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  #1  
Alt 31.05.2015, 14:08
tochter0902 tochter0902 ist offline
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Beiträge: 13
Standard Hospiz - war es wirklich falsch?

Möchte hier mal ein neues Thema eröffnen, weil mir ein paar Gedanken nicht aus dem Kopf gehen. Vorab: Mein Papa ist am 8. Mai dieses Jahres im Hospiz gestorben und vor zwei Tagen beigesetzt worden.
Es waren viele Freunde und auch ein Teil der Familie da. Nur die Schwester meines Vater war nicht da und es tut mir einfach weh zu erkennen, dass die Familie in dieser Zeit nicht zusammen hält.

Zur Vorgeschichte: Mein Papa hat am 3. August 2013 die Diagnose Darmkrebs erhalten und wurde vom Hausarzt direkt an ein sprechendes Krankenhaus mit zertifiziertem Krebszentrum in unserer Heimatstadt überwiesen. Dort wurden Untersuchungen gemacht und es stellte sich heraus, dass der Tumor so nah am Darmausgang lag, dass er zwar per OP - nach Strahlentherapie und Chemo - hätte entfernt werden können, aber der künstl. Darmausgang auf Dauer hätte sein müssen.
Mein Papa wollte das aber nicht. Ich glaube er hatte Angst mit dem STOMA nicht klar zu kommen. Was ich nicht verstehen konnte und mich in dieser Zeit auf viel mit ihm gestritten habe. Er ließ nur die Strahlentherapie und die Chemo machen. Danach noch mal eine Chemo. Was dann folgte waren immer wieder Krankenhausaufenthalte, weil zu schwach und dauernde Bluttransfusionen. Im Sommer 2014 brach er einfach alles ab. Meine Mutter und ich musste dies schweren Herzens akzeptieren. So sehr wir uns auch bemühten ihn zu überzeugen, er blockte nur noch alles ab. Er kam dann noch mal ins Krankenhaus. Wie er da wieder raus war, war er so schwach - hatte keine Kraft mehr zum Sitzen, konnte nicht mehr gehen, viel uns mehrmals nachts aus dem Bett (Knochenbrüche), Mutter und ich konnten Nachts nicht mehr schlafen, er brauchte 5 mal die Nacht eine frische Hose und musste komplett gewaschen werden, Papa wurde in dieser Zeit unausstehlich zu uns und auch unsere Nerven waren zum Platzen angespannt. Von den behandelnden Ärzten und Pflegedienst haben wir uns ziemlich allein gelassen gefühlt. Am 1. September 2014 sagte er dann, er wolle in ein Hospiz, was dann auch innerhalb von 2 Tagen geklappt hat. Keiner dachte, dass Papa es noch lange schaffen würde.
Und dort hat er sich dann wieder richtig erholt, er konnte wieder alleine sitzen, er wollte wieder essen, er schaffte es sogar wieder kleine Strecken mit seinem Rollator zu gehen und wurde von den Hospizmitarbeitern auch mal im Rollstuhl durch die Stadt geschoben. Weihnachten 2014 war er bei uns und in 2015 noch viele Male. Das letzte mal am 5. Mai 2015. Er ist mit seinem Rollator noch durch den Garten gegangen. Am 8. Mai ist er dann morgens früh verstorben.

Wir haben dann alle in der Familie telefonisch informiert. Und dann ist da die Schwester meines Vater und schreit mich am Telefon an: Kein Wunder das er gestorben ist, in so einem Haus hätte sie nicht mal eine Woche ausgehalten. Wie wir ihn hätten so abschieben können. Ich habe gar nichts drauf gesagt und irgendwann einfach den Hörer aufgelegt.

War es denn wirklich falsch, Papa's Wunsch zu entsprechen? Ich habe mich sehr schwer damit getan das zu akzeptieren, aber hätte ich ein recht gehabt ihn zur Weiterbehandlung zu drängen? War das Hospiz denn so falsch? Schließlich hat er dort noch 9 Monate zufrieden in Geborgenheit und in der Gewissheit gelegt, dass wir ihn jeden Tag besuchen kommen und er keine Schmerzen mehr haben musste.
Ich komm' damit einfach nicht klar. Mein Verstand sagt, es war richtig aber mein Gefühl lässt mich zweifeln.

Es musste einfach mal raus, die Fragen die mir im Kopf herum gehen.

Entschuldigung, dass es so lang geworden ist.
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  #2  
Alt 31.05.2015, 15:48
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Hospiz - war es wirklich falsch?

Hallo,
zunächst einmal mein herzliches Beileid. Die Zeit danach ist schwer, wenn die Familie dann noch zerstritten ist Ist es noch schlimmer. Aber dich denke, das Hospiz war richtig. Der Wille des Kranken ist zu akzeptieren.
n Ich würde mich nicht anders entscheiden, wenn ich krank wäre.. Da wird man Stoma-Träger und ob das die Heilung bedeutet, weiß niemand. Niemand darf einen Kranken, zwingen, so zu leben. Meine Frau ist auch im Hospiz gestorben, sie war froh, dort zu sein.. Es war eine gute Entscheidung. Die Schwestern dort waren sehr fürsorglich. auch in Ihrem Fall wird ja deutlich, dass es ihrem Vater im Hospiz besser ging. Nach meiner Erfahrung ist der ambulante Palliativdienst auch nicht immer die beste Lösung. Dass man immer schnell jemanden erreicht, ist nicht sicher. Die Vorwürfe hinterher sind ärgerlich. Die Schwester hätte sich ja um ihren Bruder zu dessen Lebzeiten mehr kümmern können.
mit besten Grüßen
Hermann

Geändert von hermannJohann (31.05.2015 um 15:50 Uhr)
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  #3  
Alt 31.05.2015, 18:53
tochter0902 tochter0902 ist offline
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Beiträge: 13
Standard AW: Hospiz - war es wirklich falsch?

Hallo,
ja es stimmt, Papa ging es dort besser, nicht zuletzt, weil er dort eine ruhige Atmosphäre hatte und noch mal die letzten Kräfte mobilisieren konnte. Die Schwester von meinem Papa hat ihn in den gesamten 9 Monaten dort nur 3 mal besucht. Und das Jahr zuvor, wo Papa schon die Behandlungen hatte und oft im Krankenhaus war, da hat Sie sich nicht mal telefonisch bei ihrem Bruder gemeldet und erst recht nicht besucht.
Obwohl ich das mir immer wieder in Erinnerung rufe, haben mich Ihre Aussage ziemlich tief getroffen. Vielleicht auch, weil ich selber den Tag bevor mein Papa ins Hospiz ging mit dem Gedanken - ich musste ihn doch eigentlich Zuhause mit Mama weiter pflegen hatte. Habe mir früher immer gesagt, ich gebe meine Eltern nie in ein Pflegeheim, vielleicht auch weil meine Mama und mein Papa mich als 5 jähriges Kind in ihre Familie aufgenommen haben - sie haben mir ein sicheres und geborgenes Zuhause gegeben und mich schliesslich adoptiert. Und jet wo ich meinem Papa davon etwas haette zurueck geben koennen, da war ich mit der Pflege in der Nacht und dann am nächsten Tag zur Arbeit gehen total über fordert.
Und obwohl im Hospiz alles - wirklich alles - für meinen Papa getan wurde - komme ich jetzt nach seinem Tod nicht damit klar.
Ich ka n es momentan nicht besser ausdrücken.
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  #4  
Alt 31.05.2015, 20:34
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Beiträge: 203
Standard AW: Hospiz - war es wirklich falsch?

Hallo Tochter 0902,
solche Schuldgefühle sind nach einem Tod natürlich, aber in diesem Fall nicht berechtigt. Kinder können nicht das an ihre Eltern zurückgeben, was sie bekommen haben. Aber sie haben vielleicht später selber Kinder. wichtig ist doch, was Ihr Vater wollte. Wenn Sie überfordert waren, war das weder für Ihren Vater gut noch für Sie. Statt dessen sollten Sie froh sein, dass Ihr Vater im Hospiz noch eine relativ gute Zeit erlebte. Er hat es so gewollt. Im Hospiz akzeptiert das Personal den Tod. und genau das wollte Ihr Vater auch so. Vor dem Tod denkt man häufig viel an die Angehörigen. Wenn die sich quälen ist das auch schlecht für den Sterbenden. Ich war dankbar, dass das Personal im Hospiz meiner Frau und mir geholfen hat. Auch um die Tochter haben sie sich gekümmert. Ich hätte nicht so viel für meine Frau tun können, aber ich war bei ihr.
Liebe Grüße von einem alten Mann
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  #5  
Alt 31.05.2015, 22:54
Daggi1 Daggi1 ist offline
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Beiträge: 179
Standard AW: Hospiz - war es wirklich falsch?

Hallo,
erstmal mein herzliches Beileid.
Meine Schwester hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs und war auch in einem Hospiz. Wir hatten mit ihr gesprochen was sie selber wünschte. Sie wollte ins Hospiz, und das war für sie eine gute Entscheidung. Sie wurde dort liebevoll umsorgt, sie hatte, anders als im Krankenhaus, keine Atemnot, brauchte kein Sauerstoff wie in der Klinik. Sie ist dort zur Ruhe gekommen und konnte dort in aller Ruhe einschlafen. Die Versorgung dort war so wie man es zu Hause nicht hätte machen können. Sie fühlte sich dort sicher obwohl sie wußte das ihr Leben nicht mehr allzu lange war.
Eine Schwester dort sagte mir das viele Menschen denken es wäre ein "Sterbehaus", aber das würde nicht stimmen. Einige Gäste ( die Patienten werden dort im Hospiz Gäste genannt) würden auch wieder nach Hause entlassen.
Auch dein Vater wollte ins Hospiz, und dort hat er noch eine relativ gute Zeit verbracht. Du hast alles richtig gemacht, warst für deinen Papa da und hast es ihm ermöglicht im Hospiz zur Ruhe zu kommen.
Man fragt sich als Angehöriger nach dem Tod immer hast du alles richtig gemacht, hast du genug getan, was hättest du anders machen sollen, vielleicht wäre.....
Du hast alles richtig gemacht, der Wille deines Vaters war entscheidend und nicht die Meinung von jemand der sich eh nicht kümmert.
Ich nehme dich jetzt einfach mal in den Arm und schicke dir ein großes Kraftpaket.
Liebe Grüße Daggi
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  #6  
Alt 01.06.2015, 13:59
Asta69 Asta69 ist offline
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Registriert seit: 11.12.2008
Beiträge: 60
Standard AW: Hospiz - war es wirklich falsch?

Hallo,
und auch mein herzliches Beileid erst einmal.
Ich denke auch, ihr habt alles richtig gemacht und dein Vater wollte es ja auch so.
Die Schwester deines Vaters ist vielleicht im Moment mit sich selbst nicht im Reinen, vielleicht bereut sie jetzt, sich nicht um ihren Bruder gekümmert zu haben. In ihrer Trauer und Hilflosigkeit ist sie nun vielleicht (unberechtigt) wütend auf euch.

Bei meinen Eltern und Geschwistern gibt es diese "Boshaftigkeit" nicht aber ich kenne diese Probleme bei meiner angeheirateten Familie und auch in den angeheirateten Familien meiner Geschwister.
Es ist nicht immer einfach damit umzugehen und man muss sich da manchmal einfach zurückziehen und solche Anschuldigungen nicht an sich heran lassen.

Glaube mir, ihr habt alles richtig gemacht und die Schwester kann es gar nicht beurteilen, weil sie nicht dabei war.
__________________
Zeit ist keine Schnellstraße zwischen Wiege und Grab, sondern Platz zum Parken in der Sonne
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