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Alt 14.12.2014, 16:49
Khatari Khatari ist offline
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Unglücklich Gefühlschaos & Unsicherheit

Hallo! Bei meinem Vater wurde Ende August 2013 die Diagnose Krebs gestellt. Es hieß, er würde nur mehr drei Tage zu leben haben. Eine ziemlich schockierende Nachricht. Aber er war ein Kämpfer und hat es geschafft bis zum 23. August 2014 durchzuhalten. Ich, seine heute 20-jährige Tochter, begleitete ihn mehr oder minder alleine in den Tod. Zumindest fühlte ich mich oft allein gelassen und vollkommen hilflos. Meine Mutter ist bereits 2002 verstorben. Seit ich 13 Jahre alt war, war die Beziehung zwischen meinem Vater und mir eher angespannt. Auch verurteilte ein großer Teil meiner Familie meinen Vater für Dinge, die er früher angeblich getan haben sollte. Folglich war ich die einzige Verwandte, die ihn auf seinem schweren Weg begleiten konnte und auch wollte, denn mein Vater und ich hatten uns wieder einander angenähert und die Beziehung schien wieder halbwegs entspannt. Bis zur Diagnose, versteht sich. Es gab da nur mehr meine Tante, zu der mein Vater zuvor jahrelang keinen Kontakt hatte - und ich natürlich auch nicht. Sie wollte aber den Kontakt wieder aufnehmen und in erster Linie für meinen Vater, aber auch für mich, da sein. Dies gestaltete sich aber schwierig, da sie mehrere Stunden weit entfernt wohnt. Dennoch war und ist es gut zu wissen, dass es sie gibt.

Um nun einmal auf den Punkt zu kommen: Das letzte Jahr war wirklich schwierig. Den bevorstehenden, sicheren Tod meines Vaters konnte ich nie richtig fassen, obwohl ich gestehen muss, mir einige Male gewünscht zu haben, dass es vorbei gehen sollte. Er schien so stark zu sein, trotz immensen Rückschlägen. Im August kam er letztlich ins Krankenhaus, als ich nicht im Lande war. Dann wurde er jedoch wieder entlassen. Wenige Tage später kam er dann auf die Palliativstation, da er nun zum wiederholten Male in Ohnmacht gefallen war und die ambulante Pflege Zuhause nicht mehr genügte. Nach ein paar Tagen auf dieser Station wurde ich als Bevollmächtigte gebeten, ein Gespräch mit der Ärztin zu führen. Diese war der festen Überzeugung, dass mein Vater stabil sei. Zu stabil um auf der Palliativstation zu bleiben. Da die ambulante Pflege Zuhause jedoch keine Option mehr war, wurde ein Platz in einem Pflegeheim organisiert. Das war das letzte, das mein Vater gewollt hätte, aber eine andere Lösung sah ich nicht mehr und er würde dort auch gut aufgehoben sein - dachte ich. Die Verlegung sollte also an einem Montag stattfinden. In der vorherigen Woche war ich einige Tage lang nicht in der Stadt. Vor der Abreise verabschiedete ich mich wie bereits gewohnt von meinem Vater. Er wirkte sehr verwirrt, aber ich machte mir keine weiteren Gedanken, denn sein geistiger Zustand wurde zunehmend schlechter. Ich weiß aber, dass er merkte, dass dies so war. Denn er sah mich oft verunsichert an und er merkte, dass ich seinen wirren Gedanken oft nicht mehr folgen konnte. Ihm war bewusst, wie es um ihn stand, denke ich. Nun. Als ich an dem Samstag jedenfalls wieder Heim kam, bekam ich einen Anruf vom Krankenhaus. Ich ging davon aus, dass es um die Verlegung gehen würde. Stattdessen wurde mir gesagt, dass mein Vater vor einer Stunde verstorben sei. Er hätte das Essen und Trinken vor zwei Tagen eingestellt, seine alten Medikamente verlangt und wäre nur noch im Bett gelegen. Er wäre aber friedlich eingeschlafen. Selbstbestimmt und friedlich konnte er von uns gehen. Das war sein größter Wunsch. Ich jedoch konnte es nicht fassen. Er war doch stabil gewesen.

Jetzt sind schon ein paar Monate vergangen, wir haben Mitte Dezember. Doch erst jetzt merke ich allmählich, wie die Trauer ankommt. Zuvor kam die Traurigkeit nur knallplötzlich in einem Moment, und ging auch genauso schnell wieder. Da blieb nicht einmal die Zeit, eine Träne fließen zu lassen. Ich fand diesen Gefühlszustand sehr irritierend, wollte gerne verarbeiten, was da geschehen war und konnte es aber einfach nicht. Ich war auch nicht in der Lage, das zu beeinflussen. Jetzt, da ich ebenso plötzlich wie zuvor auf ganz seltsame Dinge reagiere oder teilweise nicht einmal einen Auslöser benötige, um in Tränen auszubrechen, finde ich diesen Zustand mindestens genauso irritierend. Ich wünsche mir so sehr, dass ich die Geschehnisse des letzten Jahres endlich verarbeiten könnte, doch ich kann es nicht lenken. Keine Kontrolle über meine Gefühlsausbrüche zu haben, lässt mich wieder derart ohnmächtig und hilflos werden.

Und gerade jetzt merke ich, dass ich gar nicht recht weiß, wieso ich all das hier verbalisiere. Es ist nicht so, dass ich um Rat bitte oder Mitleid möchte. Aber vielleicht wäre es doch erleichternd zu hören, dass meine Reaktionen nicht so sehr von denen abweichen, die Ihr vielleicht hattet.

Da ich nicht weiß, was ich noch schreiben soll, mache ich hier einen Punkt und danke Euch auf jeden Fall für die Zeit, die Ihr Euch genommen habt, um das hier zu lesen.

Nichtsdestotrotz bin ich gespannt auf Eure Antworten.
Khatari
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