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  #1  
Alt 14.04.2002, 13:42
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Beiträge: n/a
Standard Schuldgefühle

Hallo!

Meine Mutter ist an Brustkrebsrebs erkrankt. Sie erhielt die Diagnose vor zwei Wochen, ist vor einer Woche operiert worden und bekommt nächste Woche ihre erste Chemo.

Die ganze Situation belastet mich sehr. Die Beziehung zwischen meiner Mutter und mir war in letzter Zeit nicht so gut und ich halte es kaum aus, mit ihr zusammen zu sein. Andererseits habe ich starke Schuldgefühle, wenn ich sie so allein lasse. Sie möchte, dass ich so viel wie möglich bei ihr bin und ist sehr traurig, wenn ich nicht kommen kann. Aber schließlich wohnt sie 200 km entfernt und ich habe doch auch noch mein eigenes Leben. Andererseits wird es ihr nach der Chemo wahrscheinlich sehr schlecht gehen, und dann wird sie ganz alleine sein. Es gibt zwar Selbsthilfegruppen und ein paar Bekannte hat sie auch, aber es ist ihr immer schon schwer gefallen, jemand "Fremdes" um Hilfe zu bitten bzw. sich anderen zu öffnen. Daher wäre es ihr natürlich am liebsten, ich würde kommen, dann liebe ihr das alles erspart.

Doch ich merke, dass mir das alles zuviel ist. Ich kann es kaum ertragen, mit ihr zusammen zu sein. Wie gesagt, wir haben uns auch vorher schon nicht sonderlich gut verstanden. Doch nun ist sie ziemlich depressiv geworden, lässt alles mit sich machen, was die Ärzte ihr sagen, nimmt keine Vitamine oder unternimmt auch sonst nichts, um ihr Immunsystem zu verbessern. Sie informiert sich auch gar nicht über den Brustkrebs, will anscheinend gar nichts davon wissen. Sie hatte den Knoten in der Brust auch schon fast ein Jahr lang, bevor sie zum Arzt gegangen ist. Und da ist sie auch nur hingegangen, weil ich ihr gesagt habe, dass es Brustkrebs sein kann und ich solange nicht mehr mit ihr rede, bis sie sich untersuchen lässt. Sonst wäre sie heute noch nicht beim Arzt gewesen, das muss man sich mal vorstellen!

Ach, insgesamt ist ihr gesamtes Coping so schlecht. Sie ist so passiv-resignativ, was ich zwar irgendwo verstehen kann, angesichts dieser Bedrohung. Aber wenn sie sich so hängen lässt, wird doch alles nur noch schlimmer. Ich weiß allerdings von ihr, dass sie generell keine Freude an ihrem Leben gehabt hat und so eine Todessehnsucht schon immer bei ihr vorhanden war. Und in mir wehrt sich alles dagegen, ihr bei ihrem "Selbstmord" in Form dieses Brustkrebses, den sie sich quasi irgendwo "angezüchtet" hat, Händchen zu halten. Und dass sie nicht Leben will wird für mich auch daran deutlich, dass sie so gar nichts unternimmt und sich kein bisschen informiert, sondern alles über sich ergehen lässt. Sie ist halt einfach total depressiv, sieht überall nur noch die negative Seite, und ich kann damit einfach nicht umgehen. Es macht mich total verrückt, sie so zu sehen, wie sie sich so hängen lässt. Ich würde sie am liebsten packen und schütteln und sie anschreien: "Mach was, Du hast es in der Hand! Du kannst ganz viel für Deine Genesung tun! Los, werde aktiv!!"
Und aufgrund dieser Aggression meide ich den Kontakt zu ihr lieber, denn das spürt sie ja auch und leidet bestimmt auch darunter.

Andererseits hat sie mir immer wieder gesagt, also auch schon lange vorher, wie sehr sie sich wünscht, dass mein Bruder und ich mehr bei ihr sei, dass wir näher zusammen wohnen würden und dass sie es schlimm findet, dass wir uns so selten sehen. Darauf habe ich erwidert, dass sie sich Freunde suchen soll und andere Vertrauenspersonen in ihrem Altern, da wir Kinder ihr keinen Ersatz für ihre fehlende Sozialkontakte bieten können. Und diese Krankheit scheint mir manchmal wie ein Versuch, mich doch noch an die "Leine zu legen". Und das finde ich total fies! Ich will mein eigenes Leben leben und mich nicht von meiner kontaktscheuen und depressiven Mutter aussaugen lassen!! Mein Bruder ist da ganz cool, er hat erst zweimal angerufen, und vorbeikommen wird er wahrscheinlich überhaupt nicht. Doch dadurch fühle ich mich noch mehr in die Pflicht genommen.

Ich habe solche Schuldgefühle wegen all dem, was ich da eben so aufgeschrieben habe. Einerseits fühle ich nunmal so, wie ich oben geschrieben habe. Andererseits denke ich immer, dass ich sowas nicht fühlen dürfte. Schließlich ist sie doch meine Mutter und ich habe sie sehr lieb. Sie hat mir das Leben geschenkt und mich unter großen Schwierigkeiten großgezogen. Außerdem tut sie mir einfach ganz arg leid.
Aber ich bin nunmal nicht ihre Psychotherapeutin und fühle mich zu schwach, um das alles mit ihr zu tragen. Ich kann es einfach nicht. Und der Gefühlswirrwarr zwischen uns macht die ganze Sache nur noch schwerer.
Ich leide sehr unter dieser Situation, habe zehn Kilo zugenommen und liegen seit gestern mit 39 Fieber im Bett.

Schade, dass es keine Selbsthilfegruppe für Angehörige gibt, das wäre echt nötig, finde ich. Daher schütte ich einfach hier mein Herz aus, auch wenn das alles, was ich geschrieben habe, ziemlich selbstgerecht klingt und ich Angst davor habe, verurteilt zu werden.
Mich würde interessieren, wie es anderen Angehörigen in einer solchen Situation geht. Und auch die Meinung von betroffenen Müttern würde ich gerne erfahren.

Vielen Dank für Eure Anteilnahme
Pavithra
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  #2  
Alt 15.04.2002, 06:16
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Standard Schuldgefühle

Hallo Pavithra,
schöner Name übrigens, den Du da hast! Deine Mutter hat sich da was ganz hübsches für Dich ausgedacht!
Als ich so Deine Zeilen gelesen habe, konnte ich sehr gut mit Dir mitfühlen. Meine Mutter ist vor fünfzehn Jahren an Leukämie gestorben. Sie wohnte auch etwa dreihundert Kilometer von mir entfernt, als sie damals erkrankte. Immerhin hatte sie da noch einen Ehemann gefunden, welcher sich um sie kümmern konnte. Trotzdem hatte auch ich Schuldgefühle, weil ich nicht öfters bei ihr sein konnte. Meine wenigen Besuche in dieser zweijährigen Krankheitszeit meiner Mutter konnte man am Ende an einer Hand abzählen! Tja, damals war ich etwa sechsundzwanzig und hatte AUCH mein eigenes Leben!

Aber heute bin ich selbst Brustkrebspatientin. Ich kenne also beide Seiten, weiss, wie es ist, Krebs zu haben, weiss aber auch, wie es ist, wenn die eigene Mutter Krebs hat und sie so weit entfernt wohnt. (Meine Mutter war auch nicht gerade die Gemütlichste!)
Pass auf, ich mache Dir einen Vorschlag und schreib Dir hier so meine Gedanken dazu auf. (Vorsicht, ich bin ziemlich ehrlich!)
Deine Mutter braucht Dich jetzt ganz bestimmt, denn sie jetzt hängenzulassen, nur weil sie unbequem ist und schrecklich negativ denkt, bringt ja auch nichts. Du könntest Dir hinterher nur um so mehr Vorwürfe machen. Und bitte-bitte vergiss das, wenn Du denkst, sie hat sich diesen Krebs vielleicht selber gewünscht, weil sie eh nicht mehr leben will! Das KOENNTE vielleicht sein, aber in Wahrheit weiss das ja eh niemand, WOHER dieser blöde Krebs kommt! Fang also nicht an, nach Gründen zu suchen, sondern betrachte die Situation so, wie sie ist und schau nach vorne. Du bist in einer verzwickten Situation. Du möchtest Deiner Mutter helfen und für sie da sein, aber andererseits nervt sie dich und es belastet Dich. Naja, um die Belastung kommst Du nicht drum herum, das war bei mir damals auch so.
Versuch doch mal, mit Deinem Bruder zuerst zu sprechen. Triff mit ihm eine Vereinbarung, dass ihr beide sie regelmässig abwechselnd besuchen geht. Sag ihm, dass Du das alleine nicht schaffst, dass Dich das überfordert. Und sprich auch mit Deiner Mutter, um ihr den Vorschlag zu machen, dass Du sie einmal die Woche (oder alle zwei Wochen, wie es Dir halt am besten geht) besuchen kannst. Deine Mutter BRAUCHT Dich und Deinen Bruder, aber sie muss auch lernen, sich anderen gegenüber zu öffnen.
Du oder Dein Bruder, ihr könntet ihr ja ein paar Bücher über Brustkrebs mitbringen oder ihr daraus was vorlesen. Ihr habt Euch dann somit selber mit dem Thema beschäftigt, und Eure Mutter freut's, dass es Euch eben DOCH nicht so egal ist!
Wenn sie SEHR negativ eingestellt ist, versucht, sie aufzumuntern und mit ihr zu Lachen. (Du glaubst nicht, wie hilfreich es sein kann, wenn man Krebs hat, und da sitzt jemand, der bringt Dich mit lächerlichem Blödsinn zum Lachen!)
Ich weiss, das ist je nach dem schwierig, aber versuch es wenigstens mit Deinem Bruder zusammen. Du könntest ihr auch hin und wieder Briefe schreiben, wenn Du sie mal nicht besuchen kannst. Es wird Deine Mutter bestimmt freuen. Schreibe ihr, wie Du Dich selber fühlst und wie Du damit umgehst. Schreibe ihr aber auch ein paar lustige Zeilen dazu.

Weisst Du, zu erfahren, dass man Krebs hat, ist ein fürchterlicher Schock, Pavithra. Und es ist irgendwo auch ganz normal, dass man da in ein tiefes Loch fällt. Man wird plötzlich konfrontiert mit Leben und Tod und man ist sich bewusst, dass das eigene Leben eben DOCH ein Ende findet, irgendwann und irgendwo, jetzt vielleicht sogar schon sehr bald. Schau Dir an, wie viele JUNGE Frauen mit Brustkrebs eine Psychotherapie machen! Damit umzugehen ist verdammt schwierig.

Ich wünsche Dir viel Mut und Kraft und Deiner Mutter die beste Gesundheit! - Und pack Deinen Bruder an der Hand! Ihr müsst jetzt zusammen halten!
Ganz, ganz liebe Grüsse von Brigitte
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  #3  
Alt 15.04.2002, 19:32
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Schuldgefühle

Liebe Pavithra, ich hatte vor drei Jahren auch Brustkrebs. Habe viel hinter mir, bin dankbar, dass es mir jetzt gut geht.
Jede Frau reagiert anders auf diese Diagnose. Wenn deine Mutter sehr feinfühlig ist, wird sie von daher schon mehr leiden.
Ich kann dir als erstes auch raten, hör mit den Spekulationen auf, dass deine Mutter sich den Krebs insgeheim gewünscht hat. Halte dich nicht mit psychologischen Erklärungen auf. Wir Menschen bekommen sowieso nicht alle Antworten.
Ich bin eine entschiedene Christin, meine Krankheit und mein ganzes Leben habe ich in die Hand Jesu Christi gelegt.
Ich kann dir nur sagen, die Kraft, die du jetzt für deine Mutter und dich brauchst, kannst du auf die Dauer nicht aus dir selbst schöpfen.
Geh zur Quelle, geh zu Gott ins Gebet. Bitte ihn, dass er dir zeigt, was deine Mutter jetzt braucht, und wie du selbst damit umgehst.
Du darft Gott alles bringen, was dich bewegt. Er hört dein Gebet, er ist auch immer bei dir.
Wenn du möchtest, kann ich dir ein Buch empfehlen, als Hilfestellung.
Bete auch für deine Mutter, sie hat die Kraft im Moment nicht dazu.
Ich würde mich über eine Antwort von dir freuen.
Liebe Grüße Doro
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  #4  
Alt 10.04.2006, 18:45
maryy maryy ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 10.04.2006
Beiträge: 1
Standard AW: Schuldgefühle

Hallo,
ich habe nichts mit Krebs zu tun, Deinen Eintrag habe ich über Google gefunden, weil mich das Thema Schuldgefühle und Mutter interessiert.
Als ich Deine Zeilen las, konnte ich nicht glauben wie sehr Deine Gefühle meinen eigenen Erfahrungen gleichen.
Auch ich habe eine kranke Mutter, sie lebt 350 Kilometer weiter weg.
Ihre Nähe ist mir unerträglich sobald sie leidet.
Sie ist passiv, praktisch wie ein Kind.
Wenn ich sie am Telefon "tröste" fühle ich mich hinterher völlig leer, fast depressiv.
Ich fühle mich verantwortlich und will doch am liebsten weglaufen.
Ich ertrage es einfach nicht sie leiden zu sehen.
Ich habe noch drei Brüder allen drei geht es genauso wie mir. Doch ich bin die Tochter und bedeute ihr angeblich besonders viel.
Auch ich denke dass sie die Krankeheit (Herzleiden)
selbst verursacht hat, was natürlich nicht rational ist, aber gefühlsmäßig empfinde ich es genau so.
Ich will sie für eine
Weile zu mir nehmen und habe jetzt schon Panik vor dieser Zeit.
Ich habe zwei Kinder, die gerade sehr viel Aufmerksamkeit benötigen.
Vielleicht hast Du ja Lust zu einem Gedankenaustausch.Besonders das gesunde Abgrenzen wäre ein Thema das mir am Herzen läge.
Maryy
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  #5  
Alt 10.04.2006, 18:54
Benutzerbild von Rubbelmaus
Rubbelmaus Rubbelmaus ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 07.12.2004
Ort: Schönste Stadt am Rhein
Beiträge: 1.747
Standard AW: Schuldgefühle

Hallo Maryy,

dein Antwortschreiben ist auf ein Posting vom 14.4. bzw. 15.4.2002. Ich weiss nicht, ob die Schreiberin hier überhaupt noch reinschaut.

Rubbelmaus
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