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Ein Jahr...
...und 5 Tage ist es nun her, dass meine Frau an Brustkrebs gestorben ist, nach über 20 gemeinsamen Jahren, ziemlich genau 2 Jahre nach der Diagnose. Weiss auch nicht, warum ich gerade schreibe. Vielleicht sowas wie ein Rückblick. Allerdings ziemlich unsortiert, sorry.
Kurz vor Weihnachten 2008 kam meine Frau zum Sterben aus der Klinik nach Hause. Dass sie am Krebs sterben wird, wussten wir schon länger. Und sie wollte das Zuhause tun. Nochmal Weihnachten erleben, ihr Zuhause sehen, Freunde, Familie, Tiere. Das hat zum Glück geklappt, und das war auch das wichtigste. Nachdem das "erledigt" war, hat sie kurz vor Silvester ganz schnell abgebaut und ist am 3.01. morgens um 4 im Beisein von mir und unserem Hund gestorben. Sie war 12 Stunden vorher noch geistig "fit" und hat mit einer Freundin gescherzt. Ihre Schwester kam "zu spät", hatte den frühen Flieger genommen und stand am 3. um 8 vor der Tür. Da war die Hausärztin schon wieder weg und der Formalkram mit Totenschein erledigt. Wir haben meine Frau dann gewaschen und gekleidet, und meine Schwägerin ist während der 3 Tage, die meine Frau Zuhause aufgebahrt war, hier geblieben. Erst später ist mir dann aufgefallen, dass meine Schwägerin eigentlich nicht zu spät gekommen ist, sondern genau richtig. Diese letzten Stunden nach 23 Jahren waren nur für uns beide, und das war gut so. Da hätte, so böse sich das anhört, meine Schwägerin nur gestört. Vor den Feiertagen jetzt hatte ich natürlich ziemlichen Bammel. Aber warum auch immer habe ich mir eine Grippe zugelegt und lag pünktlich Heiligabend mit Fieber im Bett. Stimme war auch weg, also nix telefonieren, konnte erst nach dem 3. wieder aufstehen und ein paar Worte sprechen. Insofern habe ich kaum nachgedacht, sondern die Zeit im Fieberdämmer verbracht. Das war aber nicht das Schlechteste, sorgte unfreiwillig für etwas "Abstand". Mein 2009 war natürlich nicht so besonders. Kann 2010 eigentlich nur besser werden. Von der Stimmung her, gesundheitlich geht's mir zum Glück gut - und dass das das Wichtigste und Einzige ist, was mit allem Wünschen, Hoffen und allem Geld der Welt nicht zu kriegen ist, haben wir ja nun hinreichend erfahren. Trauer und Verzweiflung haben mich erst mit 2 Monaten Verspätung erreicht. Der März war tiefschwarz. Da hatte ich dann den Papagei schon in einer Auffangstation angemeldet und versucht, den Hund loszuwerden. Damit ich die letzte Verantwortung los bin und frei, meiner Frau zu folgen. Den Hund wollte natürlich keiner haben, deshalb habe ich schon längere Zeit mit der Axt in der Hand über seinem Kopf zugebracht. Wenn ich ihn nicht loswerde, muss ich ihn wohl selbst töten, um endlich frei zu sein. Das war knapp, besserte sich aber zum Glück. Hündchen habe ich lieber nicht erzählt, was ich zeitweise mit ihm vorhattte. Nachher bekommt der noch angst vor mir. Danach ging's so lala, wechselnd auf und ab. Die Abschiedsfeier hier für meine Frau im Sommer war nochmal ein Prüfstein (hätte ich am liebsten abgesagt, war aber schließlich versprochen), ihr Geburtstag und unser 10. Hochzeitstag im September auch, und jetzt eben die Jährung von Sterben und Tod. Dann ist mir im Sommer auch noch mein Papagei gestorben, nach über 40 Jahren, so alt wie ich, und mit dem war ich auch seit langem "verheiratet" (sein Partnerersatz). Ausserdem war ein "Pflegefall", seit 10 Jahren blind, und mir schon deshalb besonders ans Herz gewachsen. Naja, dafür sind Hund und Katze wohlauf, und die Hühner haben sich sogar stark vermehrt (der Hahn funktioniert!). Leben geht, aber neues Leben kommt. Was bleibt, ist Trauer, jeden Tag neu. Aber die Zeit fängt langsam an, die Wunden zu heilen. Die verzeifelten Phasen werden weniger und kürzer. Es bleibt auch Dank. An die Foren hier und v.a. an die vielen Freunde, die uns in der schweren Zeit beigestanden haben. Unbezahlten Urlaub genommen und in den nächsten Flieger gestiegen, wenn Not am Mann war. Und auch mich nachher nicht vergessen. Es bleibt auch sonst Gutes, so komisch das klingt, wenn jemand viel zu früh an Krebs stirbt. Als meine Schwägerin, die seit Herbst oft hier war, auch bei der Aufbahrung meiner Frau, und ich hier am 6.01. zusammen in der Küche saßen, nachdem die Tage zuvor Freunde von meiner Frau Abschied genommen hatten und der Bestatter weg war, haben wir auf das Foto meiner Frau an der Wand geschaut und uns gesagt: "Na, wie haben wir das gemacht? Gut haben wir das gemacht! Die Schwester ist bestimmt zufrieden mit uns." Und wir waren gut, auch wenn mitunter einfach Glück dabei war. Meine Frau ist da und so gestorben, wie sie das wollte. Auch wo sie wollte im Friedwald beigesetzt und hier mit einer Feier verabschiedet. Mehr konnten wir nicht tun. Und darauf "zufrieden" zurückblicken zu können, hilft mir oft. Es hätte einiges besser laufen können, natürlich. Aber im großen ganzen war es "gut so". Am Grab meiner Frau war ich immer noch nicht (ist in ihrer alten Heimat, 750 km weit weg). Habe ich auch nicht vor. Um die Entfernung geht's aber natürlich nicht. Ich habe kein schlechtes Gewissen deswegen, weil ich weiss, dass mir das nichts bedeutet. Und meiner Frau auch nicht. Für mich gehört sie hier her, in unser Zuhause, und da hat sie ihren "Grabstein" / Gedenkstein am Gartenteich, wo wir immer am liebsten zusammen gesessen haben. Da bin ich ihr näher als unter einer Buche im schwäbischen Friedwald, und zwar jeden Tag. Für die Zukunft weiss ich auch nicht. Die Trauer wird weniger schlimm, das merke ich. Aber die Einsamkeit wird chronisch und nicht besser. Offenbar habe ich es im Laufe von 20 Jahren "verlernt", allein zu leben. Das ist eine echte Umgewöhnung. Kinder haben wir nicht. Mir fehlen nicht soziale Kontakte allgemein, auch nicht gute Freunde, die ich immer anrufen / besuchen und mit denen ich über alles reden kann. Mir fehlt meine Frau, meine Partnerin. Der Mensch, mit dem man morgens aufsteht, ihn verabschiedet, ihn nachmittags wieder sieht, mit ihm beim Essen sitzt und abends mit ihm schlafen geht. Mit der Gewissheit, dass er morgen und für immer da ist. Den man in- und auswendig kennt und er einen, dem man nichts mehr erklären muss, auf den man sich absolut verlassen kann. Mit dem man immer reden kann, aber nicht muss. Das reissen auch noch so gute Freunde nicht raus. Von daher ist im Alltag mein Hund fast wichtiger als Freunde, denn der ist Tag und Nacht bei mir. Ich wünsche mir schon, dass sich daran was ändert. Und habe nicht vor, den Rest meines Lebens allein zu bleiben. Aber ich habe nicht den Elan und ausserdom große Zweifel, ob ich in meinem Leben nochmal jemdanden so gut kennenlernen und so ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann wie zu meiner Frau. Wir haben ewig dazu gebraucht, und im Momnet denke ich: diesen Stress tue ich mir in meinem Leben nicht mehr an, dafür bin ich einfach zu alt. Kommt mal eine neue Partnerin des Weges, ist es schön (die Auserkorene will mich nicht haben, schon geklärt). Aber das eilt nicht. Und kommt niemand, kann ich immer noch eine WG aufmachen, wenn mir allein die Decke auf den Kopf fällt. 2 Zimmer kann ich problemlos vermieten. Aber das ist Zukunftsmusik. Mal schauen, ich mache mir da keinen Druck. Im Moment ist es ganz OK so, wie es ist. Wenn wieder ein paar beschissene Tage aufeinander folgen, weiss ich ja, dass es auch wieder aufwärts gheht. Und ausserdem werden die Tage wieder länger und bald ist Frühling, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Viele Grüße, Stefan |
#2
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AW: Ein Jahr...
Lieber Stefan,
es tut mir leid das du deine frau gehen lassen musstest.. uch kann mir nicht im geringsten vorstellen wie schwer der verlust is.. dennoch wünsch ich dir ganz viel kraft für das neue jahr.. komm ma her |
#3
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AW: Ein Jahr...
Lieber Stefan,
deine Geschichte habe ich mehr als ein Jahr verfolgt. Ich bin Angehörige und Hinterbliebene (bin auch selbst nicht mehr die Jüngste). Mein Vater starb am 1.8.2009. Wir hatten immer ein Superverhältnis und ich habe ihn sehr geliebt. Er wurde sehr alt und trotzdem hat es bei mir bis jetzt gedauert, dass der Verlust bei mir angekommen ist. Ich war bisher immer nur froh, dass sein Leiden ein Ende gefunden hatte. Nach 5 Monaten fängt die Verzweiflung darüber erst an. Ich hoffe, dass ich mich wieder davon einigermaßen erhole. Meine Mutter kämpft seit 2007 nach wie vor tapfer gegen den Krebs. Wenn ich mich mit deiner Geschichte auseinandersetze muss ich sagen, dass du weit Schlimmeres als ich verkraften musst. Mein Mann lebt (obwohl einiges älter alt ich) und ich habe auch Kinder. Aber allein der Verlust meines Vaters zeigt mir, wie sehr es erst für dich eine Katastrophe gewesen sein muss, deine Frau nach so vielen Jahren zu verlieren. Eigentich wollte ich mit meinem Beitrag nur sagen, dass ich aus deinem Posting Hoffnung schöpfe. Das Leben wird trotz des Verlustes weitergehen. Wir werden weiterleben können, auch wenn wir einen geliebten Menschen verlieren. Hoffentlich kommt das auch in meinem Inneren einmal an. Viele Grüße Viki |
#4
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AW: Ein Jahr...
Lieber Stephan, deine Geschicht ist sehr ergreifend. Bei mir ist es noch kein Jahr her.
Wir waren 39 Jahre, 6 Monate und 5 Tage verheiratet. Dann wurden wir geschieden. Wie sagt man doch vor dem Altar. Bis der Tod euch scheidet. Wenn ich sehe, wie viele heute auseinanderlaufen, wird mir echt schlecht. Wenn man so eine Erfahrung hin sich hat, eine Begleitung zwischen Hoffen und Verzweiflung. Auf und ab. Am Ende muß man das Liebste, was man hatte einfach gehen lassen. Auch wenn man das nicht wirklich will. Auch mein Mann ist für mich nicht auf dem Friedhof. Er ist bei mir, allgegenwärtig. Weihnachten und Sylvester waren sehr schlimm, obwohl meine Lieben da waren. Aber es ist eine große Lücke im Leben. Nichts ist so wie es mal war. Man muß versuchen sich damit zu arrangieren. Ist sehr sehr sehr schwer. Man bleibt allein zurück und fragt sich immer, warum...... Das Leben kann manchmal fürchterlich ungerecht sein. Fühle dich unbekannter Weise mal gedrückt. Ich wünsche dir ein hoffentlich besser 2010. Lg Conny
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Francis *11.09.49 + 16.03.2009 Nichts wird mehr sein wie es war. Wir suchen dich oft und hatten gehofft, die Tür geht auf. Du kommst herein und alles wird wie früher sein. Wenn Liebe könnte Wunder tun und Tränen Tote wecken, so würde dich schon lang nicht mehr die kalte Erde decken |
#5
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AW: Ein Jahr...
Lieber Stefan,
schön, wieder von Dir zu lesen. In Deiner Beschreibung Deiner Gefühle finde ich manches bei mir wieder. Ich bin nun im 17. Monat ohne meinen Mann. Nichts ist mehr wie es war. Silvester war schlimm für mich. Ich habe fassungslos-unverständig festgestellt, dass ich nun ein komplettes Jahr ohne ihn lebe. Es gab für uns kein "Prosit 2009" und es sind einfach so 12 Monate vergangen und wieder begann ein neues Jahr. Wie Conny schreibt "Das Leben kann manchmal fürchterlich ungerecht sein"...Jaa, das sehe ich auch so. Für mich ist mein Mann nicht auf dem Friedhof zu suchen, er ist mir nahe, da, wo ich ihn gerade spüre...da, wo ich an ihn denke. Es hilft mir sehr "damit" zu leben, dass ich weiß, dass zwischen uns nichts offen geblieben ist; dass wir in Liebe Abschied genommen haben. Dennoch: Er hat eine Lücke hinterlassen, die nicht gefüllt werden kann. Diese ganz besondere Einsamkeit ist schwer auszuhalten. Die Erinnerungen schmerzen, aber sie bringen mich auch dazu, zu lächeln, manchmal auch zu lachen. Mein neues Leben fühlt sich immer noch ziemlich "unbewohnt" an. Ein gutes, Hoffnung bringendes 2010 wünsche ich Dir von Herzen! LG Morgana
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Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten. [Indianische Weisheit] |
#6
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AW: Ein Jahr...
Hallo,
danke an alle für den Zuspruch - tut gut! Annett: Ich habe verfolgt, wie es dir geht, und habe immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich damals auf deine Nachricht nicht geantwortet habe. Aber es ging einfach nicht, das war mir zu dem Zeitpunkt zu nahe, da war "Selbstschutz" angesagt. Gerade beim Thema Weihnachten. Meiner Frau war das letzte Weihnachten genau so wichtig wie deinem Sohn. Klar, ein Festessen, obwohl sie ja schon lange nichts mehr essen konnte (und schon bei Essensgeruch an zu kotzen fing). Und natürlich der Baum. So traurig das war, im nachhinein gesehen gab es auch schöne Momente. Als ich meiner Frau in der Klinik sagte, dass ich den Weihnachtsbaum schon gekauft habe, fragte sie gleich nach den Kerzen. Klar, habe ich auch gekauft. Aber doch echte? Natürlich echte, hatten wir doch immer. Wie viele denn? Ich sage, na so 2-3 Packungen, bestimmt 50. Meine Frau: Das reicht doch nicht, da können wir am 1. Feiertag ja schon gar keine Kerzen mehr anzünden. 100 bräuchten wir da mindestens! Es war klar, sie ist so vom Morphium umnebelt, dass sie das nicht mehr einschätzen kann. Aber es war sonnenklar, wie wichtig ihr das war. Also habe ich brav noch Christbaumkerzen ohne Ende dazu gekauft. Aber vorsichtshalber auch elektrische. Und nur die kamen zum Einsatz, weil meine Frau gar nicht mehr in der Lage war, so lange wach zu bleiben und Gesellschaft zu ertragen, wie echte Kerzen brauchen, um runterzubrennen Aber es war trotzdem ein schönes Weihnachten. Auch andere Dinge haben sich kurz vor ihrem Tod einfach "gefügt". Hund und Katze (die wirklich "wie Hund und Katze" sind) z.B. waren, als meine Frau zum Sterben nach Hause kam, zum ersten mal zusammen im Wohnzimmer - und völlig friedlich. Das gab's vorher nie. Die Katze hat auf dem Bett meiner Frau gelegen (nein, die Infusionsschläuche sind kein Spielzeug!) und der Hund daneben gesessen und ihr die Hand abgeschleckt. Wenn mir das 2 Wochen vorher jemand gesagt hätte, hätte ich das nie für möglich gehalten. Zitat:
Uns hätte auch viel Schlimmeres passieren können. Meine Frau hätte im Krankenhaus sterben können, was sie unter keinen Umständen wollte. Dass sie nach Hause kommen konnte, hing letztlich nur an der mobilen Morphium-Pumpe. Hätte der Großhändler da gerade einen Lieferengpass gehabt... Oder sie hätte bei einem Unfall sterben können. Früher dachte ich immer, so ein langsamer Tod wie bei Krebs ist ganz schlimm. Lieber abends einschlafen und morgens nicht mehr aufwachen. Aber im Nachhinein bin ich überzeugt: wenn meine Frau z.B. morgens zur Arbeit gegangen und abends nicht wieder gekommen wäre, wäre das viel, viel schlimmer gewesen. Wir hatten Zeit, konnten wichtige Dinge regeln und Abschied voneinander nehmen. Es blieb nichts offen, wie bei euch. Ich stelle es mir schrecklich vor, jemanden "ohne Vorwarnung" zu verlieren. Wenn so vieles ungesagt ist und so vieles zu bereuen (warum haben wir am Abend vorher noch gestritten...), was nie mehr zu ändern ist. Insofern war es "gut" so, wie es bei uns war. Zum Glück bin ich auch so gestrickt, dass ich mir die "Warum?" Frage normalerweise nicht stelle und auch nicht über die Ungerechtigkeit des Lebens nachdenke. Bzw. nur kurzzeitig in ganz schlimmen Phasen, aber die gehen wieder vorbei. Es war halt so, wie es war. Die Leere und Einsamkeit ist da, und es wird auch niemals einen Ersatz für meine Frau geben. Auch wenn ich sie täglich vermisse und sie zurück wünsche, will ich das eigentlich auch nicht. Was wir hatten, war nicht immer schön, aber einzigartig. Es wird und soll keinen "Ersatz" geben, kein "Zurück" und keine Wiederholung der Vergangenheit. Bestenfalls eine "würdige Nachfolge" für meine Frau. Und das wäre schon sehr viel. Ich fühle auch nicht so wie Annett, dass ich "alles ausschließe, was dir nicht gleicht". Die Frau, die ich liebe und vom Fleck weg heiraten würde (die mich aber nicht haben will), ist das genaue Gegenteil zu mir und meiner Frau. Lebensbejahend, lebensfroh, ein Energiebündel, belastbar, mit voller power nach vorne blickend. Für die sind Depressionen ein Begriff aus der grauen Theorie. Insofern ist es vielleicht gut, dass die mich nicht haben will. Würde wahrscheinlich auf Dauer nicht gut gehen. Was mir mein Leben einfacher macht, ist auch, dass ich das Leben nicht so wichtig finde. Schon gar nicht in der Quantität, und meins sowieso nicht. Ich kenne Depris und Suizidalität seit 30 Jahren. Ich war mehr als die Hälfte meines Lebens mit meiner Frau zusammen, und mit ihrem Tod ist mir das halbe Leben weggebrochen. Was jetzt noch da ist, ist manchmal schlimm, meist erträglich und manchmal sogar ganz OK. Aber es macht keinen Sinn mehr, und es ist nicht mehr wichtig. Völlig egal. Ich trage niemandem gegenüber mehr Verantwortung (mein Viehzeug ausgenommen), und darüber bin ich sehr froh. Mein "final exit" ist vorbereitet, und es interessiert niemanden, ob und wann ich den wähle oder nicht. OK, stimmt nicht, es interessiert doch ein paar gute Freunde. Aber die wissen, dass sie das nichts angeht und dass sie da ohnehin keinen Einfluss auf mich haben. Viele Grüße, Stefan "If you have to go don't say goodbye If you have to go don't you cry If you have to go I will get by Someday I'll follow you and see you on the other side" (Smashing Pumpkins; For Martha) |
#7
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AW: Ein Jahr...
Hallo Stefan,
was ich an Dir so schätze ist, dass Du so ehrlich-brutal beschreiben kannst. Ich erinnere mich in einem anderen Thema (uiiii - was gab es da heftige Diskussionen!) hast Du beschrieben, dass Tod eben nicht immer "appetitlich" sein muß - und ich konnte Dir da nur zustimmen. Was Du für Deine Frau getan hast, das ist...das was eure Beziehung ausmachte: Liebe und Respekt vor dem Willen des anderen. Prima, wie sich das mit "Hund und Katz" gefügt hat. Sie mußten nicht, doch sie haben sich entschlossen gemeinsam bei Deiner Frau zu sein..."Burgfrieden" geschlossen. Ich hatte wochenlang 2 verstörte, sich versteckende Miezen zu Hause, die gefüttert wurden; Klo geräumt - aber ansonsten mit einem schwer in Gedanken versunkenen Frauchen klar gekommen sind. Herrchen mußte ja auf Intensiv sterben...Als ich mit hängendem Kopf nach Hause kam...da haben sie sich vorsichtig zu mir auf die Couch gelegt...ohne zu quengeln, ohne zu fordern... Für mich wäre ein plötzlicher Tod durch Unfall oder so auch viel schlimmer gewesen. Ich habe immer durchaus Angst gehabt, wenn mein Mann "alle Jahreszeiten" mit dem Motorrad unterwegs war...Wäre nicht so lange berechtigte Hoffnung gewesen, dann hätte weder er noch ich die Intensivstation akzeptieren können. Wir waren uns in der Zeit der Hoffnung einig, dass er sich dort gut betreut fühlte -wir hätten nie und nimmer gedacht, dass uns seine einzige(!) Reanimation die Gelegenheit zu einem innigen Abschiedsgespräch geben würde...14 Tage danach durfte er seinen Weg gehen...schmerzfrei...Herzstillstand...Nix mehr mit erneuter Reanimation und Geräte-Zappelei...Nein! Mit der Frage "Warum" habe ich mich auch nicht rum geschlagen. Jaa - durchaus manchmal das Gefühl von verdammt ungerecht! Diese Phasen kommen immer mal wieder...das ist gut so...das ist in Ordnung. Die Leere und die Einsamkeit...Mhmmm...stimme Dir zu, geht mir auch so. Ich lebe mein Leben einen Tag nach dem anderen...mal schauen, wie es so weiter geht...Verantwortung für "die Viecher" habe ich auch. In Gedanken habe ich auch schon "verteilt...auf den Tierschutz"...Hey...als ich so gedanklich damit beschäftigt war...da guckte mich der bis da auf der Fensterbank dösende Kater an als wollte er mir "sagen": "Mach keinen Scheiss, hier ist es voll gemütlich, ich will nicht umziehen!" Da hat er ja irgendwie Recht...Ich bin ja noch gesund und Futterbeschaffungs-fähig... Der "final exit" ist für mich unter von mir festgelegten Kriterien möglicherweise eintretender Lebensbedingungen kein Tabu. Aber...im Moment lebe ich gern, auch wenn das "neue" Leben sich noch sehr fremd anfühlt. Lieber Stefan, ich wünsche Dir alles Gute, Zuversicht und schöne Momente in diesem noch frischen Jahr! Zitat:
LG Morgana
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#8
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AW: Ein Jahr...
Hallo Stefan,
vieles, was du schreibst, kann ich nur unterstreichen. Morgens, wenn ich aufstehe, wer begrüsst mich? Meine Katzen. Wer sitzt neben mir auf dem Sofa? Meine Katzen. Was die Trauer betrifft, so hab ich festgestellt, dass sie sich ändert, wandelt. Wünscht man sich zu Anfang die Partnerin wieder zurück, betrauert man ihren Tod, so kommt mit der Zeit eine neue, verblüffende Komponente hinzu: die Wut, welche fragt "Warum hast du mich verlassen?" im Gegensatz zu "Warum bist du gestorben?". Ich glaube, das ist die Zeit, in der man langsam realisiert, wie absolut die Trennung ist. Der Kopf beginnt langsam zu begreifen, was passiert ist. Die Einsamkeit wird fühlbar. Schmerzhaft fühlbar. Nicht der Tod der Partnerin verursacht diese Schmerzen, sondern die eigene Einsamkeit. Der Wunsch nach neuer Zweisamkeit wird wach. Nicht bei allen, jedoch bei vielen. Wobei wiederum dieser Wunsch auch Ängste hervorruft. Die Angst, einen Ersatz zu suchen. Die Angst, wie geht das? Geht es überhaupt? Kann man je wieder so lieben? Kann ich mich in diesem Zustand überhaupt jemandem zumuten? Stelle ich Vergleiche an? Die Angst, nie mehr jemanden zu finden. Die Angst, weil man nicht mehr richtig weiss, mit einer anderen Frau umzugehen, um sie zu werben. Schliesslich ankerte man in einem relativ sicheren Hafen, all die Jahre. Fast 35 waren es bei mir. Und dann erste tappsige Versuche, bei denen man danebenliegt. Was einen nicht gerade aufbaut. Ich glaube, nicht verzweifelt suchen ist die Lösung, sondern sich aktiv finden lassen. Seltsame Wortwahl. Doch mir scheint sie die Lösung zu sein. 'Sich finden lassen' bedeutet Passivität. Wieso dann aktiv? Kann das auch nicht so ganz erklären. Vielleicht sowas wie Aufmerksamkeit verschenken oder einfach nur zeigen, wie auch immer, dass man wieder gewillt ist, sich auf dieses Abenteuer einer neuen Partnerschaft einzulassen ohne x-beliebig zu werden. Ich habe jetzt bald 2 Jahre hinter mir. Einige Zeit dachte ich, ich hätte es geschafft. Pustekuchen! Wie du selber schreibst, werden die Abstände grösser. Eine zeitlang waren sie auch nicht mehr so tief, die Löcher. Das ist ein Irrtum. Sie sind zwar seltener geworden, jedoch auch wieder härter, schmerzhafter aber anders eben. Womit das zusammen hängt? Ich weiss es nicht. Alles Gute Helmut Was vergessen: Was mir an deinen Postings auffällt, ist dein aufblitzender Humor. Ohne diesen Humor, den ich auch für mich reklamiere, wäre es einfach unerträglich. OK, lachen ist gesund also üben wir uns darin!
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. Geändert von HelmutL (10.01.2010 um 23:44 Uhr) Grund: Was vergessen....... |
#9
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AW: Ein Jahr...
Hallo,
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Früher hatte ich das gar nicht registriert, ich war ja nicht betroffen. Habe keinen Gedanken daran verschwendet, wie es für andere ist, lange Zeit allein zu leben. Dann aber habe ich Freunde "ausgefragt", wie sie damit umgehen. Und es gibt fast keine(n), die/der gern allein lebt. Ich glaube, dafür ist der Mensch als "soziales Tier" auch nicht geschaffen. Das kann auf Dauer nicht gut sein. Zitat:
Für mich sehe ich zwei "Probleme". Das eine ist, dass ich sehr misstrauisch bin und lange brauche, um Menschen zu vertrauen. Ich habe mich nie spontan verliebt, sondern in Frauen, die ich schon lange kannte und mit denen ich schon lange im Alltag zusammen war. Meine Frau kannte ich an der Uni anderthalb Jahre, fast täglich gesehen, auch in der Freizeit, bis es dann "funkte". Meine jetzige (die nicht will) kenne ich seit fast 10 Jahren. Und es hat auch bei der fast 2 Jahre gedauert, bis ich der völlig vertraut habe. Das Problem dabei ist natürlich, dass wir alle nicht jünger werden und in einem "eingefahrenen" Leben die Wahrscheinlichkeit, jemanden über eine so lange Zeit kennenzulernen, ziemlich gering ist. Wenn Leute im "Mittelalter" eingebunden sind in Beruf, "Restfamilie", Dorfgemeinschaft usw. - da sieht man halt immer die gleichen Leute, hat auch viel weniger Zeit. Nicht so wie damals in der Jugendzeit, wo man an Schule oder uni hunderte von Leuten gesehen hat und bei Bedarf immer spontan Zeit hatte und viel unternehmen konnte. Das andere ist, dass meine Frau und ich mit dem "sicheren Hafen" natürlich etwas hatten, was lange und hart erarbeitet war. Meine Frau wollte mich erst nach 12 gemeinsamen Jahren heiraten. Erst da hatten wir so viele Krisen durch, dass auch sie gedacht hat: ja, das hält für's Leben. Also liegt die "Messlatte" für eine "würdige" Nachfolgerin sehr hoch. Und natürlich stelle ich Vergleiche an. Und zwar sehr kritische. Weil ich mir sage: wenn ich in meinem Alter nochmal soviel "Beziehungsarbeit" leisten soll wie meine Frau und ich damals, dann nicht für irgendjemanden. Sprich: ich bin da nicht besonders "kompromissbereit". Und auch viel andspruchsvoller als früher, was die nötige Toleranz einer Partnerin gegenüber meinen vielen Macken betirfft. He, ich bin Mitte 40, ich habe meine guten und schlechten Eigenschaften, und im großen Ganzen bin ich mit mir meist so halbwegs im Reinen. Da habe ich lange für gebraucht, und das gebe ich nicht auf. Und ich will gar nicht mehr so flexibel sein, mich um einer Partnerschaft willen "umkrempeln" zu lassen. Simples Beispiel: ich werde mein Zuhause, den kleinen Bauernhof am Arsch der Welt, nicht aufgeben. Absolut unvorstellbar, in eine Stadtwohnung zu ziehen. Oder Hündchen abzugeben. Für niemanden. Weil ich genau hier hingehöre. Wenn das nicht akzeptiert wird, dann lieber allein mit Haustieren oder Rentner-WG statt 2er-Beziehung. Oder Fern- / Wochenendbeziehung. Solche Ansprüche engen die Auswahl natürlich ziemlich ein Auch sonst stehe ich nicht besonders unter Druck. Sex interessiert mich gar nicht (Libidoverlust ist halt die klassische Nebenwirkung von Antidepressiva). Körperliche Nähe vermisse ich schon mitunter, aber auch nicht allzu oft. Ich bin eher "unnahbar" - "unkörperlich", darüber hat meine Frau sich all die Jahre beschwert, war unser größtes und chronisches Partnerschaftsproblem. Gemeinsames Schlafzimmer ist mit mir nicht, soviel Nähe macht mich nervös, dann werde ich unerträglich. Wenn ausser mir einer jede Nacht in meinem Bett schlafen darf, dann ist es die Katze. Und sonst niemand. OK, der Hund dürfte auch, wenn er nicht so groß (40 kg Klasse), dreckig und haarig wäre... Zitat:
"Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber ich habe vorsichtshalber immer frische Unterwäsche zum Wechseln dabei." Ich bin also vorbereitet, falls das Unglaubliche eintreten sollte Viele Grüße, Stefan Viele Grüße, Stefan Geändert von Stefans (13.01.2010 um 15:01 Uhr) Grund: was vergessen |
#10
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AW: Ein Jahr...
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Hallo Stefan, auch ich liebe den schwarzen...vor allem den Galgenhumor. Woody Allen und ich und Bette Middler haben jährlich den Geburtstag gemeinsam...das hat wohl auf mich abgefärbt Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens (k.A. von wem das ist) Nach dem Untergang der Titanic laß' uns jeder eine Holzplanke schnappen und einfach mal übers Meer schippern....gibt bestimmt was zu gucken...und wenn uns nur ne Möwe auf den Kopf schxxt....ich glaube HelmutL würde bestimmt mit-paddeln und mit einer Hand photographieren.... Grüß mir Katz und Hund! LG Morgana
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Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten. [Indianische Weisheit] |
#11
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AW: Ein Jahr...
Hallo Morgana,
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Mit Hündchen habe ich vorhin im Schnee (er _liebt_ Schnee, wie wohl alle Hunde) sein Lieblingsspiel gespielt: Klau mir doch den Ball, wenn du kannst! Natürlich kann ich nicht, schließlich ist Hündchen viel schneller als ich und hat die bessere Kondition. Deswegen ist es ja sein Lieblingsspiel, weil da gewinnt er immer. Ich pfeife nach 10 Min. auf dem letzten Loch, und er guckt mich (aus sicherer Entfernung natürlich) erwartungsvoll wedelnd an und fragt "was ist los, Weichei, wieso gibst du schon auf ???" Natürlich könnte ich ihn zu mir rufen und ihm befehlen, den Ball fallen zu lassen... aber ich bin doch kein Spielverderber Zitat:
Aber das ging doch nicht. Ich musste sie allein lassen, hatte ja "nebenher" noch einiges zu tun und musste auchmal schlafen Jedenfalls, da habe ich versagt, ich konnte ihr diese schlimmste Angst nicht nehmen, und das beschäftigt mich nachhaltig. Ich weiss aber auch nicht, wie ich es anders / besser hätte machen können ?!?! Viele Grüße, Stefan |
#12
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AW: Ein Jahr...
Hallo Stefan,
Ach ja.... mit den Planken meinte ich ja ...auch: Egal, was kommt...Absaufen...ein bißchen plätschern...der Horizont ist weit...und dahinter...vieleicht wartet ja (doch) jemand.... Allerdings ist gegen ein letztes Getränk im Salon - gerne Champagner oder ein guter Roter nix einzuwenden...wenn die Wellen zusammenschlagen...der Kellner längst das Weite gesucht hat...dann rollen uns die Flaschen mit samt Kübel entgegen.... "Schiffbruch erleiden"...hat man wirklich verloren? Nö, ich denke, wie auch immer, ein Prost auf den Untergang oder ein Prost auf das was noch kommt = Prosit (lat. es möge nützen ). Meine Katze (klein-knappdreifarbiggemustert-gut durchorganisiert) lebt ja ausschließlich häuslich. Sie ist der Typ für "Reich mir mal nen Schraubenzieher, die Schranktür krieg ich auf". Sie findet alles, was sie haben möchte! Wohingegen der Kater (wesentlich grösser-weißgrau-Sensibelchen) seinen Charme mit Mandel-förmigen Augen und herzerweichendem Miauen verbreitet. "Ach ist der süüüß" - so ein Typ ist das! Respekt, dass Du so ein guter Verlierer bist mit Hündchem im Schnee. Ich glaube Hund liebt Dich dafür! Schnee...das ist für mich sowas Grausliches. Ich mag den Winter so gar nicht. Es ist kalt - und es ist weiß...und ich mag die Farbe Weiß nicht. Sie strengt mich an, weil ich da irgendwie nix mehr sehe außer Weiß und ich mag kein Weiß! Wenn erst die ersten lila Krokusse rauskommen, dann...könnte ich heulen vor Freude! Ja....die Angst Deiner Frau, die Du beschreibst...da habe ich ähnliche Erfahrungen mit meinem Mann, die mir auch im Gedächtnis herumspuken... Ich konnte ihm seine Angst auch nicht nehmen! Ich habe ihn in den Armen gehalten...."unser" Lied vorgesungen...ihm gesagt, dass es ok ist, wenn er gehen will...Ich glaube, diese Angst ist so archaisch, dass die Weiterlebenden an ihre Grenze geraten. Ich habe ja Deine Geschichte gelesen und ich bin überzeugt, dass Du es so richtig gemacht hast. Du hättest nicht mehr tun können, Du hättest nichts anders machen können. Ja, es schmerzt daran zu denken. Doch Du darfst stolz auf Dich sein...wenn Du mal in Gedanken alle Momente durchgehst, die Du mit Deiner sterbenden Frau gelebt hast...da wird es "rund" und dieser nagende Gedanke, der wird schwächer vor dem Liebesdienst den Du an ihr geleistet hast! LG Morgana
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#13
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AW: Ein Jahr...
Zitat:
Stefan, dein Hund ist ein schlaues Kerlchen. Er weiss genau, dass, wenn du rufst, er gehorchen muss. Gerade deshalb steht er so auf deiner Seite, wenns drauf ankommt. Warum Hunde allerdings den Schnee lieben ist mir ein Rätsel. Obwohl ich bereits oft ebensolches beobachten konnte. Ein grosses Problem mit neuer Partnerschaft ist ja auch das: der/die Andere hat genau wie wir ihre Eigenarten, Ecken und Kanten, Gewohnheiten, die er/sie nicht aufgeben möchte/kann. Wir alle sind nicht mehr so biegsam wie vor vielen Jahren. Sah man in der Jugend über so manche Eigenart der Partnerin oder des Partners hinweg oder gewöhnte sich eben daran, so wird das mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Auch in der Hinsicht wird man müde und will nicht mehr. Ich z.B. liebe es meine Socken vors Bett auf den Boden zu werfen, was für andere bereits ein Scheidungsgrund ist . Die Sexualität, das ist ein zweischneidiges Schwert. Sie bekommt mit zumehmendem Alter einen ganz anderen Stellenwert als in der Jugend. Nicht mehr der "Arterhaltungstrieb" steht im Vordergrund sondern eher der Spass an der Freude. Ich konnte feststellen, dass sie sogar viel intensiver wird, weil gänzlich ohne Zwänge. Was ich allerdings am meisten vermisse ist einfach Körperwärme. Dass jemand da ist, an den man sich anlehnen kann. Nicht nur körperlich sondern auch mental. Genau so wichtig ist, dass man jemand in die eigenen Arme nehmen kann, wenn er/sie es möchte. Nicht mehr gegen die Wand reden und mein Echo hören und gegen ein bisschen kribbeln im Bauch hätte ich auch nichts einzuwenden. Dazu braucht es nicht unbedingt ein ständiges, räumliches Zusammensein. Jeder sollte seinen Freiraum haben. Den brauchen wir, die Narben sind zu tief bei allen Beteiligten. Deiner Frau hättest du diese Angst auch nicht nehmen können, wenn du tatsächlich an ihrem Bett geblieben wärst. Es war ihre Angst, ihr ureigenstes Gefühl. Das kann man teilen, gemeinsam erleben, jedoch nicht abnehmen. Das geht nicht, nicht in dieser Situation. Sie hatte diese Angst auch, als du ihre Hand hielst. Eure Wege hatten sich da bereits getrennt. war schon lange kein gemeinsamer Weg mehr. Du konntest den ein oder anderen Stein aus ihrem Weg räumen. Gehen musste sie ihn alleine, letztendlich. Diese Steine hast du beseitigt, mehr konntest du nicht tun, mehr stand nicht in deiner Macht. Sie hatte nur noch ein einziges, grosses Ziel, du hattest Verantwortung für dich und andere. Also mach dir deswegen keinen Kopf. Ich weiss, dass diese Gedanken immer wieder kommen, der Kasten da oben zwischen den Ohren lässt sich nicht abschalten. Nur, irgendwann findet man ehrliche, stichhaltige Gegenargumente. Tja, die lieben Haustiere. Meine beiden Katzen sind eher von dem Typ: "Ich mag dich, weil du den Dosenöffner bedienen kannst." oder "Ich mag dich, weil, wenn du auf der Couch liegst, man so schön weich und warm auf deinem Bauch schnurren kann." . Alles Liebe Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. |
#14
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AW: Ein Jahr...
Zitat:
ich habe schon oft bei Dir gelesen, aber noch nie geschrieben... glaube ich. Das was Du da beschreibst, ja... genauso geht es mir auch. Meine Mama hat vom Tag der Diagnose an JEDEN Tag geweint dass sie nicht sterben will, dass sie solche Angst davor hat. Einmal bat sie mich sogar ihr zu versprechen dass sie nicht sterben muss. Ich dachte manchmal ich werde verrückt. Als es ihr immer schlechter ging sah sie, unter anderem, meinen Vater. Sie waren schon lange bevor er starb geschieden, und diese Scheidung war der klassische Rosenkrieg. Bevor er auszog gab es oft Streit, er demütigte sie, er schlug sie... Kurz vor ihrem Tod sagte sie, dass er da gewesen sei... er habe überall weisse Tücher ausgelegt. Ich interpretierte das spontan als Friedensflaggen... Sie weinte dass sie Angst habe dass er sie "da oben" weiter quälen würde. Als ich ihr antwortete dass er das sicherlich nicht tun würde, ich sei sicher dass, wenn er sich "da oben" nicht benimmt, er eh rausfliegt. "Meinst Du?!?!?" "Na klar, wenn er da rumstreitet fliegt er raus" Ich glaube dieser Gedanke hat ihr ein bisschen gefallen, zumindest entlockte es ihr ein Lächeln. Trotzdem... gute zwei Wochen bevor sie starb schaute sie mich nicht mehr an... starrte nur ins Leere. Wenn ich mich in ihren Blick stellte... weinte sie wieder... weinte dass sie nicht sterben will, dass sie so entsetzliche Angst hätte. Und ich? Ich konnte ihr nicht helfen... ich konnte es nicht verhindern. Ich war hilflos,.... und dadurch auch manchmal taktlos. Einmal sagte ich: "Ich weiss Mami, aber irgendwann müssen wir alle sterben... es ist die einzige Garantie im Leben die wir haben" Ich fand es etwas taktlos, kaum dass ich es ausgesprochen hatte... sie aber fand es fast beruhigend. Wir haben getan was wir konnten... ich habe den Palliativdienst gefeuert und war wild entschlossen das auch alleine mit dem Hausarzt zu schaffen... 36 Std. hatte sie Ruhe... leider nur 36 Std. ich wünschte heute ich hätte den Dienst viel viel früher gefeuert... oder am besten gar nicht erst dazugeholt... Aber... 36 Std. hatte sie Ruhe... immerhin. Und als sie dann ging... hatte ich sie feste im Arm... eine Hand hielt mein Mann, die andere hielt Julia, meine Tochter. Mehr ging nicht, und obwohl ich auch etwas Angst vor dem "danach" habe... ich hätte ihr diesen Weg gerne abgenommen. Sterben ist in den seltensten Fällen wie im amerikanischen Spielfilm... ein gütiges Lächeln des Sterbenden,... in blütenweisser Bettwäsche... leichtes Make-Up und ein gehauchtes "Ich danke Dir, für alles"... und dann werden die Augen geschlossen und das war es. Schön wäre es,wenn es so wäre... war es aber nicht... Ich kann nur hoffen dass ich sie mit meiner Hilflosigkeit nicht noch mehr gequält habe als die Krankheit es schon tat... und dass sie in Frieden gehen konnte. Ich hoffe es... Lieber Stefan, lieber Helmut... ich drück euch jetzt einfach mal ungefragt... Alles Liebe Jasmin Und jetzt... wünsche ich mir nur noch einmal 5 min. mit ihr...
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Meine Mama: ED 12.11.2008 Kleinzelliges Bronchialkarzinom, T4 N3 M1 (multiple Hirnfiliae) 4 Zyklen Cisplatin und Etoposit, Ganzhirnbestrahlung, dann Tumorprogression, April 09 neue Lungenmetastasen und obere Einflussstauung. Keine weitere Kontrolle, keine Chemo mehr... nur Hoffen auf ein kleines bisschen mehr Lebensqualität...Am 28.07.2009 um 11:26 Uhr Meine Mama ist in meinen Armen für immer eingeschlafen... |
#15
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AW: Ein Jahr...
ein stiller gruß stefan
lg gitti
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mein Mann: Adenokarzinom man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt trotzdem wenn es dunkel ist - Kafka |
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