Einbrüstig neuen Mann kennen lernen

[Netterling]

Liebe Forumsmitglieder,

ich lebe nun seit fast 3 Jahren mit einer abgenommenen Brust und einer tendentiell unschönen Narbe. Ich bin sehr froh, dass ich seinerzeit maximal therapiert worden bin (+ETC + Bestrahlung), denn ich lebe weiter fröhlich vor mich hin, trotz schlechter Prognose.
Nun bin ich sogar so übermütig, dass ich mit meinen 45 Jahren im Netz Männer kennenlerne. Nur, wann und wie soll ich das so einem Mann, der mich nicht kennt sagen? Wenn ich es zu früh sage, ist er vermutlich weg bevor ich .. sagen kann. Wenn ich es nicht sage, kommt immer der Punkt, wo ich auf Nähe mit Distanz reagiere. Vermutlich habe ich schiss. Es bräuchte halt Zeit und Vertrauen. Auf der anderen Seite habe ich soooo dolle das Bedürfnis mich fallen zu lassen und nach Sex ;-).

Wie geht es euch damit? Gibt es Erfahrungen?
P.S. Ich werde im nächsten Jahr vermutlich eine Brustaufbau OP anstreben. Aber das Problem besteht aus meiner Sicht dennoch. Vielleicht nicht so krass wie jetzt. Ich erinnere mich selbst, wie es mich im Krankenhaus schokiert hat, als ich eine Frau ohne Epithese am Frühstückstisch sitzen sah.

Freue mich auf eure Antworten
Netterling

[gilda2007]

Vielleicht helfen Dir einig Antworten hier schon weiter:

http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=43528

[paddi]

Hallo Netterling

Ich kann Dein Problem sehr gut nachempfinden. Es ging mir auch eine ganze Weile so. Als ich einen Mann kennen lernte hab ich auch mit mir gehadert, wann der richtige Zeitpunkt war darüber zu reden. Ob überhaupt reden oder...
Ich hab es nicht geschafft und mich vor lauter Angst vor Ablehnung selber ins out geschossen. Meine Ablehnung führte zum Rückzug seinerseits.

Beim nächsten Mann war mein Interesse grösser und ich wollte es nicht wieder vergeigen. Ich war mir auch nicht sicher, ob es einfach eine Freundschaft war die zwischen uns entstand, oder doch mehr...
Ich fiel gleich mit der Tür ins Haus und hab ihm sehr schnell von meiner Krankengeschichte berichtet. Ihm ehrlich gesagt wie es zum jetzigen Zeitpunkt aussah und was die Vergangenheit mit mir gemacht hatte.
Für mich war das irgend wie eine Art Test. Wenn er abgeschreckt würde, dann wäre er sowieso nicht der Richtige
Er liess sich zum Glück nicht abschrecken. Zumindest nicht deswegen und zu dem Zeitpunkt. Wir redeten zuerst viel über alles was mit mir, meiner Erkrankung und meinem Körper zutun hatte. Das nahm mir die Unsicherheit und auch ihm.

Ich persönlich würde es vermutlich nur noch so handhaben. Gleich raus mit der Wahrheit. Dann merkt man, ob es sich überhaupt lohnt Zeit zu investieren und ev. Gefühle aufkommen zu lassen.

Ich hatte einmal eine etwas komische Situation mit einem langjährigen Freund.
Wir verbrachten viel Zeit gemeinsam. Waren auch Schwimmen und haben uns gegenseitig massiert. Ich ging irgend wie davon aus, dass er eigentlich wüsste was an meinem Körper fehlt.
Wäre eigentlich auch so gewesen. Aber irgend wie dachte keiner mehr daran.
Nach einer schönen Rückenmassage zog ich meinen Pulli wieder an und versuchte unter dem Pulli den BH wieder zu schliessen, da fiel die Prothese raus. Er war sehr neugierig und hätte am liebsten sehen wollen was an mir "verunstaltet" wurde. Auch die Prothese faszinierte ihn. Das war mir noch egal. Aber mehr wollte ich ihm nicht unter die Nase reiben.
Beim nächsten mal Massieren hab ich gemerkt, dass er unauffällig immer weiter zur Seite massieren wollte. Mir war das unangenehm und ich hab ihm das auch gesagt. Er meinte zwar ich solle doch nicht so kompliziert sein, schliesslich kannten wir uns schon viele Jahre. Hatten ca. 15 Jahre vorher schon mal Sex. Trotzdem blockte ich ab.
Keine Ahnung warum. Eben vielleicht weil er mich auch anders kannte. Und weil ich ihn ihm "nur" einen guten Freund sah?

Ich wünsch Dir, dass Du den für Dich richtigen Zeitpunkt findest.

Es grüsst Dich
paddi

[sonnenliesel]

Liebe Netterling,
es ist immer eine schwierige Geschichte,ein Handykap zu beichten.
Aber ich denke,der Zeitpunkt ist fast egal-wer damit Probleme hat,ist weg-so,oder so.
Ich spreche aus Erfahrung,ich stand auch vor dem Problem,als ich vor fast 40 Jahren meinen Mann kennen gelernt habe(damals allerdings noch ohne Netz u.wegen einer anderen Krankheit).
Vielleicht sollte man unterscheiden-einen Mann,den Du im Netz kennenlernst,vor dem mußt Du sicher nicht sofort Dein ganzes Leben offenlegen.
Versuche mit Deiner Art,Deinen geschriebenen Worten,sein Interesse an Dir zu wecken.
Irgendwann wird sich eure Korrsopondenz vertiefen,dann schreibe ihn auch von Deiner Krankheit,erstmal ohne ins Detail zu gehen.
Zeigt er Interesse an Dir,wird er auch Fragen stellen,die Du dann natürlich ehrlich beantworten solltest.
Sollte das dann euer letzter Kontakt gewesen sein,dann darf sich Dein Liebeskummer ruhig in Grenzen halten.Er war nicht der Richtige.
Das Kennenlernen im wahren Leben,also ohne Internet,basiert meiner Meinung nach auf einem anderen Fundament.
Hier muß sich keiner"optimieren",jeder sieht den anderen aus seinen Augen und findet ihn symphatisch,oder eben nicht.
Du mußt niemanden erst von Dir überzeugen,der andere hat sich schon längst ein Bild von Dir gemacht,von Deinen Lächeln,Gesten,Deiner Stimme...
Die neue Beziehung sollte aber auch ernste Dinge verkraften können-also raus mit allem,was bedrückt,je eher desto besser.
Ich glaube,das es für den anderen leichter verdaulich ist,wenn man von Angesicht zu Angesicht über so ein ernstes Thema spricht.
Und auch hier gilt,wenn es das Ende der Beziehung ist,war es eben nur der falsche Mann.
L.G.
sonnenliesel

[Netterling]

Vielen,vielen Dank für eure Antworten und Erfahrungen. Sie haben mir in jedem Fall Mut gemacht. Nachdenklich hat mich außerdem, diese Unterscheidung zwischen "im Netz" kennenlernen und auf der Straße begegnen. Das ist in jedem Fall ein Unterschied und auch für Frauen und Männer ohne Handikap schon eine besondere Herausforderung. Vielleicht sollte ich diesen Weg erstmal eine Weile ruhen lassen und mich auf das wirkliche Leben konzentrieren. Mit oder ohne Mann, aber im Hier und Jetzt. Das ist ja das was, was mir die Krankheit mitgegeben hat.


Herzlichst, eure
Netterling

[Wamper]

Bei mir liegt die Ablatio jetzt 14 Jahre zurück. Ich habe vor 11 Jahren geheiratet. Meinen Mann kannte ich als netten Bekannten schon viele Jahre lang. Er sah in der fehlenden Brust kein Problem. Die Angst, daß der Krebs wieder zuschlägt, fand er viel belastender. Er sagt, er habe sich auf eine Partnerschaft nur eingelassen, weil ich ihm alle Probleme genannt habe. Kurzum ich würde gleich zu Beginn einer Bekanntschaft sagen, dass ich Brustkrebs habe/hatte.
Nur Mut. Es gibt heute eine ganze Reihe von Männern, die sich von einer fehlenden Brust nicht abschrecken lassen.
Mit liebem Gruß Doro