sie nicht mehr ansprechbar war, hat sie vieles mitbekommen, und auch darauf reagiert.

Sie wusste, dass du am Ende deiner Kräfte warst und hat dir die Chance geschenkt von ihr Abschied zu nehmen in dem du sehr lange bei ihr sein konntest und doch in dem Moment als du Luft brauchtest hat sie sich entschieden zu gehen auch um dir zu zeigen wie wichtig es ist manchmal einfach Luft zu holen. Sie wollte dir auch so zeigen, dass sie bereits von dir Abschied genommen hat.

Der Gang in die Wohnung um alles zu holen was nun für letzten Vorbereitungen nötig sein wird ist kein einfacher Schritt, wir wissen aber dass du stark bist und es schaffen wirst. Denn wärst du nicht stark, hättest du die ganzen Vorbereitungen für zu hause am Freitag nicht so schnell, sachlich, professionell und kompromisslos regeln können. Gratulation, du hast dich nicht abwimmeln lassen.

Wir wünschen dir viel, viel Kraft für die kommende schwere Zeit und dass auch für den psychisch erkrankten Sohn (deinem Schwager) eine Lösung gefunden wird.

Liebe Grüsse und ein Kraftpacket Liz und Willy im Doppelpack
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  #13  
Alt 02.05.2005, 01:33
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danke, ich bin so unendlich dankbar für eure antworten.

und trotzdem komm ich mir gerade sehr 'klein' vor. unsere mutti hielt mich ein leben lang, für die stärkste der familie.
auf der einen art genoß ich ihre einschätzung, auf der anderen art wusste ich aber auch, was für eine verantwortung auf mir ruhte.
in den letzten 2 wochen gab es allerhand (für mich)'seltsame' begebenheiten,dinge, die ich einfach nicht einordnen konnte, wo ich aber doch wusste, dass es irgendwas geben muss, was menschen, die bald von uns gehen, erleben.. bzw dinge die uns 'weiterlebende' verwirren.
ich halte mich für übersensibel, ich kann in menschen hineinsehen, manchmal glaubte ich an begabung.. manchmal sah ich es aber auch wie einen fluch, der mir anlastet,einfach weil man nicht alles sehen/wissen will/sollte, was man sieht/erlebt.
mein verhältnis zu unserer mutti, war immer so, dass sie mir - als einzige menschen - gesagt hat, wie es ihr wirklich geht. ich habe ganz bewusst - teilweise unverfroren - fragen gestellt, an die sich andere nicht wagten, oder aber wo die anderen einfach nicht hindachten. ich hatte zu jeder zeit das gefühl, dass sie froh und erleichtert war, wenn ich sie ansprach, oder das aussprach, was sie sich einfach nicht traute. ich war die einzige aus der familie, mit der sie offen über ihre krankheit und die damit verbundenen ängste sprach. beendet wurden diese gespräche immer mit ihrem satz "ich kann das den anderen nicht sagen, du verpackst das schon". so auch geschehen am tag bevor sie ins krankenhaus ging.
es war ein gespräch, wie viele vorher und doch war es anders, als alle vorherigen.
sie lag im schlafzimmer in ihrem bett, ich packte ihre tasche fürs krankenhaus. sie nahm mich kaum wahr. in der 3 zimmer wohnung waren noch mein mann und mein schwager anwesend. sie standen in der küche (2 zimmer weiter) und unterhielten sich. ich bemerkte, wie sie sich in die gespräche der beiden 'einbrachte' antwortete. irgendwie war dies seltsam, ich nahm nämlich nur wortfetzen war, eben weil die beiden sehr weit weg waren. mir wurde zu diesem zeitpunkt irgendwie klar, dass sie wohl alles hörte, was sich in der wohnung abspielte. verwarf den gedanken aber gleich wieder, weil es mir zu absurd erschien (bzw schob es auf eine wohl zu blühende phantasie meinerseits) wenig später sprach ich sie an, weil mir noch einige sachen fehlten, ich nicht wusste, wo ich diese suchen sollte etc. und so kam es zu folgenden gespräch:

sie :" weisst du, ich möchte jetzt wirklich sterben, es ist mein ernst, ich kann und will nicht mehr"
ich :" wenn du das wirklich möchtest, wenn du wirklich nicht mehr kannst, dann akzeptiere ich deine entscheidung"
sie :" ja, ich denke es ist jetzt zeit. glaubst du, dass es jetzt an der zeit ist?"
ich :" ich weiss es nicht, ich kann das nicht entscheiden, ich war noch niemals an so einem punkt, wo ich nicht mehr leben wollte oder konnte. verzeih mir, aber ich weiss darauf keine antwort"
sie :" lasst mich gehen, lasst mich bitte gehen, lässt du mich gehen?"
ich :" ja, ich lasse dich gehen"
sie :" aber sag es meinen beiden söhnen nicht, sie können damit nicht umgehen"
ich :" nein, natürlich sag ich nichts"

ich verließ irgendwann das schlafzimmer - sehr verwirrt - weil ich so ein gespräch, in so einer deutlichkeit noch niemals mit ihr geführt habe. als ich in die küche kam, muss ich wohl sehr
durcheinander gewirkt haben. mein mann sprach mich an, fragte mich was denn sei. ich sagte ihm, dass alles ok sei. er bohrte, glaubte mir nicht. ich war in einer zwickmühle.. als ich sah, dass er immer ängstlicher wurde bzw mein verhalten überhaupt nicht mehr nachvollziehen konnte und vor allem, mir nicht glaubte, flüsterte ich ihm zu, dass ich jetzt nichts sagen kann, da ich annehme/mir sicher bin dass sie es hören würde. er sah mich nur verständnislos an und erklärte mir, wo wir uns befänden, nämlich 3 zimmer weiter und das ja der totale unsinn wäre etc.
ich haderte mit mir und meinem gewissen und vor allem mit meiner vermutung.. ließ dann aber das vertrauensverhältnis zu meinem mann siegen und sagte ihm, dass die mutti nicht mehr leben möchte.
dieses gespräch mit ihr, war das letzte in dieser offenheit.. denn die darauf folgenden tage, als wir alleine waren im krankenhaus und ich an dieses gespräch anknüpfen wollte, verhielt sie sich mir gegenüber so, wie zu den anderen. meinen konkreten fragen, wich sie aus. ihr zustand passte nicht mehr zu dem, was sie mir sagte.. nämlich, dass es ja doch evtl. gar nicht alles sooo schlimm sei.
das letzte was wir zusammen besprachen, war ihre entlassung und wie zu hause alles laufen soll.
ich wunderte mich zwar, aber gleichzeitig freute ich mich auch über den plötzlichen optimismus, auch wenn er mir suspekt war. parallel dazu hatte ich immer wieder diese begebenheit im kopf.. erklärte mich aber dann für 'verrückt' bzw verdrängte es.
.. dann kam ihr endgültiger abschied und wieder diese seltsamen zufälle - vorher mein sprechen über meine angst - ihr 'gehen' als ich draussen war .. und jetzt die bestätigung meiner vermutung/meines gefühls von euch, liebe liz und lieber willy..
und genau dadurch fühle ich mich 'klein' grade. das war keine stärke.. ich war nicht die, für die sie mich hielt bzw hat mich das wohl so spüren lassen. ich dachte, ich habe alles bedacht/richtig gemacht, in dem ich meinen mann 'unterrichtete' damit auch er bewusst abschied nehmen kann. ich dachte, dass ich ihr immer beigestanden habe, halt gegeben habe.. aber letztendlich hat sie mir gezeigt (durch irgendwelche fähigkeiten, die man dann wohl besitzt) dass ich doch nicht so stark bin.
vielleicht ist das alles nonsens, aber ich fühle mich nicht besonders gut.. habe das gefühl evtl. doch versagt zu haben.
ich war noch nie in einer derartigen situation und selbst wenn.. es wird sich wohl keiner gleichen..
natürlich habe ich die formalitäten alle bewältigt bzw ich bin noch dabei. meiner kraftlossigkeit folgt jetzt gerade ein 'nicht zur ruhe kommen können'. die gedanken kreisen.. viele offene fragen.. zeitweise ein 'sich und alles in frage stellen'.. hilflossigkeit.. angst alles falsch zu beurteilen incl. sich selbst falsch zu beurteilen.. und vieles mehr..

.. eine für das 'kraftpaket' dankende jaquline
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  #14  
Alt 02.05.2005, 14:02
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Liebe Jaqueline,

wie es ist wenn man stirbt das weiß mit letzter Bestimmtheit niemand. Wir können es nur ahnen. Ich habe einmal gelesen, die Seele wisse es ein halbes Jahr vorher.Das ist natürlich auch eine Aussage die jeder bewerten kann wie er mag. Als meine Mama in einem noch sehr guten Zustand war, hatte ich oft das Gefühl sie entgleitet mir. Ich kann das nicht erklären, es war für mich so, daß alles noch ist wie es immer war, unsere Nähe, die Liebe, die Verbundenheit, und uns trotzdem plötzlich etwas trennt. Ich finde kein besseres Wort dafür als das "entgleiten".

Ich glaube wenn man sterben will, wenn man die Bereitschaft dafür hat, es sich wünscht, dann ist es doch eine Kraftanstrengung. Wir wissen nicht was alles in einem mobilisiert wird, bevor dieser eine Schritt getan werden kann.Es gibt viele Meinungen, Ansichten dazu, ich stelle mir vor, daß man beim Sterben irgendwann an einen Punkt kommt an dem man sich nicht mehr um das Wohl, um die Befindlichkeit seiner Angehörigen kümmern kann, man stirbt dann einfach.
Mit Sicherheit sind die anderen Angehörigen an diesem Tag auch einmal aus dem Zimmer gegangen, mit Sicherheit hatten alle Angst, sie starb als Du nicht da warst, es hätte auch früher oder später sein können.

Ich weiß, angesichts der Endgültigkeit des Todes stellt man vieles in Frage, und ganz schnell sich selbst. Wenn ich den Dialog zwischen Dir und Deiner Schwiegermutter lese, dann könnte man auch auf den Gedanken kommen, daß SIE es ihren Kindern nicht sagen kann, aber sie weiß, Du kannst es. Es ist unwichtig was ich für richtig halte, aber genausogut hättest Du Vorwürfe von Deinem Mann erwarten können, daß Du es ihm nicht gesagt hast.

Alles was ich hier von Dir gelesen habe zeigt mir das Bild einer liebevollen, aufmerksamen und zu allem bereiten Schwiegertochter und darf kommt es an!
Mach Dir bitte keine Vorwürfe ängstlich gewesen zu sein, oder gar einen Verrat begangen zu haben. All das ist überhaupt nicht der Fall!

Das erste Mal kam mir heute ein Gedanke zu dem Thema "stark sein". Ich habe das eigentlich immer so gesehen wie die meisten, als eine Art Auszeichnung, besonderer Wertschätzung. Wie gesagt, heute zum ersten Mal schleicht sich bei mir ein Gedanke ein, daß den sogenannten Starken auch viel zugemutet und aufgelastet wird. Geht alles so aus wie gedacht, dann dürfen wir uns weiter stark fühlen, wenn ein Fitzelchen fehlt, dann ist man gleich für sich selbst der Versager und der Schwache.

Ich fürchte, das, was ich sagen möchte, kann ich nicht zum Ausdruck bringen. Ich möchte Dir nicht einen billigen Trost schicken, es ist wirklich und ehrlich meine Meinung, daß Du Dir nichts vorzuwerfen hast.

Alles Gute
Briele
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