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  #1  
Alt 01.11.2008, 19:53
Linde Linde ist offline
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Standard Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo,

mein Vater leidet an einer schweren Form von MDS und hat laut Arzt noch eine ungefähre Lebenserwartung von höchstens einem Jahr. Wenn wir uns gegen die lebensverlängernde Vidaza-Behandlung entscheiden, wahrscheinlich noch weniger...

Mein Vater weiß zwar, dass er eine sehr schwere Erkrankung hat. Sowohl Familie als auch Arzt haben jedoch bisher das Wort "Krebs" vermieden und wir haben auch nichts über die traurig geringe Lebenserwartung gesagt. Grund war natürlich die Sorge, dass die "ganze Wahrheit" meinen Vater seelisch so fertig macht, dass er sich völlig aufgibt und der Schock auch negative Auswirkung auf seinen momentan den Umständen entsprechend ganz guten Gesundheitszustand haben könnte.

Nun entsteht bei meinen Besuchen in mir aber der Eindruck, dass mein Vater die Hoffnung hegt, doch "eines Tages" wieder gesund zu werden, und bei uns zu Hause noch ein paar Jährchen leben zu können. Heute hat er zu mir gesagt, dass er sicher bald wieder mit mir Autofahren wird, natürlich nicht als Lenker des Wagens... Ich habe das Gefühl, dass dieses Schweigen, dieses Verbergen der ganzen, grausamen Tragweite seiner Krankheit, zwischen uns steht und mich zunehmend belastet. Heute, als ich vom Spital nach Hause fuhr, war ich in einem furchtbaren Zustand. Ich habe noch nie vor meinem Vater im Krankenhaus geweint, aber zu Hause weine ich sehr oft.

Soll ich nun die Unheilbarkeit der Krankheit weiter verschweigen, um ihn vor ev. negativen Auswirkungen dieses Schocks zu bewahren, oder soll ich reden? Wie habt ihr anderen hier, die ihr vielleicht in einer ähnlichen Situation wart oder seid, das gehandhabt?

Liebe Grüße,
Linde
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  #2  
Alt 01.11.2008, 20:11
Maja08 Maja08 ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Liebe Linde,

erst mal einen dicken Drücker. Das ist eine schwere Zeit, die ihr da durchmachen müßt. Viel Kraft wünsche ich dir dafür und hoffe das du Hilfe und Unterstützung hast

Meine Mama hat vom Arzt gesagt bekommen, dass sie Krebs hat. Auch das sie Metastasen hat und das es nicht gut aussieht. Aber sie hat es ignoriert. Glaube ich, aber ich weiß es nicht.
Vielleicht hat sie es verdrängt, vielleicht nicht wahrhaben wollen, vielleicht auch nur so getan um uns Kinder zu schonen, aber vielleicht hat sie auch wirklich geglaubt wieder gesund zu werden.

Auf jeden Fall hat sie immer davon gesprochen, dass sie wenn sie gesund ist , ihre Kreuzfahrt macht, dass sie nach Italien fährt, wieder im Chor singt usw.

Ich wußte das dies nie wieder so sein würde. Das war schon sehr hart für uns Kinder. Wir haben ihr diese Illussion gelassen.

Aber jeder Tag war für mich ein Abschiednehmen, da ich nicht wußte ob ich sie noch lebend wieder sehe. Ein Abschiednehmen, von dem meine Mama nicht merken sollte , dass es ein Abschied für immer sein könnte.

Heute nach über einem Jahr nachdem meine Mama gestorben ist, bin ich immer noch davon überzeugt, dass es richtig war es so zu machen und ihr ihre Art zu Sterben zu lassen. Vielleicht war es eine bewußte Entscheidung , vielleicht auch nicht, aber ich habe sie respektiert, auch wenn es schwer war.

Liebe Linde, ich weiß nicht ob ich dir ein wenig helfen konnte. Ich kann dir nur sagen wie es bei uns war.
Eigentlich glaube ich, sollte man auf das eigene Bauchgefühl hören.

Ich wünsche dir viel Kraft für die kommende Zeit.

Maja
__________________
Meine Mama bekam Anfang April 07 die Diagnose CUP-Syndrom mit Metastasen in der Lunge, Bauchspeicheldrüse und an den Knochen. Gestorben am 01. Juni 07 im Alter von 69 Jahren.

In liebevoller Erinnerung an: meine Mama 04.01.1938-01.06.2007 meinen Papa 25.09.1938-29.06.1998

Geändert von Maja08 (01.11.2008 um 20:13 Uhr)
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  #3  
Alt 01.11.2008, 20:19
Benutzerbild von stellina
stellina stellina ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

liebe linde,
bei deiner schilderung fiel mir auf, daß da nicht ein hinweis steht, was denn die ärzte deinem vater gesagt haben. hat denn dein vater garnicht mit den ärzten gesprochen? sie müssen ihm doch eine erklärung für seine beschwerden gegeben haben. wenn sie schon das wort krebs vermieden haben, müssen sie ihm doch etwas anderes gesagt haben. wir hatten keine wahl. mein mann wurde garnicht gefragt, ob ers wissen will oder nicht.
er wird doch auch über eine medikation nachdenken, wenn er doch zumindest weiß, daß er schwerkrank ist.
ich ganz persönlich bin immer für die wahrheit, solange es sich um einen erwachsenen menschen handelt, weil ich mich nicht so verstellen könnte, daß der andere es nicht merken würde. vllt. beräts du dich mit deiner familie, wenn du das nicht selbst entscheiden willst.
ich wünsche dir eine weise entscheidung und das beste für deinen vater. tina.
__________________
Du kannst nie tiefer fallen, als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.

Mein geliebter Hase: 14.10.1923 - 28.04.2009
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  #4  
Alt 02.11.2008, 08:27
Linde Linde ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Liebe Maja,

ich kann gut nachvollziehen, wie das bei euch alles gelaufen ist. Jeder Patient hat eine andere Strategie, mit seiner Krankheit umzugehen. Die Vermeidungsstrategie "Ignorieren" ist nur allzu menschlich!

Wenn ich wüsste, dass mein Papa auch zu dieser Strategie neigt und die volle Wahrheit lieber gar nicht wissen möchte, würde mir das Schweigen leichter fallen...

Manchmal habe ich so Phantasien, dass wir ihn, so es sein Zustand irgendwie zulässt, aus dem Krankenhaus holen, dann versuchen, sämtliche Statistiken zu vergessen und einfach noch aus jedem Tag das beste rausholen, ohne allzu vorsichtig zu sein: Essen und trinken was Spaß macht (der Arzt hat sogar im Spital den Genuss von etwas Wein erlaubt ;-), Autofahren, kleinere Spaziergänge, auch wenn wir meinen Vater dabei "halb tragen" müssen...

Und dann kommen wieder Ängste vor plötzlichen Verschlechterungen, Zwischenfällen, und dass man dann "mitschuld" ist, weil man nicht auf intensive Spitalsbehandlung bestanden hat... Die Situation kann sehr rasch akut lebensbedrohlich werden, wenn er stürzt oder eine größere Blutung erleidet.
In der Anfangsphase ist man halt noch so unsicher, welchen Weg man einschlagen soll...

Auf jeden Fall danke ich dir für deine einfühlsamen Worte, die sehr gut getan haben!

* * *

Hallo Tina,

ich war bei dem Gespräch zwischen meinem Vater und dem Arzt nicht dabei, vermute aber nach den Aussagen des Arztes mir gegenüber und dem Verhalten meines Vaters, dass er sich sehr vorsichtig ausgedrückt hat. Also zwar die Krankheit patiententauglich erklärt, die beiden Behandlungsmöglichkeiten dargelegt, aber das Wort "unheilbar" vermieden, und kein Wort über die schlechten Lebenserwartungsaussichten.

Grundsätzlich bin ich auch für die Wahrheit, aber in diesem speziellen Fall ist die Entscheidung extrem schwer. Es gibt doch so etwas wie eine "sich selbst erfüllende Prophezeiung"... Die Worte "unheilbar", "tödliche Krankheit", "letzte Lebensmonate" (oder -jahre) - vielleicht schwächen sie manchen Patienten so sehr, dass er, selbst wenn er eine der Ausnahmen gewesen wäre, die die Statistik Lügen strafen, durch den Schock sich sofort aufgibt?

Ziel von Ärzten und Familie ist es, meinem Vater seine letzte Lebenszeit so schön wie möglich zu gestalten, die Leiden, so gut es geht zu mildern, kurz: alles für die bestmögliche Lebensqualität zu tun. Uns ist nur der richtige Weg dorthin noch nicht klar...

Es tut gut, sich mit euch hier auszutauschen, ich danke euch!
Liebe Grüße,
Linde
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  #5  
Alt 02.11.2008, 10:08
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo zusammen,

ich bin Betroffene. Mir hat man damals die Diagnose mit drei Schlagworten um die Ohren gehauen. War etwas heftig. Dann habe ich mich mit einer Onkologin unterhalten, das war noch heftiger. Aber ich für meinen Teil hatte dann die Realität vor Augen geführt bekommen. Ich lebe heute noch, länger als die Prognose der Ärzte vorgesehen hat. Nach zwei Tagen und einer Nacht mit vielen Überlegungen habe ich mich entschieden das Gespräch mit der Onkologin zu ignorieren und zu schauen was ich aus der ganzen Geschichte mache. Verheimlichen bringt nichts, denn der Kopf gaukelt einem dann die tollsten Sachen vor, das kann alles nur noch schlimmer machen. Man muss manches verdrängen, um einfach einen klaren Kopf zu behalten. Aber meine Einstellung ist eine Einstellung von vielen. Es gibt Betroffene, die müssen verdrängen, nicht annehmen, am besten garnichts wissen, da sie mit dem, ich nenne es mal, "Wahnsinn" nicht umgehen wollen und können. Auch das muss man mit berücksichtigen. Es ist ein Schutzmechanismus von Körper, Geist und Seele. Gerade die Vorstellungen, zum Beispiel mal wieder ins Auto zu steigen, wenn auch nur als Beifahrer, motiviert ungemein, man glaubt es nicht. Die Wünsche werden kleiner, übersichtlicher. Man traut sich nicht an die grossen Wünsche heran, man weiss ja garnicht, ob es überhaupt dazukommt. Außerdem wird man dankbar für kleine Glücksereignisse. Ja, die Welt verändert sich. Auch geht jeder anders mit seiner eigenen Sterblichkeit um. Klar, Gedanken hat man sich bestimmt früher schon mal darüber gemacht, aber es ist was anders, wenn man weiss, da steht was im Raum, nicht irgendwann, sondern in absehbarer Zeit. Ich denke, das Problem ist die Vorstellungen des Patienten mit den ärztlichen Vorgaben und den Vorstellungen und Hoffnungen der Angehörigen unter einen Hut zu bekommen. Hier brauchen alle Seiten starke Nerven und Verständnis. Und das wünsche ich uns allen!
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  #6  
Alt 02.11.2008, 10:46
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo zusammen,

da in der Anfrage ja nicht bezeichnet war, wer sozusagen lügen sollte, hier meine Frage: Wie seht Ihr als Angehörige es: Wollt Ihr immer alles wissen? Können / sollen wir, die Betroffenen, Euch, den Angehörigen, immer die Wahrheit sagen? Also, was hat der Arzt tatsächlich gesagt (Verlauf, Behandlungsnebenwirkungen etc)?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich pro Angehörige/n differenzieren muss. Wem sage ich was, in welcher Form, in welcher Ausführlichkeit.

Würde mich freuen, wenn Ihr mir da mal ein bisschen helfen könnt. Danke!
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  #7  
Alt 02.11.2008, 11:48
*Anoli* *Anoli* ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo zusammen,

habe gerade die Beiträge hier gelesen und kann aus eigener Erfahrung auch von zwei Seiten etwas dazu erzählen.

Als selbst Betroffene hat mir bei meiner eigenen Erkrankung (1975 Rhabdomyosarkom, kindskopfgroß an der Leber) niemand die Warheit gesagt, ich wurde immer mit irgendwelchen Ausflüchten 'abgespeist'. Natürlich war ich damals zwar 'erst' zwölf Jahre alt, aber Kinder mit solchen Krankheiten sind nach meiner Erfahrung dann doch irgendwie schneller 'erwachsen' oder wie man das auch immer nennen kann. Von der genauen Diagnose habe ich damals selbst erst in einer Klinik in USA erfahren, da ich sehr gut verstehen konnte worüber die Ärzte sprachen. Meine Eltern hatte ich dann darauf angesprochen und daraufhin hat mir meine Mutter dann das Gehörte einfach nur bestätigt. Für mich war das ein totaler Vertrauensbruch, ich war extrem sauer weil man mich einfach immer belogen hatte obwohl ich immer wieder nachgefragt hatte und halt zu denen gehöre, die immer alles ganz genau wissen wollen. Natürlich ist das eine ganz individuelle Entscheidung jedes Menschen, aber ich denke, wer fragt hat ein Recht auf Antwort, wer lieber nichts wissen will der fragt wohl auch nicht nach. Ist halt immer auch eine Entscheidung nach Bauchgefühl für alle Beteiligten, man kann da ganz bestimmt keine allgemeingültigen Regeln aufstellen.

Letztes Jahr ist meine allerbeste Freundin an Krebs gestorben (nach fünf gesunden Jahren Brustkrebsrezidiv mit Metas in Lunge und Knochen, sehr heftiger Verlauf innerhalb von zwei Monaten), es war für mich und ihren Mann eine unglaublich schwere Zeit da wir ihre beiden allerwichtigsten Bezugspersonen waren. Meine Freundin hat auch immer noch Pläne für die Zukunft gemacht und uns natürlich davon erzählt, dabei war für uns leider sehr deutlich zusehen, daß sie wohl nicht mehr sehr viel Zeit hatte.
Sie wollte wirklich möglichst nichts von ihrer Erkrankung wissen, nur das wirklich allernötigste und sie hat mich immer gebeten, ihr und ihrem Mann bei allen Arztgesprächen beizustehen. Wir hatten das große Glück, daß wir wirklich sehr einfühlsame Menschen sowohl beim Pflegepersonal als auch bei den Ärzten hatten, alle haben genau gemerkt, daß meine Freundin nicht über ihre Krankheit und all das reden wollte und es wurde absolut respektiert. Genau wie Maja bereits geschrieben hat ist das natürlich sehr schwer gewesen, aber ich würde das in dieser Situation immer wieder genauso machen. Wir haben ganz einfach nur versucht für meine Freundin da zu sein und ihr eine Zeit möglichst ohne Schmerzen und vor allem möglichst ohne Angst zu ermöglichen.

Mir sind all diese Erlebnisse sehr wertvoll, für mich hat sich auch immer wieder gezeigt, daß es doch gut ist, auf sein 'Bauchgefühl' im Umgang mit so schwierigen Situationen zu vertrauen.

Ganz liebe Grüße für alle hier und dir Linde ein ganz großes Kraftpaket für die kommende Zeit,
Ilona

Das Leben ist eine Herausforderung, wir nehmen sie an.
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  #8  
Alt 02.11.2008, 16:30
Linde Linde ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo J.F.,

ja, natürlich wissen wir alle, dass wir eines Tages sterben müssen. Aber seien wir ehrlich, die meisten von uns schieben das weit von sich und denken nur selten daran. Bekommt man aber selbst, oder ein Angehöriger, eine Diagnose mit so einer "überschaubaren" Lebenserwartung (lt. Statistik), dann beeindruckt einen das gewaltig. Der Tod rückt dann sofort ein Stückchen näher, wird greifbarer...

Eigentlich sind wir ja alle "immer vom Tod umfangen", können jederzeit vom oft zitierten Ziegel am Kopf getroffen werden. Im Grunde weiß niemand etwas Sicheres über seine Lebenserwartung. Trotzdem: Mit Diagnose und Statistik wird das Wegschieben sehr, sehr schwierig.

Was du über die kleinen Glücksmomente und die kleiner und überschaubarer werdenen Wünsche schreibst, empfinde ich auch so. Das betrifft auch die Angehörigen! Plötzlich reduziert sich der Wunsch an den Tag auf die Hoffnung, den kranken Vater beim Besuch im Spital halbwegs schmerzfrei und mobil anzutreffen, ohne dass irgendwelche Schläuche an ihm hängen oder er verwirrt ist und im Bett vor sich hindämmert...

Der Wunsch an die nächsten Monate ist reduziert auf die Hoffnung, dass mein Vater sie noch erleben darf, dass er sie ohne zu große Qualen erlebt, und dass die Familie das Weihnachtsfest noch zusammen feiern kann, möglichst zu Hause.

Ich bin auch dabei, mit eine Liste zu machen, mit Dingen, die ich vielleicht gemeinsam mit meinem Vater noch tun kann, und die ihm Freude machen, um ihm einige schöne Ziele zu geben, auf die er sich freuen kann.

Ja, viel Kraft braucht das alles... Ich wünsche sie ebenfalls uns allen!

Lieben Gruß,
Linde

P.S.: Ich persönlich möchte im Fall des Falles sowohl als Angehörige als auch als Betroffene immer alles ganz genau und in rücksichtsloser Offenheit erfahren. Wenn ich mit den Fakten nicht fertig werde, kann ich sie mir immer noch irgendwie "zurechtbiegen", also einen Schutzmechanismus aufbauen. ;-) Aber ich persönlich wäre stinksauer, wenn meine Angehörigen mir etwas verschweigen würden. Mein Vater ist da etwas anders gestrickt, vermute ich - da ist Vorsicht angebracht...

Geändert von Linde (02.11.2008 um 16:40 Uhr)
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  #9  
Alt 02.11.2008, 16:53
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo Linde,

ja, das mit dem Dachziegel ist auch ein gern von mir zitierter Spruch.

Und ja, Ihr steht vor einem schweren Weg. Man hat soviele Träume, Wünsche, die Zeit zerrinnt, es ist irgendwie wie verhext. Von daher fühle Dich mal gedrückt und Du und Deine Familie mit einem grossen Paket Kraft versehen. Auch Dein Vater wird das ein oder andere realisiert haben, schliesslich ist er derjenige, der alles körperlich durchmacht. Unterschätzt also das Unterbewusstsein nicht. Aber das weisst Du mit Sicherheit. Auch hier würde ich sagen, haben beide Seiten ihre Antennen.

Und danke, für den Zusatz. War für mich wichtig, was andere über dieses Thema denken. Und noch ein Danke dafür, dass Du, der eigentliche Fragesteller, mir geantwortet hast.
__________________
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  #10  
Alt 02.11.2008, 16:55
Regan Regan ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo Linde,
Ich würde ihm auf jeden Fall nur die Tatsachen erzählen, nach denen er fragt. Wenn er nicht fragt, hat er seine Gründe, und auch wenn er nur verdrängen will, denke ich, daß man das akzeptieren muß. Ich weiß, daß es gerade für Angehörige, die das Wissen über den tödlichen Ausgang einer Krankheit mit sich herumtragen, manchmal leichter wäre, wenn man sich mit dem Betroffenen darüber austauschen könnte, aber ich glaube, es kommt wirklich darauf an, was der Patient will.
Auf jeden Fall wünsche ich dir von Herzen ganz viel Kraft! Laß dich mal drücken und schreib, wie es dir weiter geht.
Liebe Grüße, Regan
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  #11  
Alt 04.11.2008, 00:27
Linde Linde ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

J.F. und Regan: Ich danke euch ganz lieb - auch das virtuelle Drücken hilft ein wenig... ;-)

Heute war ich bei meinem Papa und habe ihn in einem - im Vergleich zu anderen Tagen - sehr schlechten Zustand angetroffen. :-( Er fiebert, leidet an einer Infektion, deren Ursache die Ärzte bis jetzt noch nicht finden konnten. Man probiert bereits das dritte Antibiotikum in Folge aus. Die Behandlung mit Vidaza, die im Raum stand, wäre zur Zeit wegen seines geschwächten, fiebrigen Zustandes gar nicht möglich. Ich musste ihn füttern und ihm das Wasserglas an die Lippen führen. Seine Hände und sein Mund zitterten, er hätte das Glas nicht mal zum Mund führen können. Er war in gedrückter Stimmung und wirkte sehr abwesend. Leider konnte er kaum was essen, hatte keinen Appetit.

Was mir am meisten zu schaffen gemacht hat war, dass er sich sehr in sich selbst zurückgezogen hat. Antworten kamen schleppend, er war irgendwie ganz weit weg. Das wirkte so abweisend... Eine Zeitlang hat er vor Erschöpfung geschlafen. In dieser Zeit bin ich draußen am Gang gesessen und habe geweint. Später hat er aber noch meine Hand eine halbe Stunde lang fest gehalten und gedrückt, obwohl er die Augen zu hatte und zu schlafen schien. Mein Besuch war also doch erwünscht und wichtig! Ich bin dort neben seinem Bett gesessen und habe seine Hand gehalten, obwohl ich fast vom Sessel gekippt wäre. Ich habe heute mehr gemacht, als ich "eigentlich kann", und es ging mir nicht gut dabei. Bin selbst behindert und gerade in einer schwierigen Lebensphase, aber offensichtlich erschließen sich in Krisenzeiten Kraftreserven, von denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie hat.
Morgen werde ich wieder hinfahren.

Ich wünsche euch allen eine gute Nacht!
Linde
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  #12  
Alt 04.11.2008, 07:58
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stellina stellina ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

liebe linde,
das hast du ganz toll gemacht. dein vater hat dich ja eben doch wahrgenommen. er ist natürlich auch voller medis, das verändert ihn auch. ich glaube auch, daß der kranke viel in sich zu tun hat, seine befindlichkeit wahrzunehmen und einzuordnen. der veränderte zustand ist ihm ja selbst noch sehr neu.
du hast berichtet, daß du mehr gemacht hast, als du eigentlich kannst. das ist das mit der kraft, die einem zuwächst, wenn man sie braucht. woher auch immer sie kommen mag, wenn nötig, steht sie uns zur verfügung.
ich wünsche dir einen erträglichen neuen tag, liebe grüße, tina.
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  #13  
Alt 04.11.2008, 09:53
bon bon ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Liebe Linde,

hast Du schon einmal daran gedacht, ob Ihr andersherum an die Sache herangehen könntet. Hast Du Deinen Vater schon einmal zu seiner Krankheit gefragt oder ihn gefragt, ob im Arztgespräch Fragen für Ihn offen geblieben sind, die Ihr für ihn klären sollt?
Vielleicht wäre das eine Möglichkeit zu erkennen wieviel Wahrheit Dein Vater möchte undertragen kann?
Ich wünsche Euch eine möglichst gute Zeit mit vielen schönen Momenten.

Viele Grüße

Ibo
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  #14  
Alt 04.11.2008, 16:26
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

Hallo Linde,

Zitat:
Zitat von Linde Beitrag anzeigen
Was mir am meisten zu schaffen gemacht hat war, dass er sich sehr in sich selbst zurückgezogen hat. Antworten kamen schleppend, er war irgendwie ganz weit weg.
Du hast ja nun Tipps genug bekommen, was das "Lügen" betrifft. Die letztendlich alle darauf hinauslaufen, dass du das selbst entscheiden musst, weil niemand hier deinen Vater besser kennt als du.

Was du oben schreibst, erinnert mich an die Sterbephase von schwer kranken Menschen. Und da ist es halt meist so: egal, was man ihnen sagt. Ob Wahrheit oder gespielter Optimismus... Es gibt einen Punkt, ab dem man die Kranken nicht mehr belügen kann, so gut es auch gemeint ist. Der "Rückzug" des Sterbenden und die Konzentration auf wenige wichtige Angehörige / Freunde sind dafür typisch. Dann auch, dass Sterbende langsam aber sicher aufhören, zu essen und zu trinken. Es gibt Mediziner, die dieses Verhalten als "passiven Suizid" bezeichnen :-(

Deinem Vater geht es richtig schlecht. Aber Du bist bei ihm! Und du bist für ihn, genau wie du geschrieben hast, "erwünscht und wichtig". Der Vater meines besten Freundes ist dieses Jahr an Lungenkrebs gestorben. Der hatte sich auch völlig zurückgezogen, reagierte kaum noch. Und der einzige Mensch, den er noch an sich heran gelassen hat, war sein Sohn. Auch nur durch "Händchen halten", als Sprechen ihm nicht mehr möglich war.

Es wird dir nichts helfen, aber trotzdem: Du hast, was dein Verhältnis zu deinem Vater betrifft, etwas sehr Wertvolles. Die Nähe bis zum "letzten Atemzug". Natürlich ist es ganz beschissen schwer, einen geliebten Menschen sterben zu sehen (ob morgen oder in 1, 3 oder 6 Monaten). Aber wie du schon schriebst: in Krisenzeiten zeigen sich Kraftreserven, an die man vorher nie geglaubt hätte.

Ich drücke dir alle Daumen für dieses schwierige Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass du das schaffst. Und ich glaube auch, dass einen Menschen so eine Erfahrung nicht nur auslaugt, sondern ihm (wenn auch vielleicht mit etwas Verspätung) viel geben kann. Das klingt im Moment für dich vielleicht fast etwas makaber. Aber in Liebe und Frieden Abschied zu nehmen und Vertrautheit bis zuletzt zu erleben... Das ist etwas, was nicht so sehr viele Menschen erleben dürfen

Viele Grüße,
Stefan
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  #15  
Alt 04.11.2008, 16:55
*Anoli* *Anoli* ist offline
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Beiträge: 46
Standard AW: Aus Rücksicht "lügen"?

@Stefan

Das hast du wirklich sehr schön beschrieben, mit der Nähe bis zum Schluß usw.
Genau diese Erfahrung habe ich im letzten Jahr bei meiner Freundin gemacht, es war ein ganz besonderer intensiver Tag und in ihren letzten Minuten einfach nur bei ihr gewesen zu sein bedeutet mir unendlich viel.
Es gibt einen schönen Satz, der das für mich sehr treffend beschreibt:

Abschied ist die innigste Form menschlichen Zusammenseins

Liebe Grüße an alle hier,
Ilona
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