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  #1  
Alt 04.09.2006, 01:04
effekt effekt ist offline
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Standard Wenn alle Quellen versiegen..

Hallo,

Ich bin durch Zufall heute auf dieses Forum gestossen und habe bislang noch nie irgendeine Moeglichkeit genutzt mich mitzuteilen. Es gibt nur eine Hand voll Menschen die den vollen Umfang meiner Verluste kennen. Das aendert sich jetzt wohl.

Zwischen 1993 und 1997 habe ich meine Mutter und meinen Vater (ich war 10 und 13) indirekt und direkt an Krebs verloren.

Meine Mutter hatte neben AIDS (dem sie mit Selbstmord im Krankenhaus, als sie im Endstadium dort lag voraus kam) einen Gehirntumor der sie gerichtet haette, waere der HI-Virus nicht schneller gewesen. Sie wurde 33 Jahre alt.

Mein Vater hatte mehrere Jahre Gehirntumore und Operationen hinter sich gebracht bis er dem Glioblastoma Multiforme letztendlich erlag, nachdem man ihm grosse Teile seines Gehirns (unter anderem das Sprachzentrum) heraus operiert hatte. Er wurde 49 Jahre alt.

Viel mehr ueber den Tod der beiden weiss ich nicht da ich bereits zu beginn der Krankheit meines Vaters komplett abgeschaltet habe -- ich habe ihn allein gelassen, er hatte sehr oft epileptische Anfaelle, allein, zuhause, weil ich unterwegs war und mich mit Drogen und Nonsense abgelenkt habe.

Da meine Eltern lange geschieden waren verlief die Krankheit meiner Mutter komplett ohne mich, bis ich an ihrem Todestag erfuhr das sie gestorben ist.

Es hat Jahre gedauert bis der Schmerz eingesetzt hat - zum Tod meiner Mutter habe ich keine einzige Traene geweint, kein einziges Wort darueber verloren. Ihre Urne wurde abgeholt ohne das ich sie je wieder gesehen habe und ueber einem See in den USA verstreut, von ihrer Mutter. Der Tod meines Vaters, nachdem ich ihn Monate lang nicht mehr besucht hatte, hat mir ebenfalls nur kurz ein paar Traenen entlockt.

Mein Vater war trotz vieler Verfehlungen in den fruehen Jahren zu einem unfassbar starken Mann geworden. Er war ein gigantisches Vorbild und heute teile ich nicht nur seinen Musikgeschmack, seinen Stil und seinen Bartwuchs sondern all seine Ueberzeugungen und Ideale die mir bewusst mitgegeben wurden.

All die Jahre an die ich mich bewusst erinnere, war er eine Ikone der Staerke fuer mich und meinen Bruder. Zu der Zeit, jung wie ich war, habe ich das nicht realisiert. Dafuer realisiere ich das heute um so mehr und gerade deshalb schmerzt es so stark das er jetzt nicht da sein kann. Das er nicht zu mir aufsehen kann (ich war bereits mit 12 fast so gross wie er - 1.79m), mich nicht umarmen kann und mir nicht sagen kann wie stolz er auf mich ist.

Trotz aller Fehler sind aus diesen beiden Menschen zwei unfassbar grosse (sowohl koerperlich als auch in allen anderen Aspekten) Brueder entstanden, die Ideale wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Guete und Loyalitaet ueber alles andere erheben allein weil es die Grundwerte waren die unser Vater uns geschafft hat zu vermitteln.

So spreche ich, aufrecht stehend mit ueber 1.90m Koerpergroesse, erhobenem Haupt und stolz geschwelter Brust ueber meinen Vater, mich und meinen Bruder (2 Jahre juenger als ich), in der Regel.

Doch der Schmerz ist zu gross und er wird mit jedem Tag der vergeht mehr. Nachdem mich heute meine Freundin abermals verlassen hat, verlangen mein Verstand und mein Herz nach einer Rechtfertigung fuer weitere Existenz. Sie hatte es geschafft als meine erste, groesste und bislang einzige Liebe der einzige Mensch zu werden der mir den Schmerz wirklich nehmen konnte -- nun wird sie mich verlassen, der Schmerz wird wiederkehren und noch angefacht durch den akkuten Verlust.

Trotz allem Schmerz ist paradoxerweise der Gedanke an meinen Vater und die Hoffnung daran ihn gluecklich und vor allem stolz zu machen womoeglich der festeste Anker den ich in dieser Welt habe. Selbstmord waere feige und erbaermlich - alles wofuer er gekaempft hat, seine Opfer fuer mich waeren dann wertlos gewesen.

Da ich aber nicht an Gott glaube, glaube ich eben so wenig an ein "Leben nach dem Tod" - er existiert nicht mehr, er wird nie wieder stolz auf mich sein koennen. Niemals wieder wird er hinter mir stehen und bewundern was ich tue. Niemals wieder wird mich ein Mensch "grosser" nennen, da ich es von nun an im Gedenken an ihn jedem verbiete der es versucht. Niemals wieder werde ich das Gefuehl voelliger Erfuellung und Waerme haben allein durch den Blick eines Menschens, allein durch die blose Anwesenheit.

..bleibt nur Hass und Zerstoerung als Antrieb

So schliesse ich an den Titel an: Wenn alle Quellen des guten versiegen, wenn alles das Bedeutung hatte verstorben oder gegangen ist, wenn Liebe nicht mehr der Antrieb ist dann bleibt nur Hass.

Ich bewundere jeden hier der seine Verluste "sauber" verarbeiten konnte, jeden der es geschafft hat zu reden wenn ich geschwiegen haette. Die diversen Geschichten die ich gelesen habe bevor ich mich entschlossen habe diesen Thread zu verfassen haben mir ueber eine Stunde lang Traenen in die Augen getrieben, so stark das es mir schwer fiel zu lesen. Ich wuensche niemandem, keinem von euch, die Sackgasse in der ich stehe. Verzweiflung und Hass moegen der beste Antrieb und Ausweg sein, helfen aber nicht ueber den endlosen Schmerz hinweg oder verstaerken ihn sogar.

Verarbeitet eure Verluste und greift jede Hand die man euch reicht. In solchen Zeiten wird auch recht schnell deutlich wer sich wirklich etwas aus euch macht und wer nicht - man kann einmal ordentlich aussortieren.

Und wenn euch sonst nichts haelt, niemand zur Hilfe eilt oder versteht denkt daran das wer auch immer es ist den ihr verloren habt Hoffnungen und Traeume hatte, Ideen und Kraft in euch investiert hat. Nichts davon darf verloren gehen, oder vergessen werden. Wenn es auch offensichtlich keinen anderen Sinn in unserer Existenz gibt, kein groesseres Ziel, keine Perspektive, duerfen wir die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen.

Wenn ihr es nicht schafft fuer euch selbst aufzustehen und zu kaempfen, dann kaempft fuer das was man euch ueberlassen hat. Tragt die Ideale und Vorstellungen eurer Eltern, Partner oder Geschwister weiter -- nur so werden sie ewig leben. Nicht Gott, Alah oder irgendein mystisches Wesen garantieren das "Leben nach dem Tod" -- ihr tut es.

Uebrigens habe ich das Gesicht meines Vaters, als nordischen Krieger dargestellt, auf meinem rechten Arm taettowiert (ca. 15x20 cm gross). Das war das mindeste das ich tun konnte um ihn fuer mich ein Stueck weit am Leben zu halten. Vielleicht animiert das andere ja, anstatt das Angesicht der Geliebten im Schrank neben den Urlaubsfotos verstauben zu lassen, auch etwas aehnliches zu tun.

Waehrend ich das hier geschrieben habe hat sich meine Stimmung auch mehrfach gewandelt - ich bin jetzt wieder relativ ruhig und wische mir die Liter traenen aus den Augen. Auch wenn mein Thread nur das erreicht hat, war es schon nicht sinnlos ihn zu schreiben.

Ich liebe euch beide, bis alles Leben endet, bis die Sonne fuer immer untergeht, bis in alle Ewigkeit. Niemand wird mich oder Siegfried zerstoeren, niemand wird es je schaffen uns zu schaden. Wir beide tragen euch in uns, durch uns werdet ihr leben und durch unsere Kinder sollt ihr niemals in Vergessenheit geraten.

Wahre Glorie findet man nur im ehrenvollen Tod. Wir sehen euch in den goldenen Hallen.
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Geändert von effekt (04.09.2006 um 01:08 Uhr)
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  #2  
Alt 04.09.2006, 10:09
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Hallo Effekt!

Ich weiß nicht ob du Rückmeldung erwartest oder ob du hier geschrieben hast, um es für dich formuliert zu haben...Viel kann ich zu deinem schrecklichen Verlust auch nicht sagen. Es macht mich unsagbar traurig, wenn ich bedenke, du bist so alt wie eine meiner Töchter und mußtest in deiner Jugendzeit - in welcher man die Eltern oder sonstige starke Erwachsene noch sehr braucht, solche Horrorszenarien erleben...Das Leben kann so grausam sein. Du und dein Bruder, ihr seid starke Menschen geworden ...das allein ist schon ein Wunder - wie konnte das gehen??? Alles was wichtig war, nach pädagogischem Ermessen ist weggebrochen...und doch...hat euer Vater so viel Liebe und Stärke schon in jungen Jahren in euch gelegt? Vielleicht auch die Mutter...? Irgendwoher müßt ihr diese Liebe, die mehr bedeutet als ein Leben nach Bilderbuch, eine Liebe, die auch Chaoteneltern geben können, in ihrer menschlichen Fehlbarkeit, irgendwoher habt ihr sie bekommen. Du schreibst es, Blicke und die soooo wichtigen Grundwerte....das ist wohl das Wichtigste für ein Kind. So wie du den Vater beschreibst, hat er gewußt, daß es die Hölle für euch beide war, die Krankheit eurer Eltern zu ÜBERLEBEN, ich hätte mir große Sorgen um diese kleinen Seelen gemacht, auch wenn sie damals schon 1,79 groß war - sie hat noch so viel Liebe und Zuwendung, Aufmerksamkeit und Bestätätigung gebraucht - die junge Seele! Allein gelassen hast du deine Eltern sicher nicht, du warst eine KIND! ...ein Jugendlicher - für die meisten Erwachsenen ist das schon unvorstellbar, was du / ihr durchleiden mußtet.

Tja, wenn du sagst, NIEEE mehr wird dein Vater stolz auf dich sein....ich weiß es nicht, ich möchte es gern anders glauben - wie genau weiß ich auch nicht. Doch, du hast mit Sicherheit die größten Hoffnungen deines Vaters wahr werden lassen, du bist ein starker Mensch geworden, mit seinen Idealen und du sprichst hier sogar Worte des Trostes und machst anderen Mut !!! Du bist nicht kaputt gegangen am Leid deiner Eltern, du suchst und du folgst seinen Spuren, wie könnte es mehr Bestätigung für SEINEN Lebensweg geben, mehr SINN, dass das was er versucht hat euch mitzugeben, trotz der übelsten Lebenswidrigkeiten zu einer Pflanze der Hoffnung aufgeblüt ist, SEIN LEBEN WAR NICHT UMSONST - die Liebe ist angekommen !!! Ich würde mich freuen, wenn meine Töchter einige Dinge für ihr Leben gebrauchen könnten, sich damit besser in der Welt orientieren könnten, sich nicht verloren vorkämen – mein Leben würde somit „ihre Bestätigung erhalten, ihre Zustimmung“ es mit ihnen nicht falsch gemacht zu haben.

Ich habe selbst meinen Liebsten nach schlimmen Lebenserfahrungen/ -situationen kennengelernt - er war ganz unter, Sucht usw. - auch meine Töchter habe unser Leben nicht ohne Probleme "weggesteckt". Ich habe so viel Liebe bekommen, von einem Menschen, der auf der Straße vielleicht sogar verachtet wurde von den "Gutbürgerlichen" (gedanklich habe ich noch andere hasserfüllte Bezeichnungen auf Lager), er war der beste, liebste, sensibelste und großzügigste Mensch, den ich bisher kennengelernt habe. Er hat mir gezeigt, dass es ein NIE, eine Einschätzung UNMÖGLICH nicht gibt, aller VERNUNFT zum Trotz hat er fertig gebracht, was UNMÖGLICH erschien. Er war für meine 3 Kinder der beste Freund, Vertraute und sie selbst sagen, der beste Vater den sie sich hätten wünschen können (er war nicht ihr leiblicher Vater) - er kam zu uns, als meine Kinder in dem Alter waren, als du deine Eltern verloren hast ...er hat uns gerettet, trotzdem er selbst genug Probleme hatte und auch nach einigen Jahren den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Jeder von uns hat ein Verbundenheitszeichen immer bei sich, zwei von meinen Töchtern zusätzlich eintätowiert, nicht so wie du, aber sinnbildlich – das was sie mit ihm verbindet…. Ich finde es sehr schön und eine große Ehre - für einen großen Vater! Ich glaube, er hat es sehr gut gemacht mit euch !

Zitat:
Nachdem mich heute meine Freundin abermals verlassen hat, verlangen mein Verstand und mein Herz nach einer Rechtfertigung fuer weitere Existenz. Sie hatte es geschafft als meine erste, groesste und bislang einzige Liebe der einzige Mensch zu werden der mir den Schmerz wirklich nehmen konnte -- nun wird sie mich verlassen, der Schmerz wird wiederkehren und noch angefacht durch den akkuten Verlust.
Ich glaube dir, es ist wieder wie ein Tod, der Tod dieser wichtigen Beziehung - glaubst du, du hast diese schlimme Sehnsucht in dir, die aus den Tagen des "Verlassenseins-Verlorenseins-Schmerzes der Trauer" in deiner Jugend in dir ist, tief vergraben, „weggespritzt, gekifft oder heruntergespült“ ? Es ist so schwer, ein so entstandenes Loch mit Liebe aufzufüllen - ich hatte oft das Gefühl, ich würde es nicht schaffen, es ist ein Fass ohne Boden, wie soll dieser Übermensch aussehen, der den Verlust aus Kindertagen ausgleichen kann? Es tut mir so leid für die Kinder, die so schreckliche Erfahrungen machen müssen, ich sehe den Sinn darin nicht und oft muss man sich ein Leben lang mit den Folgen auseinander setzen. Ich weiß nicht, warum deine Freundin dich "abermals" verlässt und ich finde auch keinen Trost, es ist wahrscheinlich auch keiner, wenn ich dir sage, dass wir, mein Liebster erst 33 Jahre werden musste, bis wir uns trafen und das Urvertrauen erst 100% ig wieder da war, als er seinen letzten Weg in meinen Armen angetreten hat. So lange waren Verlustängste immer wieder, wenn auch im Hintergrund, immer wieder ein Thema für ihn.... Wenn alle Quellen versiegen...., ja ich grabe nach Wasser, ähnlich wie du, suche nach einem Halt IN MIR ....

Zitat:
Und wenn euch sonst nichts haelt, niemand zur Hilfe eilt oder versteht denkt daran das wer auch immer es ist den ihr verloren habt Hoffnungen und Traeume hatte, Ideen und Kraft in euch investiert hat. Nichts davon darf verloren gehen, oder vergessen werden. Wenn es auch offensichtlich keinen anderen Sinn in unserer Existenz gibt, kein groesseres Ziel, keine Perspektive, duerfen wir die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen.

Wenn ihr es nicht schafft fuer euch selbst aufzustehen und zu kaempfen, dann kaempft fuer das was man euch ueberlassen hat. Tragt die Ideale und Vorstellungen eurer Eltern, Partner oder Geschwister weiter -- nur so werden sie ewig leben. Nicht Gott, Alah oder irgendein mystisches Wesen garantieren das "Leben nach dem Tod" -- ihr tut es.
Vielen Dank für deine Zeilen – ich hoffe ich habe dich mit meinem „Roman“ nicht zugetextet…
LG Petra
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  #3  
Alt 04.09.2006, 15:42
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Zugetextet ganz und garnicht und im Vergleich zu meinem Schwall auch kein Roman, hehe.

Wenn ich selbst lese was ich schreibe fuehle ich mich oft wie ein Luegner, weil ich doch schluchze und vor Schmerz fast keine Luft mehr kriege, wenn ich an ihn denke.

Ich habe gelernt zu vergessen und zu verdraengen in einem Ausmass das ich selbst kaum noch kontrollieren kann -- das ist ebenfalls der Grund weshalb meine Frau mich verlassen hat. Aus dem Verlangen nach Schutz und Staerke, dem Streben nach unantastbarem Stolz, schalte ich oft unbewusst saemtliche Regungen gaenzlich ab. Das ist nicht die Glorie die ich beschreibe sondern eine erbaermliche, aengstliche Form von Mauer die ich um mich errichte und um diese zu entfernen benoetigt es offenbar immer wieder starker Verletzungen - quasi eine grosse Kanonenkugel die es dann schafft durch die Mauer in mein Herz zu dringen und mich wieder bluten zu lassen - wie das verlassen werden.

Sich selbst einzugestehen das man nur ein Mensch ist scheint beinahe unmoeglich wenn man sein Leben lang damit beschaeftigt war eben genau das zu verdraengen und meine einzige Hoffnung derzeit ist es das ich es schaffe meine Kraft nicht von dieser Mauer abhaengig zu machen.

Es ist nicht noetig sich abzuschotten um Stark zu sein - im Gegenteil, wahre Staerke zeigt sich wenn man die Wunde die entsteht verschliesst oder gar durch Staerke verhindert das die Wunde entsteht. Dazu muss man aber wissen was hinter der Mauer ist, man muss die Mauer weg lassen um zu verstehen was noetig ist um zu verhindern das jemand dort rein sticht.

Verschluss ist also nur ein temporaerer und schwacher Schutz vor Verletzung, es ist der einfache Weg der in einer Sackgasse endet in die man immer wieder laeuft. Ich hoffe (und bete gar zu Gott, obwohl ich nicht an ihn glaube, in der Hoffnung das sollte er doch existieren ich es zumindest versucht habe seine Gnade zu erlangen) nun nur noch das meine Frau es schafft mich nicht fallen zu lassen und mich ohne diese Mauer erlebt, ohne das ich sie ausschliesse.

Verdraengung ist der innere Tod.

Und, zu deinen Toechtern: es gibt in meinen Augen keine falsche Erziehung - nur unterschiedliche. Es gibt natuerlich Mishandlung und anderes, was voellig indiskutable falsch ist, aber so lange nichts der gleichen passiert ist, steht die Frage nach "richtig" oder "falsch" erzogen nie zur Debate.

Es mag sein das ich da ein wenig anders bin und durch den fruehen Verlust meinen Vater sehr glorifiziere -- er hat mir zum Beispiel den Arsch versohlt, wenn ich etwas schlimmes gemacht habe. Nicht blutig gepruegelt, einfach mit einem duennen Stock oder aehnlichem, so das es fies geschmerzt hat. In dem Moment als er das getan hat, habe ich ihn verflucht. Jetzt, ueber 15 Jahre spaeter weiss ich das es mich Respekt gelehrt hat. Er haette das sicher auch anders erreichen koennen, aber so hat es eben so gut gewirkt.

Allem voran war er aber Stark. Er hat nie Schwaeche gezeigt - was nicht bedeutet das er nicht geweint hat, im Gegenteil. Er war ein Mensch. Er war auch ein Mann und hat kein Geheimnis daraus gemacht das er sich einsam gefuehlt hat, nach seiner letzten Scheidung. Aber er war Stark, fuer uns, in jeder lebenden Sekunde. Sogar physisch -- zwei der amuesantesten und besten Beispiele die mich sehr gepraegt haben war zum einen der Fakt das er uns im Sommer, wenn er Muskelmasse aufgebaut hatte, an seinen ausgestreckten Armen hat Klimmzuege machen lassen. Absolut genial.

Das zweite ist etwas das ich mit Sicherheit nie vergessen werde - ich war sauer auf ihn, eines Abends, habe eins seiner Lieblingsmesser genommen und bin mit dem festen Entschluss ihn jetzt umzubringen auf ihn losgerannt. Er hat mich nicht entwaffnet und verpruegelt, oder angeschriehen, oder aehnliches. Er hat einfach mit mir gespielt. Ich habe bestimmt 30-60 Minuten lang versucht ihn mit dem Messer zu treffen und er ist entweder ausgewichen oder hat mich einfach festgehalten und hat sogar mittendrin eine Matratze auf den Boden gepackt damit ich nicht hinfalle und mich verletze. Ich habe gekrischen und geweint wie ein Berserker, und geschriehen "ich bring' dich um!" bis ich irgendwann einfach nicht mehr konnte.. also habe ich mich fallen lassen. Er stand auf, ging zum Buecherschrank, holte das Nibelungenlied und las mir das Hildebrandslied vor (Hildebrand und Hadubrand, Vater und Sohn, die miteinander kaempfen) ..bis ich einschlief.

Ich weiss von vielen Verfehlungen die er in seinem Leben hatte, eben so von meiner Mutter. Aber nichts davon steht auch nur im geringsten im Vergleich zu dem was sie in den letzten bewussten Jahren meines Lebens fuer mich und meinen Bruder getan haben.

Und ich wette, auch wenn stilistisch mit Sicherheit anders als meine Eltern, das du und dein Mann alles in ihrer Macht getan haben um nach eigener Ansicht gute Eltern zu sein. Waere dem nicht so, wuerdest du nicht so sprechen und dann wuerden sich deine Toechter mit Sicherheit nicht dafuer taettowieren lassen, hehe.

Es tut gut ueber ihn zu reden und auch zu wissen das ich nicht uebertreibe, das andere die Meinung teilen und glauben das es gut ist, wie es ist. Nicht das er tot ist, herrje, aber alles andere..
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  #4  
Alt 04.09.2006, 18:10
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

...einige wenige Gedanken....

Zitat:
Ich habe gelernt zu vergessen und zu verdraengen in einem Ausmass das ich selbst kaum noch kontrollieren kann -- das ist ebenfalls der Grund weshalb meine Frau mich verlassen hat. Aus dem Verlangen nach Schutz und Staerke, dem Streben nach unantastbarem Stolz, schalte ich oft unbewusst saemtliche Regungen gaenzlich ab. Das ist nicht die Glorie die ich beschreibe sondern eine erbaermliche, aengstliche Form von Mauer die ich um mich errichte und um diese zu entfernen benoetigt es offenbar immer wieder starker Verletzungen - quasi eine grosse Kanonenkugel die es dann schafft durch die Mauer in mein Herz zu dringen und mich wieder bluten zu lassen - wie das verlassen werden.

Sich selbst einzugestehen das man nur ein Mensch ist scheint beinahe unmoeglich wenn man sein Leben lang damit beschaeftigt war eben genau das zu verdraengen und meine einzige Hoffnung derzeit ist es das ich es schaffe meine Kraft nicht von dieser Mauer abhaengig zu machen.

Es ist nicht noetig sich abzuschotten um Stark zu sein - im Gegenteil, wahre Staerke zeigt sich wenn man die Wunde die entsteht verschliesst oder gar durch Staerke verhindert das die Wunde entsteht. Dazu muss man aber wissen was hinter der Mauer ist, man muss die Mauer weg lassen um zu verstehen was noetig ist um zu verhindern das jemand dort rein sticht.

Verschluss ist also nur ein temporaerer und schwacher Schutz vor Verletzung, es ist der einfache Weg der in einer Sackgasse endet in die man immer wieder laeuft. Ich hoffe (und bete gar zu Gott, obwohl ich nicht an ihn glaube, in der Hoffnung das sollte er doch existieren ich es zumindest versucht habe seine Gnade zu erlangen) nun nur noch das meine Frau es schafft mich nicht fallen zu lassen und mich ohne diese Mauer erlebt, ohne das ich sie ausschliesse.

Verdraengung ist der innere Tod.
Es ist der Wahnsinn, dies zu lesen von einem jungenm Menschen in deinem Alter....wenn ich mir überlege, wie naiv und unbeleckt andere in eurem Alter sind, die keinerlei Kummer in ihrer Kindheit zu verarbeiten hatten. Das soll nicht heißen, dass sie besser dran wären, irgendwann müssen auch sie erwachsen werden - aber mit welcher Wucht es bei dir passieren musste... Dein Vater muss wirklich ein Wahnsinnstyp gewesen sein, hat er seinen Sohn so sehr geliebt, verstanden, dass er ihn seine Wut ausleben ließ - fast eine Stunde mit dir gekämpft hat, um dich dann wieder aufzufangen.... und auch ihn diesen starken Menschen musstest du verlieren...kein Wunder, dass deine Seele auf Standby geschaltet hat. Theoretisch hast du scheinbar alles drauf, weißt warum es passiert und doch macht die Angst dicht, fährt die Mauer aus Stahl aus...
Mein erster Mann hatte in etwa (in den Auswirkungen) das gleiche Problem, er hat es dann in so fern "gelöst", dass er immer wenn es zu "nah", zu "vertraut" und zu sehr seiner Wunschvorstellung nahe kam, er irgendeinen Mist gemacht hat, der die Mauer hat hochschnellen lassen. Er hat sich so sehr eine harmonische Familie gewünscht, aber aus Angst, diese irgendwie verlieren zu können, evtl. selbst zu zerstören, hat er lieber selbst kleine Fluchten ergriffen, er hat genau das bewirkt (wahrscheinlich unbewußt) wovor er am meisten Angst hatte. Er hat keine wirkliche Nähe auf Dauer zulassen können, jetzt nach Jahren ist die Mauer, die zwischen sich selbst, seinen Gefühlen und anderen Menschen aufgebaut hat größer denn je.
Zitat:
...schalte ich JEGLICHE REGUNGEN ab...
und doch spielt man nach außen den/ die Starke....
Zitat:
in einem Ausmass, dass ich es kaum noch kontrollieren kann...
ja, das kenne ich und es so schwer etwas gegen diesen Automatismus zu tun... An mir selbst bemerke ich, dass die Kanonenkugeln manchmal auch bewirken, dass ich die Mauer verstärke, in der irrigen Hoffnung dass sie dann mehr Schutz bietet ... dabei sitzt der Feind schon längst innerhalb der Festung...

Weißt du "gute Eltern" - das ist eine Klassifizierung, wer bestimmt welche Eltern "gut" sind, die allgemeinen "Richtlinien" interessieren mich dabei wenig...Aber waren wir "gut für unsere Kinder" - ich meine, sie sagen es mir und wir sind im roßen und Ganzen ein tolles Team, doch hätte ich gern so manchen Kummer von ihnen fern gehalten, ihnen ein bisschen mehr Unbeschwertheit gewünscht... Richtig oder falsche Erziehung (das Wort hassen wir im Übrigen) - mache ich eigendlich daran fest, wenn meine Kinder sagen "das würde ich mit meinen Kindern mal nieeee machen..." - aber selbst dann bleibt abzuwarten, ob sie es in ähnlicher Situation tatsächlich anders schaffen, besser... Doch wichtig allein denke ich, dass die Liebe rüber kommt - die das Vertrauen schfft, dass man sein Bestes gegeben hat und am Ende bleibt die Liebe...

P.S. ich würde dir wünschen, deine Frau liest hier deine Zeilen....
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  #5  
Alt 06.09.2006, 12:12
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Musik hat eine gewaltige Wirkung weil sie Gefuehle ziemlich akkurat uebertragen, eine Stimmung erzeugen oder verstaerken kann. Unser Gehirn erinnert sich an Toene und Bilder einfacher.

Ich wette jeder hier hat irgendein Lied, eine Melodie oder etwas aehnliches das sie entweder mit den Verstorbenen verbinden oder das an sie erinnert.

Davon habe ich gleich mehrere -- zum einen "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei", weil meine Mutter das sehr oft zu uns sagte und "Somewhere over the rainbow", weil sie uns das oft vorgesungen hat. Bis zum heutigen Tag muss ich stark mit mir kaempfen nicht in Traenen auszubrechen wenn ich dieses Lied hoere, egal in welcher Version (es ist ja 10,000 mal gecovert worden).

Abgesehen von Bands wie Deep Purple gibt es nicht viel das ich musikalisch mit meinem Vater verbinde, kein einzelnes Lied oder eine Melodie, aber die Band Kamelot hat es geschafft ein Lied zu schreiben das perfekt passt -- Thomas Youngblood hat ihn geschrieben fuer seinen Vater, der verstarb als er 12 war.

Zitat:
little by little
I've come to this point
on my own I've been searching my way
I lost you so early
the days went so fast
you don't know I prayed every day

a song to remember
a song to forget
you'll never know how I tried
to make you proud
and to honor your name but
you never told me goodbye

now that your are gone
casting shadows from the past
you and all the memories will last

don't you cry
or suffer over me
I will be waiting for you
don't you cry
angels never fade away
I'll be watching over you
see you through

now I'm a man and
I'm feeling you still
could it be you were there all along
a time to surrender
a time to forgive
with solace I give you this song

now that you are gone
casting shadows from the past
in my dreams I hear your voice at last

don't you cry
or suffer over me
I will be waiting for you
don't you cry
angels never fade away
I'll be watching over you

I can see you tonight
in the pale winter light
father and son again
the bond of blood will never end
"The Bond of Blood will never end" stand lange Zeit in fetter Schrift ueber meinem Monitor und kommt auch sonst ueberall vor, wo ich den Platz habe diesen Satz zu verwenden.

Eines schoenen Tages kaufe ich zwei T-Shirts auf denen jeweils "The Bond of Blood..." und "...will never end" steht -- eins davon schenke ich meinem Bruder und wir tragen sie jedes mal wenn wir irgendwo gemeinsam auflaufen, hehe.

Nicht wirklich mit meinem Vater verbunden aber doch an ihn erinnern tut auch das Titellied von "The Last Unicorn", weil ich dazu als kleines Kind immer weinen musste. Den Film habe ich damals bestimmt 20 mal gesehen..

Eines Tages wird mein Sohn an meinem Sterbebett sitzen und wird sicherstellen das ich weiss, das mein Zweck in dieser Welt in ihm erfuellt worden ist. Ich werde ihm versichern das er alles ist das sich ein Vater je haette wuenschen koennen und das ich mir sicher bin das er ein glorreiches Leben fuehren wird. Das Schicksal meines Vaters und vor allem meiner Mutter sowie meine eigenen Verfehlungen wird mein eigenes Blut nicht wiederholen.

Und ich werde Siggi nicht zu Grabe tragen, Papa. Alles, einschliesslich meines eigenen Todes, werde ich tun um das zu verhindern.

Geändert von effekt (06.09.2006 um 12:15 Uhr)
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  #6  
Alt 06.09.2006, 12:51
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Blauerschmetterling Blauerschmetterling ist offline
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Hallo Effekt,
Deine Worte haben mich sehr bewegt und erschüttert. Lass endlich die Wunden wieder aufreißen und weine, wenn Dir danach zu Mute ist. Verschaffe Dir Erleichterung, denn Tränen die fließen, sind bitter, aber bitterer sind die Tränen, die nicht fließen.

Wenn Trauer den Körper befällt
und die Zeit die Linderung versagt

Wenn Fäuste gegen Wände schlagen
und man vom Dunkeln betört

Wenn aus Liebe Angst wird
und Schmerz in Wut umschlägt

Wenn man mit Gewalt versucht zu halten
was schon längst zerstört

Wenn Kummer von Hass verdrängt wird
die Seele dunkel von der Last die es trägt

Wenn niemand da,
der die Zeichen der Trauer versteht und hört

Dann ist es Zeit -
Zeit für Tränen!

Alles Liebe
Blauerschmetterling
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  #7  
Alt 06.09.2006, 14:32
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Blauerschmetterling, das Gedicht ist ..es trifft den Punkt. Ich konnte via Google keinen Autor ausfindig machen, aber mehrere Weblogs die es irgendwo verwenden, ist das dein Werk?
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  #8  
Alt 06.09.2006, 15:05
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Blauerschmetterling Blauerschmetterling ist offline
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Hallo effekt,
das Gedicht ist leider nicht mein Werk. Ich habe es auf einer Seite für Trauersprüche gefunden und fand es in Deinem Fall passend. Es könnte aber auch auf jeden anderen Trauernden zureffen. Trauer muss ausgelebt werden. Du hast ein Recht auf Deine Tränen, auf Dein Schweigen, auf Deine Ratlosigkeit, auf Deine innere und äußere Abwesenheit.

Etwas passendes von Seneca:
Deinem Schmerz, solange er wütet, darf man sich nicht entgegen stemmen, um ihn durch Trostversuche nicht noch mehr anzufachen. Nichts ist gefährlicher als eine Arzenei zur Unzeit.

Wünsche Dir viel Kraft
Blauerschmetterling
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  #9  
Alt 06.09.2006, 20:39
Sonja A. Sonja A. ist offline
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mist, alles geschriebene weg.
effekt, du bist ein warmherziger, gebildeter und tiefgründiger mensch.
dies vorweg.
hast du mal unter depersonalisation und unter "posttraumatische belastungsstörungen" gesucht?

habe hier zwei links:
http://www.panikattacken.at/posttrau...erung/ptsd.htm
http://www.panikattacken.at/online_b...nalisation.htm

es ist besser diese mauer aufzubauen bis man einen ausweg findet der nicht "ende" heißt. aber nun ist es an der zeit, diese mauer abzubauen. dabei braucht man häufig unterstützung von fachlicher seite.
pschopharmaka helfen oft nicht, da sich hirnstrukturen umgebaut haben. durch neue lernerfahrungen kann man aber solche veränderten strukturen neu ordnen.

wenn deine liebe noch ein wenig kraft hat, dann sollte ihr dein geschriebenes vom 04.09.2006 15:42 sehr helfen. hast du jemals so offen mit ihr geredet?
sie ist ja nicht weg weil sie dich nicht liebt, sondern weil sie die sprachlosigkeit nicht mehr erträgt, oder?

alles gute,

sonja
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  #10  
Alt 06.09.2006, 23:21
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Sie war/ist ungluecklich, allein durch den Fakt das ich zu einem voellig statischen Klumpen verkomme mit der Zeit. Wir hatten schon eine Trennung hinter uns aufgrund genau dieser Verhaltensweise und ich hatte mir selbst unendlich und drei mal geschworen das ich ihr nicht wieder verfalle -- um wieder, nur durch ein Schwert durch meinen Brustkorb, zu merken das es nochmal so weit gekommen ist.

Sie weiss das, oder ich glaube das sie es weiss, weil ich versucht habe es ihr zu erklaeren, mehrfach. Ich denk sie wird selbst wenn sie das hier liest nicht nochmal die Kraft aufbringen mir zu vertrauen, weil es ja ganz offenbar hoffnungslos ist. Davon abgesehen zweifel ich selbst daran und denke zeitweilig auch das es besser ist das sie mir einfach fern bleibt denn womoeglich lerne ich durch den wiederkehrenden Schmerz eher das es absolut nichts gutes war in diesen Status zu verfallen.

Es benoetigt unfassbar viel Kraft zu fuehlen fuer mich und es gab sogar Momente in denen habe ich selbst daran gezweifelt das ich sie noch liebe nur um am naechsten Morgen neben ihr aufzuwachen und buchstaeblich physisch zu spueren wie die Liebe durch meinen Koerpe geflossen ist. Ich hatte "Schmetterlinge im Bauch", im ganzen Koerper, oft wenn ich voellig ueberraschend aus dieser Lethargie erwacht bin - ohne Vorwarnung. In solchen Momenten wollte ich es ihr beschreiben und klar machen aber dazu kam es dann nie, weil sie entweder aehnlich lethargisch reagiert hat oder gar komplett abwesend (geschlafen hat) war.

Ein fantastischer Teufelskreis der sich immer zu wiederholen droht und jetzt hoffentlich auf die eine oder die andere Art sein Ende findet.

Das betrifft uebrigens nicht nur sie -- deshalb habe ich auch geschrieben, das ich jeden hier beneide der einfach fuehlen kann, der die Trauer wirklich verarbeiten kann. Wenn ihr das koennt, egal wie genervt euer Umfeld eventuell davon ist (klasse weg um falsche von wahren Freunden zu unterscheiden), tut es.

Ich schreibe zu viel und verschnoerkel mein Geschriebenes zu sehr habe ich das Gefuehl..
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  #11  
Alt 07.09.2006, 08:34
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Hallo effekt!

Zitat:
Verarbeitet eure Verluste und greift jede Hand die man euch reicht
Diesen Appell gebe ich gleich einmal an dich zurück. Immer wieder habe ich deine Beiträge gelesen, habe versucht, mir vorzustellen, was es für dich bedeutet haben mag, wahrscheinlich wird es mir gerade einmal im Ansatz gelingen.

Verdrängen – wohl die einzige Möglichkeit, überhaupt damit klarzukommen, überhaupt einigermaßen Fuß zu fassen in der Welt, in der du und dein Bruder in so jungen Jahren allein da standet.

Und dann, Jahre später setzt der Schmerz ein. Verwirrt und verwundert dich, wirft dich mal wieder aus der Bahn, könnte ich mir vorstellen.

Die Umwelt hat meist in der „akuten“ Phase nur sehr geringes Verständnis für den Schmerz und die damit verbundenen Probleme, Tod und Trauer, da ist meist nicht viel Zeit, du wirst es bei uns nachlesen können, irgendwie macht jeder ähnliche Erfahrungen, gerade in der schlimmsten Phase seines Lebens ganz einfach alleine zu sein.

Wie wenig Verständnis kann man dir da wohl entgegenbringen, wenn etliche Jahre später die Trauer ausbricht, der Verlust realisiert wird, der Schmerz dich ausbremst. Nach soooo vielen Jahren?

Mir ist es ähnlich ergangen 35 Jahre nach dem Tod meines Bruders. Selbst verwirrt darüber, im Nachhinein aber einleuchtend. Die Trauer, die verdrängt wird ist nicht einfach weg. Es muss verarbeitet werden, es muss Frieden geschlossen werden können mit dem Schicksal, das man nicht hat verhindern können.

Das jedoch ist ein harter Weg, unterschiedlich lang, verschieden intensiv, aber – so denke ich - für jeden Trauernden unvermeidbar.

Hier im Forum wirst du immer Menschen finden, die dir zuhören. Ich durfte es selbst erfahren und bin unendlich dankbar dafür. Reden, Gedanken und Gefühle formulieren, sortieren, nichts konnte mir mehr helfen, mit meinem Schmerz unzugehen, als das!

Und oftmals – so auch bei mir – ist Schreiben besser, wirklich auszudrücken, was einen bewegt. Hier unterbricht dich niemand, hier kannst du ohne Maske darüber reden, was dich belastet, welche Gedanken dich quälen.


Zitat:
er existiert nicht mehr, er wird nie wieder stolz auf mich sein koennen. Niemals wieder wird er hinter mir stehen und bewundern was ich tue
Vielleicht passiert es dir auch über das Schreiben, über die Nähe, die sich dadurch zu deinem Vater herstellen lässt, dass du irgendwann das Gefühl haben wirst: Sie sind nicht weg. Sie sind nach wie vor da. In welcher Form? Ich weiß es nicht. Aber ich bin, ohne an Gott im Sinne der Kirche zu glauben, fest davon überzeugt, dass das Leben weitergeht, dass die Seele nicht verloren ist, dass nicht alles umsonst und nicht alles vorbei ist.

Zitat:
bleibt nur Hass und Zerstoerung als Antrieb
Zitat:
die Ideale wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Guete und Loyalitaet ueber alles andere erheben allein weil es die Grundwerte waren die unser Vater uns geschafft hat zu vermitteln
Vielleicht ist das in bestimmten Phasen der Trauer ganz dringend notwendig. Du hast allen Grund der Welt, Hass in dir zu spüren, Hass auf alles was eurer Familie widerfahren ist. Ich hoffe jedoch sehr, dass auch hier das Forum helfen kann, dass diese Gefühle nicht lange dominant sein werden und sich im Austausch die Trauer wandeln kann, langsam, bedächtig, damit die Ideale, die dein Vater euch vermittelt hat, wieder aktiv gelebt werden können.

Zitat:
Ich schreibe zu viel und verschnoerkel mein Geschriebenes
das sehe ich anders. Ich „höre“ dir gerne zu und weiß, dass es nicht nur mir so geht.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #12  
Alt 07.09.2006, 18:44
leonore leonore ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

hallo effekt, es ist nicht verschnörkelt was du schreibst. ganz und gar nicht. da ist jemand, der sich nicht mehr hinter der mauer aufhalten will, sondern wirklich stein um stein abbaut. es ist unmenschlich was ihr beiden erleiden musstet und trotzdem seid ihr stark geworden. euer vater kann stolz sein auf euch, er muss ein wunderbarer vater gewesen sein.

lass deine gefühle zu, schreie, tobe, hasse, weine, was auch immer, aber lass es raus, lass diese sprachlosigkeit nicht mehr zu.
ich wünsche dir weiterhin viel kraft und stärke.
ganz lieben gruß von leonore
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  #13  
Alt 11.09.2006, 19:40
effekt effekt ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Soeben hat sich meine Frau endgueltig von mir getrennt und damit meinen inneren Tod besiegelt.

Danke fuer die paar netten Worte, die mich aber doch nur in meinem Kurs bestaetigen. Ich hoffe fuer jeden hier, das eure Bemuehungen nicht saemtliche Gefuehle sterben zu lassen Fruechte tragen. Aber in einer Welt in der es keinen Menschen gibt der faehig ist das was ich in mir trage zu verkraften werde ich dazu gezwungen im staendigen Krieg zu leben.

Alle Befuerchtungen, alle Aengste, alles wofuer meine Ruestung existiert ist eingetreten und ob ich dieses Schicksal selbst herbeigefuehrt habe oder nicht aendert nichts daran das diese Ruestung ihren Zweck erfuellt und nun abermals mein Schutz vor dem Freitod ist.

Ich bin fuer die Schlacht geboren und werde in der Schlacht umkommen.

Antworten die an mich gerichtet sind, sind nicht noetig, da ich sie nicht lesen werde. Solltet ihr antworten, richtet sie an andere.
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  #14  
Alt 12.09.2006, 09:33
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Blauerschmetterling Blauerschmetterling ist offline
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Hallo effekt,
endlich hat jemand die Mauer durchbrochen und Dir geantwortet, obwohl Du keinen Wert darauf legst, oder nicht damit belästigt werden möchtest. Du hast Dir einen harten Panzer zugelegt, perfekt und ohne Löcher. Niemand kann ihn durchdringen. Aber wo bleibst Du dabei? Mit der Härte, die Du Dir auferlegt hast, kannst Du nicht ein Leben lang umgehen. Du wirst zerbrechen, denn in Dir scheint ein sehr guter Kern zu sein. Lass Deine Gefühle zu, lebe sie aus und vor allen Dingen, rede darüber. Zeige, was wirklich in Dir steckt, Liebe, Verständnis und innige Zuneigung. Du musst es Dir selbst wert sein. Trotz aller Wiedrigkeiten kann man dem Leben auch die schönen Seiten abverlangen und für sich selber nutzen. Bring Deinen Panzer zum schmelzen und lebe Dein Leben, ohne Dir weiterhin weh zu tun. Die Trauer wird wohl nie vergehen, aber man lernt damit umzugehen und irgendwann tut es nicht mehr all zu weh. Es wird erträglich. Gib Deinen Kampf auf und zeige, was wirklich in Dir steckt. Du bist ein liebenswerter Mensch, mit all Deinen Stärken und Schwächen.

Liebe Grüße
Blauerschmetterling
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  #15  
Alt 12.09.2006, 10:10
Sonja A. Sonja A. ist offline
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STUFEN
(von Hermann Hesse)


Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and're, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

(Hermann Hesse)
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