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Alt 12.06.2014, 10:34
Barbara 77 Barbara 77 ist offline
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Registriert seit: 12.06.2014
Beiträge: 3
Standard Mein Vater, was ist mit ihm los?

Liebe Leser,

ich weiß nicht, ob ich hier mit meinen Sorgen richtig bin. Leider weiß ich überhaupt nicht wohin ich mich wenden soll. Vielleicht habt Ihr ein paar gute Worte für mich. Die Geschichte ist etwas langatmig. Danke schon mal fürs Lesen.

Alles begann als mein Vater 2003 an einem Prostata-CA erkrankte. Diese wurde komplett entfernt. Er wurde darauf latent inkontinent, was ihn sehr belastete und er entwickelte eine leichte Depression. Meine Mutter hatte es sehr schwer mit ihm. Jahre später ging es ihm leicht besser.
Ende 2011 wurde die Depression schlimmer und im Januar 2012 erlitt er dadurch sogar einen Herzinfarkt. 2 Stents wurde implantiert und er kam in Reha. Die Depression war nicht besser, er weinte den ganzen Tag lauthals. Vor den Ärzten tat er allerdings so als wäre nichts. Die Stimmung bekamen nur wir, die Familie, ab.
Als er wieder zu Hause war bemerkte er des Öfteren Blut im Stuhl. Bei einer Darmspiegelung wurde leider ein Tumor direkt am Rektum festgestellt. Sein Gemütszustand verschlechterte sich drastisch, sodass mehrere Klinikaufenthalte nötig wurden, bevor er operiert werden konnte. Im August folgte dann die OP, leider musste der Schließmuskel entfernt werden und ein Stoma wurde angelegt. Urin konnte er nun garnicht mehr halten und er bekam auch einen Blasendauerkatheter. Eine Bestrahlungstherapie folgte, Chemo war nicht nötig. Die Umfelduntersuchungen waren alle in Ordnung.
Seine Depression hat sich massiv verschlechtert. Wir hatten viel Verständnis für ihn, sorgten uns von früh bis spät. Es war furchtbar für uns alle ihn so leiden zu sehen.
Wieder folgten mehrere stationäre Therapien in einer Psychiatrie. Leider nutzte das alles nichts. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Medikamente halfen überhaupt nicht. Er lag nur im Bett und weinte laut von früh bis spät. Wir haben ihn wieder nach Hause geholt, um ihn in seiner vertrauten Umgebung zu versorgen, in der Hoffnung, dass sein Zustand sich hier etwas bessert.

Leider wurde es immer schlimmer. Er wurde sehr aggressiv meiner Mutter gegenüber. Er konnte es nicht ertragen, dass er so krank ist und sie hat nichts!!! Sie hat sich mit viel Geduld um ihn gekümmert, ihn gewaschen von Kopf bis Fuß, gefüttert, gut zugeredet, alles ertragen, Tag und Nacht!! Teilweise hatte er solche Ausraster, dass sie regelrechte panische Angst vor ihm hatte und sie uns zu Hilfe holen musste. Er hatte Hirngespinnste, die er in aller Form auslebte!! Dann lag er wieder tagelang nur im Bett, jammerte und bedauerte sich selbst. Es gab keine Aussicht auf Besserung. Mittlerweile konnte er nicht mehr laufen, mit Mühe und Not brachten wir ihn in einen Rollstuhl, damit er wenigstens ein bisschen aus dem Bett kam. Und immer wieder versank er im Selbstmitleid, heulte erbarmungslos und schikanierte meine Mutter. Wir wussten uns fast nicht mehr zu helfen...

Als dann irgendwann meine Mutter zusammenbrach, weil sie es psychisch einfach nicht mehr schaffte, haben wir eine Tagespflege ausfindig gemacht, die die Pat. mit einem Krankentransport morgens abholen und abends wieder nach Hause bringen. Dies haben wir für 2x in der Woche organisiert, damit Mama sich ein bisschen von ihm erholen und wieder Kraft tanken kann.
An diesen Tagen habe ich meine Mama nach Herzenslust verwöhnt, ich hab sie zu mir nach Hause geholt, wir haben zusammen gekocht, mit den Kindern gespielt, waren auch mal Shoppen, Pizza essen, usw. Das tat ihr sehr gut und sie fasste wieder neuen Mut.

Leider lief das nicht lange gut, denn kaum war mein Vater wieder zu Hause ging der Psychoterror weiter. Ich kann das garnicht alles erzählen, was da alles passiert ist... Holten wir Hilfe von außen gab er sich ganz ruhig und machte auf Mitleid.
An Weihnachten 2012 hatte meine Mutter einen Kreislaufkollaps und sie fühlte sich überhaupt nicht gut. Sie ist zum Arzt und es wurde ein großer Tumor im Unterleib festgestellt. Sie kam für 3 Wochen ins Krankenhaus und hatte eine große OP vor sich. Danach war sie sehr geschwächt, hat 20kg abgenommen und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Die Diagnose war ein Müller Mischtumor, sehr aggressiv!!
Trotzdem hat sie weiter meinen Vater versorgt, ihn gewaschen, gefüttert, sein Leid angehört. Wir haben dann die Sozialstation zu Hilfe geholt, um Mama zu entlasten. Leider wurde ihr Zustand nicht besser, sie hatte starke Schmerzen, musste viel im Bett liegen. Mein Vater legte sich oft zu ihr und heulte ihr den Kopf voll wegen seinen "Wehwechen". Kein Wort über ihre Erkrankung und kein Wort des Mitgefühls oder sonstiges!! Es zählte nur er!!!
Mein Bruder und ich waren jeden Tag dort, ich bin mit Mama zu allen Arztterminen, hab mich im Geschäft beurlauben lassen und war nur für sie da. Leider halfen alle Therapien nicht aus! Dann bin ich am 02.07. mit ihr ins Krankenhaus, sie sollte aufgepeppelt werden, eine Schmerztherapie wurde eingeleitet und eine Chemo sollte folgen.
Zuerst besserte sich ihr Zustand, doch dann, von Tag zu Tag ging es ihr schlechter. Die Ärzte haben gesagt, dass sie nichts mehr für sie tun können als die Schmerzen zu stillen! Ich war wie von Sinnen, nahm die Umwelt nicht mehr wahr und funktionierte nur noch. Ich stand daneben und konnte nichts tun. Einfach nur schrecklich!!! Mein Vater nahm die Sache überhaupt nicht ernst und klagte nach wie vor über sein eigenes Leid!!
Ich blieb bei meiner Mutter Tag und Nacht bis sie in meinem Beisein gestorben ist. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg.... Ich war völlig verzweifelt!!
Das darf doch alles nicht wahr sein.

Mein Vater nahm die Nachricht erstaunlich ruhig auf. Seine Worte waren "wie kann sie mir das antun, warum lässt sie mich alleine, ich brauche sie doch noch"

Es folgten schlimme Wochen, die Beerdigung war heftig. Mein Vater war nur am weinen, lag tagelang wieder nur im Bett, er rief nach ihr und bedauerte sich, weil er jetzt alleine ist UND weil er die Beerdigungskosten zahlen musste!!! Unfassbar!!

Wir haben alles für ihn organisiert. Morgens und abends kommt die Sozialstation, um die körperliche Pflege zu übernehmen. Wir haben einen mobilen Friseur, eine mobile Fußpflegerin, einen Gärtner, eine Haushälterin. Zudem kommen mein Bruder und ich 2-3x wöchentlich, kaufen ihm ein, erledigen seinen Bürokram, usw. usw.

Sei einigen Wochen ist er nun kaum wiederzuerkennen. Es fing langsam an und es wird immer extremer. Er fährt wieder Auto, erzählt Witze, hält kleine lustige Vorträge. WILL SICH EIN NEUES AUTO KAUFEN!!! Verändert Dinge im Haus, zieht sich gut an, geht unter Leute..... Er blüht regelrecht auf. Kein Klagen, kein Jammern mehr. "Er will noch Spaß" haben im Leben lautet nun seine Devise!!! Ist das nicht der Supergau????? Mama ist noch nicht einmal ein Jahr nicht mehr da und er verhält sich so???? Ich komm damit echt nicht klar und schäme mich für seine Art. Das kann man sich nicht vorstellen, er ist regelrecht himmelhoch jauchzend unterwegs!! Alle die ihn kennen sind total entsetzt über sein Verhalten.

Ich weiß überhaupt nicht was ich davon halten soll, wie ich reagieren soll. Soll ich das einfach so hinnehmen und ihn machen lassen????? Kein Funke von Trauer mehr, während mein Bruder und ich vor Sehnsucht nach Mama kaum klar denken können?? Was ist nur los mit ihm??
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