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  #1  
Alt 21.01.2010, 09:20
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Standard Heaven can wait...

Ich erhoffte das Beste und war gefasst auf das Schlimmste.

Wie alles begann:

Im Mai 2009 bemerkte ich ein schmerzhaftes Ziehen in der Dammgegend zwischen Anus und Hodensack. „Ist nicht weiter schlimm“, „Wird schon wieder besser“, nahm ich die Beschwerden lediglich zur Kenntnis. Anfang Juni 2009 suchte ich aufgrund stärker werdender Schmerzen meinen Urologen auf. Aufgrund des transrektalen Ultraschalls diagnostizierte er Prostatitis, die mit Antibiotika-Therapie behandelt wurde. Nach einer schmerzhaften Woche und keiner Besserung verabreichte er mir an fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine zusätzliche Antibiotikaspritze. Der Erfolg blieb aus. Ein anderes Antibiotikum wurde verschrieben. Auf das „Hier stimmt etwas nicht!“ meines Apothekers drängte ich den Urologen nach drei Wochn zu einer erneuten Untersuchung. Das Einführen des Ultraschallgerätes schmerzte jetzt sehr und ich blutete. Mit seinem Latein am Ende verwies mich der Urologe an einen Enddarmspezialisten. Die Diagnose durch Ertasten lautete: Indurierter Tumor supraanal – unklare Genese. Zur Weiterbehandlung vereinbarte er für den nächsten Tag einen Termin in der Uniklinik Heidelberg, um eine Endosonographie, Rektoskospie und gegebenenfalls ein Becken-MRT durchführen zu lassen.

Stunde der Wahrheit am 30.06.2009 in Begleitung meiner Ehefrau – Uniklinik Heidelberg:

Befund:

Retkoskopie:
Inspektion. Mariske und tastbare Schleimhautmariske
Palpation: derbe tastbare längliche Raumforderung
Befund: Analkanal 2 cm lang
Linea dentata: bei 2 cm ab ano
Tumorlänge von 1-7 cm ab ano, semizirkulär wachsend, für das Endoskop frei passierbar
Restrektum bis 15 cm ab ano unauffällig

EUS: Der Tumor erfasst im Analkanal bereits den m sph ani externus und internus. Es findet sich eine Raumforderung mit 3 cm Durchmesse bis 6 cm ab ano reichend mit kleinen Tumorausläufern ins perirektale Fettgewebe, uT3, bei 10 cm ab ano findet sich ein kleiner Lymphknoten, damit N+.

Diagnose:

V.a. Analkarzinom von 1-7 cm ab ano, uT3, uN+

Empfehlungen:

Vorstellung im NCT Heidelberg, vorher MRT Becken, Thorax Röntgen, Sono Abdomen.

Das Arztgespräch zog meiner Frau und mir den Boden unter den Füßen weg. Nichts mehr ist wie es vorher war. Viele vorher ganz, ganz wichtige Angelegenheiten werden urplötzlich zur Nebensache. Das Leben und die Denkweise wird total auf den Kopf gestellt. Ihr wisst, wovon ich rede...

Nach der Ernüchterung stand für mich fest: Krebs – So nicht! Und vor allen Dingen nicht mit mir. Dir zeige ich, wer der Herr im Hause meines Körpers ist. Ich werde die vorgeschlagenen Therapien überdenken, in Angriff nehmen und Dich besiegen. Aber Hallo!

Heaven can wait.


...Fortsetzung folgt...
  #2  
Alt 22.01.2010, 09:50
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Der Untersuchungs- und der Aufklärungs-Marathon:

Die Stunde der Wahrheit war am Dienstag, 30.06.2009 gegen 10.00 Uhr.

Therapievorschlag: kombinierte Radiochemotherapie, vorerst keine Operation

Bis zum Therapiebeginn am Montag, 27.07.2009 durchlief ich einen vierwöchigen Untersuchungs- und Aufklärungsmarathon in der Uniklinik Heidelberg und bei meinem Hausarzt, der Onkologe ist. Ich wurde sowohl in der Klinik als auch vom Hausarzt sehr gut informiert, bestens betreut und vorbildlich versorgt. Trotz der Riesenmaschinerie Uniklinik hatte ich niemals das Gefühl nur eine Nummer zu sein, das Vertrauen in die Ärzte war aufgrund der glasklaren und trotzdem einfühlsamen Aussagen war vorhanden. Vorerst keine Operation, also kein Stoma. Optimismus machte sich bei mir breit. Die vielen Abteilungen und die hohe Patientenfrequenz in der Uniklinik könnten für Außenstehende den Eindruck erwecken, dass hier alles drunter und drüber ginge. Weit gefehlt! Alles klappt wie am Schnürchen. Jede Untersuchung und alle Ergebnisse werden in den Computer eingespeist, alle sind miteinander verknüpft und von jeder Abteilung des gesamten Klinikkomplexes abrufbar. Neben den kompetenten und aussagekräftigen Ärzten stehen in Heidelberg die modernsten Untersuchungsgeräte zur Verfügung, viele gespendet von Dietmar Hopp.

Das einzige, was ich zu dem vierwöchigen Marathon mitbringen musste war Geduld und nochmals Geduld, sowohl bei den Untersuchungswartezeiten als auch bei den ausführlichen Aufklärungsgesprächen. Ich war sehr schnell lernfähig. Viele Gespräche mit Mitbetroffenen im Wartebereich öffneten meiner Frau und mir neue Perspektiven. Die Hoffnung auf Heilung bestätigte sich immer mehr.


30.06.2009: Endosonographie und Rektoskospie mit Arztgespräch
01.07.2009: Blutabnahme, nüchtern, medizinische Onkologie
03.07.2009: Infogespräch beim Hausarzt, der Onkologe ist
07.07.2009: Infogespräch im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
08.07.2009: Aufklärungsgespräch über Portimplantation, Chirurgische Ambulanz
13.07.2009: Aufklärungsgespräch Strahlentherapie, DKFZ
14.07.2009: Portimplantation, Tagesklinik der Chirurgischen Ambulanz
15.07.2009: Bestrahlungsplanung, Anfertigung der Maske, CT
16.07.2009: Besprechung beim Hausarzt
20.07.2009: Blutabnahme, nüchtern beim Hausarzt
27.07.2009: stationäre Aufnahme in der Radioonkologie
27.07.2009: Beginn der fünftägigen Chemotherapie
27.07.2009: Beginn der Bestrahlung im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Dies war der zeitliche Ablauf, Kommentare hierzu zu einem späteren Zeitpunkt.

...Fortsetzung folgt...
  #3  
Alt 26.01.2010, 09:58
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Therapiebeginn:

Bevor die Therapie mit der stationäre Aufnahme begann, hatte ich noch die Portimplantation und die Maskenplanung vor mir.

Die Portimplantation in der Tagesklinik der Chirurgischen Ambulanz der Uniklinik Heidelberg verlief problemlos. Das intravenöse Kathedersystem, ein so genannter iv.-Port, einlumpig, wurde auf der linken Seite durch eine Venae section implantiert und mittels Hautkleber verschlossen. Der Eingriff war nach 20 Minuten beendet. Die leichten Wundschmerzen dauerten zwei bis drei Tage, ansonsten gab es keine Beschwerden.

Bei der Bestrahlungsplanung bekam ich einen kleinen Vorgeschmack auf die anstehende Bestrahlung. Die Herstellung der Kopfmaske und der maßgeschneiderten Körper-Fixationshilfe dauerte 45 Minuten, in denen ich mich , von Kopf bis zu den Knöcheln eingeengt, nicht bewegen konnte. Es war eine sehr anstrengende Prozedur.

Bei den jeweiligen Gesprächen mit sechs Ärzten wurde mir auf meine Frage, ob nach der Radio-Chemo noch eine Operation mit der einhergehenden Legung eines Stomas, erforderlich sei, wurde unterschiedlich geantwortet. Vier Ärzte sahen die Möglichkeit einer Heilung ohne Operation, während zwei Ärzte eine unausweichliche Operation aufgrund der Größe des Tumors vermuteten. Erfreulicherweise behielten Erstere Recht und bis jetzt blieb mir eine Operation erspart.

Trotz veirwöchigem Aufklärungs- und Untersuchungsmarathon wurde das Warten auf den Behandlungsbeginn zur seelischen Belastung, sowohl für mich als auch meine Ehefrau. Irgendwann wollte ich einfach, dass jetzt endlich mal etwas passiert. Die Schmerzen im Anusbereich trugen nicht unerheblich zu meiner Ungeduld bei. Zur Schmerzlinderung nahm ich 3 x täglich Ibuhexal 600 mg bzw. 3 x 30 Tropfen Novalgin. Mit dieser Indikation kam ich einigermaßen schmerzfrei über die Runden.

Am 27.07.2009 war es dann endlich soweit, endlich ging die Behandlung los. Stationäre Aufnahme in der Radiologischen Klinik der Uniklinik Heidelberg zur Einleitung einer kombinierten Radio-Chemo-Therapie.

Chemo-Therapie: definitive kombinierte RCHT mit Mitomycin 10 mg/qm KOF d1 + 29 und 5-FU 1000/qm KOF d1-5 und d29-33

Die Chemo lief 5 Tage rund um die Uhr non stop. Ich vertrug sie gut und ohne Nebenwirkungen, hatte keinerlei Beschwerden, keine Übelkeit, keine Kopfschmerzen, einfach nix. Ich hatte unverändert Appetit und nahm während der ganzen Behandlungszeit sehr zur Freude meiner behandelnden Ärzte kein Gramm ab und wurde am 02.08.2009 in gutem Allgemeinzustand bzw. in einem subjektiven Wohlbefinden nach Hause entlassen. Zum zweiten Chemo-Zyklus fand ich mich am 24.08.2009 ein. Auch diese fünftägige Chemo lief ohne Komplikationen und Nebenwirkungen ab, erneut ohne Gewichtsverlust.

Bestrahlungs-Therapie: Perkutane, fraktionierte, stereotaktische, intensitätsmudulierte, bildgeführte Radiotherapie GD 54 Gy (!), insgesamt 25 Bestrahlungen

Die Bestrahlung fand über fünf Wochen zu je fünf Bestrahlungen im DKFZ statt, zu dem ich während meines ersten stationären Aufenthalts laufen konnte. Die Bestrahlungsdauer war ein Geduldsspiel, sie ging über 40 Minuten, in denen ich aufgrund der Maske bewegungslos auf dem Rücken lag. Die weiteren drei Wochen wurde ich ambulant bestrahlt und hatte bis auf leichte Hautrötungen im Genitalbereich und dem kompletten Ausfall der Schambehaarung vorerst keine weiteren Nebenwirkungen. Ich hatte auch keinen Durchfall, vielmehr musste ich Movicol einnehmen, um meinen extrem festen Stuhlgang weicher zu machen. Ab der 21. Bestrahlung ging es dann sprichwörtlich rund. Ich lag wieder auf Station und bekam meinen zweiten ebenfalls problemlosen Chemo-Zyklus. Im Gegensatz zur Chemo forderten jetzt aber die Bestrahlungen ihren Tribut. Die Hautreizungen nahmen von Tag zu Tag rapide zu, es gab offene und feuchte Wunden, die extreme Schmerzen verursachten. Zur Schmerzlinderung bekam ich seit meinem ersten stationären Aufenthalt Opiate in Form von Durogesic-Pflastern, anfänglich 12 ug/h, Steigerung auf 25 ug/h und ab der 21. Bestrahlung 37 ug/h, sowie Novalgin bzw Sovredol nach Bedarf. Die Wundschmerzen waren fast nicht zum aushalten, ich konnte kaum gehen und musste sogar mit dem Taxi in den letzten fünf Tagen zur Bestrahlung von der Station ins DKFZ transportiert werden. Zusätzlich bekam ich noch eine ausgeprägte Hodenschwellung beidseits sowie eine Schwellung und entzündliche Veränderung der Vorhaut. Bildlich gesprochen: Der Hodensack hatte die Größe eines Handballs und der Penis sah aus wie eine aufgeplatzte Fleischwurst. Zwei Famulantinnen sahen sich dieses Monstrum an und ich meinte dazu scherzhaft: „Bon Appetit!“ Der Penis war nach Meinung des Radiologen vermutlich ins Strahlenfeld gepurzelt und die Lymphen waren aufgrund der Bestrahlung verstopft, so dass sich Wasser im Hodensack ansammelte, das nicht abfließen konnte. Ein Konzil bei einem Urologen wurde angefordert, der eine Phimose feststellte und eine spätere Circumcision (Vorhautentfernung) in Aussicht stellte, was bis heutigen Datum erfreulicherweise noch nicht erforderlich war. Auch der Hodensack und der Penis bildete sich wieder auf Normalgröße sechs Wochen nach Bestrahlungsende zurück.

Der Arztbericht des Radiologen: Nach Anfertigung einer individuellen Fixationshilfe sowie Durchführung einer sorgfältigen dreidimensionalen, CT- und MRT-basierten, inversen Bestrahlungsplanung, bestrahlten wir die Primärtumorregion sowie die iliacalen Lymphabflusswege beidseits in intensitätsmodulierter Technik unter Verwendung von 9 isozentrischen, koplanaren, intensitätsmodulierten Feldern, welche aus insgesamt 187 Subsegmenten bestanden, am Linearbeschleuniger mittels 6 MV Photonen, in einer wöchentlichen Fraktionierung von 5 x 1,8 Gy bis zu einer GD von 45 Gy. Die Primärtumorregion erhielt dabei im Rahmen eines integrierten Boost-Konzeptes eine GD von 54 Gy bei einer wöchentlichen Fraktionierung von 5 x 2,16 GY. Die korrekte Lage des Patienten wurde täglich mittels in-Room-Ct kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert. Die Bestrahlung wurde vom Patienten insgesamt nur mäßig toleriert.

Ich wurde am 30.08.2009 aus der Uniklinik Heidelberg in einem aufgrund der Bestrahlungs-Nebenwirkungen schlechten Allgemeinzustand entlassen. Zur ersten strahlentherapeutischen Nachsorgeuntersuchung einschließlich MRT-Kontrolle sollte ich mich am 12.10,2009, also nach sechs Wochen nach Therapieende, wieder im DKFZ vorstellen.

Die Weiterbehandlung übernahm mein Hausarzt und Onkologe, der am Tag nach der Krankenhausentlassung aufgrund eines Abstrich eine zusätzliche bakterielle Entzündung im Genitalbereich feststellte, die mit Antibiotika behandelt wurde. Weiterhin veranlasste er eine zweimal tägliche Wundversorgung, bei der meine Frau überfordert gewesen wäre, durch einen ambulanten Pflegedienst. Dieser intensiven Pflege war es zu verdanken, dass nach 14 Tagen, in denen ich vor Schmerzen nur im Bett liegen konnte, die Entzündungen und Verbrennungen heilten und die Schmerzen nach und nach besser wurden, dementsprechend konnte ich nach und nach das Opiat-Pflaster reduzieren. Nach vier Wochen war ich absolut schmerzfrei, sowohl im entzündeten Bereich als auch in der Tumorumgebung am Anus, so zu sagen Land in Sicht.

...Fortsetzung folgt...
  #4  
Alt 02.02.2010, 09:43
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Die Zeit bis zur ersten Nachsorgeuntersuchung:

Am 30.08.2009 wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Die zweite Chemo ging ohne Nebenwirkungen über die Bühne, während die Auswirkungen der Bestrahlungen mich enorm beutelten. Sechs Wochen später stand der erste Nachsorgetermin (12.10.2009) mittels eines MRTs im DKFZ an.

Eine körperlich sehr anstrengende und schmerzhafte Zeit, die ich zum Nachdenken und zum intensiven Gedankenaustausch mit meiner Frau nutzte. Wie konnte es zu dieser Erkrankung kommen? Bin ich selbst „schuld“? Was hätte ich/wir anders machen können/sollen, um einer solchen Krankheit vorzubeugen? Ist es erforderlich, mein/unser Leben zu verändern? Fragen über Fragen...

Zu meiner Person: Ich bin Jahrgang 1957, war also zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose 52 Jahre alt, bin glücklich verheiratet, ohne eigene Kinder, habe aber einen zauberhaften Enkel im Alter von fünf Jahren, ein lebhafter Sonnenschein, der uns die schönsten Glücksgefühle beschert. Beruflich bin ich selbständig, keine Schulden, finanziell trotz Finanzkrise bestens abgesichert und arbeite seit einigen Jahren nur noch aus Spaß an der Freude. Unangenehme Kunden habe ich stets ausgelistet. Ein sorgenfreies Leben, da kann man doch keinen Krebs bekommen, dachte ich...

Von Seiten der Eltern war ich jedoch vorbelastet. Mein Vater starb im Alter von 48 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs und meine Mutter bekam im Alter von 60 Jahren Darmkrebs, den sie mittels einer erfolgreichen Operation besiegte. Aufgrund dieser familiären Vorbelastung unterzog ich mich regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen, Magen- und Darmspiegelungen, Prostata, usw. das ganze Programm eben...immer ohne Befunde...

...Warum es mich trotzdem erwischt hat?...Für mich und die Ärzte gab es rückblickend keine Erklärung...Bringt auch nix...Was soll’s?...Shit happens...

Als realistischer Optimist ging ich die Krankheit offensiv an. Ich redete viel darüber und war bereit, die vorgeschlagenen Therapien nach gründlicher Hinterfragung ohne Wenn und Aber zum Wohle meiner Gesundheit in Angriff zu nehmen. Beruflich hatte ich alles im Griff. Während meiner beiden stationären einwöchigen Krankenhausaufenthalte managte meine Frau den Laden. Zwischen den beiden Chemointervallen arbeitete ich während den drei Wochen ambulanter Bestrahlung ohne Probleme voll durch. Ich fuhr Auto und konnte trotz körperlicher Beanspruchung wie immer arbeiten. Die Ärzte befürworteten sogar meine Arbeit, zum einen weil sie vom Grübeln ablenkte und zum anderen weil sie der Meinung waren, einen totalen Umbruch der bisherigen Lebensgewohnheiten nicht zu abrupt durchzuziehen. Hierzu wäre ein späterer Zeitpunkt, falls von mir und meiner Frau beabsichtigt, eventuell sinnvoller. Meine Kunden und Lieferanten hatte ich in meine Krankheit eingeweiht. Einige konnten mit meiner Erkrankung gut umgehen und redeten mit mir offen über deren Verlauf. Andere taten sich schwer und schwiegen das Thema einfach tot.

Meine schlimmste und schmerzhafteste Zeit begann nach der Entlassung aus dem Krankenhaus und gleichzeitigem Abschluss der fünfwöchigen Radio-Chemo-Therapie. Nix ging mehr. Vor Schmerzen konnte ich weder gehen noch sitzen. Dauerhaftes Betthüten mit Hochlagerung des Hodensacks war angesagt. Mein Onkologe stellte zusätzlich eine bakterielle Entzündung im Genitalbereich fest. Er verschrieb ein Antibiotikum und verordnete einen ambulanten Pflegedienst, der morgens und abends meine offenen Wunden versorgte. Meine Frau wäre mit der Wundversorgung überfordert gewesen. Ich hatte trotz hoher Dosierung des Schmerzpflasters Schmerzen ohne Ende. Solange der Pflegedienst mich behandelte mimte ich den starken Maxe, biss innerlich vor Schmerzen auf ein geistiges Beissholz. Kaum war der Pflegedienst aus dem Hause, brach ich vor Schmerzen regelrecht zusammen, ich rang um Fassung. Meine Frau tröstete mich und versorgte mich aufopfernd rund um die Uhr. Eine sehr große seelische Belastung auch für sie. Trotz aller Schmerzen und Ungewissheit wie es weitergeht hatte ich auch zwei positive Begleitumstände: Mein Appetit war unverändert gut und schlafen konnte ich auf Abruf wie ein Bär. Dies trug nicht unerheblich zu meiner schnelleren Genesung bei. Außer meinem Hausarzt und Onkologen kümmerte sich mein begleitender Radiologe des DKFZs fast schon fürsorglich um mich. Er rief mich bis zum Nachsorgetermin zwei Mal pro Woche an, erkundigte sich nach meinem Befinden und gab mir nützliche Tipps. Nach einer Woche trat Besserung ein. Die verbrannte Haut wurde fachmännisch vom Pflegedienst entfernt und neue Haut bildete sich langsam nach. Beim erneuten Besuch des Urologen wurde festgestellt, dass auch die Genitalien sichtbar abschwellten. Nach bereits 14 Tage intensiver Pflege war die Wundbehandlung von Erfolg gekrönt und der ambulante Pflegedienst konnte sich verabschieden. Die wöchentlichen Blutuntersuchungsergebnisse waren anfangs nicht berauschend, die Entzündungswerte waren hoch. Mein Hausarzt gab mir jeden zweiten Tag Infusionen, die das Immunsystem aufbauten. Von Woche zu Woche wurden die Blutwerte besser, sehr zur Freude meiner Frau und mir, dem Onkologen und dem Radiologen.

Nach 14 Tagen nahm ich wieder meine Arbeit auf. Körperlich war ich jedoch enorm geschwächt. Ich fühlte mich schnell schlapp und schlief sehr viel. Laut den Ärzten war diese Abgeschlagenheit eine normale Folge der Therapie und der dreiwöchigen Bettlägrigkeit im Krankenhaus und zu Hause. Vier Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt hatte ich nach und nach das Schmerzpflaster herabgesetzt und war danach absolut schmerzfrei. Mühsamer Konditionsaufbau war angesagt. Von anfänglich maximal fünf Minuten Spazierengehens wurde mit viel Geduld und den aufmunternden Worten meiner Frau das tägliche Pensum gesteigert und auf eine Stunde ausgebaut. Eine zusätzliche Motivation, mich konditionell zu verbessern, brachte der Urlaubsaufenthalt unseres fünfjährigen Enkels mit sich. Einem „Auf geht’s, Opi, wir spielen Fußball!“, oder ähnlichen Aufforderungen konnte und wollte ich mich nicht verweigern. Auch bei meiner Arbeit hielt er mich mit Sätzen „Ich bin Opis bester Helfer!“ und “Omi, weißt Du, Opi braucht mich wirklich!“ stets bei guter Laune. Unser Sonnenschein hielt mich auf Trab und abends schnorchelte ich vor Erschöpfung meistens vor meinem Enkel. Meine Frau, mein Enkel, die Arbeit und viele Gespräche ließen die Zeit bis zum ersten Nachsorgetermin wie im Flug vergehen. Am 12.10.2009 war es dann soweit. MRT im DKFZ in Heidelberg und anschließende Besprechung mit dem Radiologen.

...Fortsetzung folgt...
  #5  
Alt 08.02.2010, 10:04
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Die erste strahlentherapeutische Nachsorgeuntersuchung am 12.10.2009:

In Begleitung meiner Frau strömte ich zu dieser Untersuchung. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte große Ungewissheit. Wir hatten in vielen Gesprächen alle Eventualitäten und die dadurch entstehenden Folgen geistig durchgespielt, aber die Unruhe ließ sich nie ganz verbergen. Dank meiner Schmerzfreiheit und den stetig besser werdenden Blutwerten war ich in bezug auf den anstehenden ersten Befund sehr optimistisch. Leider konnte mir bis dato niemand sagen, ob die Therapie erfolgreich war, wie der Tumor aussieht und inwieweit er sich verändert hat.. Meinem ungeduldigen Nachfragen, warum erst nach sechs Wochen eine Untersuchung stattfinden kann, wurde sowohl vom Radiologen als auch vom Onkologen übereinstimmend und nachvollziehbar vermittelt: Es macht keinen Sinn, vorher ein MRT durchzuführen, da die Tumorumgebung aufgrund der Bestrahlungen keine aussagekräftigen Befunde zuließ.
Die MRT-Untersuchung dauerte etwas über eine Stunde. Es gibt angenehmere Dinge als über 60 Minuten möglichst regungslos in einer Röhre zu liegen und andauernd „behämmert“ zu werden. Die Musik über den Kopfhörer überbrückte die langweilige und anstrengende Prozedur. Aufgrund der Enge in der Röhre entstand ein Hitzestau, sodass ich nach Beendigung der Untersuchung nassgeschwitzt im eigenen Saft lag. Nachdem ich meine steifen Glieder durchgeschüttelt und sortiert hatte, wollte ich sofort Antwort auf meine gestellten Fragen. Doch nix da. „Bitte haben sie Geduld. Wir können noch nichts sagen. Die Untersuchung muss erst richtig ausgewertet werden. Das genaue Ergebnis erfahren Sie von Ihrem Radiologen in einem ausführlichen Nachsorgegespräch. Das kann noch ein bis zwei Stunden dauern.“
Na prima! Ich als Mister Ungeduld in Person wurde auf eine harte Probe gestellt. Was tun in der Zwischenzeit? Mein Magen meldete sich vehement knurrend und ich schlug meiner Frau vor, ein Mittagessen einzunehmen. „Wie kannst Du noch vor der Besprechung etwas essen, ich habe keinen Appetit“, war die lapidare Antwort der besten Ehefrau von allen. Man muss jedoch vorausschicken, dass die Uniklinik Heidelberg nicht nur in bezug auf die ärztliche Versorgung einen guten Ruf besitzt, sondern auch gastronomisch eine vielfältige Auswahl bietet. Neben der Mensa gibt es Cafeterias, Restaurants und kleinere Bistros. Also Herz, was begehrst Du! Während meine Frau vor Aufregung lediglich einen Latte Macchiato trank, verputzte ich genüsslich ein Rumpsteak mit Pommes und Salat. Mahlzeit! Kurz darauf klingelte das Handy und wir wurden zum Nachsorgegespräch beim Radiologen gerufen.
An zwei Computerbildschirmen wurde die Vorher/Nachher-Aufnahmen Bild für Bild gezeigt und bestens erklärt. Kurz und bündig bringe ich es mal auf einen Nenner: Gefahr erkannt – Tumor verbrannt. Ich höre heute noch das Getöse, welches die Felsbrocken verursachten, die meiner Frau und mir vom Herzen fielen. Tränen der Freude und Erleichterung standen uns in den Augen. Der Radiologe war selbst über das bestmögliche Ergebnis überrascht. Mehrmals scrollte er die Aufnahmen hin und her, der Tumor war tatsächlich verschwunden. Besser geht’s nicht!

Der ausführliche Bericht des Radiologen:

Der Patient präsentiert sich insgesamt in gutem AZ und EZ , aktuelles Gewicht im Vergleich zum Beginn der Therapie ist unverändert. Die gegen Ende der Radiotherapie aufgetretene ausgeprägten Nebenwirkungen hinsichtlich der Haut sowie der Schleimhaut haben sich weitgehend zurückgebildet, aktuell zeigt sich noch eine mäßige Hyperpigmentierung der bestrahlten Hautareale. Epitheliolysen bestehen nicht mehr. Bis auf ein gelegentliches peranales Ziehen ist der Patient weitgehend schmerzfrei. Es besteht weiterhin ein erhöhter Harndrang, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen werden verneint. Die gegen Ende der Radiotherapie aufgetretene ausgeprägte Hodenschwellung hat sich weitgehend zurückgebildet, ebenso die Schleimhautveränderung im Bereich der Vorhaut. Diese ist weitgehend retrahierbar, von Seiten des Urologen wurde diesbezüglich weiterhin abwartendes Verhalten empfohlen. Der Patient berichtet außerdem über eine mäßige bis ausgeprägte Müdigkeit und Abgeschlagenheit, hier empfehlen wir eine vorsichtige Steigerung der täglichen physischen Belastungen.

MRT des Beckens (KM-i.V.) vom 12.10.2009 – Befund:

Zum Befundvergleich liegen prätherapeutische Voraufnahmen vom 15.07.2009 (BPL-MRT) vor. Sowohl in der KM-Dynamik als auch in der Hochauflösung T2-Bildgebung kein eindeutiger Nachweis von Raumforderungen im Analkanal. Leichte T2w-hypointense Veränderungen des vorderen Anteils des M. sphinkter ani, am ehesten posttherapeutische Veränderungen entsprechend. Inguinal beidseits vereinzelte Lymphknoten mit Fetthiluszeichen, primär nicht suspekt. Parailiacal beidseits vereinzelte Lymphknoten größenrückläufig bis 1,8 cm (VU: 2,3 cm) aktuell mit Fetthiluszeichen. Größenrückläufige perirektale Lymphknoten mit einer aktuellen Ausdehnung von 0,7 cm (VU: 1,2 cm).
NB: Tendenziell größenprogrediente Hydrocele testis. Prostata T2w inhomogen hyopintens mit erschwerter Differenzierung zwischen Peripher- und Zentralzone. Samenblase beidseits T2w nicht hyperintens.

Beurteilung:

- Sehr gutes Therapieansprechen. Aktuell kein eindeutiger Raumnachweis im Analkanal.
- Deutlich größenrückläufiger Lymphknoten parailiacal sowie im perirektalen Fettgewebe
- Signalveränderungen der Prostata, im Wesentlichen unverändert zur Voruntersuchung, am ehesten postentzündlich. Adipositas per magna.


Somit besteht zusammenfassend ein regelhafter posttherapeutischer Verlauf mit bildmorphologisch sehr gutem Therapieansprechen. Wir empfehlen die Durchführung einer erneuten strahlentherapeutischen Nachsorgeuntersuchung einschließlich MRT-Kontrolle am 26.11.2009. Im Anschluss an die nächste strahlentherapeutische Kontrolluntersuchung sollte zusätzlich die Einleitung einer regelmäßigen proktologischen Nachsorge einschließlich Endosonographie, erstmals am 08.12.2009, erfolgen.

Für mich war das Erfreulichste, dass keine Operation notwendig war.

...Fortsetzung folgt...
  #6  
Alt 16.02.2010, 08:49
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Die Zeit zwischen der ersten und zweiten Nachsorgeuntersuchung:

Die erste Nachsorgeuntersuchung am 12.10.2009 brachte das bestmögliche Ergebnis. Der Tumor war anhand des MRTs nicht mehr zu erkennen und es war keine Folgeoperation mit Legung eines Stomas erforderlich. Für meine Frau und mich war das eine große seelische Erleichterung. Sollen wir wieder in den „normalen“ Alltag übergehen? Macht es Sinn im weiteren Leben etwas zu verändern? Sollen wir unser berufliches Wirken beenden und endgültig aussteigen? Ist die damit einhergehende viele Freizeit auszufüllen und sinnvoll zu nutzen? Fragen über Fragen, mit denen wir uns ausführlich beschäftigten. Wir führten intensive Gespräche und kamen zu folgendem Ergebnis, frei nach dem Spruch von Mark Twain: „Gib jedem Tag die Chance der schönste deines Lebens zu werden.“

Weiter machen wie bisher, das geht nicht. Das Hamsterrad des Alltagstrotts wird angehalten, jedoch keineswegs mit der Brechstange. Unser Zwei-Mann/Frau-Unternehmen wird personell um 50% reduziert. Die beste Ehefrau von allen steigt aus, kümmert sich „nur noch“ um den Haushalt (lacht nicht, ich kenne das Lied: Das bisschen Haushalt...), lässt es sich gut gehen und so oft wie möglich die Seele baumeln. Gemeinsam wollen wir noch mehr Zeit als bisher mit unserem Enkel verbringen, denn die Augenblicke und Erlebnisse mit unserem Sonnenschein sind unwiederbringlich. Ich selbst reduziere meine beruflichen Tätigkeiten auf ein Minimum. Eventuell entstehender Ärger oder Stress wird vermieden, schwierige Kunden werden ohne Wenn und Aber ausgelistet. Geld ist nicht alles und kann man es vor allen Dingen nicht fressen. Kurzurlaube und Wochenendtrips stehen auf dem Programm. Gute Vorsätze, die wir nach und nach in die Tat umsetzten. Das (neue) Leben ist schön. Wir fragten uns, warum wir es uns nicht schon früher so gut gehen ließen. Das Tempo im Hamsterrad beeinflusst man bekanntlich selbst. Schaffe, schaffe und auf alles und jeden Rücksicht nehmen, das kennt man doch zur Genüge. Nix da, ab sofort versuchten wir „richtig“ zu leben. Ihr glaubt gar nicht, wie viel Freude man empfindet, indem man sich Gutes tut. Die neu empfundene Lebensqualität ist Balsam für die Seele, doch nichtsdestotrotz schwebt das Gespenst „Krebs“ wie ein Damoklesschwert permanent über dir, in deinen Gedanken als auch im Handeln. Schublade auf, Krebs rein, Schublade zu bis zur nächsten Nachsorgeuntersuchung, das geht so nicht. Alles in allem taten die in Angriff genommenen Veränderungen sehr gut.

Für unsere Seelen taten wir Gutes, aber mein geschundener Körper musste auch noch physisch aufgebaut werden. Gesagt – getan. Meine Kondition, die sich nach Therapieende und längere Zwangs-Bettruhe auf dem Nullpunkt befand, baute ich durch langsam gesteigerte Spaziergänge nach und nach auf. Ich begann wieder meinen Sport aufzunehmen. trainierte zwei Mal die Woche und steigerte zusätzlich meine Fitness mit Ergometerfahren. Durch wöchentliche Saunabesuche sollte das "Chemogift" herausgeschwitzt werden und ein solcher Tag in einem Wellnessbereich tat einfach meinem Körper sehr gut. Alle vier Wochen ließ ich mir bei meinem Hausarzt den Port spülen und die Blutwerte verbesserten sich, zwar sehr langsam, aber doch stetig. Mein subjektives körperliches Wohlbefinden steigerte sich von Woche zu Woche. Was will man mehr? Die nächste Nachsorgeuntersuchung am 26.11.2009 stand vor der Tür.

...Fortsetzung folgt...
  #7  
Alt 26.02.2010, 11:01
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Die zweite strahlentherapeutische Nachsorgeuntersuchung einschließlich MRT am 26.11.2009:

Aufgrund des guten Ergebnisses bei der ersten Nachsorgeuntersuchung ging ich die zweite etwas gelassener an. Ich fühlte mich gut, hatte keine Schmerzen und körperliche Verfassung wurde durch gezieltes Training stets besser. Obwohl die äußeren Voraussetzungen gut waren, wird man kurz vor dem Tag X unruhiger und nachdenklicher. Hoffentlich ist nix, was ist wenn doch...diese Gedanken kennt doch jeder Betroffene. Meine besorgte Frau war seit Tagen sehr aufgeregt. Also nix wie rein in die Röhre und Musikberieselung durch die Kopfhörer, immer wieder übertönt durch das MRT-Schlagzeug. Nach einer guten Stunde meldete sich der betreuende Arzt über’s Mikro: „Haben Sie noch einwenig Geduld. Eine Sequenz muss nochmals wiederholt werden.“ Na prima! Eine Zugabe von 20 Minuten, die ich nicht eingefordert habe. Nach eineinhalb Stunden ruhigen Liegens wurde ich erlöst. „Die Aufnahmen sind jetzt in Ordnung, das Ergebnis erfahren Sie im Nachsorgegespräch durch den Radiologen.“ Ich war total geschlaucht, nass verschwitzt und nach einer kurzen Erholungsphase trank mit meiner Frau erst mal einen Kaffee. Sie war verständlicherweise verunsichert und beunruhigt, da die Untersuchung viel länger dauerte als beim ersten Mal. Außerdem sollte ich noch viel Wasser trinken, um das Kontrastmittel auszuschwemmen. Das ausführliche Gespräch mit meinem Radiologen brachte das erhoffte Ergebnis: Alles im grünen Bereich...

Der ausführliche Bericht des Radiologen:

Der Patient präsentierte sich insgesamt in gutem AZ und EZ. Die Haut im Bereich der Bestrahlungsfelder zeigt sich reizlos. Der Patient berichtet weiterhin über eine etwas erhöhte Stuhlgansfrequenz (4/d), Durchfälle im eigentlichen Sinn, Blubeimengungen oder Schleimbeimengungen werden verneint. Die Miktion sei bis auf eine rückläufige Nykturie unauffällig. Die vorbeschriebene Abgeschlagenheit und Müdigkeit, einhergehend mit verminderter körperlicher Belastbarkeit, haben sich vollständig zurückgebildet.

MRT des Beckens (KM-i.V.) vom 26.11.2009 – Befund:

Bei Zustand nach Radiochemotherapie bei Anal-Ca ist weiterhin kein Resttumor oder Tumorrezidiv abgrenzbar. Kein Nachweis einer kontrastmittelaufnehmender Raumforderung. Unverändert leichte T2-Hyperintensität im Bereich des Sphinkter ani vereinbar mit posttherapeutischen Veränderungen. Kein Nachweis suspekter Lymphknoten im perirektalen Fettgewebe. Bebenbefundllich unverändert Varicocele und Hydrcele testis rechts. Kein Nachweis von Metastasen im Becken. Weitgehend unveränderte Prostatagröße mit unveränderten Signalalterationen. Regelrechtes Knochenmarksignal. Leichter Dorsalversatz LWK5 über SWK1. Bandscheibenprotrusion im Bereich der mitabgebildeten LWS.

Beurteilung:

- Bei Zustand nach Radiochemotherapie eines Anal-Ca weiterhin kein Nachweis eines Lokalrezidiv.
- Kein Nachweis von Metastasen im Untersuchungsgebiet
- Nebenbefundlich Variocele oder Hydrocele testis rechts.
- Unverändert Signalalteration der Prostata.


Somit besteht zusammenfassend weiterhin ein regelhafter posttherapeutischer Verlauf ohne Hinweis auf ein Rezidiv, eine Lymphknoten- oder Organfinalisierung der Erkrankung im untersuchten Bereich. Wir empfhelen die Durchführung einer erneuten strahlentherapeutischen Nachsorgeuntersuchung einschließlich MRT im Abstand von drei Monaten und bitten diesbezüglich am 24.02.2010 wieder vorstellig zu werden unter Mitgabe aktueller Kreatinin- , Harnstoff- und TSHbasal-Werte. Weiterhin empfehlen wir die Durchführung einer proktologischen Kontrolluntersuchung enschließlich Endosonographie. Hierzu wird sich der Patient am 08.12.2009 bei unseren Kolegen der medizinischen Abteilung, Bereich Endoskopie, vorstellen.

...Fortsetzung folgt...
  #8  
Alt 27.02.2010, 11:10
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McBabbel McBabbel ist offline
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...übrigens...

Ab wann gilt man bei einer Krebserkrankung als geheilt?

Etwa nach fünf Jahren ohne Auftreten eines Rezidivs nach der Erstdiagnose ?

Ist Krebs als chronische Krankheit einzustufen?

Also einmal Krebspatient - immer Krebspatient?
  #9  
Alt 27.02.2010, 13:49
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teddy.65 teddy.65 ist offline
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Ab wann gilt man bei einer Krebserkrankung als geheilt?
Laut meiner Onkologin ca. 5 Jahre nach Beendigung aller Therapien inkl. OP und Chemo, wenn in der Zeit keine Metastasen oder ein Rezidiv gefunden werden. Ein Rezidiv ist es bei Darmkrebs jedoch auch, wenn ein solches innerhalb von 10 Jahren "danach" auftaucht, da man dann davon ausgeht, dass es noch mit den veränderten Zellen des ersten Tumors zu tun hat.

Ist Krebs als chronische Krankheit einzustufen?
Ich bin mir nicht sicher, denke aber, das das vom Allgemeinzustand des einzelnen nach den oben beschrieben 5 Jahren abhängt. Innerhalb der 5 Jahre gilt man als chronisch krank und schwerbehindert.


Also einmal Krebspatient - immer Krebspatient?
Das liegt vermutlich im Sinne des Betrachters. Laut Schulmedizin hat man nach den 5 bzw. 10 Jahren nach Beendigung der Therapien das gleich Risiko wie jeder Gesunde. Viele Ärzte werden aber nach der Vorgeschichte ganz besonders genau hinauschauen, egal ob z.B. bei der Hautkrebsvorsorge, oder anderem.
__________________
glg
Sabine

Rektum CA Nov. 2004, OP im Feb. 2005 mit Anlage eines endständigen Colostomas, Chemo bis Sept. 2005. Es geht mir gut
  #10  
Alt 27.02.2010, 14:29
cypher61 cypher61 ist offline
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> Ab wann gilt man bei einer Krebserkrankung als geheilt?

Das ist eine interessante Frage mit der ich mich auch schon beschäftigt habe. Für meinen Arzt lautet die Antwort 5 Jahre.

Wenn ich mir aber mal (am Beispiel Rektumkarzinom) das hier ansehe:

http://www.tumorregister-muenchen.de...urv_C1920G.pdf

so fällt mir auf, dass das relative Überleben (d.h. berücksichtigt sind nur Sterbefälle aufgrund der Tumorerkrankung und nicht die altersnormale Sterblichkeit) auch teilweise nach mehr als zehn Jahren noch zurückgeht.
Das finde ich ganz schön beunruhigend und will das mit meiner Onkologin auch nochmal besprechen.

Eine ganz interessante Analyse der Daten des Tumorregisters bezgl. Metastasierung und Prognose des kolorektalen Karzinoms findet sich für Interessierte übrigens unter

http://www.tumorregister-muenchen.de...n-Karzinom.pdf

Gruss Frank.
__________________
Adenokarzinom des Rektums, ED August 2009
Neoadjuvante Radiochemo, Oktober 2009
Operation Dezember 2009 (ypT2 pN0(0/12) G2 R0 L0 V0 cM0)
Adjuvante Chemo Januar - April 2010
Stoma RV Ende Mai 2010
  #11  
Alt 28.02.2010, 20:13
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McBabbel McBabbel ist offline
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Hallo Sabine , hallo Frank ,

Danke für Eure Infos.

Versorgungsamt, ich komme!

Das Schwungrad der Beamten werde ich dort ratz-fatz in Bewegung bringen.

Schwerbehindert will zwar keiner sein, wenn man aber aufgrund der Krebserkrankung dahingehend eingestuft wird, werde ich mit Unterstützung meines Onkologen einen Antrag einreichen.

Beim Finanzamt habe ich aufgrund meiner (freiwilligen) Beiträge seit Jahren den Status eines Ehrenmitglieds inne. Egal wieviel oder wie wenig Mücken unterm Strich rausspringen, verschenkt wird nix. Die zusätzlichen Knödel werden selbstverständlich re-investiert. Hierzu die Empfehlung von Dr. Mett-Wurst: "Man sollte seinem Leib etwas Gutes tun, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen." Wo er Recht hat, hat er Recht. Deshalb hoch die Tassen!
  #12  
Alt 28.02.2010, 20:44
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cypher61: boh.... das hat mir nun gründlich den Abend verhagelt, ich wollte mich immer fern halten von Statistiken, leider hab ich nun aus neugier doch in deine angegebenen Seiten reingeschaut.... und bin wirklich geschockt. Ich dachte immer, dass das schlimmste was uns bevor steht, diese blöde OP ist und das ev. dann ein Stoma mein Mann ziert, aber nun muss ich fast froh sein, wenn das alles ist und er mit mir alt werden kann.... und das bei meinem Momenten seelischen Zustand.... ich finde wir sollten uns fern halten von solchen Seiten, die ziehen uns nur runter... du schreibst selber " sehr beunruhigend"..... und ob.... ich geh mich jetzt erstmal wieder auf die Reihe bringen... boh!
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  #13  
Alt 28.02.2010, 21:18
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hope38 hope38 ist offline
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Huhu RPW!
Ja, halte Dich bloß fern von solchen Seiten. Ich habe am Anfang meiner Erkrankung auch viel darüber gelesen und es hat mir gar nicht gut getan(((
Nun sage ich mir immer, daß ich von Statistiken gar nichts halte, denn meistens sind sie veraltet und außerdem sind wir Menschen so unterschiedlich, daß wir gar nicht in irgendein Schema passen. Meine liebe Cousine, die an Brustkrebs erkrankt ist, sagte mir: "Was nützt mir das Wissen, daß ich zu 60% gesund bin und zu 40% wieder erkranken könnte? Wenn es mich trifft, dann sind es immer 100%!"

Also mein Tipp: Fernhalten von diesen Dingen und mutig voran

Liebe Grüße, hope
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am 02.05.2006 Rektum-Ca-Diagnose, Chemo+Bestrahlung, OP im August 2006, danach von 11/06 bis 02/07 adjuvante Chemo, Anlage eines Ileostomas, Rückverlegung in 01/09

(alle von mir im KK verfaßten Beiträge/Texte und Geschichten dürfen ohne meine Erlaubnis nicht weiterverwendet werden)
  #14  
Alt 28.02.2010, 21:37
RPW1974 RPW1974 ist offline
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Danke hope, da hast du vollkommen recht.... ich werds einfach ganz schnell vergessen.... wie sagt man auch, ein bißchen schwanger gibts auch nicht. Entweder ganz oder gar nicht.... Danke nochmals und liebe Grüße
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  #15  
Alt 01.03.2010, 00:30
cypher61 cypher61 ist offline
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Es tut mir leid wegen dem Link, das war nicht meine Absicht jemand damit zu verunsichern. Als ich mich hier angemeldet habe wollte ich vielmehr mein Wissen nutzen um anderen Betroffenen Hoffnung zu machen, das ist mir hier wohl gründlich misslungen.

Ich gehe aber eben so mit der Krankheit um, dass ich alle verfügbaren Informationen sammle, um meine Behandlung zu durchblicken und so gut es geht selbst zu steuern. Dazu gehören auch Statistiken.

An anderer Stelle habe ich aber bereits betont dass Statistiken aus meiner Sicht wertlos sind um persönliche Schicksale zu bewerten.

Sorry F.
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